Gericht | FG Berlin-Brandenburg 10. Senat | Entscheidungsdatum | 04.12.2014 | |
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Aktenzeichen | 10 K 14309/12 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Die Klage wird abgewiesen.
Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.
Der Kläger begehrt die Festsetzung von Altersvorsorgezulagen für die Beitragsjahre 2007 und 2008.
Der Kläger war im Streitzeitraum Beamter des Landes B…. Er schloss vor dem Streitzeitraum bei der C… AG einen nach dem Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz (AltZertG) zertifizierten Altersvorsorgevertrag ab.
Unter dem 27. März 2008 beantragte der Kläger Altersvorsorgezulage für das Beitragsjahr 2007 und unter dem 7. März 2009 für das Beitragsjahr 2008. Ausweislich der Datenkontrollblätter für die Beitragsjahre 2007 und 2008 über die vom der C… AG übermittelten Antragsdaten war jeweils angegeben, dass der Kläger unmittelbar zulageberechtigt und Beamter sei. Unter dem 21. Oktober 2011 erklärte der Kläger erstmals gegenüber seiner zuständigen Besoldungsstelle, dem Landesamt für Besoldung und Versorgung B…, seine Zustimmung zur Übermittlung der für die Zahlung der Altersvorsorgezulage relevanten Daten – Einwilligungserklärung – an die Beklagte.
Im Hinblick auf das Erfordernis einer Einwilligung zur Datenübermittlung gemäß § 10a Einkommensteuergesetz (EStG) wartete die Beklagte mit der Bearbeitung der Festsetzungsanträge den Ablauf der Abgabefrist ab, um eine vom Kläger etwa noch erteilte Einwilligungserklärung berücksichtigen zu können, bevor sie im April 2010 und Mai 2011 jeweils der C… AG mitteilte, dass der Kläger nicht zum zulageberechtigten Personenkreis gehöre. Daraufhin beantragte der Kläger nach Aktenlage unter dem 7. November 2011, eingegangen bei der Beklagten am 21. November 2011, die Festsetzung der Altersvorsorgezulage für die Streitjahre. Zur Begründung wies er darauf hin, ihm sei die Notwendigkeit der Abgabe einer Zustimmungserklärung gegenüber seiner Besoldungsstelle nicht bewusst gewesen.
Mit Bescheiden vom 18. September 2012 lehnte die Beklagte für beide Streitjahre die Festsetzung von Altersvorsorgezulagen ab, weil der Kläger nicht fristgemäß eine Einwilligungserklärung erteilt habe und ihm wegen der Versäumung der Erteilungsfrist auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden könne.
Mit Schreiben vom 28. September 2012 legte der Kläger gegen die Bescheide vom 18. September 2012 „Widerspruch“ ein. Zur Begründung verwies er darauf, dass er fristgemäß mit der Einreichung der Steuererklärungen für die Jahre 2007 und 2008 die Altersvorsorgezulage beantragt habe. In den darauf ergangenen Steuerbescheiden seien die Beiträge zur privaten Altersvorsorge berücksichtigt worden. Aufgrund der Steuerbescheide habe er davon ausgehen können, alles Erforderliche veranlasst zu haben. Das Vorgehen der Beklagten, zunächst den Fristablauf für die Abgabe der Einwilligungserklärung ohne Information über deren Fehlen abzuwarten, habe ihn der Möglichkeit der Nachreichung der fehlenden Unterlagen beraubt. Richtigerweise hätte sein Antrag aufgrund fehlender Antragsunterlagen kurzfristig abgelehnt werden müssen. Die Entscheidung über einen gestellten Antrag stelle keine Beratung von Antragstellern dar. Insgesamt sei das Vorgehen der Beklagten grob schuldhaft.
Mit Einspruchsentscheidung vom 18. Oktober 2012 wies die Beklagte die Einsprüche als unbegründet zurück. Unter Aufrechterhaltung der Begründungen aus den angefochtenen Bescheiden führte die Beklagte weiter aus, § 7 Abs. 1 AltZertG lege ihr keine Aufklärungspflicht auf, schon gar nicht hinsichtlich der Notwendigkeit einer Einwilligungserklärung. Die Informationspflicht über die Voraussetzungen zum Erhalt einer staatlichen Förderung für Altersvorsorgeverträge liege beim Anleger. Hinzu komme, dass aus dem Zulageantrag nebst beigefügter Erläuterungen die Notwendigkeit einer Einwilligungserklärung deutlich erkennbar gewesen sei.
