Gericht | ArbG Cottbus 3. Kammer | Entscheidungsdatum | 10.12.2013 | |
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Aktenzeichen | 3 Ca 1879/12 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 613a BGB |
Für die Aufgabe eines Rettungsdienstes sind die sächlichen Betriebsmittel identitätsprägend, da bei wertender Betrachtung ihr Einsatz den eigentlichen Kern des zur Wertschöpfung erforderlichen Funktionszusammenhangs ausmacht und sie unverzichtbar für die auftragsgemäße Verrichtung der Tätigkeit sind, vgl. auch BAG vom 10.05.2012 - 8 AZR 434/11, Juris, LAG Köln vom 19.10.2007 - 11 Sa 698/07, Juris.
Eine Teilkündigung eines Arbeitsvertraes zielt auf die einseitige Änderung der Vertragsbedingungen gegen den Willen des Vertragspartners. Sie ist grundsätzlich unzulässig, BAG vom 14.11.1990 - 5 AZR 464/89, Juris.
Ist das Recht zur einseitigen Änderung der Vertragsbedingungen vertraglich vereinbart, so handelt es sich regelmäßig - unabhängig von der Bezeichnung - um den Vorbehalt eines Widerrufs. Seine Ausübung hat nach billigem Ermessen zu erfolgen. Die Vereinbarung eines Widerrufsvorbehalts, der zur Umgehung des Kündigungsschutzes führt, ist unwirksam, BAG vom 07.10.1982 - 2 AZR 455/80, BAGE 40, 199.
1. Es wird festgestellt, dass zwischen den Parteien seit dem 01. Januar 2013 ein Arbeitsverhältnis zu den Bedingungen des Arbeitsvertrages des Klägers mit der DRK Rettungsdienst Spremberg gGmbH vom 24. Oktober 2013 als Rettungsassistent besteht.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 7.386,15 Euro festgesetzt.
Die Parteien streiten um das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zwischen ihnen aufgrund eines Betriebsübergangs sowie die Wirksamkeit einer von der Beklagten erklärten Teilkündigung sowie die Anwendbarkeit eines arbeitsvertraglich in Bezug genommenen Tarifvertrages.
Der Kläger war zuletzt aufgrund eines Änderungsvertrages vom 24.10.2012 als Rettungsassistent bei der DRK Rettungsdienst Spremberg gGmbH tätig. Laut § 1 des Änderungsvertrages wird für den Kläger eine Betriebszugehörigkeit „ab dem 01.10.1991 angenommen.“ § 2 des Änderungsvertrages bestimmt, dass das Inkrafttreten des Arbeitsvertrages von der Begründung der Mitgliedschaft des Klägers zum DRK abhängt. Mit der Unterzeichnung des Arbeitsvertrages erkläre der Kläger seinen Beitritt zum DRK. Hinsichtlich der Arbeitsbedingungen verweist § 3 auf den jeweils gültigen Tarifvertrag der Deutsches Rotes Kreuz Rettungsdienst Spremberg gGmbH. Diese Klausel lautet wie folgt:
„(…)
§ 3 Arbeitsbedingungen
Für das Arbeitsverhältnis gelten der jeweils gültige Tarifvertrag der Deutsches Rotes Kreuz Rettungsdienst Spremberg gGmbH in seiner jeweils gültigen Fassung sowie hierzu abgeschlossene Vereinbarungen. Die Möglichkeit der fristgemäßen Kündigung wird ausdrücklich vereinbart.
(…)“.
Die DRK Rettungsdienst Spremberg gGmbH ist Teil des DRK Kreisverband Niederlausitz e.V. und betrieb bis zum 31.12.2012 die Rettungswachen Guben und Spremberg im Landkreis Spree-Neiße mit 49 Beschäftigten.
Die Beklagte erbringt als ein Unternehmen der international tätigen Falckgruppe Rettungsdienstleistungen in Deutschland mit Sitz in Hamm.
Bis zum 31.12.2012 erbrachte der DRK Cottbus-Spree-Neiße-West e.V. aufgrund eines Vergabevertrags nach öffentlicher Ausschreibung für den Landkreis Spree-Neiße den Rettungsdienst im Landkreis Spree-Neiße mit insgesamt sieben Rettungswachen. Fünf Rettungswachen (Peitz, Burg, Forst, Döbern und Drebkau) wurden vom DRK Cottbus-Spree-Neiße-West e.V. selbst betrieben. Zwei Rettungswachen, Guben und Spremberg, von der DRK Rettungsdienst Spremberg gGmbH. Die Gebäude der Rettungswachen, deren Inventar, die Fahrzeuge nebst deren Ausstattung und das zur Aufgabenerbringung erforderliche sonstige Material stehen im Eigentum des Landkreises Spree- Neiße.
Mit Beschluss des Kreistages Spree-Neiße im Vergabeverfahren Nr. I./32.4-03/2012 vom 16.06.2012 wurden der Beklagten die Aufgaben des Rettungsdienstes und die Aufgaben des erweiterten Rettungsdienstes im Landkreis Spree-Neiße ab dem 01.01.2013 übertragen. In einem Vergabevertrag mit dem Landkreis vom 04.07.2012 wurde der Beklagten die Verfügungsbefugnis über die sieben Rettungswachen, deren Fahrzeuge, Material und Inventar mit Stand 31.12.2012 eingeräumt. Seit dem 01.01.2013 erbringt die Beklagte für den Landkreis die Aufgabe des - auch erweiterten – Rettungsdienstes mit den sieben Rettungswachen, deren Fahrzeugen, Material und Inventar.
