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Kriegsopferversorgung - Beschädigtenversorgung - Überprüfungsverfahren - Bestandskräftig anerkannte Gesundheitsstörung - Bindung an rechtlich selbständige Feststellung - Verlust beider Beine im Unterschenkel - ungünstige Stumpfverhältnisse - Feststellung der Rechtswidrigkeit - Rücknahmefrist


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 11. Senat Entscheidungsdatum 30.03.2010
Aktenzeichen L 11 V 42/08 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 1 BVG, § 30 Abs 1 BVG, § 60 Abs 1 BVG, § 60 Abs 2 BVG, § 44 Abs 1 S 1 SGB 10, § 44 Abs 4 SGB 10, § 45 Abs 3 SGB 10, § 48 Abs 3 SGB 10

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 27. August 2007 geändert.

Der Bescheid des Beklagten vom 2. Mai 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Juli 2005 wird aufgehoben.

Der Beklagte wird verurteilt, den Bescheid vom 13. September 2001 aufzuheben und dem Kläger unter Abänderung des Bescheides vom 6. Oktober 1997 für die Zeit ab 1. Januar 2001 Versorgung nach einem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit/einem Grad der Schädigungsfolgen von 100 v. H. zu gewähren.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Der Beklagte hat dem Kläger 1/2 der außergerichtlichen Kosten des gesamten Rechtsstreits zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger ist anerkannter Kriegsbeschädigter und begehrt im Überprüfungsverfahren nach § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) eine Beschädigtenversorgung nach einem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) bzw. einem Grad der Schädigungsfolgen (GdS) von 100 v. H.bei einem anerkannten Grad der MdE von 90 v. H.

Der Kläger ist am geboren und war zuletzt von bis als Sachbearbeiter beim Bezirksamt S von B erwerbstätig. Er erhält von dem Beklagten Beschädigtenversorgung einschließlich einer Pflegezulage der Stufe 1.

Der Kläger erlitt im Januar 1942 in Ausübung seines Wehrdienstes in Russland eine Erfrierung 3. Grades beider Füße, die beidseits eine Unterschenkelamputation im mittleren Drittel zur Folge hatte. Die Länge der verbliebenen Stümpfe beträgt vom unteren Kniescheibenrand gemessen rechts 20 cm und links 19 cm, vom oberen Rand der Kniescheibe gemessen rechts 24 cm, links 23 cm. Im Jahr 1944 wurde am rechten Unterschenkelstumpf ein Knochensplitter entfernt.

Mit Bescheid vom 29. Juni 1943 gewährte das Wehrmachtsfürsorge- und Versorgungsamt Berlin-Nord dem Kläger Versehrtengeld nach Stufe drei nach dem Wehrmachtfürsorge- und Versorgungsgesetz vom 26. August 1938 und erkannte als Wehrdienstbeschädigung und Beschädigung bei besonderem Einsatz folgenden Körperschaden an:

„Verlust beider Unterschenkel im mittleren Drittel, Narben an den Amputationsstümpfen, Muskelschwund an beiden Beinen“.

Mit Bescheid des Magistrats von Gross-Berlin vom 27. Dezember 1950 erkannte der Beklagte einen Versorgungsanspruch des Klägers nach dem Gesetz über die Versorgung von Kriegs- und Militärdienstbeschädigten vom 24. Juli 1950 bei einem Grad der MdE von 70 v. H. an. Auf den Einspruch des Klägers vom 14. Januar 1951 holte der Beklagte eine Stellungnahme seines ärztlichen Dienstes vom 20. August 1951 ein, wonach „infolge der Narben an den beiden Amputationsstümpfen und des Muskelschwundes an beiden Beinen“ ungünstige Stumpfverhältnisse gegeben waren, und gewährte dem Kläger mit dem Bescheid über die vorläufige Gewährung von Beschädigtenbezügen nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) vom 12. Oktober 1951 vorläufig sowie mit dem Bescheid über die Feststellung von Beschädigtenbezügen vom 9. Juli 1952 abschließend eine Beschädigtenversorgung nach einem Grad der MdE von 80 v. H. für den Zeitraum ab 1. Juli 1950 und stellte insoweit folgende Beschädigungsfolgen fest:

„Verlust beider Unterschenkel im mittleren Drittel, Narben an den Amputationsstümpfen, ungünstige Stumpfverhältnisse, Muskelschwund an beiden Beinen“.

