Toolbar-Menü
 
Sie sind hier: Gerichtsentscheidungen Einkommensteuer 1994 bis 1996

Einkommensteuer 1994 bis 1996


Metadaten

Gericht FG Berlin-Brandenburg 4. Senat Entscheidungsdatum 29.04.2014
Aktenzeichen 4 K 4222/10 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden den Klägern auferlegt.

Tatbestand

Mit dem vorliegenden Klageverfahren erstreben die Kläger eine Änderung der Einkommensteuerbescheide für 1994 bis 1996 (Streitjahre) vom 17. Mai 2010, die der Beklagte in Umsetzung eines (zwischenzeitlich rechtskräftigen) teilweise stattgebenden Urteils des Finanzgerichts - FG - Berlin-Brandenburg vom 1. September 2009 (vormals 15 K 7377/05 B, nachfolgend 8 K 7377/05 B) während eines beim Bundesfinanzhof (BFH) schwebenden Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens (X B 21/10) erlassen hat.

Die miteinander verheirateten Kläger sind in den Streitjahren antragsgemäß zusammen zur Einkommensteuer veranlagt worden. Der Kläger betrieb in den Streitjahren ein Gebäudereinigungsunternehmen sowie einen Winterdienst. Die Klägerin bezog als Angestellte im Unternehmen des Klägers Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.

Im Anschluss an eine sich auf die Streitjahre beziehende Außenprüfung ergingen für die Streitjahre u.a. geänderte Einkommensteuerbescheide, mit denen der Beklagte in Umsetzung der Prüfungsfeststellungen wegen ungeklärter Bareinlagen und wegen unklarer Herkunft von 200.000 DM aus einem (angeblichen) Darlehensvertragsverhältnis Hinzuschätzungen bei den gewerblichen Einkünften des Klägers vornahm. Hinsichtlich der rückständigen Einkommensteuerbeträge sind für Zwecke der Vollstreckung vom Beklagten Aufteilungsbescheide mit Datum vom 21. August 2002 und 23. April 2012 (Bl. 8 ff., 64 ff. Streitakte) nach Maßgabe der §§ 268 Abgabenordnung - AO - erlassen worden.

Die Kläger griffen u.a. die geänderten Einkommensteuerbescheide mit Einspruch und nachfolgender Klage an. Im Klageverfahren kam es nach mündlicher Verhandlung mit Beweisaufnahme (Hinweis auf das Verhandlungsprotokoll vom 1. Dezember 2009, Bl. 275 ff./Band - Bd. - II in 8 K 7377/05 B) zu einem Urteil des FG Berlin-Brandenburg (vormals 15 K 7377/05 B) mit dem Tenor - auszugsweise - (Bl. 281 f./Bd. II in 8 K 7377/05 B):

Die Einkommensteuerbescheide für 1994, 1995 und 1996 vom 16. März 2001 und vom 22. März 2001 … jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27. September 2005 werden mit der Maßgabe geändert, dass weitere Betriebsausgaben für 1994 in Höhe von brutto 6.710,14 DM, für 1995 in Höhe von brutto 77.344,09 DM und für 1996 in Höhe von brutto 5.074,25 DM berücksichtigt werden. …

Die Anordnung, dass dem Beklagten die Berechnung der Steuer übertragen wird (§ 100 Abs. 2 Satz 2 Finanzgerichtsordnung - FGO -), enthält das Urteil nicht.

Gegen das Urteil des FG legten beide Kläger Nichtzulassungsbeschwerde ein, die der BFH mit Beschluss vom 19. Juli 2010 (X B 21/10) - auf den ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 326 ff./Bd. II in 8 K 7377/05 B) - als unbegründet zurückwies.

Die dagegen erhobene Anhörungsrüge verwarf der BFH mit Beschluss vom 3. November 2010 (X S 28/10) als unzulässig (Bl. 36 fff. Streitakte).

Mit Beschluss vom 8. März 2010 - auf den ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 318 Bd. II in 8 K 7377/05 B) - berichtigte der 8. Senat des FG Berlin-Brandenburg seine im Urteil vom 1. Dezember 2009 gefasste Kostenentscheidung. Der dagegen eingelegten Beschwerde (Bl. 328 ff. in 8 K 7377/05 B) wurde mit Beschluss vom 8. April 2010 (Bl. 332 in 8 K 7377/05 B) nicht abgeholfen.

