Gericht | OLG Brandenburg 4. Senat für Familiensachen | Entscheidungsdatum | 19.04.2013 | |
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Aktenzeichen | 13 WF 24/13, 13 WF 25/13 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
1. Die Durchführung eines Nichtabhilfeverfahrens ist keine Voraussetzung für den mit der sofortigen Beschwerde verbundenen Devolutiveffekt, vgl. § 569 Abs. 1 S 1 ZPO, und selbst bei fehlerhaftem oder unterbliebenem Nichtabhilfeverfahren steht die Rückgabe an das Ausgangsgericht im Ermessen des Beschwerdegerichts (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 29. Aufl., § 572, Rn. 4 m.w.N.).
2. Ein nach § 45 ZPO gefällter Beschluss bindet das Gericht als prozessuale Zwi-schenentscheidung (vgl. Schumann, JZ 1973, 484, 485, Günther, NJW 1986, 281, 283; Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 32. Aufl. § 42, Rdnr. 6; Zöller/Vollkommer, ZPO, 29. Aufl., § 46, Rn. 1 m.w.N.), und ein Ablehnungsgesuch, das sich auf bereits beschiedene Ablehnungsgründe stützt, ist unzulässig (vgl. BFH/NV 2000, 53; KG FamRZ 1986, 1022; Zöller/Vollkommer, ZPO, 29. Aufl., § 42, Rn. 6; Musielak/Heinrich, ZPO, 9. Aufl., § 42, Rn. 8, jeweils m.w.N.).
3. Eine Partei hat im Rahmen ihrer Prozessförderungspflicht innerhalb eines Verfahrens alle ihr bekannten Ablehnungsgründe gleichzeitig vorzubringen (vgl. § 25 Abs. 1 S 2 StPO). Stehen mehrere Ablehnungsgründe im Raum, sind diese sämtlich geltend zu machen. Ein weiteres Ablehnungsgesuch im selben Verfahren, welches auf einen bereits bei früheren Ablehnungsgesuchen bekannten Grund gestützt wird, ist unzulässig (vgl. Musielak/Heinrich, ZPO, 9. Aufl., § 43, Rn. 3 m.w.N.; Zöller/Vollkommer, ZPO, 29. Aufl., § 43, Rn. 7 m.w.N.).
4. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens nach § 46 Abs. 2 ZPO sind die im Gesuch vorgetragenen Ablehnungsgründe; neue Ablehnungsgründe können im Beschwerdeverfahren nicht mehr nachgeschoben werden (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 29. Aufl. § 46, Rdnr. 17 m.w.N.); andernfalls ließe sich das nach §§ 44 ff. ZPO eigens ausgestaltete und unverzichtbare Ablehnungsverfahren nicht sinnvoll durchführen.
5. Nach vollständigem Abschluss einer Instanz ist ein Ablehnungsgesuch grundsätzlich nicht mehr zulässig, weil damit die beteiligten Richter ihre richterliche Tätigkeit im konkreten Verfahren beendet haben; die getroffene Entscheidung kann von dem Gericht, dem die im Anschluss daran abgelehnten Richter angehören, nicht mehr geändert werden (allgemeine Meinung, vgl. nur BGH FamRZ 2007, 1734, Musielak/Heinrich, ZPO 10. Aufl. § 44 Rdn. 3; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 42 Rdn. 6, jeweils m.w.N.).
6. Vor Eintritt des Vertretungsfalles kann ein nur vertretungshalber zuständiger Richter nicht (vorsorglich) abgelehnt werden (vgl. Musielak/Heinrich, ZPO, 9. Aufl., § 44, Rn. 5 m.w.N.).
Die Beschwerde des Antragsgegners vom 14.01.2013 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Zossen vom 28.12.2012 und die Beschwerde vom 10.02.2013 gegen den Beschluss vom 17.01.2013 werden zurückgewiesen.
Der Antragsgegner trägt die Kosten seiner Rechtsmittel.
I.
Der Antragsgegner wird in einer Güterrechtssache auf vorzeitigen Zugewinnausgleich in Anspruch genommen und wendet sich gegen die Zurückweisung zweier Ablehnungsgesuche.