Einen Neufeststellungsantrag des Klägers vom 3. November 1958, den er mit einer dauernd überhöhten Herztätigkeit begründete, lehnte der Beklagte nach Einholung eines Thorax-Röntgenbefundes und eines internistischen Zusatzgutachtens des Arztes Dr. vom 11. Dezember 1958 mit Bescheid vom 8. April 1959 ab; den Widerspruch des Klägers wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19. Mai 1959 als unbegründet zurück.

Mit Bescheid vom 23. August 1965 erkannte der Beklagte bei dem Kläger auf der Grundlage der Verwaltungsvorschrift Nr. 4 zu § 30 BVG in der Fassung vom 23. Januar 1965 mit Wirkung zum 1. Februar 1965 einen Grad der MdE von 90 v. H. an.

Auf den Neufeststellungsantrag des Klägers vom 4. Januar 1974 holte der Beklagte ein weiteres internistisches Gutachten des Versorgungsarztes Dr. J vom 2. Juli 1974 ein und lehnte darauf mit Schriftsatz vom 18. September 1974 die Erteilung eines Neufeststellungsbescheides ab.

Auf den Neufeststellungsantrag und den Antrag auf Gewährung einer Schwerstbeschädigtenzulage vom 10. November 1980, den der Kläger mit immer stärker auftretenden Phantomschmerzen begründete, holte der Beklagte versorgungsärztliche Gutachten der Ärztin für Chirurgie Dr. M vom 16./25. Februar 1981 und der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. B vom 16. Februar 1981 ein. Mit Bescheid vom 21. Mai 1981 lehnte der Beklagte den Antrag ab; den hiergegen gerichteten Widerspruch wies er nach Einholung einer Stellungnahme der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. B vom 17. Februar 1982 mit Widerspruchsbescheid vom 7. April 1982 zurück. Die hiergegen gerichtete Klage vor dem Sozialgericht Berlin - S 46 V 108/82 - nahm der Kläger nach Einholung eines Gutachtens der Ärzte Prof. Dr. K und Dr. S vom 24. Juni 1983 zurück.

Mit Schreiben vom 17. Januar 1997 beantragte der Kläger die Überprüfung des vom Beklagten festgestellten Grades der MdE und führte zur Begründung aus, der von dem Beklagten festgestellte Verlust beider Beine im Unterschenkel bei beidseitig ungünstigen Stumpfverhältnissen sei unter Beachtung der zwischenzeitlich vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung vorgenommenen Änderungen nach den Anhaltpunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz (AHP) 1983 nunmehr mit einem Grad der MdE von 100 v. H. zu bewerten. Zudem habe sich seine Gehfähigkeit durch einen Sturz in der Wohnung verschlechtert. Der Beklagte holte eine fachchirurgische Stellungnahme des Arztes für Chirurgie Dr. L vom 25. April 1997 ein und lehnte den Antrag mit Bescheid vom 12. Mai 1997 ab. Auf den Widerspruch des Klägers holte der Beklagte ein versorgungsärztlich-orthopädisches Gutachten der Ärztin für Orthopädie Dr. B vom 9. September 1997 ein. Nachdem der Kläger gegenüber der Ärztin mündlich erklärt hatte, von seinem Widerspruch Abstand nehmen zu wollen, wertete der Beklagte den Widerspruch als Neufeststellungsantrag, auf den er mit Bescheid vom 6. Oktober 1997 als weitere Folge einer Schädigung im Sinne des § 1 BVG für den Zeitraum ab 1. Mai 1997 „Restbeschwerden rechtes Gesäß nach Prellung infolge Versorgungsleiden“ bei unverändertem Grad der MdE von 90 v. H feststellte.