Noch während des schwebenden Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens erließ der Beklagte am 17. Mai 2010 für 1994, 1995 und 1996 nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Abgabenordnung - AO - geänderte Einkommensteuerbescheide, die er der seinerzeitigen Prozessbevollmächtigten, der F… GmbH, vertreten durch deren Geschäftsführer Herrn Rechtsanwalt C…, unter der Anschrift D…-straße, E… bekannt gab. In den Erläuterungen zur Festsetzung ist der Hinweis enthalten: „Auf die Anlage zu diesem Bescheid wird hingewiesen.“ Unter dem Abschnitt „Rechtsbehelfsbelehrung“ auf Seite 4 der Bescheide ist die Einspruchseinlegungsmöglichkeit durch eine handschriftliche Ausstreichung auf die Festsetzung der Zinsen beschränkt. In einer Anlage zu den Einkommensteuerbescheiden (Bl. 353/Bd. II in 8 K 7377/05 B) führte der Beklagte (u.a.) aus, dass die Berechnung der Steuer aufgrund des Urteils des FG vom 1. Dezember 2009 erfolge. Außerdem ist folgender Passus enthalt: „Sie können mit dem Einspruch nur einwenden, dass die Betragsberechnung nicht dem Urteil vom 1. Dezember 2009 entspricht.“

Mit dem am 20. Mai 2010 (Stempelaufdruck Bl. 343/Bd. II in 8 K 7377/05 B) beim 8. Senat des FG Berlin-Brandenburg eingegangenen Schriftsatz vom 17. Mai 2010 übersandte der Beklagte Abschriften der geänderten Einkommensteuerbescheide vom 17. Mai 2010 (Bl. 343 bis 355/Bd. II in 8 K 7377/05 B), wo sie gemäß Verfügung des Vorsitzenden vom 26. Mai 2010 (Bl 343/Bd. II Rs. In 8 K 7377/05 B) zu den Prozessakten verfügt wurden. Ausweislich des in den Akten befindlichen Empfangsbekenntnisses des FG vom 5. Mai 2010 (Bl. 343/Bd. II in 8 K 7377/05 B) waren die Prozessakten bereits zuvor am 18. Mai 2010 dem mit der Bearbeitung der Nichtzulassungsbeschwerde betrauten X. Senat des BFH übersandt worden. Die Prozessakten nebst Abdrucken zweier Entscheidungen des BFH (Nichtzulassungsbeschwerde sowie Beschwerde gegen den Beschluss des FG vom 8. März 2010 [Bl. 341/Bd. II in 8 K 7377/05 B]) gelangten am 25. August 2010 (Bl. 325 ff./Bd. II in 8 K 7377/05 B) an das FG zurück.

Mit dem beim Beklagten am 21. Mai 2010 eingegangenen Schriftsatz vom 19. Mai 2010 - auf den wegen des weiteren Inhalts ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 121 Einkommensteuerakte - EStA - Bd. III b) - reichte die Prozessbevollmächtigte die Originalbescheidausfertigungen an den Beklagten zurück und führte aus, dass sie nur für das Einspruchs- bzw. Klageverfahren bevollmächtigt sei, nicht aber zum Empfang der fraglichen Änderungsbescheide. Diese seien richtigerweise dem Steuerberater der Kläger zu übersenden.

Mit Schreiben vom 28. Mai 2010 teilte der Beklagte mit (Bl. 123 f. ESt.-Akte/Bd. III b), dass die Bekanntgabe der Einkommensteuerbescheide vom 17. Mai 2010 zutreffend an die Prozessbevollmächtigte erfolgt sei. Die einem Prozessbevollmächtigten erteilte Vollmacht für ein Klageverfahren umfasse auch Zustellungen und Bekanntgaben von Bescheiden, die den Klagegegenstand beträfen, §§ 62, 155 FGO i. V. m. § 81 der Zivilprozessordnung - ZPO - (unter Hinweis auf BFH-Urteile vom 10. Mai 1989 I R 159/85, Sammlung der amtlich nicht veröffentlichten Entscheidungen des BFH - BFH/NV - 1989, 635 und 14. Dezember 1989 III R 49/89, BFH/NV 1991, 288). Dies gelte vor allem für Änderungsbescheide, die den gerichtlich angefochtenen Verwaltungsakt änderten oder ersetzten (Hinweis auf BFH-Urteil vom 26. Juli 2006 V B 198/05, Bundessteuerblatt - BStBl - II 1994, 806).