Die in den vormals vom DRK Cottbus-Spree-Neiße-West e.V. betriebenen Rettungswachen Burg, Peitz, Forst, Döbern und Drebkau beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer werden von der Beklagten zu den bisherigen Arbeitsbedingungen weiterbeschäftigt.
Am 30.11.2012 erhielt die Beklagte Kenntnis von einem zwischen der DRK Rettungsdienst Spremberg gGmbH und ver.di im Oktober 2012 rückwirkend auf den 01.09.2012 abgeschlossenen Tarifvertrag. Die DRK Rettungsdienst Spremberg gGmbH war zuvor nicht tarifgebunden.
Die Beklagte unterbreitete dem Kläger ein Arbeitsvertragsangebot zu verschlechternden Konditionen (Anlage K2, Bl. 6 ff. d. A.). Der Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages sei erforderlich, da kein Betriebsübergang von der DRK Rettungsdienst Spremberg gGmbH zur Beklagten vorliege und somit kein Arbeitsverhältnis zur Beklagten ab dem 01.01.2013 bestehe. Dieses Angebot unterbreitete die Beklagte allen ihr bekannten Beschäftigten der DRK Rettungsdienst Spremberg gGmbH. Eine Einigung hierüber kam nicht zustande. Seit dem 01.01.2013 wird der Kläger von der Beklagten als Rettungsassistent in seiner bisherigen Rettungswache beschäftigt; aufgrund einer Gesamtzusage der Beklagten auf Basis des Entgeltniveaus von Juni 2012.
Mit seiner am 31.12.2012 beim Arbeitsgericht Cottbus eingegangenen Klage begehrte der Kläger zunächst die Feststellung, dass sein zur DRK Rettungsdienst Spremberg gGmbH bestehendes Arbeitsverhältnis ab dem 01.01.2013 zu den am 31.12.2012 geltenden Bedingungen zur Beklagten fortbesteht. Im Laufe des Verfahrens erklärte die Beklagte mit Schreiben vom 01.03.2012 die Teilkündigung des § 3 des Arbeitsvertrages vom 24.10.2012, die der Kläger mit Klageerweiterung vom 14.03.2013 angriff.
Der Kläger ist der Ansicht, dass sein Arbeitsverhältnis aufgrund eines Betriebsübergangs gemäß § 613a BGB zu den am 31.12.2012 geltenden Bedingungen des Änderungsvertrages vom 24.10.2012 zur Beklagten fortbesteht. Nach der Rechtsprechung liege bei der Neuvergabe von Rettungsdiensten an einen anderen Auftragnehmer durch den Landkreis ein Betriebsübergang im Sinne des § 613a BGB vor. Die von der DRK Rettungsdienst Spremberg gGmbH bis zum 31.12.2012 genutzten Betriebsmittel nutze ohne jede Änderung seit dem 01.01.2013 die Beklagte. Dies sei maßgeblich, weil es sich bei den sächlichen Betriebsmitteln des Rettungsdienstes um die für den Betrieb „Rettungsdienst“ identitätsprägenden Bestandteile handele. Die Aufgabe habe sich nicht verändert. Alle Beschäftigten der DRK Rettungsdienst Spremberg gGmbH seien seit dem 01.01.2013 für die Beklagte tätig.
Es gälten die Arbeitsvertragsbedingungen des Änderungsvertrages vom 24.10.2012 einschließlich der dort vereinbarten Anwendung des Tarifvertrages zwischen der Deutsches Rotes Kreuz Rettungsdienst Spremberg gGmbH und der Gewerkschaft ver.di, deren Mitglied er im Übrigen seit dem 01.01.2013 sei. Die Berufung auf die Anwendbarkeit sei auch nicht treuwidrig, insbesondere handele es sich nicht um einen Vertrag zu Lasten Dritter. Bereits im September 2011 habe der Betriebsrat die Geschäftsführerin der DRK Rettungsdienst Spremberg gGmbH auf Bitten der Belegschaft zu Tarifverhandlungen mit ver.di aufgefordert. Die Tarifverhandlungen zu dem im Oktober 2012 abgeschlossenen Tarifvertrag zwischen der DRK Rettungsdienst Spremberg gGmbH und ver.di hätten am 28. Februar 2012 begonnen.
Der Kläger beantragt - zuletzt -,
festzustellen, dass zwischen den Parteien seit dem 01. Januar 2013 ein Arbeitsverhältnis zu den Bedingungen des Arbeitsvertrages des Klägers mit der DRK Rettungsdienst Spremberg GmbH vom 24.10.2012 als Rettungsassistent besteht.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Ansicht, dass zwischen ihr und dem Kläger kein Arbeitsverhältnis zu den Bedingungen des Änderungsvertrages vom 24.10.2012, abgeschlossen zwischen dem Kläger und der DRK Rettungsdienst Spremberg gGmbH, bestehe. Ein Betriebsübergang habe durch die Erbringung der Aufgaben des Rettungsdienstes für den Landkreis Spree-Neiße seit dem 01.01.2013 mit den Rettungswachen Guben und Spremberg von der DRK Rettungsdienst Spremberg gGmbH zu ihr nicht stattgefunden.