Mit seiner fristgerecht erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren auf Festsetzung von Altersvorsorgezulagen für die Beitragsjahre 2007 und 2008 unter Aufrechterhaltung und Vertiefung seiner außergerichtlich bereits vorgetragenen Argumente und Tatsachen weiter.
Insbesondere sei festzuhalten, dass er bei Antragstellung auf Altersvorsorgezulage aus Unwissenheit seiner Besoldungsstelle nicht gestattet habe, die erforderlichen Daten an die Beklagte zu übermitteln. Rechtswidrig seien diese Anträge erst nach mehr als drei Jahren bearbeitet worden. Es gehe nicht an, dass die Beklagte Anträge zunächst überhaupt nicht bearbeite, weil sie nicht vollständig seien. Entweder sei bei einer solchen Konstellation ein Antrag kurzfristig abzulehnen oder aber der Antragsteller schriftlich auf die Mängel hinzuweisen, damit er sie beheben könne. Dies stelle auch keine individuelle Beratung dar. Zudem müsse eine Antragsablehnung unmittelbar an den Antragsteller gerichtet sein und nicht, wie hier, an die C… AG.
Soweit die Beklagte darauf verweise, dass aus den Antragsformularen die Notwendigkeit der Abgabe einer Einwilligungserklärung ersichtlich gewesen sei, treffe das nicht zu. Derartige Erläuterungen seien in den Erläuterungen zu den Datenkontrollblättern zu finden. Analog einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH) vom 26. Juli 2012 zum Geschäftszeichen VII ZR 262/11 sei es ihm jedoch nicht anzulasten, dies nicht gelesen zu haben, soweit auf den Datenkontrollblättern offensichtlich keine fehlerhaften Daten eingetragen gewesen seien. Die im Kleingedruckten der „Beantragung der Altersvorsorge“ aufgeführte Bitte „Bitte geben Sie in diesem Fall eine Einwilligung zur Übermittlung Ihrer Einkommensteuerdaten gegenüber Ihrem Dienstherrn“ reiche wohl kaum aus, um die Verpflichtung zur Abgabe zu begründen. Es fehle an der Eindeutigkeit der Aufforderung. Es sei dem Bürger nicht zuzumuten, alle Feinheiten der Steuergesetze zu kennen. Daneben fehlten im Hinblick darauf, dass Steuererklärungen mittlerweile elektronisch abgegeben würden, eine Vielzahl gedruckter Erklärungen, sofern einmal der Weg über die elektronische Abgabe gewählt worden sei. Auf den Antragsvordrucken für die Altersvorsorgezulage sei zudem keine Frist für die Abgabe der Einwilligungserklärung angegeben.
Der Kläger beantragt,
die Bescheide vom 18. September 2012 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 18. Oktober 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm für die Beitragsjahre 2007 und 2008 Altersvorsorgezulage in voller gesetzlicher Höhe festzusetzen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist ergänzend unter Aufrechterhaltung ihrer vorgerichtlichen Rechtsposition darauf, dass die von der C… AG übermittelten Antragsdaten zeitnah verarbeitet worden seien. Diese Daten seien wegen der noch laufenden Frist zur Abgabe der Einwilligungserklärung in eine Terminverwaltung übernommen worden. Zu berücksichtigen sei auch gewesen, dass die Besoldungsstellen nach Ablauf der Frist für die Abgabe der Einwilligungserklärung weitere drei Monate Zeit gehabt hätten, die erforderlichen Daten elektronisch per Datensatz mitzuteilen. Es ergebe sich damit folgendes Bild:
Beitragsjahr | Fristablauf | Fristablauf | Übermittlung |
2007 | 31.12.2009 | 31.3.2010 | 22.4.2010 |
2008 | 31.12.2010 | 31.3.2011 | 22.5.2011 |
Die Ablehnung der Zulageanträge habe nicht an den Kläger direkt erfolgen können, weil gesetzlich dafür ein anderer Adressat vorgeschrieben sei. Gesetzlich sei auch regelmäßig nicht die Erteilung eines gesonderten Zulagebescheides vorgesehen, sofern nicht ein Antragsteller dies ausdrücklich beantrage.