Nach Ablauf der einmonatigen Einspruchsfrist legte die Prozessbevollmächtigte mit beim Beklagten am 30. Juni 2010 eingegangenem Schreiben vom 29. Juni 2010 „uneingeschränkt Rechtsmittel“ ein Bl. 126 f. EStA/Bd. III b) und verwies auf die im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren (X B 21/10) mit Schriftsatz vom 1. März 2010 abgegebene Begründung.

Mit zusammengefasster Einspruchsentscheidung vom 4. August 2010 verwarf der Beklagte die Einsprüche der Kläger als unzulässig und führte zu deren Begründung aus, es handele sich um Änderungsbescheide im Sinne des § 68 FGO, die (automatisch) Verfahrensgegenstand des beim BFH anhängigen Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens (X B 21/10) geworden seien. Aus § 68 Satz 2 FGO folge, dass gegen diese Bescheide keine Einsprüche eingelegt werden könnten. Weiterhin hielt der Beklagte die Einsprüche für verspätet. Mit der Bekanntgabe der Änderungsbescheide an die Prozessbevollmächtigte - die einen Empfang am 18. Mai 2010 bestätigt habe - habe die einmonatige Einspruchsfrist am Freitag, dem 21. Mai 2010 zu laufen begonnen und habe am Montag, dem 20. Juni 2010 geendet, sodass die bei ihm - dem Beklagten - am 29. Juni 2010 eingegangen Einsprüche verfristet seien.

Hiergegen haben die Kläger am 3. September 2010 Klage erhoben.

Zur Begründung tragen sie vor: Die Einsprüche seien zulässig. Ein Fall des § 68 FGO sei nicht gegeben, weil der BFH die Revision auf die Nichtzulassungsbeschwerde nicht zugelassen habe. Es sei zu berücksichtigen, dass es bei § 68 FGO keine Antragsfrist mehr einzuhalten gebe. Zu Unrecht habe der Beklagte die Einsprüche als verspätet erachtet. Die Einkommensteuerbescheide für 1994 bis 1996 vom 17. Mai 2010 hätten der F… GmbH nicht wirksam bekannt gegeben werden können. Niemand dürfe gegen seinen Willen gezwungen werden, neue Steuerbescheide in Empfang zu nehmen, die ihn nicht persönlich beträfen.

In der Sache beanspruchen die Kläger, eine Hinzuschätzung des Beklagten aus einem (vermeintlich) ungeklärten Darlehensverhältnis in Höhe von 200.000 DM rückgängig zu machen. Hinsichtlich eines dem privaten Konto des Klägers in Höhe von 114.691,48 DM gutgebrachten Betrages sei mit dem Beklagten eine tatsächliche Verständigung getroffenen, derzufolge eine Hinzuschätzung ausgeschlossen sei. Gleiches gelte hinsichtlich des verbleibenden Betrags in Höhe von 76.921,15 DM. Die Kläger verweisen außerdem auf eine eidesstattliche Versicherung des Herrn G… vom 30. November 2009 (Bl. 77 Streitakte). Dieser könne bestätigen, dass er dem Kläger zur Tilgung des Darlehens einen betrag in Höhe von 76.921 DM auf dessen privates Bankkonto bei der E… Sparkasse überwiesen habe (vgl. Bl. 49/50/76 f. Streitakte). Diesen Betrag habe er (Herr G…) zuvor vom Kläger sukzessive beginnend ab 1994 in kleinen Teilbeträgen darlehensweise erhalten. Die Rechtskraft des Urteils des FG Berlin-Brandenburg vom 1. Dezember 2009 könne der begehrten Änderung - so die Kläger - nicht entgegenstehen. Sie - die Kläger - fühlten sich vom Beklagten betrogen.

Die Kläger beantragen,

die Einkommensteuerbescheide für 1994, 1995 und 1996 jeweils vom 17. Mai 2010 in Gestalt der zusammengefassten Einspruchsentscheidung vom 4. August 2010 mit der Maßgabe zu ändern, dass Hinzuschätzungen in Höhe von 200.000 DM rückgängig gemacht werden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verweist auf die Gründe seiner Einspruchsentscheidung. Ergänzend verweist er darauf, dass die Kläger zwar Gesamtschuldner der durch Zusammenveranlagung festgesetzten Einkommensteuerbeträge seien. Eine Frage der Haftung ergebe sich daraus nicht, weil die Gesamtschuldner - die zusammen zu einer Steuer vom Einkommen veranlagt worden seien - eine Aufteilung der Gesamtschulden nach Maßgabe der §§ 268 ff. AO beantragen könnten. Eine Aufteilung der rückständigen Beträge sei mit Aufteilungsbescheiden vom 23. August 2002 sowie 23. April 2012 (Bl. 60 ff. Streitakte) antragsgemäß erfolgt.