Mit am 19. September 2000 beim Sozialgericht Berlin eingegangenem Schreiben vom 18. September 2000 beantragte der Kläger erneut die Überprüfung des vom Beklagten festgestellten Grades der MdE und führte zur Begründung erneut aus, dass nach den AHP der festgestellte Verlust beider Beine im Unterschenkel bei beidseitig ungünstigen Stumpfverhältnissen mit einem Grad der MdE von 100 v. H. zu bewerten sei. Zudem machte er geltend, dass das im Klageverfahren S 46 V 108/82 eingeholte Gutachten nicht verwertbar sei, weil es nicht, wie vom Gericht angeordnet, von dem Arzt Prof. Dr. K, sondern von einem Vertreter erstellt worden sei. Nach Eingang des Schriftsatzes beim Beklagten am 13. November 2000 forderte dieser den Kläger mit Schriftsatz vom 16. November 2000 auf, nähere Angaben zur Verschlimmerung der anerkannten Schädigungsfolgen zu machen. Hierauf machte der Kläger mit Schriftsatz vom 20. November 2000 schmerzhafte Wadenkrämpfe und Schmerzen in der rechten Hüfte als seit bereits längerer Zeit vorliegende Verschlimmerungen geltend. Der Beklagte holte ein orthopädisches Gutachtens des Versorgungsarztes Dr. S vom 30. August 2001 ein, der die Schädigungsfolgen nach dem BVG in schwerbehindertenrechtlicher Hinsicht mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 90, periphere arterielle Durchblutungsstörungen der Beine mit einem GdB von 50 und degenerative Funktionseinschränkungen der Wirbelsäule und Gelenke, Morbus Dupuytren beidseitig mit einem GdB von 20 beurteilte. Hierauf stellte der Beklagte zunächst mit Bescheid vom 12. September 2001 von Amts wegen bei dem Kläger einen GdB von 100 und das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen „B“, aG“, „H“ und „RF“ fest. Mit weiterem Bescheid vom 13. September 2001 lehnte der Beklagte eine Neufeststellung des Versorgungsanspruchs ab und führte zur Begründung aus, bei der versorgungsärztlichen Untersuchung habe eine wesentliche Verschlimmerung des Versorgungsleidens nicht festgestellt werden können. Die seit einem Jahr bestehenden arteriellen Durchblutungsstörungen beidseitig, links stärker als rechts, bei deutlichen arteriosklerotischen Veränderungen der Beingefäße, die zu einer claudicatio intermittens geführt hätten, die bestehenden degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule, der Schultergelenke und ein Morbus Dupuytren beidseitig seien schädigungsunabhängige Erkrankungen.

Nachdem das Mitglied des Deutschen Bundestages D auf eine Eingabe des Klägers den Beklagten mit Schriftsatz vom 12. September 2003 um Überprüfung des festgestellten Grades der MdE gebeten hatte, holte der Beklagte eine weitere versorgungsärztlich-chirurgische Stellungnahme des Arztes für Chirurgie Dr. O vom 16. Dezember 2003 ein.

Mit am 23. Februar 2005 beim Beklagten eingegangenen Schreiben vom 21. Februar 2005 beantragte der Klägers unter nochmaligem Hinweis darauf, dass der Verlust beider Beine im Unterschenkel bei beidseitig ungünstigen Stumpfverhältnissen mit einem Grad der MdE von 100 v. H. zu bewerten sei, die Überprüfung des festgestellten Grades der MdE. Nach Einholung einer fachchirurgischen Stellungnahme des Arztes für Chirurgie Dr. B vom 7. April 2005 lehnte der Beklagte mit streitgegenständlichem Bescheid vom 2. Mai 2005 eine Rücknahme des Bescheides vom 13. September 2001 nach § 44 SGB X ab. Zur Begründung führte der Beklagte aus, allen vorliegenden ärztlichen Unterlagen der letzten Jahre sei zu entnehmen, dass die Narben im Bereich beider Unterschenkelstümpfe reizlos und gut belastbar gewesen seien und keine Entzündungszeichen im Bereich der Stümpfe bestanden hätten. Es habe auch eine normale Prothesenfähigkeit bestanden, die ein ausreichend raumgreifendes Gangbild bei Anlegen beider Unterschenkelprothesen und unter Benutzung eines Gehstocks bzw. mit zwei Unterarmstützen ermöglicht habe. Dementsprechend seien die Stumpfverhältnisse nicht so ungünstig, dass sie hätten besonders gewertet werden müssen, jedoch seien bei der Anerkennung der MdE von 90 v. H. die zeitweise auftretenden Phantomschmerzen berücksichtigt worden.

Mit am 24. Mai 2005 bei dem Sozialgericht Berlin eingegangen Schreiben hat der Kläger gegen den Bescheid vom 2. Mai 2005 „Widerspruch“ erhoben, mit dem er sein Begehren weiterverfolgt. Ergänzend hat er vorgetragen, seine Gehfähigkeit sei durch die Folgen seines Sturzes, Beeinträchtigungen seiner Wadenbeine (Fibula), Beschwerden im Bereich der Lendenwirbelsäule, die mit großer Wahrscheinlichkeit durch die dauernde Fehlbelastung beim Gehen mit Prothesen verursacht seien, und sein Herzleiden nach einem Myokardinfarkt noch weiter eingeschränkt, zudem seien die von dem Beklagten eingeholten versorgungsärztlichen Gutachten und Stellungnahmen nicht verwertbar.

Das Sozialgericht hat das Schreiben des Klägers als Klageschrift angesehen und dem Beklagten zur Stellungnahme übersandt. Hierauf hat der Beklagte das Schreiben des Klägers zugleich als Widerspruch gegen den Bescheid vom 2. Mai 2005 gewertet, den er mit Widerspruchsbescheid vom 1. Juli 2005 als unbegründet zurückgewiesen hat.