Die Klage ist unbegründet.
Das Klagebegehren ist, nachdem der Kläger im Schreiben vom 21. Juli 2014 nach vorherigem Hinweis des Gerichts ausdrücklich klargestellt hat, dass Klagegegenstand (nur) die Bescheide der Beklagten sind, dahin auszulegen, dass der Kläger lediglich die Festsetzung von Altersvorsorgezulage für die Beitragsjahre 2007 und 2008 erreichen möchte, nicht jedoch die Änderung von Einkommensteuerbescheiden oder gar die Zahlung von Schadensersatz aufgrund Amtspflichtverletzung. Dies kann er nur erreichen, wenn die angefochtenen Bescheide beseitigt und die Beklagte verpflichtet wird, Bescheide im Sinne des Klägers zu erlassen.
Die Klage kann jedoch keinen Erfolg haben, denn der Kläger wird im Ergebnis durch die angefochtenen Bescheide nicht in seinen Rechten verletzt, weil diese nicht rechtswidrig sind, § 101 FGO. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Festsetzung von Altersvorsorgezulagen für die Beitragsjahre 2006 und 2007, da es hierfür jedenfalls an einer fristgerecht abgegebenen Einwilligungserklärung gemäß § 10a Abs. 1 EStG – Einwilligungserklärung – fehlt.
Gemäß § 79 Satz 1 EStG haben nur die in § 10a Abs. 1 EStG genannten Personen einen unmittelbaren Anspruch auf Altersvorsorgezulage. Der Kläger erfüllt die gesetzlichen Voraussetzungen für die Beitragsjahre 2007 und 2008 nicht, weil er die nach § 10a Abs. 1 EStG in der hier anzuwendenden Fassung vorausgesetzte Einwilligungserklärung zur Übermittlung von Besoldungsdaten an die Zentrale Stelle im Sinne von § 81 EStG nicht rechtzeitig abgegeben hat.
Im Falle des Klägers kommt lediglich eine Zulagenberechtigung gemäß § 10a Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz Nr. 1 EStG als Empfänger von Besoldung in Betracht, da er als Beamter nicht in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert ist. Für die Personengruppe der Beamten (Besoldungsempfänger) verlangt die angeführte gesetzliche Bestimmung jedoch zusätzlich, dass sie bis spätestens zum Ablauf des zweiten Kalenderjahres, welches auf das Beitragsjahr folgt, gegenüber ihrer zuständigen Besoldungsstelle schriftlich in die Übermittlung von für die Zulagenberechnung maßgeblichen Daten an die Beklagte durch die Besoldungsstelle einwilligen.
Bei dem Erfordernis der Erteilung einer Einwilligungserklärung handelt es sich um ein „echtes“ Anspruch begründendes Tatbestandsmerkmal (vgl. z.B. Finanzgericht – FG – Berlin-Brandenburg, Urteile vom 4. Dezember 2014 10 K 14328/12; vom 8. Mai 2014 10 K 14205/12, Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 2014, 1382; vom 6. März 2014 10 K 14215/12, juris; und vom 9. Januar 2014 10 K 14234/11, juris; FG Düsseldorf, Urteil vom 16. Juli 2014 2 K 4322/13 E, Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 2014, 1875). Die Einwilligungserklärung war danach für die Streitjahre wie folgt abzugeben:
Streitjahr | Erteilung bis spätestens |
2007 | 31.12.2009 |
2008 | 31.12.2010 |
Die Erteilung durch den Kläger erst im Oktober 2011 wahrte diese Frist nicht.
Den für ihn nachteiligen Folgen der verspäteten Erteilung der Einwilligung kann der Kläger nicht entgehen, weil die Beklagte im Rahmen des Zulagegewährungsverfahrens ihrerseits die sie treffenden Pflichten verletzt hätte. Dies ist nicht der Fall. Weder war die Beklagte nach der gesetzlichen Konzeption verpflichtet, die ursprüngliche Verweigerung der Zulage durch gesonderte Ablehnungsbescheide gegenüber dem Kläger zu erklären, § 90 Abs. 2 EStG, noch war sie verpflichtet, die Altersvorsorgezulage-Anträge des Klägers kurzfristig zu bescheiden oder den Kläger auf die fehlende Einwilligungserklärung hinzuweisen.