1. Zur Begründung der Besorgnis der Befangenheit der Richterin am Amtsgericht H… hat er in seinem Gesuch vom 24.12.2012 (521ff), auf das der Senat wegen dessen weiterer Einzelheiten Bezug nimmt, auf frühere Ablehnungsgesuche in gleicher Sache verwiesen und darüber hinaus geltend gemacht, die Amtsrichterin habe es in einem Sorgerechtsverfahren bis heute unterlassen, einen Verfahrensbeistand für zwei Kinder zu bestellen.
Das Sorgerechtsverfahren hatte das Amtsgericht vom Verbund mit dem Eheverfahren (AG Zossen 6 F 216/11) abgetrennt und durch isolierte Endentscheidung vom 17.04.2012 beendet (AG Zossen 6 F 197/12).
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 28.12.2012 (vgl. 525) hat das Amtsgericht das Ablehnungsgesuch gegen die Richterin am Amtsgericht H… durch die Richterin am Amtsgericht W… als unzulässig zurück gewiesen, da über die angeführten Gründe bereits rechtskräftig entschieden und das Sorgerechtsverfahren beim Amtsgericht bereits beendet sei. Auf die sofortige Beschwerde vom 14.1.2013 (533) – hiesiges AZ.: 13 WF 24/13 - hat das Amtsgericht Sache dem Senat mit Nichtabhilfebeschluss vom 24.01.2013 vorgelegt (556).
2. Zur Begründung der Besorgnis der Befangenheit der Richterin am Amtsgericht W… hat der Antragsgegner in seinem Gesuch vom 10.01.2013 (529ff), auf das der Senat wegen dessen weiterer Einzelheiten verweist, geltend gemacht, die abgelehnte Richterin habe sich im Beschluss vom 28.12.2012 mit den Ablehnungsgründen inhaltlich nicht auseinandergesetzt.
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 17.01.2013 (544) hat das Amtsgericht das Ablehnungsgesuch verworfen. Hiergegen hat der Antragsgegner unter dem 01.02.2013 persönlich und unter dem 10.02.2013 anwaltlich sofortige Beschwerde – hiesiges AZ.: 13 WF 25/13 -eingelegt (548, 569). Die sofortige Beschwerde vom 01.02.2013 hat das Amtsgericht mit Nichtabhilfebescheid vom 07.02.2013 dem Senat vorgelegt (559), den Schriftsatz vom 10.02.2013 hat es mit Schreiben vom 18.02.2013 zur Akte nachgereicht (568).
II.
Die nach §§ 113 Abs. 1, 46 Abs. 2, 567 ff. ZPO statthaften sofortigen Beschwerden bleiben ohne Erfolg.
Der Senat entscheidet unabhängig davon, ob die Nichtabhilfeverfahren ordnungsgemäß durchgeführt wurden. Die Durchführung eines Nichtabhilfeverfahrens ist keine Voraussetzung für den mit der sofortigen Beschwerde verbundenen Devolutiveffekt, vgl. § 569 Abs. 1 S 1 ZPO, und selbst bei fehlerhaftem oder unterbliebenem Nichtabhilfeverfahren steht die Rückgabe an das Ausgangsgericht im Ermessen des Beschwerdegerichts (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 29. Aufl., § 572, Rn. 4 m.w.N.). Hier gebieten die in Ablehnungssachen generell zu erstrebende Beschleunigung einer Entscheidung, die durch verschiedene Befangenheitsanträge bereits vielfache Verzögerung des Verfahrens sowie die Erfolglosigkeit beider Befangenheitsgesuche eine eigene Sachentscheidung des Senats, zumal der Vereinfachungs- und Beschleunigungseffekt, den das Abhilfeverfahren bezweckt, bei einer Rückgabe hier in sein Gegenteil verkehrt würde (vgl. ähnlich OLG Karlsruhe, FamRZ 2006, 1555 ).