Ein Übergang der Arbeitsverhältnisse von der DRK Rettungsdienst Spremberg gGmbH – auch über den Landkreis Spree-Neiße als Eigentümer der sächlichen Betriebsmittel des Rettungsdienstes – habe nicht stattfinden können, da es am Merkmal des „rechtsgeschäftlichen Überganges“ fehle. Die DRK Rettungsdienst Spremberg gGmbH sei nicht Dritte im Sinne von § 10 Brandenburgisches Rettungsdienstgesetz gewesen. Der Landkreis habe den DRK Cottbus-Spree-Neiße-West e.V. mit der Erbringung der Aufgaben des Rettungsdienstes beauftragt. Es sei nicht bekannt, aufgrund welcher Rechtsgrundlage die DRK Rettungsdienst Spremberg gGmbH Aufgaben des Rettungsdienstes für den DRK Cottbus-Spree-Neiße-West e.V. mit den Rettungswachen Guben und Spremberg erbracht habe. Eine vertragliche Beziehung habe weder zu ihr noch zum Landkreis Spree-Neiße bestanden. Es könne gerade in dieser Fallkonstellation nicht auf das Merkmal des „rechtsgeschäftlichen Übergangs“ für den Tatbestand des § 613a BGB verzichtet werden. Wie der Fall exemplarisch zeige, könne die fehlende Verhandlungssituation zwischen Erwerber und Veräußerer zu Missbrauch führen. Zu Lasten des Erwerbers können Fakten geschaffen werden, die ihn durch die durch § 613a BGB angeordnete Übernahme der arbeitsvertraglichen Verpflichtungen finanziell schädigten.
Aufgrund der im Änderungsvertrag des Klägers vom 24.10.2012 enthaltenen „Tendenzklausel“, der Vielzahl der von den Beschäftigten der DRK Rettungsdienst Spremberg gGmbH ausgeübten Nebentätigkeiten für das Deutsche Rote Kreuz und da die von der DRK Rettungsdienst Spremberg gGmbH betriebenen Rettungswachen Lehrrettungswachen gewesen seien, sei eine Identitätswahrung nicht gegeben. Weder setze das Arbeitsverhältnis zur Beklagten die Mitgliedschaft im Deutschen Roten Kreuz voraus, noch seien Ehrenämter für die Tätigkeit in den von der Beklagten seit dem 01.01.2013 betriebenen Rettungswachen prägend. Die Rettungswachen Guben und Spremberg seien keine Lehrrettungswachen mehr.
Es sei auch nicht bekannt, ob der Kläger Mitglied des Deutschen Roten Kreuzes sei, so dass der Änderungsvertrag keine Wirksamkeit bis zum 31.12.2012 erlangt habe. Andere Arbeitsverträge mit der DRK Rettungsdienst Spremberg gGmbH seien der Beklagten nicht bekannt.
Die Berufung auf den Änderungsvertrag vom 24.10.2012 sei treuwidrig. Es sei für den Kläger erkennbar gewesen, dass der in Bezug genommene Tarifvertrag auf einem treuwidrigen Zusammenwirken der Tarifvertragsparteien zu Lasten der Beklagten beruhe. Im Übrigen habe der EuGH entschieden, dass dynamische Bezugnahmeklauseln nach einem Betriebsübergang gegenüber dem Erwerber nicht durchsetzbar seien, wenn dieser keine Möglichkeit gehabt habe, an den Verhandlungen zu diesem Tarifvertrag teilzunehmen. Jedenfalls gehe die Bezugnahmeklausel ins Leere, weil der Tarifvertrag nach den Tarifrichtlinien der Gewerkschaft Ver.die nicht ordnungsgemäß zustande gekommen sei.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes sowie wegen der Einzelheiten des Vortrags der Parteien wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der – soweit entscheidungserheblich – Gegenstand der mündlichen Verhandlung, ergänzend Bezug genommen.
Die zulässige Klage ist, soweit sie nach der Klarstellung des Klageantrags in der mündlichen Verhandlung am 28.11.2013 zur Entscheidung der Kammer angefallen ist, in vollem Umfang begründet. Nach dem Inhalt der Gerichtsakte und dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung ist die Kammer überzeugt, dass es zum 01.01.2013 einen Betriebsübergang von der Deutsches Rotes Kreuz Rettungsdienst Spremberg gGmbH auf die hiesige Beklagte gegeben hat. Der Kläger ist infolge dieses Betriebsüberganges übergegangen und das durch den Betriebsübergang begründete Arbeitsverhältnis der Parteien besteht so, wie es vor dem Übergang bestanden hat, mithin zu den Bedingungen des Änderungsvertrages vom 24.10.2012 einschließlich der dort vereinbarten Tarifbindung. Daran hat auch die erklärte Teilkündigung der Beklagten nichts geändert.
I.
Zwischen den Parteien besteht seit dem 01.01.2013 ein Arbeitsverhältnis zu den Bedingungen des Änderungsvertrages am 24.10.2012, abgeschlossen zwischen dem Kläger und der DRK Rettungsdienst Spremberg gGmbH.
1.
Der vom Kläger gestellte Feststellungsantrag ist nach § 256 Abs. 1 ZPO zulässig. Das als Sachurteilsvoraussetzung zu prüfende besondere Feststellungsinteresse besteht insoweit, als der Antrag auf die Feststellung des Fortbestands eines Arbeitsverhältnisses gerichtet ist. Hierbei handelt es sich um ein Rechtsverhältnis im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO, an dessen Feststellung der Kläger ein gegenwärtiges Interesse hat, da die Beklagte rechtliche Beziehungen zum Kläger aus einem fortbestehenden Arbeitsverhältnis leugnet (BAG vom 10.05.2012 - 8 AZR 434/11 - juris).
2.
Der Feststellungsantrag des Klägers ist begründet. Zum 01.01.2013 hat ein Übergang des Betriebes der Rettungswachen Guben und Spremberg von der DRK Rettungsdienst Spremberg gGmbH auf die Beklagte stattgefunden.