Als einzig ersichtliche, ausdrücklich gesetzlich geregelte Grundlage für eine Hinweispflicht kommt die Vorschrift des § 89 Absatz 1 Abgabenordnung (AO) in Betracht. Selbst wenn der Senat aber im Hinblick auf die §§ 96 Abs. 1 Satz 1 EStG, 1 Abs. 1, 155 Abs. 4 AO davon ausgeht, dass § 89 Abs. 1 AO auch im Verfahren bei der Beklagten gilt, die hier als Bundesfinanzbehörde handelt, §§ 5 Abs. 1 Nr. 18 in Verbindung mit 1 Nr. 2 Gesetz über die Finanzverwaltung – Finanzverwaltungsgesetz – (FVG), sind dessen Tatbestandsvoraussetzungen, unter denen die Beklagte von sich aus zu Hinweisen oder gar zur Beratung verpflichtet wäre, nicht erfüllt.
Nach § 89 Abs. 1 Satz 1 AO soll die Finanzbehörde die Abgabe von Erklärungen, die Stellung von Anträgen oder die Berichtigung von Erklärungen oder Anträgen anregen, wenn diese offensichtlich nur versehentlich oder aus Unkenntnis unterblieben oder unrichtig abgegeben oder gestellt worden sind. Nach § 89 Abs. 1 Satz 1 AO erteilt die Finanzbehörde, soweit erforderlich, Auskunft über die den Beteiligten im Verwaltungsverfahren zustehenden Rechte und die ihnen obliegenden Pflichten.
Wie sich schon aus dem Wortlaut des § 89 Abs. 1 Satz 1 AO ergibt, ist die Finanzbehörde danach überhaupt nur zu einem Handeln verpflichtet, wenn für sie Versäumnisse offensichtlich sind. Es muss für die Finanzbehörde ganz klar sein, dass dem Steuerbürger nur ein Fehler unterlaufen ist. Der Hinweis muss sich quasi aufdrängen (vgl. Klein/Rätke, Kommentar zur AO, 12. Auflage 2014, § 89 AO Rz 6; Roser in Beermann/Gosch, Kommentar zur AO, Stand: 1.8.2013, § 89 AO Rz 14; Seer in Tipke/Kruse, Kommentar zur AO, Dokumentstand: 8/2013, § 89 AO Rz. 6; BFH, Urteil vom 18. Dezember 1985 I R 82/85, Sammlung der amtlich nicht veröffentlichten Entscheidungen des Bundesfinanzhofs/Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs – BFH/NV – 1986, 506). Das Kriterium der „Offensichtlichkeit“ bezieht sich auf einen so genannten „Durchschnittsbediensteten“, so dass ein objektiver Anhaltspunkt für die Annahme eines Versehens oder einer Unkenntnis bestehen muss. Bloße Vermutungen genügen nicht. Maßgeblich sind die konkreten Umstände und Kenntnisse des Einzelfalls (Roser in Beermann/Gosch, Kommentar zur AO, Stand: 1.8.2013, § 89 AO Rz 15). Regelmäßig ist der behördlichen Betreuungspflicht bereits durch Hinweise im Vordruck genügt (Seer in Tipke/Kruse, Kommentar zur AO, Dokumentstand: 8/2013, § 89 AO Rz. 6).
Auskunft nach § 89 Abs. 1 Satz 2 AO hat die Behörde nur auf Anfrage zu erteilen (vgl. Roser in Beermann/Gosch, Kommentar zur AO, Stand: 1.8.2013, § 89 AO Rz 20; Klein/Rätke, Kommentar zur AO, 12. Auflage 2014, § 89 AO Rz 5), die im Streitfall nicht vorliegt. Zudem kann die Auskunft nur zu verfahrensrechtlichen Fragen erfolgen.
