Gericht | OLG Brandenburg 2. Zivilsenat | Entscheidungsdatum | 25.11.2020 | |
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Aktenzeichen | 2 U 66/18 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2020:1125.2U66.18.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das am 27.07.2018 verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder), Az. 12 O 11/18, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.
I.
Die Klägerin begehrt im Wege des Schadensersatzes nach dem als Landesrecht fortgeltenden Staatshaftungsgesetz der DDR und Amtshaftungsgrundsätzen vom beklagten Zweckverband die Erstattung der von ihr aufgrund eines Bescheides des Beklagten gezahlter Anschlussbeiträge.
Das Landgericht hat die Klage mit dem am 27.07.2018 verkündeten Urteil abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen Bezug genommen auf die Senatsentscheidung vom 17.04.2018 zum Az.: 2 U 21/17. Danach komme ein Schadensersatzanspruch nicht in Betracht, da der Sachverhalt nicht § 1 StHG/DDR unterfalle und es für einen Amtshaftungsanspruch bereits am Verschulden der Beamten fehle. Auf das Urteil wird wegen der tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen Bezug genommen.
Gegen dieses, ihrem Prozessbevollmächtigten am 02.08.2018 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit am selben Tag bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom 16.08.2018 Berufung eingelegt und innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 30.10.2018 begründet. Unter Vertiefung der rechtlichen Ausführungen ist sie der Ansicht, das landgerichtliche Urteil sei fehlerhaft, da hier kein Fall legislativen Unrechts vorliege, sondern vielmehr die Anwendung der Vorschrift objektiv rechtswidrig erfolgt sei. Die vom Senat in der zitierten Entscheidung geäußerte Rechtsauffassung treffe aus näher dargelegten Gründen nicht zu. Vielmehr hätte der Beklagte bereits auf der Grundlage der Satzung aus dem Jahr 1992 einen Herstellungsbeitrag erheben können und sei nach Ablauf der Festsetzungsverjährungsfrist von 4 Jahren an der Festsetzung gehindert. Jede andere Sichtweise würde dem vom Bundesverfassungsgericht festgestellten Rückwirkungsverbot und dem Vertrauensgrundsatz widersprechen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 27.07.2018, Az. 12 O 11/18, den Beklagten zu verurteilen,an sie 470,35 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 4 % p.a. vom 28.09.2011 bis 13.02.2018 sowie 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.02.2018 (Rechtshängigkeit) sowie 83,54 € außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.02.2018 (Rechtshängigkeit) zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er wiederholt und vertieft den erstinstanzlichen Vortrag. Der Bescheid sei – worauf das Landgericht nicht eingegangen sei – bereits nicht rechtswidrig. Vor 2005 habe keine wirksame Satzung bestanden. Zudem bestehe eine Anschlussmöglichkeit i.S.d. § 8 Abs. 7 KAG Bbg erst seit 2001.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die vom Landgericht zugelassene Berufung der Klägerin ist offensichtlich unbegründet. Es geht weder um eine Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Das Rechtsmittel bietet zudem schon aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung keine Aussicht auf Erfolg. Denn das Urteil beruht weder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von § 546 ZPO, noch rechtfertigen die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten und nach § 529 ZPO vom Senat seiner Entscheidung zu Grunde zu legenden Tatsachen eine abweichende Beurteilung (§ 513 Abs. 1 ZPO). Ebenso wenig ist eine mündliche Verhandlung über die Sache gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO geboten.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 470,35 € aus der Inanspruchnahme zur Zahlung eines Herstellungsbeitrages mit dem an die Zedentin Frau R… S… gerichteten Bescheid vom 10.05.2011 aus § 1 Abs. 1 StHG oder § 839 Abs. 1 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG.