1. Das Amtsgericht hat das Ablehnungsgesuch vom 24.12.2012 gegen die Richterin am Amtsgericht H… zutreffend als unzulässig behandelt.
Hinsichtlich der vorhergehenden Beschlüsse des Amtsgerichts über vorangegangene Ablehnungsgesuche des Antragsgegners in dieser Sache hat es mit Recht auf die Rechtskraft seiner Entscheidungen abgestellt. Ein nach § 45 ZPO gefällter Beschluss bindet das Gericht als prozessuale Zwischenentscheidung (vgl. Schumann, JZ 1973, 484, 485, Günther, NJW 1986, 281, 283; Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 32. Aufl. § 42, Rdnr. 6; Zöller/Vollkommer, ZPO, 29. Aufl., § 46, Rn. 1 m.w.N.), und ein Ablehnungsgesuch, das sich auf bereits beschiedene Ablehnungsgründe stützt, ist unzulässig (vgl. BFH/NV 2000, 53; KG FamRZ 1986, 1022; Zöller/Vollkommer, ZPO, 29. Aufl., § 42, Rn. 6; Musielak/Heinrich, ZPO, 9. Aufl., § 42, Rn. 8, jeweils m.w.N.). So liegt es hier, denn das Amtsgericht hatte die Ablehnungsgesuche gegen die Amtsrichterin bereits mit drei vorangegangenen Beschlüssen zurückgewiesen; auch die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss vom 07.09.2012 ist nach Verwerfung durch das OLG (13 WF 220/12) erfolglos geblieben. Mithin ist über die insoweit beschwerdegegenständlichen Ablehnungsgründen rechtskräftig und für das weitere Verfahren bindend entschieden.
Auch die fehlende Bestellung eines Verfahrensbeistandes im Sorgerechtsverfahren hat das Amtsgericht im Ergebnis zutreffend als Ablehnungsgrund unberücksichtigt gelassen. Eine Partei hat im Rahmen ihrer Prozessförderungspflicht innerhalb eines Verfahrens alle ihr bekannten Ablehnungsgründe gleichzeitig vorzubringen (vgl. § 25 Abs. 1 S 2 StPO). Stehen mehrere Ablehnungsgründe im Raum, sind diese sämtlich geltend zu machen. Ein weiteres Ablehnungsgesuch im selben Verfahren, welches auf einen bereits bei früheren Ablehnungsgesuchen bekannten Grund gestützt wird, ist unzulässig (vgl. Musielak/Heinrich, ZPO, 9. Aufl., § 43, Rn. 3 m.w.N.; Zöller/Vollkommer, ZPO, 29. Aufl., § 43, Rn. 7 m.w.N.). So liegt es hier, denn die fehlende Bestellung eines Verfahrensbeistandes in der I. Instanz des Sorgerechtsverfahrens – dieses steht nach seiner Abtrennung ebenso wie das Verfahren auf vorzeitigen Zugewinn erkennbar außerhalb des Scheidungsverbundes (vgl. Palandt/Brudermüller, BGB, 72. Aufl., § 1386, Rn. 9 m.w.N.) -, die der Antragsgegner mit seinem Gesuch vom 24.12.2012 möglicherweise verfahrensübergreifend (vgl. hierzu etwa BGH NJW 2006, 2776) als neuen Ablehnungsgrund geltend machen möchte, war ihm bereits spätestens seit Abschluss der I. Instanz und Zustellung der Sorgerechtsentscheidung vom 17.04.2012, mithin schon geraume Zeit vor seinen späteren Ablehnungsgesuchen bekannt. Dass die erstinstanzliche Richterin nach Abschluss der I. Instanz keinen Verfahrensbeistand mehr bestellen kann, versteht sich im Übrigen von selbst.
Soweit sich der Antragsgegner zur Beschwerdebegründung mit Schriftsatz vom 18.03.2013 erstmals auf die Verletzung seines Rechtes auf informationelle Selbstbestimmung zu stützen versucht, kann er hiermit nicht gehört werden. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens nach § 46 Abs. 2 ZPO sind die im Gesuch vorgetragenen Ablehnungsgründe; neue Ablehnungsgründe können im Beschwerdeverfahren nicht mehr nachgeschoben werden (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 29. Aufl. § 46, Rdnr. 17 m.w.N.); andernfalls ließe sich das nach §§ 44 ff. ZPO eigens ausgestaltete und unverzichtbare Ablehnungsverfahren nicht sinnvoll durchführen.