Nach Einholung eines Befundberichtes des behandelnden Arztes für Orthopädie M vom 17. Oktober 2005 hat das Sozialgericht mit Gerichtsbescheid vom 27. August 2007 die Klage abgewiesen und entschieden, dass die Beteiligten einander außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten haben. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, Begehren des Klägers sei die Erlangung eines Grades der MdE von 100 im Wege der Überprüfung des letzten bestandskräftigen Bescheides vom 13. September 2001 nach § 44 SGB X. Rechts- bzw. Bewertungsgrundlage zur Feststellung der MdE sei § 30 Abs. 1 BVG i. V. m. den maßgeblichen Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem „Schwerbehindertengesetz“. Die von dem Kläger geltend gemachten Stumpfbeschwerden seien nach den vorliegenden Befunden nicht in dem erforderlichen Ausmaß bestätigt worden. Soweit der Kläger Beeinträchtigungen seiner Wadenbeine geltend mache, fänden sich in den vorliegenden Befunden keine Hinweise darauf, dass diese Beschwerden eine Auswirkung auf die Stumpfverhältnisse begründen könnten. Der erlittene Myokardinfarkt sei schädigungsunabhängig eingetreten und könne in keinen Zusammenhang mit der erforderlichen Ungünstigkeit der Stumpfverhältnisse gebracht werden. Darüber hinaus habe der Beklagte mit Bescheid vom 8. April 1959 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Mai 1959 die Anerkennung einer geltend gemachten dauernd erhöhten Herztätigkeit als zusätzliches Versorgungsleiden bestandskräftig abgelehnt. Schließlich habe auch der Sachverständige Prof. Dr. K in seinem Gerichtsgutachten vom 24. Juni 1983 im Verfahren vor dem Sozialgericht – S 46 V 108/82 – einen sicheren Zusammenhang zwischen einer kompensierten Herzinsuffizienz und der Unterschenkelamputation nicht feststellen können, worauf der Kläger die damalige Klage zurückgenommen habe.

Gegen den Gerichtsbescheid vom 27. August 2007 hat der Kläger am 17. September 2007 Berufung eingelegt, mit der er sein Klagebegehren weiterverfolgt und dazu ergänzend vorträgt, die vor 50 Jahren getroffene Feststellung sei ein Irrtum gewesen.

Das Landessozialgericht hat die Begutachtung des Klägers durch den Arzt für Chirurgie Dr. B veranlasst. Dieser führt in seinem Gutachten vom 8. April 2008 aus, bei dem Kläger lägen unter Berücksichtigung des Bescheides des Beklagten vom 6. Oktober 1997 folgende Gesundheitsstörungen vor:

- Verlust beider Unterschenkel im mittleren Drittel, Narben an den Amputationsstümpfen, Muskelschwund an beiden Unterschenkelstümpfen.

Restbeschwerden im Bereich des rechten Gesäßes nach Prellung infolge Versorgungsleidens seien nicht festzustellen gewesen. Der Grad der MdE sei aufgrund der anerkannten Schädigungsfolgen im Einzelnen durchgehend, unter Ausschöpfung des maximalen Ermessenspielraumes, bis zum Untersuchungstag und auch fortlaufend mit 90 v. H. zu bemessen. Eine schwerwiegende funktionelle Beeinträchtigung der verbliebenen Unterschenkelstümpfe durch etwaige pathologische Narbenbildungen, Scheuerstellen oder gar Ulcerationen im Stumpfbereich sei nicht festzustellen. Die entsprechende Fachliteratur weise aus, dass bei Verlust beider Unterschenkel bei frei beweglichen Kniegelenken ein Grad der MdE von 70 v. H. angesetzt werde. Insofern sei die später vorgenommene Erhöhung des Grades der MdE eine Einschätzung, die den maximalen Ermessensspielraum nicht nur ausnutze, sondern ihn überschreite.

Dem schriftsätzlichen Vorbringen des Klägers ist sinngemäß der Antrag zu entnehmen,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts vom 27. August 2007 und den Bescheid des Beklagten vom 2. Mai 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Juli 2005 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, den Bescheid vom 13. September 2001 aufzuheben und dem Kläger unter Abänderung des Bescheides vom 6. Oktober 1997 für die Zeit ab November 1977 Versorgung nach einem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit/einem Grad der Schädigungsfolgen von 100 v. H. zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält den Gerichtsbescheid für zutreffend und den geltend gemachten Anspruch nicht für gegeben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten (2 Bände) und die Verwaltungsakten des Beklagten (4 Bände Versorgungsakten, 7 Bände Heilbehandlungsakten, 1 Band Schwerbehindertenakten, 1 Band Fürsorge- und Versorgungsakten) des Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Der Senat konnte verhandeln und entscheiden, auch wenn der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung weder erschienen noch vertreten worden ist. Denn der Kläger wurde ordnungsgemäß geladen und auf diese Möglichkeit hingewiesen.