Ob, worauf das Landgericht und der Senat in seiner Entscheidung vom 17.04.2018 (Az. 2 U 21/17) abgestellt hat, der Anwendungsbereich des Staatshaftungsgesetzes überhaupt eröffnet ist, oder – wie der Senat in der genannten Entscheidung weiter ausgeführt hat – § 79 Abs. 2 BVerfGG sowie ein fehlendes Verschulden der Bediensteten des Beklagten im Rahmen des § 839 BGB einem Anspruch entgegensteht, bedarf hier keiner Entscheidung. Denn der Senat folgt den Ausführungen des Bundesgerichtshofes in dem im Wesentlichen gleich gelagerten Fall im Urteil vom 27.06.2019 (Az. III ZR 93/18). Danach war auch mit Blick auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 12.11.2015 (Az. 1 BvR 2961/14; 1 BvR 3051/14) bei Erlass des Herstellungsbescheides weder gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 4b KAG Bbg i.V.m. §§ 169, 170 AO Festsetzungsverjährung eingetreten, noch standen allgemeine Vertrauensschutzgesichtspunkte der Beitragserhebung entgegen. Der Bescheid ist mithin nicht rechtswidrig und vermag einen Schadensersatzanspruch nicht zu begründen.
1.
Der Senat hat eigenständig die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes zu prüfen. Wird der Amtshaftungsanspruch darauf gestützt, dass die Amtspflichtverletzung im Erlass eines rechtswidrigen Verwaltungsakts besteht, so haben die Zivilgerichte die Rechtmäßigkeit dieses Verwaltungsakts ohne Rücksicht auf seine Rechtswirksamkeit zu überprüfen Diese Prüfungspflicht besteht auch dann, wenn der Geschädigte es unterlassen hat, den Verwaltungsakt mit den dafür vorgesehenen Rechtsbehelfen anzufechten; die Bestandskraft wird durch die in die Vorfragenkompetenz der Zivilgerichte fallende Beurteilung der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes nicht berührt (BGH, Urteil vom 15. November 1990 – III ZR 302/89 –, BGHZ 113, 17-26, Rn. 12).
2.
Die Klägerin nimmt vergeblich für sich in Anspruch, der Bescheid vom 10.05.2011 sei rechtswidrig, weil bereits die Festsetzungsverjährung eingetreten sei.
Dies gilt bereits deshalb, weil § 8 Abs. 7 KAG Bbg. in der Fassung der Bekanntmachung vom 31. März 2004 Anwendung findet. Denn der Beklagte hat mit der Berufungserwiderung vom 27.11.2018 unwidersprochen vorgetragen, die für § 8 KAG Bbg maßgebliche Anschlussmöglichkeit habe erst seit 2001 bestanden. Zuvor sei das unbebaute Grundstück weder angeschlossen gewesen, noch sei Schmutzwasser entsorgt worden. Die Klägerin hat sich hierzu nicht verhalten und auch erstinstanzlich lediglich pauschal vorgetragen, es habe eine Anschlussmöglichkeit vor Oktober 1990 gegeben.
Aber auch nach dem Vortrag der Klägerin selbst besteht ein solcher Schadensersatzanspruch nicht. Der Senat folgt dem Bundesgerichtshof in seinen Erwägungen im Urteil vom 27.06.2019 und nimmt ergänzend auf diese Bezug, nach denen bereits im Anwendungsbereich des § 8 Abs. 7 KAG a.F. für den Beginn der Festsetzungsverjährung eine rechtswirksame, mithin auch materiell wirksame Beitragssatzung erforderlich ist. Die Festsetzungsverjährung kann mithin erst zu diesem Zeitpunkt und nicht rückwirkend in Gang gesetzt werden. Sowohl der Wortlaut der Vorschrift wie auch die Genese des Gesetzgebungsverfahrens und des Verfahrens zur Änderung des § 8 Abs. 7 KAG, die Systematik und Sinn und Zweck der Vorschrift sprechen für eine solche Auslegung. Auch die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts lässt eine Beitragspflicht erst entstehen, wenn eine rechtswirksame Satzung vorliegt (vgl. nur Oberverwaltungsgericht für das Land Brandenburg, Urteil vom 08. Juni 2000 – 2 D 29/98.NE –, Rn. 43, juris). Nur auf einer rechtswirksamen Basis kann eine Behörde Beiträge erheben. Dies hatte der Gesetzgeber bei Fassung des § 8 Abs. 7 KAG a.F. im Blick, wenn er auf das „Inkrafttreten“ der Beitragssatzung als Tatbestandsvoraussetzung für einen Beitrag abstellt.