Nach den aufgezeigten Maßstäben war die Beklagte nicht verpflichtet, den Kläger ungefragt auf eine fehlende Einwilligungserklärung hinzuweisen. Einerseits enthielten bereits die Vordrucke für die Beantragung der Altersvorsorgezulage einen entsprechenden Hinweis. Auch wenn dort keine Frist erwähnt wird, innerhalb derer die Einwilligungserklärung abzugeben war, wird schon aus dem Hinweis, den der Kläger selbst zitiert, unmissverständlich deutlich, dass eine derartige Einwilligungserklärung abzugeben ist. Zudem weisen die von der Beklagten mit ihrem Schriftsatz vom 27. Februar 2014 für den Streitzeitraum vorgelegten aktuellen Antragsvordrucke unter Buchstabe E hinter dem Kästchen für das Kreuz bei „ja“ die Formulierung auf „in diesem Fall müssen Sie Ihrem Dienstherren eine Einwilligungserklärung zur Übermittlung der maßgeblichen Einkommensdaten an die ZfA erteilt haben. …“. Weiterhin ist in den Erläuterungen unter Ziffer 2 sogar in Fettdruck ausgeführt „… wenn sie eine Einwilligung fristgerecht gegenüber der zuständigen Stelle (z.B. Dienstherren (…) ) abgegeben haben.“ Da der Kläger keinen Dauerzulageantrag gestellt hat, müssen ihm diese Vordrucke vorgelegen haben. Wenn er sie nicht hinreichend aufmerksam liest, kann dies nicht zu gesteigerten Hinweispflichten der Beklagten führen.
Zudem hat sich ungeachtet des Vorstehenden bereits deshalb kein Hinweis auf die fehlende Einwilligung aufgedrängt, weil der Beklagten bis zuletzt, d. h. bis zum Fristablauf, überhaupt nicht bekannt war, dass der zuständigen Stelle, also der für den Kläger zuständigen Besoldungsstelle, die Einwilligung nicht vorlag. Der Kläger übersieht an dieser Stelle, dass die Beklagte auf Mitteilungen seiner Besoldungsstelle angewiesen war, um positiv feststellen zu können, ob eine Einwilligungserklärung fristgerecht erteilt wurde oder nicht. Dies kann auch noch am letzten Tag der Erteilungsfrist geschehen, sodass für die Beklagte überhaupt erst nach Fristablauf erkennbar ist, ob der Altersvorsorgesparer nun die notwendige Einwilligungserklärung gegenüber der zuständigen Stelle im Sinne von § 81a EStG abgegeben hat oder nicht.
Im Hinblick auf die Ungewissheit bei der Beklagten hinsichtlich der tatsächlichen Erteilung der Einwilligung war diese auch nicht verpflichtet, kurzfristig die Zulageanträge des Klägers ablehnend zu bescheiden, solange noch die Möglichkeit bestand, dass der Kläger sämtliche Anspruchsvoraussetzungen erfüllen konnte.
Greift § 89 Abs. 1 EStG nicht zu Gunsten des Klägers ein, ist für den Senat nicht ersichtlich, woraus sich für die Beklagte sonst noch eine Rechtspflicht zu einer bestimmten Vorgehensweise ergeben sollte, um es dem Kläger als Anspruchsteller zu ermöglichen, seinerseits nicht ordnungsgemäß vorgenommene Handlungen rechtzeitig nachzuholen. Denn den Kläger traf, wie jeden anderen Bezieher staatlicher Leistungen/Vergünstigungen auch, die Pflicht, sich über die Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug der Altersvorsorgezulage genau zu informieren (vgl. etwa BFH, Urteil vom 29. November 2006 VI R 48/05, Sammlung der amtlich nicht veröffentlichten Entscheidungen des Bundesfinanzhofs/Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs – BFH/NV – 2007, 861), um gegebenenfalls die gesetzlichen Voraussetzungen für den Bezug der staatlichen Vergünstigung zu schaffen.
Entgegen seiner Auffassung hatte der Kläger jedenfalls aufgrund des von ihm vorgetragenen und damit offensichtlich auch zur Kenntnis genommenen Hinweises auf eine Einwilligung zur Übermittlung von Daten, selbst wenn dieser „nur“ auf einem Datenkontrollblatt der C… AG gestanden habe sollte, allen Anlass, sich um die Frage der Notwendigkeit der Erteilung einer Einwilligungserklärung und deren fristgemäßer Abgabe selbst zu kümmern, erst recht vor dem Hintergrund seiner überdurchschnittlichen persönlichen Fähigkeiten und Kenntnisse, von denen angesichts seiner Dienstposition als Ministerialrat, und damit einer weit herausgehobenen Stellung in der öffentlichen Verwaltung, auszugehen ist. Kenntnisse in den Feinheiten des Steuerrechts waren zur Erlangung der notwendigen Informationen jedenfalls nicht erforderlich. Eine Frage bei der C… AG hätte mit hoher Wahrscheinlichkeit genügt, jedenfalls aber bei seiner Besoldungsstelle. Zudem hätte es sogar genügt, einfach der vom Kläger selbst zitierten Bitte aus dem „Kleingedruckten“ nachzukommen.