Die zulässige Berufung ist begründet, soweit der Kläger für den Zeitraum ab 1. Januar 2001 eine Beschädigtenversorgung nach einem Grad der MdE von 100 bzw. einem GdS von 100 begehrt. Im Übrigen ist die Berufung unbegründet.

Gegenstand der Berufung des Klägers ist bei sachdienlicher Auslegung seines Vorbringens das Klagebegehren, ihm im Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X eine Beschädigtenversorgung nach einem Grad der MdE von 100 bzw. einem GdS von 100 für den Zeitraum ab Neufassung der Anhaltspunkte für die ärztliche Begutachtung Behinderter nach dem Schwerbehindertengesetz vom November 1977 (AHP 1977) hinsichtlich der MdE-Sätze für Schäden an den unteren Gliedmaßen zu gewähren. Denn der Kläger macht nicht nur eine Verschlechterung seines Gesundheitszustandes infolge des von dem Beklagten anerkannten Versorgungsleidens geltend, sondern auch – wie schon in seinem Überprüfungsantrag vom 17. Januar 1997 unter Hinweis auf die AHP 1983 –, dass der Beklagte allein deshalb für das anerkannte Versorgungsleiden einen Grad der MdE bzw. einen GdS von 100 v. H. feststellen müsse, weil der anerkannte Verlust beider Beine im Unterschenkel bei beidseitig ungünstigen Stumpfverhältnissen aufgrund der entsprechenden Änderung in den genannten Anhaltspunkten nunmehr mit einem Grad der MdE bzw. einem GdS von 100 v. H. zu bewerten sei. Damit begehrt der Kläger sinngemäß die Gewährung einer Beschädigtenversorgung nach einem Grad der MdE bzw. einem GdS von 100 v. H. für den Zeitraum ab Herausgabe der AHP 1977 im November 1977, in denen erstmals in Teil C (S. 89) für den Verlust beider Beine im Unterschenkel bei beidseitig ungünstigen Stumpfverhältnissen ein MdE-Wert von 100 v. H. aufgeführt ist.

Die Klage ist nach §§ 54 Abs. 1, 56 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage zulässig. Soweit zum Zeitpunkt der Klagerhebung am 24. Mai 2005 das nach § 78 Abs. 1 Satz 1 SGG erforderliche Vorverfahren noch nicht durchgeführt war, ist dieser Mangel geheilt, da der Beklagte die Klage zutreffend zugleich als Widerspruch gewertet (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 78 Rn. 3b m. w. N.) und über diesen mit Widerspruchsbescheid vom 1. Juli 2005 entschieden hat.

Die Klage ist im tenorierten Umfang auch begründet. Der Bescheid des Beklagten vom 2. Mai 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Juli 2005 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger hat nach § 44 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGB X einen Anspruch auf Gewährung einer Beschädigtenversorgung nach einem Grad der MdE von 100 v. H. bzw. einem GdS von 100 v. H. für die Zeit ab 1. Januar 2001 unter (teilweiser) Aufhebung der Bescheide vom 13. September 2001 und 6. Oktober 1997. Das Sozialgericht hat die Klage insoweit zu Unrecht abgewiesen.

Gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, u. a. mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt worden und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind.

Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Der Beklagte hat bei Erlass des Bescheides vom 13. September 2001 das Recht unrichtig angewandt, soweit er mit diesem die Gewährung einer höheren Beschädigtenversorgung nach einer MdE von 100 abgelehnt hat; dem Kläger sind deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden.