Den weiterführenden Erwägungen des Oberverwaltungsgerichts, nach denen die Beitragspflicht auf den Zeitpunkt, in dem die Gemeinde oder der Zweckverband erstmals eine Beitragssatzung in Kraft setzen wollte, zurückwirken soll (OVG a.a.O. ebenso Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 04. September 2019 – OVG 9 S 18.18 -, Rn. 18 ff., juris) vermag der Senat nicht beizutreten. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofes, der der Senat folgt, steht diese Auslegung nämlich nicht mit dem Willen des Gesetzgebers in Einklang. Der Bundesgerichtshof hat in der v.g. Entscheidung (Rnrn. 12 bis 15, 27 bis 50) überzeugend und nachvollziehbar ausgeführt, dass sich der Gesetzgeber insoweit an der in Nordrhein-Westfalen geltenden Regelung und insbesondere an der dort seinerzeit geübten Praxis orientieren wollte. Bis zur Aufgabe der oberverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung im Mai 1999 konnte die Regelung auch vom Gesetzgeber nur so verstanden werden, dass die Beitragspflicht erst mit dem Inkrafttreten der ersten gültigen Satzung entstand, also vorherige Beitragssatzungen, die an zur Unwirksamkeit führenden Mängeln litten, für die Frage des Zeitpunkts des Entstehens der Beitragspflicht und damit für den Eintritt der Festsetzungsverjährung unerheblich sein sollten (vgl. dazu Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18. Mai 1999 – 15 A 2880/96 –, Rn. 39ff, juris). Aufgrund der auch von der obergerichtlichen Rechtsprechung anerkannten besonderen Umbruchsituation im Land Brandenburg kann zudem nach Sinn und Zweck der Vorschrift sowie aufgrund der Tatsache, dass es dem Satzungsgeber überlassen blieb, die Beitragspflicht auf einen späteren Zeitpunkt als das Inkrafttreten der Satzung hinauszuschieben, davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber die Beitragspflicht in zeitlicher Sicht an eine materiell wirksame Rechtsgrundlage anknüpfen wollte und nicht ausschließlich an die tatsächliche Fertigstellung der Erschließungsanlage, wie er es im Übrigen mit der Neufassung des § 8 Abs. 7 KAG im Jahr 2004 ausdrücklich erklärte und im Abgabenrecht seine rechtliche Entsprechung findet. Damit fehlt der Annahme, eine wirksame Beitragssatzung müsse auf den Zeitpunkt der ersten wenn auch unwirksamen Satzung zurückwirken, die Grundlage (im Ergebnis ebenso für das Land Sachsen-Anhalt Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 17. Februar 2016 – 4 L 119/15 –, Rn. 59; BVerwG, Beschluss vom 08. März 2017 – 9 B 19/16 –, juris).
Nach allem ist nicht auf die erste Satzung des Beklagten aus dem Jahr 1992 abzustellen. Wie der Beklagte unter Hinweis auf die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte zutreffend dargelegt hat und letztlich von der Klägerin nicht substantiiert in Frage gestellt wird, ist diese Satzung unwirksam. Ebenso wie die weiteren Satzungsversuche bis zum Jahr 2005 wird sie den formalen und inhaltlichen Anforderungen nicht gerecht. Nicht nur, dass keine Regelung für Altanschließer enthalten ist, bleibt der Beitragsmaßstab mit Blick auf die Anzahl der zu berücksichtigenden Vollgeschosse bzw. der Tiefenbegrenzung unzureichend (vgl. nur VG Frankfurt (Oder), Urteile vom 02. November 2007, - 5 K 12/03 - und vom 29. Februar 2008,- 5 K 2069/04 -; Urteil vom 20. Oktober 2011 – 5 K 891/08 –, Rn. 23; Urteil vom 15. April 2015 – 5 K 1213/11 –, Rn. 21, juris). Bereits in erster Instanz hat der Beklagte hierauf unter Verweis auf die Satzungshistorie entsprechend und letztlich unwidersprochen vorgetragen. Es ist daher nicht ersichtlich, dass vor dem Jahr 2005 eine wirksame Beitragssatzung vorlag.