2. Auch die Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 17.01.2013 bleibt ohne Erfolg.
Die Beschwerde ist bereits mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig geworden. Nach vollständigem Abschluss einer Instanz ist ein Ablehnungsgesuch grundsätzlich nicht mehr zulässig, weil damit die beteiligten Richter ihre richterliche Tätigkeit im konkreten Verfahren beendet haben; die getroffene Entscheidung kann von dem Gericht, dem die im Anschluss daran abgelehnten Richter angehören, nicht mehr geändert werden (allgemeine Meinung, vgl. nur BGH FamRZ 2007, 1734, Musielak/Heinrich, ZPO 10. Aufl. § 44 Rdn. 3; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 42 Rdn. 6, jeweils m.w.N.). Das ist hier der Fall, denn durch den unanfechtbaren (§ 567 Abs. 1 ZPO) Beschluss des Senates in der Sache 13 WF 24/13 ist das am 24.12.2012 eingeleitete Ablehnungsverfahren gegen die Richterin am Amtsgericht H… zugleich auch erstinstanzlich abgeschlossen; daher kann die in diesem konkreten Ablehnungsverfahren ihrerseits abgelehnte Richterin am Amtsgericht W… insoweit auch keine erstinstanzlichen Entscheidung mehr treffen.
Soweit sie Richterin am Amtsgericht H… regelmäßig vertritt, ist auch dies unerheblich, worauf der Senat vollständigkeitshalber hinweist, denn vor Eintritt des Vertretungsfalles kann ein nur vertretungshalber zuständiger Richter nicht (vorsorglich) abgelehnt werden (vgl. Musielak/Heinrich, ZPO, 9. Aufl., § 44, Rn. 5 m.w.N.).
Zudem war die Beschwerde ohnehin unbegründet, denn das Amtsgericht hat in seinem Beschluss vom 17.01.2013 das Ablehnungsgesuch mit Recht nicht durchgreifen lassen. Entgegen der Ansicht der Beschwerde war eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Ablehnungsgründen aus dem Schreiben vom 24.12.2012 mangels Zulässigkeit dieses Ablehnungsgesuches nicht veranlasst. Das darauf gestützte Ablehnungsgesuch war vielmehr offensichtlich unbegründet und bot damit auch zur Einholung oder Weiterleitung einer dienstlichen Äußerung keinen Anlass (vgl. Gehrlein, in Mü-Ko ZPO, 4. Aufl., § 44, Rn. 9 m.w.N.).
Richterin am Amtsgericht W… war auch nicht in befangeheitsbegründender Weise in der Sache vorbefasst. Die von der Beschwerde herangezogenen Beschlüsse zum AZ 6 F 329/10 AG Zossen haben schon keinen erkennbaren Bezug zum hiesigen Verfahren 6 F 42/12 über den vorzeitigen Zugewinnausgleiches, das im Übrigen zwingend außerhalb des Verbundes zu führen ist, wie bereits erörtert. Davon abgesehen würde selbst eine frühere Mitwirkung des Richters in derselben Sache grundsätzlich keinen Ablehnungsgrund darstellen, da die Vorschrift des § 41 Nr. 4 bis 6 ZPO diese Fälle nach verbreiteter Ansicht abschließend regelt (vgl. Musielak/Heinrich, ZPO, 9. Aufl., § 42, Rn. 14 m.w.N.).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf den § 113 Abs. 1 FamFG, § 97 Abs. 1 ZPO.
Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen (§ 70 Abs. 2 FamFG), besteht nicht. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und gibt keine Veranlassung, in den berührten Rechtsgebieten neue Leitsätze aufzustellen, Gesetzeslücken zu füllen oder von höchst- oder obergerichtlicher Rechtsprechung abzuweichen.