Soweit der Beklagte mit dem Bescheid vom 13. September 2001 eine Neufeststellung des Versorgungsanspruchs des Klägers nach § 48 Abs. 1 SGB X abgelehnt hat, ist dies allerdings rechtlich nicht zu beanstanden. Zu Recht ist der Beklagte insbesondere davon ausgegangen, dass sich das Versorgungsleiden des Klägers nach Erlass des Neufeststellungsbescheides vom 6. Oktober 1997 nicht verschlimmert hatte und auch keine neuen Versorgungsleiden hinzugekommen waren. Dies ergibt sich aus der Gesamtheit der vorliegenden medizinischen Unterlagen, insbesondere aus dem Gutachten des Arztes für Chirurgie Dr. B vom 8. April 2008 und dem versorgungsärztlichen Gutachten des Arztes für Orthopädie Dr. S vom 30. August 2001. Beide Ärzte haben jeweils nach körperlicher Untersuchung des Klägers schlüssig und nachvollziehbar dargelegt, dass bei dem Kläger unverändert ein Zustand nach Amputation beider Unterschenkel mit reizlosen prothesenfähigen Unterschenkelstümpfen bei altersentsprechender Beweglichkeit der Hüft- und Kniegelenke besteht. Beide Ärzte haben im Übrigen auch im Einklang mit den zum Teil während des laufenden Klageverfahrens abgegebenen versorgungsärztlichen Stellungnahmen des Arztes für Chirurgie Dr. O vom 16. Dezember 2003, des Arztes für Chirurgie Dr. B vom 7. April 2005 und 28. November 2005 sowie der Ärztin für Innere Medizin OMR R vom 8. Februar 2006 schlüssig und nachvollziehbar dargelegt, dass die neu hinzugetretenen Leiden des Klägers, insbesondere arterielle Durchblutungsstörungen, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule und der Schultergelenke und ein Morbus Dupuytren, nicht in ursächlichem Zusammenhang zu dem Versorgungsleiden stehen.

Der Bescheid vom 13. September 2001 ist jedoch deshalb (von Anfang an) rechtswidrig, weil dem Kläger auf Grund der von dem Beklagten zuletzt mit Bescheid vom 6. Oktober 1997 bestandskräftig anerkannten Schädigungsfolgen ein Anspruch auf Beschädigtenversorgung im Sinne der §§ 1, 31 Abs. 1 BVG nach einem Grad der MdE von 100 v. H. bzw. einem GdS von 100 v. H. zustand und weiterhin zusteht.

Gemäß § 30 Abs. 1 BVG in der bis zum 21. Dezember 2007 geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 22. Januar 1982 (BGBl. I S. 21) war die Minderung der Erwerbsfähigkeit nach der körperlichen und geistigen Beeinträchtigung im allgemeinen Erwerbsleben zu beurteilen, wobei seelische Begleiterscheinungen und Schmerzen zu berücksichtigen waren (Satz 1). Für die Beurteilung war maßgebend, um wie viel die Befähigung zur üblichen, auf Erwerb gerichteten Arbeit und deren Ausnutzung im wirtschaftlichen Leben durch die als Folgen einer Schädigung anerkannten Gesundheitsstörungen beeinträchtigt waren (Satz 2). Nach der Neufassung des § 30 Abs. 1 BVG ist der Grad der Schädigungsfolgen nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen, seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen (Satz 1). Der Grad der MdE bzw. der GdS ist nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen.

Bei der Beurteilung des Grades der MdE bzw. des GdS sind vorliegend für die Zeit bis zum 31. Dezember 2008 die „Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz “ in ihrer jeweils geltenden Fassung (zuletzt Ausgabe 1996 - AHP 1996) und nachfolgend – seit Juli 2004 – die „Anhaltpunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehinderten recht (Teil 2 SGB IX)“ in ihrer jeweils geltenden Fassung (zuletzt Ausgabe 2008 – AHP 2008) zu beachten, die für die Zeit ab dem 1. Januar 2009 - auf der Grundlage des § 30 Abs. 17 BVG hinsichtlich der ärztlichen Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht - durch die Anlage zu § 2 VersMedV abgelöst worden sind. Die auf den Erfahrungen der medizinischen Wissenschaft fußenden AHP haben normähnlichen Charakter und sind in ständiger Rechtsprechung wie untergesetzliche Normen heranzuziehen, um eine möglichst gleichmäßige Handhabung der in ihnen niedergelegten Maßstäbe im gesamten Bundesgebiet zu gewährleisten ( BSG, Urteil vom 12. Juni 2003 – B 9 VG 1/02 R – BSGE 91, 107), weshalb sich der Senat für die Zeit bis zum 31. Dezember 2008 auf die genannten AHP stützt. Für die Zeit ab 1. Januar 2009 ist für die Verwaltung und die Gerichte die Anlage zu § 2 VersMedV maßgeblich.