Rechtsgrundlage für den Beitragsbescheid vom 10.05.2011 ist mithin die Beitragssatzung des Beklagten vom 02.12.2009. Dabei kann dahinstehen, ob erst die beitragsrechtlichen Bestimmungen dieser Schmutzwasserbeitragssatzung die erste rechtswirksame Schmutzwasserbeitragssatzung verkörpern oder ob bereits Bestimmungen der vorhergehenden Schmutzwasserbeitragssatzung vom 19.10.2005 rechtswirksam waren. Denn im letzten Fall ergibt sich betreffend das bereits an die Anlage angeschlossene klägerische Grundstück als Zeitpunkt für die Entstehung der sachlichen Beitragspflicht das Datum des Inkrafttretens am 01.01.2006. Daran anknüpfend begann die Festsetzungsverjährung frühestens mit Ablauf des 31.12.2006 und lief gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 4b KAG Bbg i.V.m. §§ 169, 170 AO zunächst bis zum 31.12.2010 (vgl. Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 23. Juli 2013 – OVG 9 B 64.11 –, Rn. 63; Beschluss vom 28. Juni 2017 – OVG 9 S 14.16 –, Rn. 13, juris). Da mithin zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des § 12 Abs. 3a KAG Bbg i.d.F.v. 02.10.2008 die Festsetzungsverjährung noch nicht eingetreten war, konnte die Festsetzungsfrist erst am 31.12.2011 ablaufen. Bereits zuvor wurde der Bescheid erlassen.
3.
Mit dieser Auslegung, insbesondere mit der Anwendung der Vorschriften des KAG Bbg in der ab dem Jahr 2004 geltenden Fassung setzt sich der Senat weder in Widerspruch zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 12.11.2015 (BVerfG a.a.O.) noch ist er durch die abweichende Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte hieran gehindert.
a)
Das Bundesverfassungsgericht hat die Vorschrift des § 8 Abs. 7 KAG Bbg n.F. nicht für verfassungswidrig erklärt. Lediglich die Anwendung des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG Bbg n.F. in Fällen, in denen Beiträge nach § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG Bbg a.F. im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Neuregelung nicht mehr hätten erhoben werden können, verstößt gegen das rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot (BVerfG, stattgebender Kammerbeschluss vom 12. November 2015 – 1 BvR 2961/14 –, Rn. 39, juris). Dabei stützt sich das Bundesverfassungsgericht im Wesentlichen auf zwei Gesichtspunkte:
1. Nach § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG Bbg a.F. in seiner Auslegung durch das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg war für den Zeitpunkt der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht der Zeitpunkt der ersten Beitragssatzung mit formellem Geltungsanspruch maßgeblich. Für die Frage, zu welchem Zeitpunkt die sachliche Beitragspflicht entsteht, war danach unerheblich, ob die erste Satzung wirksam war (BVerfG, a.a.O., Rn. 45, juris). Für die Beantwortung der Frage, ob eine rückwirkende Regelung aus verfassungsrechtlicher Sicht als konstitutiv zu behandeln ist, genügt die Feststellung, dass die geänderte Norm in ihrer ursprünglichen Fassung von den Gerichten in einem Sinn ausgelegt werden konnte und ausgelegt worden ist, der mit der Neuregelung ausgeschlossen werden soll (BVerfG, a.a.O., Rn. 49, juris).
Ausgehend von der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg hat das Bundesverfassungsgericht mithin zugrunde gelegt, dass eine Beitragspflicht immer nur dann wirksam entstehen konnte, wenn die Satzung auf den ersten Satzungsversuch zurückwirkte. In diesem Fall wäre danach bereits Festsetzungsverjährung eingetreten. Wird nunmehr allein auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens einer wirksamen Satzung abgestellt, liegt nach den weiteren Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts eine Rückwirkung vor, die mit der Verfassung nicht vereinbar ist. Eine Ausnahme von dem daraus folgenden Verbot der Rückwirkung lässt sich unter keinem Gesichtspunkt begründen.