Ein Betriebsübergang im Sinne von § 613a BGB liegt vor, wenn ein neuer Rechtsträger die wirtschaftliche Einheit unter Wahrung ihrer Identität fortführt. Der Begriff wirtschaftliche Einheit bezieht sich auf eine organisatorische Gesamtheit von Personen und/oder Sachen zur auf Dauer angelegten Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung. Ob ein im Wesentlichen unveränderter Fortbestand der organisierten Gesamtheit „Betrieb“ bei einem neuen Inhaber anzunehmen ist, richtet sich nach den Umständen des konkreten Falls. Als Teilaspekt der Gesamtwürdigung zählen insbesondere die Art des betreffenden Betriebes, der Übergang materieller Betriebsmittel wie bewegliche Güter und Gebäude, der Wert immaterieller Aktiva im Zeitpunkt des Übergangs, die Übernahme der Hauptbelegschaft durch den neuen Inhaber, der Übergang von Kundschaft und Lieferbeziehungen, der Grad der Ähnlichkeit zwischen den vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeiten und die Dauer der Unterbrechung dieser Tätigkeit. Die Identität der Einheit kann sich auch aus anderen Merkmalen ergeben, wie ihrem Personal, ihren Führungskräften, ihrer Arbeitsorganisation, ihren Betriebsmethoden und ggf. den ihr zur Verfügung stehenden Betriebsmitteln. Den für das Vorliegen eines Übergangs maßgeblichen Kriterien kommt je nach der ausgeübten Tätigkeit und je nach den Produktions- oder Betriebsmethoden unterschiedliches Gewicht zu (BAG a.a.O., m.w.N.)
a)
Die Rettungswachen Guben und Spremberg sind eine wirtschaftliche Einheit im Sinne des § 613a BGB. Der Begriff wirtschaftliche Einheit bezieht sich auf eine organisatorische Gesamtheit von Personen und/oder Sachen zur auf Dauer angelegten Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung. Die Rettungswachen in Guben und Spremberg mit ihren Gebäuden, Fahrzeugen und Personal erbrachten in diesem Teil des Landkreises Spree-Neiße bis zum 31.12.2012 die Aufgaben des Rettungsdienstes, die aufgrund des Vergabevertrages dem DRK Cottbus-Spree-Neiße-West e.V. oblagen. Mit der DRK Rettungsdienst Spremberg gGmbH als Betreiberin, die zum DRK Niederlausitz e.V. gehört, war der Betrieb der Rettungswachen juristisch verselbständigt und hatte einen eigenen Betriebsrat.
b)
Dieser Betrieb ist unter Wahrung seiner Identität auf die Beklagte übergegangen.
aa)
Die maßgeblichen Betriebsmittel, mit denen die DRK Rettungsdienst Spremberg gGmbH bis zum 31.12.2012 die Aufgabe des Rettungsdienstes im Bereich der Rettungswachen Guben und Spremberg erfüllte, hat die Beklagte übernommen.
Die Kammer schließt sich der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts in der bereits zitierten Entscheidung vom 10.05.2012 und der 11. Kammer des LAG Köln (11 Sa 698/07 vom 19.10.2007) an, dass für die Aufgabe des Rettungsdienstes die sächlichen Betriebsmittel identitätsprägend sind, da bei wertender Betrachtung ihr Einsatz den eigentlichen Kern des zur Wertschöpfung erforderlichen Funktionszusammenhangs ausmacht und sie unverzichtbar für die auftragsgemäße Verrichtung der Tätigkeit sind (BAG a.a.O.). Dies trifft – auch nach Auffassung der Kammer – auf die von der Beklagten ab dem 01.01.2013 genutzten Rettungswagen und sonstigen Einsatzfahrzeuge sowie die zur Durchführung des Rettungsdienstes erforderlichen Ausrüstungsgegenstände zu. Auch die Gebäude und deren Inventar sind nach Auffassung der Kammer identitätsprägend, da ohne sie die Betriebsmittel für die Aufgabenerfüllung an diesem Ort nicht vorgehalten werden können. Umfassende Änderungen im Bestand der sächlichen Betriebsmittel ab dem 01.01.2013 sind von der Beklagten nicht behauptet worden. Ob sächliche Betriebsmittel identitätsprägend sind, richtet sich insbesondere nach der jeweiligen Eigenart des Betriebs (LAG Köln, Urteil vom 19.10.2007 - 11 Sa 698/07 – a. a. O.). Dass die Beklagte nicht Eigentümerin der sächlichen Betriebsmittel ist, ist unerheblich. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesarbeitsgerichts sind einem Betrieb auch solche Gebäude, Maschinen, Werkzeuge oder Einrichtungsgegenstände als sächliche Betriebsmittel zuzurechnen, die nicht im Eigentum des Betriebsinhabers stehen, sondern die dieser auf Grund einer mit Dritten getroffenen Nutzungsvereinbarung zur Erfüllung der Betriebszwecke einsetzen kann (LAG Köln a.a.O.). Dies ist bei der Beklagten aufgrund des am 04.07.2012 mit dem Landkreis Spree-Neiße abgeschlossenen Vergabevertrags unstreitig der Fall.