Auf fernmündlicher Anfrage des Berichterstatters vom 22. April 2014 hat die Mitarbeiterin des Beklagten - Frau H… - mitgeteilt, dass dem BFH die fraglichen Einkommensteuerbescheide vom 17. Mai 2010 im Rahmen des zum Aktenzeichen X B 21/10 anhängigen Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens erstmals mit Schreiben vom 6. August 2010 zur Kenntnis gegeben worden seien (siehe Gesprächsvermerk vom 22. April 2014; Bl. 94 Streitakte). Herr Rechtsanwalt C… teilte fernmündlich mit, dass er dem BFH die fraglichen Bescheide seinerzeit als Verfahrensbevollmächtigter im NZB-Verfahren X B 21/10 nicht zur Kenntnis gegeben habe (siehe Gesprächsvermerk vom 17. April 2014, Bl. 93 Rs. Streitakte sowie Schriftsatz vom 22. April 2014). Von der Durchführung einer getrennten Veranlagung für die Streitjahre haben die Kläger (ausdrücklich) Abstand genommen (sieh Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten vom 22. April 2014).

Dem Senat haben bei seiner Entscheidungsfindung neben einem Band - Bd. - Streitakten zum vorliegenden Verfahren, zwei Bde. Streitakten sowie eine Heftung mit Unterlagen zum Verfahren 8 K 7377/05 B (vormals 15 K 7377/05 B - Anlage zum Schriftsatz vom 16. Januar 2009) fünf Bde. Einkommensteuerakten des Beklagten zur Steuernummer 519/60936 vorgelegen, auf deren Inhalt ergänzend Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Die angefochtenen Einkommensteuerbescheide sind mit Rechtskraft des Urteils vom 1. Dezember 2009 - 8 K 8377/05 B - nach Zurückweisung der NZB bzw. Verwerfung der Anhörungsrüge als unzulässig durch den BFH am 19. Juli 2010 bzw. 3. November 2010 in (formelle) Bestandskraft erwachsen und können in Ermangelung einer Korrekturvorschrift nicht mehr in dem von den Klägern erstrebten Sinne geändert werden.

Der Beklagte hat die Einsprüche gegen die Einkommensteuer-Änderungsbescheide vom 17. Mai 2010 zu Recht als unzulässig verworfen, weil ein Einspruch insoweit nicht statthaft war.

Die Durchführung eines Einspruchsverfahrens gegen die streitgegenständlichen Bescheide vom 17. Mai 2010 war gemäß § 68 Satz 2 FGO ausgeschlossen (siehe auch BFH, Beschluss vom 2. Dezember 2013 III B 157/12, juris), denn bei den streitgegenständlichen Änderungsbescheiden handelte es sich um Verwaltungsakte i. S. d. § 68 Satz 1 FGO, die automatisch - also ohne das Erfordernis weiterer Erklärungen der Verfahrensbeteiligten - Gegenstand des beim BFH zum Az. X B 21/10 seinerzeit anhängigen NZB-Verfahrens geworden waren.

Die vom Beklagten in der Anlage zu den Bescheiden vom 17. Mai 2010 gegebene insoweit unzutreffende Rechtsbehelfsbelehrung (Bl. 353 in 8 K 7377/05 B) vermag hieran nicht zu ändern.

Die in § 68 FGO geregelte automatische Klageänderung (siehe Leingang-Ludolph, Wiese „Automatische Klageänderung bei Änderungs- und Ersetzungsbescheiden durch § 68 FGO n. F.“, Deutsches Steuerrecht - DStR - 2001, 775 bzw. „Automatische Auswechslung des Verfahrensgegenstandes“ von Groll in Gräber, FGO, 7. Aufl. 2010, § 68 Tz. 80) gilt in analoger Anwendung auch für das NZB-Verfahren (vgl. etwa BFH, Beschluss vom 26. Juli 2006 V B 198/05, Sammlung der amtlich nicht veröffentlichten Entscheidungen des BFH - BFH/NV - 2006, 2112).

Allerdings findet § 68 FGO keine Anwendung, wenn das Finanzamt nach § 100 Abs. 2 Satz 3 FGO in Umsetzung eines erstinstanzlichen (teilweise) stattgebenden Urteils des Finanzgerichts den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mitteilt (vgl. Lange in: Hübschmann/Hepp/Spitaler: AO/FGO, § 68 FGO Tz. 91; OFD Frankfurt a. M., Rundverfügung vom 6. April 2005 - FG 2029 A - 5 St II 4.01, Deutsche Steuer Zeitung - DStZ - 2005, 462).