2. Selbst wenn die Anwendung des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG Bbg n.F. in Fällen, in denen Beiträge nach § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG Bbg a.F. nicht mehr erhoben werden konnten, mit der formalen Begründung des Oberverwaltungsgerichts als unechte Rückwirkung zu qualifizieren wäre, läge ein Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes vor. Denn diese unechte Rückwirkung stünde einer echten Rückwirkung jedenfalls im Ergebnis nahe, weshalb an ihre Vereinbarkeit mit der Verfassung im Verhältnis zu sonstigen Fällen unechter Rückwirkung gesteigerte Anforderungen zu stellen wären. In den vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fällen war die Beitragsschuld nach der alten Rechtslage zwar nicht durch Festsetzungsverjährung erloschen (vgl. § 12 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b KAG Bbg in Verbindung mit § 47 AO), weil sie mangels wirksamer Satzung noch nicht entstanden war. Die Beitragsforderung konnte auf der Basis der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zur alten Rechtslage jedoch nicht mehr erhoben werden, weil sie in der logischen Sekunde ihres Entstehens durch rückwirkendes Inkrafttreten einer wirksamen Satzung zugleich wegen Festsetzungsverjährung erloschen wäre. Dieser Fall steht dem einer echten Rückwirkung jedenfalls im Ergebnis nahe (BVerfG, a.a.O., Rn. 63f, juris).
In beiden Fällen legt das Bundesverfassungsgericht ausschließlich die bis dahin geltende Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts zur Auslegung des § 8 Abs. 7 KAG Bbg. a.F. zugrunde. Der Bundesgerichtshof und mit ihm der Senat im vorliegenden Rechtsstreit legen jedoch die Vorschrift des § 8 Abs. 7 KAG a.F. anders als die Verwaltungsgerichte aus. Danach begann die Verjährungsfrist nicht rückwirkend auf den Erlass einer unwirksamen Satzung, sondern überhaupt erstmalig mit dem Inkrafttreten einer wirksamen Satzung. Ein Fall der Rückwirkung im Sinne der vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Sachverhalte liegt demnach nicht vor (vgl. BVerfG, Beschluss vom 05.03.2013 – 1 BvR 2457/08 –, Rn. 37, juris). Vielmehr konnte vorliegend – wie bereits ausgeführt – die Festsetzungsverjährung frühestens mit dem 31.12.2011 ablaufen. Die „Neuregelungen“ des KAG Bbg betreffen im Streitfall mithin keinen abgeschlossenen Sachverhalt. Im Übrigen kommt - wie der Bundesgerichtshof unter zutreffendem Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts überzeugend ausgeführt hat - den Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts hinsichtlich der Auslegung einfachen Rechts keine Bindungswirkung gemäß § 31 Abs. 1 BVerfGG zu. Insoweit bleibt es in der Befugnis der Fachgerichte, die Vorschrift des § 8 Abs. 7 KAG Bbg. a.F. eigenständig zu prüfen und auszulegen (vgl. BGH a.a.O., Rn. 28).
b)
Zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides sah das Brandenburgische Kommunalabgabengesetz keine Verjährungshöchstfrist vor. Daraus folgt jedoch nicht die Nichtigkeit der Norm(BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 03. September 2013 – 1 BvR 1282/13 –, juris). Vielmehr war es Aufgabe des Gesetzgebers, einen angemessenen Ausgleich zu schaffen. Dem ist der Gesetzgeber mit der Änderung des § 19 KAG Bbg i.d.F. v. 05.12.2013 nachgekommen. Innerhalb dieser Grenzen bewegt sich der vorliegende Beitragsbescheid.
Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen hiergegen nicht. Der Gesetzgeber hat bei der Gestaltung der Höchstgrenzen einen weiten Gestaltungsspielraum. In Betracht kommen neben der Festsetzung einer Höchstfrist auch Regelungen zur Hemmung der Verjährung (BVerfG, Beschluss vom 05. März 2013 – 1 BvR 2457/08 –, BVerfGE 133, 143-163, Rn. 50). Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die den Parteien vorliegende Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 27.06.2019 – III ZR 93/18 – Rdnrn. 57 bis 60 sowie auf die Ausführungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes (Urteil vom 14. November 2013 – 6 B 12.704 –, Rn. 22, juris) sowie des Verwaltungsgerichtshofes Baden-Württemberg (Urteil vom 27. Januar 2015 – 2 S 1840/14 –, Rn. 51, juris) Bezug genommen. Auch das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg teilt die Auffassung (Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 16. Juli 2014 – OVG 9 N 69.14 –, Rn. 25 - 26; ebenso Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 17. Februar 2016 – 4 L 119/15 –, Rn. 47; BVerwG, Beschluss vom 08. März 2017 – 9 B 19/16 –, juris). Vor diesem Hintergrund begegnet auch die Hemmung bis zum 03.10.2000 keinen Bedenken.
c)
Der Beitragspflicht steht der Einwand der Verwirkung nicht entgehen. Nach der übereinstimmenden ständigen Rechtsprechung der obersten Bundesgerichte erfordert Verwirkung nicht nur, dass seit der Möglichkeit der Geltendmachung eines Rechts längere Zeit verstrichen ist. Es müssen vielmehr besondere Umstände hinzutreten, welche die verspätete Geltendmachung als treuwidrig erscheinen lassen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 05. März 2013 – 1 BvR 2457/08 –, BVerfGE 133, 143-163, Rn. 48). Diese sind hier nicht erkennbar.
Die Beitragspflicht konnte frühestens mit der Eingliederung der Anlage in das Vermögen des Beklagten durch den am 20.12.1995 genehmigten Übernahmevertrag mit der … GmbH entstanden sein. Letztlich erst aufgrund der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) mit Urteil vom 08.06.2000 - 2 D 29/98.NE - konnte davon ausgegangen werden, dass im Falle der Rechtswidrigkeit der sie privilegierenden Regelungen eine rückwirkende Heilungssatzung erlassen werden musste, die je nach Erlasszeitpunkt die Festsetzungsverjährung begründen würde (vgl. Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28. Juni 2017 – OVG 9 S 14.16 –, Rn. 34, juris). In diese Umbruchsituation hinein spielt ebenfalls die Diskussion über die Wirksamkeit der Zweckverbandsgründungen, die erst mit § 14 StabG und mit Eintritt der Bestandskraft des Bescheides des Landrates … vom 01.03.2001 bereinigt werden konnte. Bereits zeitnah mit Gesetz vom 17.12.2003 hat der Gesetzgeber reagiert und mit der Neufassung des § 8 Abs. 7 KAG Bbg auf das Erfordernis einer rechtswirksamen Satzung abgestellt. Spätestens mit § 12a Abs. 3a KAG Bbg i.d.F. v. 2.10.2008 wurde eine Anpassung der Verjährungsvorschriften vorgenommen. Bei dieser Entwicklung und der fortbestehenden Vorteilslage konnte die Klägerin unter dem Gesichtspunkt der Verwirkung einerseits nicht darauf vertrauen, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden. Zum anderen sind keine Vermögensdispositionen vorgetragen, die sie im Vertrauen auf den Zeitablauf getroffen haben könnte.
d)
Die abweichende auch aktuelle Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts zu § 8 Abs. 7 KAG Bbg a.F. hindert die hier getroffene Auslegung nicht. Denn diese entfaltet lediglich Bindungswirkung zwischen den Parteien des jeweiligen verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, § 121 VwGO.
e)
Weitere Mängel des Beitragsbescheides werden nicht geltend gemacht und sind auch sonst nicht offenbar.
f)
Ob der geltend gemachte Anspruch zudem verjährt ist, nachdem der zugrundeliegende Anspruch erst nach Ablauf der für die Klägern geltenden Jahresfrist für die Anmeldung von Schadensersatzansprüchen abgetreten wurde, bedarf nach allem keiner Erörterung.
Hat die Berufung im Ergebnis keine Aussicht auf Erfolg, wird zur Reduzierung der Kosten angeregt, das Rechtsmittel zurückzunehmen.