Wie sich aus § 30 Abs. 1 BVG alter und neuer Fassung ergibt, sind bei der Beurteilung des Grades der MdE bzw. des GdS die von dem Versorgungsträger als Schädigungsfolgen bestandskräftig anerkannten Gesundheitsstörungen zu berücksichtigen; dies sind hier insbesondere die von dem Beklagten erstmals mit bestandskräftigem Bescheid vom 9. Juli 1952 abschließend und nachfolgend mit bestandskräftigem Bescheid vom 6. Oktober 1997 erneut festgestellten Schädigungsfolgen „Verlust beider Unterschenkel im mittleren Drittel, Narben an den Amputationsstümpfen, ungünstige Stumpfverhältnisse, Muskelschwund an beiden Beinen“. An diese rechtlich selbständigen Feststellungen (vgl. BSG, Urteil vom 15. Dezember 1999 – B 9 VS 2/98 R – zitiert nach juris) ist der Beklagte ebenso gebunden wie der Senat. Auf die Rechtmäßigkeit dieser Feststellungen kommt es insoweit nicht an (vgl. dazu u. a. BSG, Urteil vom 29. August 1990 – 9a/9 RV 32/88 – und Urteil vom 15. Dezember 1999 – B V 26/98 R –, jeweils zitiert nach juris).

Hiervon ausgehend sind die vorgenannten von dem Beklagten anerkannten Schädigungsfolgen unter Beachtung der maßgeblichen AHP bzw. der Anlage zu § 2 VersMedV mit einem Grad der MdE bzw. einem GdS von 100 v. H. zu bewerten. Denn ebenso wie bereits in den AHP 1977 ist auch in den nachfolgenden AHP (zuletzt Ausgabe 2008 – AHP 2008, Nr. 26.18, S. 123) und der Anlage zu § 2 VersMedV, Teil B Nr. 18.14 (S. 97) für den Verlust beider Beine im Unterschenkel bei beidseitig ungünstigen Stumpfverhältnissen ein MdE/GdS-Wert von 100 v. H. aufgeführt. Der von dem Beklagten festgestellte Verlust beider Unterschenkel im mittleren Drittel entspricht dem Verlust beider Beine im Unterschenkel im Sinne der vorgenannten AHP bzw. der Anlage zu § 2 VersMedV. Zudem bezieht sich die von dem Beklagten in den Bescheiden vom 9. Juli 1952 und 6. Oktober 1997 getroffene Feststellung ungünstiger Stumpfverhältnisse sinngemäß auf beide Stümpfe, wie sich aus den dieser Feststellung zu Grunde liegenden versorgungsärztlichen Stellungnahmen ergibt. So lag der erstmaligen Feststellung ungünstiger Stumpfverhältnisse mit Bescheid vom 9. Juli 1952 maßgeblich die versorgungsärztliche Einschätzung zu Grunde, dass infolge der Narben an beiden Amputationsstümpfen und des Muskelschwundes an beiden Beinen ungünstige Stumpfverhältnisse gegeben seien. Damit in Übereinstimmung führt die Ärztin Dr. B in ihrer dem Bescheid vom 6. Oktober 1997 maßgeblich zu Grunde liegenden Stellungnahme vom 9. September 1997 nach körperlicher Untersuchung des Klägers aus, das bisher anerkannte Versorgungsleiden könne bestehen bleiben.

Hat der Beklagte demnach ungünstige Stumpfverhältnisse an beiden Amputationsstümpfen rechtsverbindlich festgestellt, steht ihm nach Auffassung des Senats bei der Beurteilung des Grades der MdE bzw. GdS grundsätzlich kein Spielraum zu. Denn weder die vorstehend aufgeführten AHP noch die Anlage zu § 2 VersMedV sehen für den Verlust beider Beine im Unterschenkel bei beidseitig ungünstigen Stumpfverhältnissen eine Beurteilungsspanne vor (vgl. dazu AHP 2008 Nr. 26.1 Abs. 1, S. 37; Anlage zu § 2 VersMedV, Teil B Nr. 1. a), S. 18), in deren Rahmen den Besonderheiten des Einzelfalles Rechnung getragen werden könnte (ebenso LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 30. Januar 2008 – L VI 11/05 –, zitiert nach juris). Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, ob und ggf. seit wann die Unterschenkelstümpfe des Klägers – wie der Beklagte in dem angegriffenen Bescheid vom 2. Mai 2005 ausgeführt hat – reizlos und gut belastbar waren sowie eine „normale“ Prothesenfähigkeit aufwiesen. Denn diese Feststellungen sind lediglich geeignet, das tatsächliche Vorliegen ungünstiger Stumpfverhältnisse in Frage zu stellen; bei rechtsverbindlich festgestellten ungünstigen Stumpfverhältnissen können sie jedoch nicht zu einer von den AHP bzw. der Anlage zu § 2 VersMedV abweichenden Beurteilung des Grades der MdE bzw. des GdS führen. Auch sonstige Umstände, die möglicherweise ausnahmsweise eine abweichende Beurteilung rechtfertigen könnten, sind hier nicht ersichtlich.