Auch unter Berücksichtigung der erforderlichen Gesamtwürdigung des Einzelfalls kommt die Kammer zu keinem anderen Ergebnis. Die Beklagte verfolgt keinen anderen Betriebszweck als die DRK Rettungsdienst Spremberg gGmbH. Sie verrichtet vielmehr am selben Ort von denselben Räumlichkeiten aus mit denselben Betriebsmitteln dieselben Tätigkeiten wie zuvor die DRK Rettungsdienst Spremberg gGmbH, nämlich die rettungsdienstliche Versorgung im regional festgelegten Umfeld der Wachen Guben und Spremberg (siehe auch LAG Köln a.a.O.).
bb)
Der Identitätswahrung steht nicht entgegen, dass die Beklagte alle sieben Rettungswachen des Landkreises Spree-Neiße betreibt und für diese zumindest für die Zukunft ein einheitliches Führungskonzept vorsieht. Es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte eine wesentliche Organisationsänderung vorgenommen hat (vgl. dazu BAG vom 15.02.2007 - 8 AZR 431/06 - juris). Auch in Bezug auf „Kundschaft“ kann die Beklagte keine wesentlichen organisatorischen Änderungen vornehmen. Der Rettungsdienst wird vor und nach dem 31.12.2012 durch die vor Ort lebende Bevölkerung bzw. die sich im regional festgelegten Umfeld der Rettungswachen Guben und Spremberg aufhaltenden Personen in Anspruch genommen.
Die erstmalige Beauftragung mit Aufgaben des erweiterten Rettungsdienstes steht einer Identitätswahrung nicht entgegen. Es ist nicht erkennbar und von der Beklagten auch nicht konkret dargetan worden, dass die Vorhaltung dieser Infrastruktur als deutlich größere Organisationsstruktur der zuvor bis zum 31.12.2012 von der DRK Rettungsdienst Spremberg gGmbH wahrgenommenen Aufgabenreichweite anzusehen ist (LAG Köln, a.a.O.). Gleiches gilt für die Einstellung des Lehrbetriebs in den Rettungswachen. Auch hier ist nicht erkennbar, inwieweit dies zu einer erheblichen Änderung der Organisationsstruktur führen sollte.
cc)
Neben der Übernahme der sächlichen Betriebsmittel, die zuvor die DRK Rettungsdienst Spremberg gGmbH nutzte, hat die Beklagte auch allen ihr bekannten Beschäftigten der DRK Rettungsdienst Spremberg gGmbH einen Arbeitsvertrag angeboten. Zwar ist Personal nur in betriebsmittelarmen Betrieben identitätsprägend, die Übernahme der Belegschaft kann aber auch in betriebsmittelintensiven Betrieben, wie im vorliegenden Fall, ein weiteres Kriterium unter anderem für die Annahme eines Betriebsübergangs sein (BAG a.a.O.). Da es aber nicht das maßgebliche, identitätsprägende Kriterium ist, kann der Auffassung der Beklagten, die „Tendenzklausel“ in den Arbeitsverträgen (zwingende Mitgliedschaft beim DRK, § 2 des Änderungsvertrages) und die in großer Zahl ausgeübten Ehrenämter (wobei dies konkret für den Kläger nicht behauptet und festgestellt wurde) würde einer Identitätswahrung entgegenstehen, nicht gefolgt werden. Kommt es auf den Übergang der Arbeitsverhältnisse nicht an, kann bei dennoch erfolgter Übernahme allein die Veränderung arbeitsvertraglicher Regelungen zu keiner anderen Bewertung führen.
c)
Der Betrieb der DRK Rettungsdienst Spremberg gGmbH ist auf die Beklagte durch die Erlangung der Verfügungsbefugnis über die identitätsprägenden sächlichen Betriebsmittel durch den Vergabevertrag mit dem Landkreis Spree-Neiße und die tatsächliche Fortführung des Betriebs ab dem 01.01.2013 durch Übernahme der betrieblichen Organisations- und Leitungsmacht übergegangen. Dass es sich bei der Durchführung des Rettungsdienstes um eine Aufgabe der Daseinsvorsorge handelt, steht der Annahme eines Betriebsübergangs grundsätzlich nicht entgegen. Die Übertragung von Dienstleistungen, die im öffentlichen Interesse sind, schließt einen Betriebsübergang dann nicht aus, wenn die betreffende Tätigkeit keine hoheitliche Tätigkeit darstellt. Die Vergabe von Aufträgen zur Durchführung öffentlicher Krankentransportleistungen betrifft keine hoheitliche Tätigkeit (BAG a.a.O. m.w.N.).
Dass die Beklagte in keinen vertraglichen Beziehungen zur DRK Rettungsdienst Spremberg gGmbH stand bzw. gestanden hat, schließt den Betriebsübergang nicht aus. Eine rechtsgeschäftliche Beziehung zwischen dem vorherigen und dem nachfolgenden Betreiber ist nicht erforderlich für die Annahme des Betriebsüberganges gemäß § 613a BGB (Koch in Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 14. Auflage § 117 Rn. 31 mwN). Maßgeblich ist allein, dass die Beklagte durch Rechtsgeschäft (Vergabevertrag) mit dem Inhaber der sächlichen Betriebsmittel, dem Landkreis Spree-Neiße, die den Betriebsübergang auslösende Befugnis für die eigenwirtschaftliche Verwendung der sächlichen Betriebsmittel, die für die Erfüllung der Aufgaben des Rettungsdienstes notwendig sind, erhielt. Dies allein ist notwendig und ausreichend. Zwar besteht hier sicherlich eine besondere Fallkonstellation, als auch der Landkreis Spree-Neiße als Vertragspartner der jeweiligen Dritten im Sinne des § 10 Brandenburgisches Rettungsdienstgesetz keine vertraglichen Beziehungen zur DRK Rettungsdienst Spremberg gGmbH hatte. Die Delegation der Aufgabe des Rettungsdienstes vom DRK Cottbus-Spree-Neiße-West e.V. auf die DRK Rettungsdienst Spremberg gGmbH kann aber nur auf rechtsgeschäftlicher Basis erfolgt sein und schließt somit eine Übertragungskette wegen hoheitlicher Aufgabenwahrnehmung nicht aus. Auch die von der Beklagten zutreffend aufgeworfene Frage, ob eine Delegation der Aufgabe des Rettungsdienstes vom DRK Cottbus-Spree-Neiße-West e.V. auf die DRK Rettungsdienst Spremberg gGmbH überhaupt unter Beachtung des § 10 Brandenburgisches Rettungsdienstgesetz zulässig war, ist für die Frage des rechtsgeschäftlichen Übergangs unerheblich.