Die formlose Mitteilung ist kein Verwaltungsakt im Sinne des § 68 FGO, weil sie keine Regelungswirkung entfaltet, sondern lediglich den späteren Erlass eines Änderungsbescheides vorbereitet. Dieser soll gemäß § 100 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 2 FGO mit geändertem Inhalt erst nach Rechtskraft der Entscheidung bekannt gegeben werden. Erst der gemäß § 100 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 2 FGO bekannt gegebene Steuerbescheid ist ein Verwaltungsakt im Sinne des § 118 Satz 1 AO und kann mit Einspruch und Klage angefochten werden (BFH-Urteil vom 4. Mai 2011 I R 67/10, BFH/NV 2012, 6).

Dass der Beklagte entgegen § 100 Abs. 2 Satz 3 FGO keine formlosen Mitteilungen, sondern sogleich förmliche Änderungsbescheide für 1994 bis 1996 erlassen hat, steht der Anwendung des § 68 FGO nicht entgegen.

Dass es sich vorliegend nicht um formlose Mitteilungen i. S. d. § 100 Abs. 2 Satz 3 FGO, sondern vielmehr um förmliche Bescheide (Verwaltungsakte) handelt, ist nicht strittig und unterliegt keinem Zweifel.

Die Seite 1 der dem Senat vorliegenden Ausfertigungen sind mit „Bescheid für …“ überschrieben (Bl. 344, 347 350 Streitakte 8 K 7377/05 B). Unter den „Erläuterungen zur Festsetzung“ ist jeweils der Passus enthalten: „Der Bescheid ändert den Bescheid vom …“. Ferner wird in der „Anlage zu den Einkommen- und Gewerbesteuerbescheiden 1994 bis 1996“ darauf hingewiesen, dass mit dem „Einspruch“ nur eingewandt werden könne, dass die Betragsberechnung nicht dem Urteil vom 1. Januar 2009 entspreche (siehe Bl. 353 in 8 K 7377/05 B).

Obgleich der Beklagte die Betragserrechnungsbescheide unter Verletzung des § 100 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 2 FGO verfrüht erlassen hatte, bleibt es bei der durch § 68 Satz 1 FGO zwingend angeordneten Auswechselung des Verfahrensgegenstandes, mit der Folge, dass die Bescheide Verfahrensgegenstand des seinerzeit schwebenden NZB-Verfahrens (X B 21/10) geworden sind (so BFH, Urteile vom 4. März 1998 X R 142/94, BFH/NV 1998, 965; vom 18. November 2004 V R 37/03, BStBl II 2005, 217).

Dieser Würdigung steht nicht entgegen, dass dem BFH die Betragserrechnungsbescheide bei der Entscheidung über die NZB am 19. Juli 2010 nicht bekannt waren.

Zwar hat der Beklagte die aus § 68 Satz 3 FGO folgende Verpflichtung, dem zuständigen Spruchkörper (hier der 10. Senat des BFH) eine Abschrift der neuen Verwaltungsakte zu übermitteln (von Groll in Gräber, a. a. O., § 68 Tz. 100), ersichtlich nicht entsprochen. An die Verletzung dieser prozessualen Pflicht sind aber keine Sanktionen geknüpft (vgl. von Groll in Gräber a. a. O. unter Hinweis auf BFH, Beschluss vom 18. April 2005 IV B 90/03, BFH/NV 2005, 1817). Es handelt sich um eine reine Ordnungsvorschrift (von Groll in Gräber, 7. Aufl. 2006, § 68 Tz. 100).

Für den Fall, dass das FG bei seiner Entscheidung Bescheide i. S. v. § 68 FGO übersieht, hat es der BFH deshalb aus prozessökonomischen Gründen ausreichen lassen, dass eine Richtigstellung in der Rechtsmittelentscheidung erfolgt (vgl. BFH-Beschlüsse vom 14. August 2009 II B 43/09, BFH/NV 2009, 2012; vom 7. August 2008 I B 161/07, BFH/NV 2008, 2053, vom 29. August 2003 II B 70/03, BFHE 203, 174, BStBl II 2003, 944; BFH-Urteile vom 14. März 2006 I R 38/05, BFH/NV 2006, 1172; vom 31. Mai 2006 II R 32/04, BFH/NV 2006, 2232; vom 13. Dezember 2006 VIII R 31/05, BFHE 216, 214, BStBl II 2007, 393; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 68 FGO Rz 25). Diese Möglichkeit scheidet vorliegend aus, weil es sich hier um einen Fall des Übersehens durch den BFH handelt.