Einer Höherbewertung der anerkannten ungünstigen Stumpfverhältnisse mit einem Grad der MdE bzw. einem GdS von 100 v. H. steht auch § 48 Abs. 3 SGB X nicht entgegen. Nach Satz 1 dieser Vorschrift darf für den Fall, dass ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 SGB X nicht zurückgenommen werden kann und eine Änderung zugunsten des Betroffenen eingetreten ist, die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Nach Satz 2 gilt dies entsprechend, wenn einem rechtswidrig begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidrig begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 SGB X nicht zurückgenommen werden kann. Zwar könnte der Bescheid vom 6. Oktober 1997, unabhängig davon, ob die Feststellung ungünstiger Stumpfverhältnisse an beiden Unterschenkelstümpfen bereits zum Zeitpunkt der entsprechenden erstmals abschließenden Feststellung mit Bescheid vom 9. Juli 1952 bzw. zum Zeitpunkt der Bekanntgabe des Bescheides vom 6. Oktober 1997 rechtswidrig war, jedenfalls schon deshalb nicht mehr zurückgenommen werden, weil die Rücknahmefrist nach § 45 Abs. 3 SGB X von zwei Jahren nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes abgelaufen ist. Jedoch ist seit dem letzten bestandskräftigen Neufeststellungsbescheid vom 6. Oktober 1997 keine Änderung zu Gunsten des Klägers eingetreten. So haben sich die Schädigungsfolgen nach den vorliegenden Befunden, insbesondere dem Gutachten des Arztes Dr. B vom 8. April 2008, seit dem 6. Oktober 1997 nicht verschlimmert, auch sind keine neuen Schädigungsfolgen hinzugetreten. Ebensowenig haben sich nach dem Bescheid vom 6. Oktober 1997 die rechtlichen Verhältnisse zu Gunsten des Klägers verändert. Denn die insoweit maßgeblichen Änderungen waren bereits – wie bereits ausgeführt – im Zuge der Änderungen der AHP im Jahr 1977 eingetreten.

Ob der Beklagte rückwirkend die Rechtswidrigkeit der Feststellung ungünstiger Stumpfverhältnisse feststellen kann, um die Voraussetzungen für die Anwendung des § 48 Abs. 3 SGB X herzustellen (vgl. BSG, Urteil vom 12. Dezember 1995 – 9 RV 26/94 –, Urteil vom 31. Januar 1989 – 2 RU 16/88 –, Urteil vom 22. Juni 1988 – 9/9a RV 46/86 –, zitiert nach juris), braucht hier nicht entschieden zu werden, weil der Beklagte eine solche Feststellung nicht getroffen hat.

Im Übrigen ist die Klage jedoch unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf höhere Beschädigtenversorgung nach einem Grad der MdE von 100 bzw. einem GdS von 100 für den Zeitraum vor dem 1. Januar 2001. Dass der Anspruch auf höhere Leistung erst für den Zeitraum ab 1. Januar 2001 besteht, ergibt sich aus § 44 Abs. 4 SGB X, wonach Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile des SGB längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht werden, soweit ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen ist. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme vom Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird (vgl. dazu u. a. BSG, Urteil vom 2. Oktober 2008 – B 9 VH 1/07 – zitiert nach juris). Danach hat der Kläger einen Anspruch auf höhere Beschädigtenversorgung nur für den Zeitraum ab 1. Januar 2001, weil er den vorliegend streitgegenständlichen Überprüfungsantrag erst im Februar 2005 gestellt hat. Auf die früheren Überprüfungs- bzw. Neufeststellungsanträge des Klägers kann insoweit nicht abgestellt werden, weil der Beklagte diese bestandskräftig abgelehnt hat.

Etwas anderes ergibt sich vorliegend auch nicht aus § 60 Abs. 1 und Abs. 2 BVG, weil nach dem Inhalt der vorliegenden Akten nichts dafür ersichtlich ist, dass der Kläger aus gesundheitlichen oder sonstigen Gründen daran gehindert war, den hier streitgegenständlichen Überprüfungsantrag zu einem früheren Zeitpunkt zu stellen; ebenso wenig ergeben sich Anhaltspunkte dafür, dass er ohne Verschulden daran gehindert war, gegen die früheren bestandkräftig gewordenen Ablehnungsbescheide Rechtsmittel einzulegen.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Gründe hierfür gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.