Insgesamt ist damit die Beklagte gemäß § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB in die Rechte und Pflichten des zum Zeitpunkts des Betriebsübergangs bestehenden Arbeitsverhältnisse eingetreten. Ab dem 01.01.2013 besteht daher ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten zu den Konditionen des Arbeitsvertrages vom 24.10.2012.
3.
Dem Kläger ist es nicht verwehrt, sich auf die Geltung des Änderungsvertrages vom 24.10.2012 zu berufen. Insbesondere besteht nicht der von der Beklagten angenommene Verstoß gegen Treu und Glauben, § 242 BGB.
a)
Der Vertrag ist wirksam. Der Kläger seit dem 19.08.1992 Mitglied im Deutschen Roten Kreuz.
b)
Die Berufung auf den Änderungsvertrag ist nicht treuwidrig. Ein von der Beklagten angenommener Fall des Rechtsmissbrauchs könnte in der Berufung des Klägers auf die Rechte aus dem Änderungsvertrag vom 24.10.2012 nur dann zu sehen sein, wenn sich der Kläger selbst diese Rechtsposition durch ein gesetz-, sitten- oder vertragswidriges Verhalten erworben hätte. Das unredliche Verhalten muss dem Gläubiger Vorteile und dem Schuldner Nachteile gebracht haben, die bei redlichem Verhalten nicht entstanden wären. Dass sich der Kläger selbst treuwidrig verhalten hat, ist nicht ersichtlich. Für den Vorwurf der Treuwidrigkeit ist auf das Verhalten desjenigen abzustellen, dem der Vorwurf gemacht wird. Die Beklagte ist der Ansicht, dass sich der Kläger treuwidrig verhalten habe, als er kurz vor dem - von ihr bestrittenen - Betriebsübergang einen Änderungsvertrag unterzeichnete, der sich vollinhaltlich auf den nach Auftragsneuvergabe an die Beklagte abgeschlossenen Tarifvertrag zwischen der DRK Rettungsdienst Spremberg gGmbH und ver.di bezieht. Die Kammer folgt dieser Auffassung nicht. Grundsätzlich steht es den Vertragsparteien im bestehenden Vertragsverhältnis frei, ihre Beziehungen jederzeit neu zu regeln. Das ist Kern der Privatautonomie. Ihre Grenze findet die Privatautonomie bei einer vorsätzlichen Schädigung eines Dritten. Unabhängig davon, wie der Tarifvertragsabschluss zwischen ver.di und der DRK Rettungsdienst Spremberg gGmbH zu werten ist, gilt für den Kläger nach Auffassung der Kammer, dass allein die Annahme eines Angebots auf Abschluss eines Änderungsvertrages, der bessere Arbeitsbedingungen bietet, nicht treuwidrig ist. Der Kläger hat letztlich nicht mehr getan, als ein für günstiges Angebot anzunehmen. Ohne Hinzutreten weiterer Umstände ist dies nicht treuwidrig. Dies bestätigt auch eine Kontrollüberlegung. Hätte der Kläger nicht den Änderungsvertrag geschlossen, sondern wäre er bereits im Oktober 2012 Mitglied der tarifschließenden Gewerkschaft ver.di geworden, fände der Tarifvertrag kraft beiderseitiger Tarifbindung Anwendung und wäre dann durch den Betriebsübergang in das Arbeitsverhältnis zur hiesigen Beklagten transformiert worden. In diesem Fall wäre aber wohl der Vorwurf eines treuwidrigen Gewerkschaftseintritts absurd.
4.
Schließlich scheitert die Geltung des Änderungsvertrages vom 24.10.2012 und insbesondere die darin enthaltene dynamische Bezugnahmeklausel nicht an der europäischen Betriebsübergangsrichtlinie, Art. 3 Richtlinie 2001/23/EG. Soweit der EuGH in seiner Entscheidung vom 18. Juli 2013 ( C - 426/11) für dynamisch ausgestaltete Bezugnahmeklauseln für das englische Recht entschieden hat, dass Klauseln, die dynamisch auf nach dem Zeitpunkt des Übergangs ausgehandelte Kollektivverträge verweisen, nicht durchsetzbar sind, betraf dies einen anders gelagerten als den vorliegend zu beurteilenden Sachverhalt. Im Übrigen hat diese Entscheidung auch keine Auswirkungen auf die Rechtslage in Deutschland. Eine Anwendung der Entscheidung auf deutsches Recht ist wegen der Besonderheiten des englischen Tarifrechts nicht möglich. Das englische Tarifrecht kennt keine normative Wirkung des Tarifvertrages; dieser entfaltet zunächst keinerlei Wirkung, weder für Gewerkschaftsmitglieder, noch für nicht organisierte Arbeitnehmer. Die Anwendung eines Tarifvertrages hängt im englischen Recht ausschließlich von der Entscheidung des Arbeitgebers ab. Sie wird durch Bezugnahmeklauseln vereinbart. Erst über sie erlangt der Tarifvertrag seine rechtliche Wirksamkeit, indem er zum Inhalt des Arbeitsvertrages wird (Sutschet, RdA 2013, 29 [30]). Eine Bezugnahmeklausel kann im englischen Recht auch durch betriebliche Übung eingeführt werden, aber auch schon dann, wenn sich der Arbeitsvertrag anderenfalls nicht durchführen ließe (Forst, DB 2013, 1847 [1849]. Im englischen Recht ist daher die Bezugnahmeklausel zwingend erforderlich, um eine rechtsverbindliche Wirkung des Tarifvertrages zu erzeugen. Diese kann nach einem Betriebsübergang nur dann aufrechterhalten werden, wenn auch die Bezugnahmeklausel weiterhin Bestand hat (Klauk/Klein, jurisPR-ArbR 40/2013 Anm. 1). Der EuGH hat offenbar die englische Bezugnahmeklausel aufgrund ihrer grundsätzlichen Bedeutung für die Einbeziehung des Tarifvertrages mit der normativen Geltung des Tarifvertrages, wie wir sie in Deutschland kennen, gleichgesetzt (Forst, DB 2013, 1847 [1949]; Klauk/Klein. jurisPR-ArbR 40/2013 Anm. 1) Sie ist deshalb nicht übertragbar (Heuschmid, AuR 2013, Heft 12).