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung einer rechtzeitigen Vorlage einer Einwilligung zur Datenübermittlung kommt nicht in Betracht. Sie scheitert hinsichtlich des Streitjahres 2007 bereits an der in § 110 Abs. 3 AO genannten Jahresfrist. Die Frist für die Übermittlung der Einwilligungserklärung endete für das Beitragsjahr 2007 spätestens am 31. Dezember 2009, weshalb eine erst im Jahr 2011 durch Nachholung der versäumten Handlung angestoßene Wiedereinsetzung nicht möglich ist.
Soweit der Kläger bezüglich des Streitjahres 2008 die versäumte Handlung innerhalb der Jahresfrist nachgeholt hat, Fristablauf der Jahresfrist hier 31. Dezember 2011, geschah die Fristversäumung nicht ohne Verschulden des Klägers.
§ 110 Abs. 1 und 2 AO bestimmen, dass demjenigen Wiedereinsetzung zu gewähren ist, der ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Dabei ist das Verschulden eines Vertreters dem Vertretenen zuzurechnen.
Verschulden im Sinne der § 110 Abs. 1 AO liegt vor, wenn der Beteiligte die für einen gewissenhaft und sachgemäß handelnden Verfahrensbeteiligten gebotene und ihm nach den Umständen zumutbare Sorgfalt nicht beachtet hat (vgl. BFH, Urteil vom 22. November 2008 III R 66/07, Bundessteuerblatt – BStBl. – II 2009, 185). Dabei genügt einfache Fahrlässigkeit. Abzustellen ist auf die konkreten Kenntnisse, Möglichkeiten und Fähigkeiten des Betroffenen (vgl. Rätke in Klein, Kommentar zur AO, 11. Auflage 2012, § 110 AO Rz 4 mit weiteren Nachweisen).
Dass der Kläger diesen Anforderungen an eine schuldlose Fristversäumnis genügt hat, kann das Gericht nicht erkennen. Zwar hat der Kläger dem zuständigen Besoldungsamt die erforderliche Einwilligungserklärung im Oktober 2011 übermittelt und die versäumte Handlung dadurch nachgeholt, weshalb ein ausdrücklicher Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entbehrlich war. Zu den Gründen der Fristversäumnis hat der Kläger aber letztlich nichts weiter vorgetragen, als dass er nicht gewusst habe, dass die fristgemäße Erteilung einer Einwilligungserklärung gegenüber der Besoldungsstelle erforderlich gewesen war, um die Anspruchsvoraussetzungen für die Altersvorsorgezulage in den Streitjahren zu erfüllen.
Der Senat versteht dies dahin, dass der Kläger geltend macht, ihm sei schuldlos ein Rechtsirrtum über das Erfordernis und die Bedeutung der § 10a Abs. 1 Satz 1 EStG vorausgesetzten Einwilligungserklärung unterlaufen. Die Gewährung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand scheitert jedoch an dem Grundsatz, dass sich mit Irrtümern über materielles Recht, hier die Voraussetzungen einer Zulageberechtigung, eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand regelmäßig nicht begründen lässt, weil derjenige, der eine staatliche Vergünstigung, hier die Altersvorsorgezulage, begehrt, sich über die Anspruchsvoraussetzungen genau informieren muss (siehe etwa BFH, Urteil vom 29. Februar 2012 IX R 3/11, BFH/NV 2012, 915: Irrtümer über materielles Recht rechtfertigen eine Wiedereinsetzung grundsätzlich nicht).
Hinsichtlich des weiteren umfangreichen Vortrags des Klägers, betreffend seine Einkommensteuererklärungen, geht der Senat davon aus, dass dieser vom Kläger fallen gelassen worden ist, nachdem er klargestellt hat, dass im vorliegenden Verfahren lediglich die Bescheide der Beklagten Streitgegenstand sind. Gleiches gilt bezüglich der ursprünglich vom Kläger angesprochenen Amtshaftungsansprüche.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Die Zulassung der Revision beruht auf dem Umstand, dass der Sache grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zukommt. Es existieren gleichgelagerte Verfahren.