Die durch § 68 FGO angeordnete Auswechselung des Verfahrensgegenstandes findet auch Anwendung, wenn nicht das FG, sondern - wie hier - der BFH im NZB-Verfahren Änderungsbescheide i. S. d. § 68 übersieht und über nicht mehr existente und damit über „falsche“ Bescheide entscheidet. Das aus Art. 19 Abs. 4 GG folgende Gebot eines effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes - GG -) wird vorliegend nicht verletzt.

Zur Vermeidung einer das verfassungsrechtliche Rechtsschutzgebot (möglicherweise) verletzenden Rechtsschutzlücke war es den Beteiligten in analoger Anwendung des § 109 FGO möglich und zumutbar, binnen zwei Wochen nach Zustellung (BFH-Beschluss vom 21. November 2012 X B 27/11, BFH/NV 2013, 734), eine Ergänzung des BFH-Beschlusses vom 19. Juli 2010 (X B 21/10) zu beantragen. Spätestens mit der Bekanntgabe des BFH-Beschlusses vom 19. Juli 2010 (X B 21/10) war für die fachkundig vertretenen Kläger ersichtlich, dass der BFH die Änderungsbescheide vom 17. Mai 2010 bei seiner Beschlussfassung am 19. Juli 2010 übersehen hatte, wie sich unzweifelhaft auch dem Tenor des betreffenden BFH-Beschlusses entnehmen lässt (Bl. 326 in 8 K 7377/05 B). Abgesehen davon wird für die Praxis empfohlen, dass bei Bescheiden i. S. v. § 68 FGO stets der Kläger bzw. sein Prozessbevollmächtigter das Gericht von sich aus durch Übersendung einer Kopie informiert, um das Risiko zu vermindern, dass der BFH - wie hier - über ursprüngliche Verwaltungsakte entscheidet (so von Groll in Gräber, 7. Aufl. 2006, § 68 Tz. 100).

Abgesehen davon kommt eine Änderung der bestandskräftigen Bescheide vom 17. Mai 2010 nicht in Betracht, weil eine Korrekturvorschrift nicht ersichtlich ist.

Dass die im erstinstanzlichen FG-Urteil vom 1. Dezember 2009 enthaltenen Vorgaben in den verfrüht ergangenen Betragserrechnungsbescheiden im Sinne des § 100 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 2 FGO vom Beklagten unzutreffend (rechnerisch) umgesetzt worden sind, ist von den Klägern weder geltend gemacht worden, noch ist dies sonst erkennbar und bedarf deshalb keiner weitergehenden Erörterung.

Die mit der Klage erstrebte Rückgängigmachung von Hinzuschätzungen in Höhe von 200.000 DM scheidet aus, weil einer Änderung der Einkommensteuerbescheide für 1994 bis 1996 vom 17. Mai 2010 deren Bestandskraft entgegensteht.

Mit der Rechtskraft des FG-Urteils vom 1. Dezember 2009 sind zugleich die ihm zu Grunde liegenden Betragserrechnungsbescheide vom 17. Mai 2010 bestandskräftig geworden. Deren Änderung käme deshalb nur in Betracht, wenn neue Umstände eingetreten wären, die nach den insoweit einschlägigen Vorschriften eine Änderung des Verwaltungsaktes gebieten (BFH-Urteil vom 4. Mai 2011 I R 67/10, BFH/NV 2012, 249). Daran fehlt es vorliegend.

Die geltend gemachten Gründe, die aus Sicht der Kläger eine fehlerhafte Hinzuschätzung begründen sollen, sind sowohl vom FG als auch vom BFH eingehend erörtert worden (vgl. insbesondere Seite 6 des BFH-Beschlusses vom 19. Juli 2010, Bl. 228, 229 Streitakte 8 K 7377/05 B). Dem seinerzeit zuständigen 15. Senat lag überdies die fragliche eidesstattliche Versicherung des Herrn G... vom 30. November 2009 vor (Bl. 253 in 8 K 7377/05 B). Mithin sind die Voraussetzungen für eine die Bestandskraft (Rechtskraft) durchbrechende Korrekturnorm insbesondere wegen neuer Tatsachen nach § 173 AO erkennbar nicht erfüllt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.