5.
Es gilt mithin der Änderungsvertrag vom 24.10.2012 einschließlich der dortigen Bezugnahme auf den Tarifvertrag zwischen der Gewerkschaft Ver.di und der DRK Rettungsdienst Spremberg gGmbH. Es bedarf vorliegend keiner Entscheidung zu der von der Beklagten aufgeworfenen Frage nach der Wirksamkeit des Tarifvertrages unter dem Gesichtspunkt eines behaupteten Verstoßes gegen die Tarifrichtlinie von Ver.di. Denn durch eine Bezugnahme kann auch ein unwirksames Regelwerk in Bezug genommen werden. Denn durch die Bezugnahme kann keine Tarifbindung entstehen; der in Bezug genommene Tarifvertrag wird regelmäßig zum Inhalt des Arbeitsvertrages. Durch die Bezugnahme wird daher eigentlich nur die Mühe erspart, dessen Regelung selbst in den Arbeitsvertrag hinein zu schreiben. Auf eine Wirksamkeit kommt es daher nicht an.
6.
An der Geltung des Arbeitsvertrages vom 24.10.2012 einschließlich der dort vereinbarten Bezugnahmeklausel hat sich auch durch die von der Beklagten erklärten Teilkündigung nichts geändert.
a)
Sofern man darin tatsächlich eine Teilkündigung sehen wollte, wäre sie bereits deshalb unwirksam, weil vor ihrem Ausspruch der das nach § 21 a BetrVG bestehende Übergangsmandat wahrnehmende Betriebsrat der früheren Deutsches Rotes Kreuz Rettungsdienst Spremberg gGmbH nicht beteiligt worden ist, § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG.
b)
Das Schreiben der Beklagten vom 01.03.2013 ist entgegen der dortigen Bezeichnung nicht als Teilkündigung, sondern als Widerruf aufzufassen. Der Widerruf ist allerdings unwirksam.
Die streitgegenständliche Erklärung der Beklagten vom 01.03.2013 ist zunächst auszulegen. Die Beklagte hat diese Erklärung zwar als Kündigung bezeichnet, allerdings sollte davon der Bestand des Arbeitsverhältnisses unberührt bleiben. Bei der rechtlichen Bewertung des vorliegenden Streitfalls ist deshalb zunächst zwischen Teilkündigung, Änderungskündigung und vorbehaltenen Widerruf abzugrenzen.
aa)
Mit ihrer Erklärung vom 01.03.2013 wollte die Beklagte lediglich die in § 3 des Änderungsarbeitsvertrages vom 24.10.2012 vereinbarte Bezugnahmeklausel und damit die Anwendbarkeit des dort genannten Tarifvertrages beseitigen.
Sie wollte damit nicht den Bestand des Arbeitsverhältnisses insgesamt in Frage stellen. Die Erklärung der Beklagten vom 01.03.2013 stellt sich deshalb als Teilkündigung dar. Die Teilkündigung zielt auf die einseitige Änderung der Vertragsbedingungen gegen den Willen des Vertragspartners. Sie ist grundsätzlich unzulässig (BAG, Urteil vom 14.11.1990 – 5 AZR 464/89 – juris). Ist das Recht zur einseitigen Änderung der Vertragsbedingungen vertraglich vereinbart, so handelt es sich regelmäßig – unabhängig von der gewählten Bezeichnung – um den Vorbehalt eines Widerrufs. Seine Ausübung hat nach billigem Ermessen zu erfolgen. Die Vereinbarung eines Widerrufsvorbehalts, der zur Umgehend des Kündigungsschutzes führt, ist unwirksam (BAG, Urteil vom 07.10.1982 – 2 AZR 455/80 – BAGE 40,199 = AP Nr. 5 zu § 620 BGB Teilkündigung = EZA Nr. 28 zu § 315 BGB). Eine Teilkündigung wäre nur zulässig, wenn es sich bei der vorliegenden Vertragsgestaltung nicht um ein einheitliches Vertragsverhältnis handelte (BGH, Urteil vom 12.10.2011 – VIII ZR 251/10 – Juris; BAG Urteil vom 14.11.1990 – 5 AZR 509/89 – BAGE 66, 214 = AP Nr. 25 zu § 611 BGB Arzt-Krankenhaus-Vertrag = NZA 1991, 377). Vorliegend wurde die Bezugnahmeklausel ausdrücklich als Bestandteil des Änderungsarbeitsvertrages vom 24.10.2012 vereinbart. Dadurch gab es keine rechtliche Selbstständigkeit der Vereinbarungen. Vielmehr sollten alle Vereinbarungen nach dem Willen der Vertragsparteien eine rechtliche Einheit bilden (vgl. BAG, Urteil vom 20.09.2010 AZR 588/09 – NZA 2011, 151 und BAG, Urteil vom 13.03.2007 – 9 AZR 612/05 – BAGE 121, 369 = NZA 2007, 563 zur Bestellung zum Datenschutzbeauftragten). Die Kündigung der Beklagten vom 01.03.2013 erweist sich wegen der rechtlichen Einheit der Vereinbarungen damit als unzulässige und unwirksame Teilkündigung.
bb)
Bei der Erklärung vom 01.03.2013 handelt es sich auch nicht um eine Änderungskündigung nach § 2 KSchG. Ausgehend von der Bezeichnung der Erklärung der Beklagten als Kündigung könnte diese individualrechtlich wirksam eine Beendigung der Bezugnahmeklausel nur dadurch zu Stande bringen, indem arbeitgeberseitig eine begründete Änderungskündigung des gesamten Arbeitsverhältnisses ausgesprochen wird (BAG, Urteil vom 21.06.1978 – 4 AZR 787/76 – AP Nr. 5 zu § 611 BGB Arzt-Krankenhaus-Vertrag). Eine solche ist allerdings vorliegend nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut der Kündigungserklärung nicht gegeben. Die Kündigung zielte ausschließlich auf eine Beseitigung der Bezugnahmeklausel und damit der Tarifbindung ab. Der Bestand des Arbeitsverhältnisses an sich und die weitere Tätigkeit des Klägers sollte dadurch erkennbar nicht in Frage gestellt werden.
cc)
Als weitere individualrechtlich wirksame Anpassungsmöglichkeiten kommen neben dem Ausspruch einer vertraglich vorgesehenen Teilkündigung der Ausspruch eines vertraglich vereinbarten Widerrufs, der Abschluss eines Änderungsvertrages sowie das Rechtsinstituts des Fortfalls der Geschäftsgrundlage in Betracht. Welche dieser vorstehend genannten Anpassungsmöglichkeiten jeweils in Betracht kommen, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach den arbeitsvertraglich getroffenen Abmachungen (BAG, Urteil vom 30.05.1980 – 7 AZR 215/78 – BAGE 33, 119 = AP Nr. 8 zu § 611 BGB Arzt-Krankenhaus-Vertrag). Dabei ist aber individualrechtlich eine arbeitsvertraglich vorgesehene Teilkündigung ebenfalls als Vereinbarung eines Widerrufsvorbehalts, d. h. eines Rechts zur einseitigen Änderung einzelner Vertragsbedingungen, anzusehen. Das in § 3 Satz 2 des Änderungsvertrages vom 24.10.2012 enthaltene Kündigungsrecht kann daher als vertraglich vereinbarter Widerrufsvorbehalt ausgelegt werden, allerdings ist hier zusätzlich eine Inhaltskontrolle dieses Widerrufsvorbehalts an Hand der §§ 305 ff. BGB vorzunehmen. Dabei richtet sich die Wirksamkeit eines Widerrufsrechts nach § 308 Nr. 4 BGB als der gegenüber § 307 BGB spezielleren Norm. Da § 308 Nr. 4 den § 307 BGB konkretisiert, sind auch dessen Wertungen heranzuziehen. Außerdem sind nach § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen. Die Vereinbarung eines Widerrufsrechts nach § 308 Nr. 4 ist nur dann zumutbar, wenn es für den Widerruf einen sachlichen Grund gibt und dieser sachliche Grund beschrieben ist. Vorliegend genügt der Inhalt des § 3 Satz 2 des Änderungsvertrages nicht den Anforderungen des § 308 Nr. 4 und § 307 BGB. Denn dort ist keinerlei Widerrufsgrund angegeben. Für einen wirksamen Widerrufsvorbehalt ist aber zu verlangen, dass bei den Widerrufsgründen zumindest die Richtung angegeben wird aus der der Widerruf möglich sein soll, z. B. wirtschaftliche Gründe, Leistung oder Verhalten des Arbeitnehmers (BAG, Urteil vom 19.12.2006 – 9 AZR 294/06 – BB 2007, 1624; LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 12.10.2011 – 15 Sa 1557/11 – juris). Der streitgegenständliche Widerruf der Bezugnahmeklausel kann daher nicht auf die Regelung des § 3 Satz 2 des Änderungsvertrages gestützt werden.
Zwischen den Parteien besteht somit ein Arbeitverhältnis zu den Bedingungen des Änderungsvertrages vom 24.10.2012 einschließlich der darin vereinbarten Anwendbarkeit des Tarifvertrages. Nach alledem war der Klage im vollen Umfang stattzugeben.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 Absatz 2 ArbGG i. V. m. § 91 Absatz 1 ZPO. Als unterlegener Partei waren der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzulegen.
III.
Den nach § 61 Absatz 1 ArbGG im Urteil festzusetzenden Wert des Streitgegenstandes bewertet die Kammer vorliegend mit 7.386,15 Euro. Nach § 42 Abs. 3 GKG wurde der Betrag des dreifachen monatlichen Vergütungsanspruchs des Klägers aus der von ihm ausgeübten Tätigkeit in Höhe von 2.462,05 Euro monatlich in Ansatz gebracht.