Gericht | LArbG Berlin-Brandenburg 18. Kammer | Entscheidungsdatum | 20.06.2013 | |
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Aktenzeichen | 18 Sa 118/13 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Zinsanspruch auf Vergütungsdifferenzen, Vergütungssystem BAT, Verjährung des Zinsanspruchs, keine Überleitung in Vergütungssystem des TV-L auf Basis der höchsten Lebensaltersstufe
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 29. November 2012 – 58 Ca 19652/11 – unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert:
Das beklagte Land wird verurteilt, an die Klägerin Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus je 429,09 EUR (vierhundertneunundzwanzig 09/100) brutto seit jeweils 01. Februar 2009, 01. März 2009, 01. April 2009, 01. Mai 2009, 01. Juni 2009, 01. Juli 2009, 01. August 2009, 01. September 2009, 01. Oktober 2009, 01. November 2009, 01. Dezember 2009, 01. Januar 2010, 01. Februar 2010, 01. März 2010, 01. April 2010, 01. Mai 2010, 01. Juni 2010, 01. Juli 2010, 01. August 2010, 01. September 2010, 01. Oktober 2010 bis jeweils 31. Oktober 2010 sowie aus 12.136,54 EUR (zwölftausendeinhundertsechsunddreißig 54/100) brutto vom 01. November 2010 bis 10. November 2011 zu zahlen.
II. Die Kosten erster Instanz hat die Klägerin zu 30 Prozent und das beklagte Land zu 70 Prozent, die Kosten zweiter Instanz hat die Klägerin zu 84 Prozent und das beklagte Land zu 16 Prozent zu tragen.
III. Die Revision wird zugelassen.
Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin gegen das beklagte Land Anspruch auf Zinsen auf den sich aus der Anpassung ihrer Vergütung an die höchste Lebensaltersstufe ergebenden Differenzbeträge für die Zeit vom 01. November 2010 bis 10. November 2011 hat sowie darüber, ob die Klägerin ab 01. November 2010 Anspruch auf Vergütung nach der Stufe der Entgeltgruppe 14 TV-L Berlin hat, in die sie auf Basis eines Vergleichsentgeltes berechnet auf Basis der höchsten Lebensaltersstufe nach BAT, überzuleiten gewesen wäre.
Die am … 1967 geborene Klägerin ist seit dem 01. April 2007 bei dem beklagten Land als technische Angestellte beschäftigt.
Auf der Grundlage des so genannten Anwendungstarifvertrages vom 31 Juli 2003 fand auf das Arbeitsverhältnis der Parteien das Vergütungssystem des BAT Anwendung. Mit Wirkung vom 01. November 2010 wurde das Arbeitsverhältnis der Klägerin gemäß den Regelungen des so genannten Angleichungstarifvertrages vom 15. Oktober 2010 in das Vergütungssystem des TV–L Berlin auf der Grundlage der erreichten Lebensaltersstufe übergeleitet.
Das beklagte Land zahlte aufgrund der vom Bundesarbeitsgericht festgestellten Unwirksamkeit des Vergütungssystems des BAT für die Zeit vom 01. April 2008 bis 31. Oktober 2010 an die Klägerin eine Differenzvergütung in Höhe von ein 12.136,54 € brutto am 31. Juli 2012.
Mit ihrer bei Gericht am 19. Dezember 2011 eingegangenen und dem beklagten Land am 27 Juli 2012 zugestellten Klage hat die Klägerin weitergehende Ansprüche aufgrund Altersdiskriminierung geltend gemacht.
Sie hat die Auffassung vertreten, das beklagte Land müsse Verzugszinsen für die Zeit vom 01. November 2010 bis 31. Juli 2012 auf die Differenzvergütungsbeträge zahlen. Ferner hat sie die Auffassung vertreten, dass das beklagte Land auch für die Zeit nach Überleitung in den TV – L Berlin eine höhere Vergütung zahlen müsse, da ihr vor Überleitung in den TV – L eine höhere Grundvergütung zugestanden habe, auf Basis deren sie überzuleiten gewesen wäre. Im Falle einer Überleitung auf der Grundlage der erreichten Lebensaltersstufe würde die Altersdiskriminierung verstetigt.
Die Klägerin hat beantragt,
1) das beklagte Land zu verurteilen, an sie Zinsen bis zum 31. Juli 2012 i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 429,09 € jeweils seit dem 01. Mai 2008, 01. Juni 2008, 01. Juli 2008, 01. August 2008, 01. September 2008, 01. Oktober 2008, 01. November 2008, 01. Dezember 2008, 01. Januar 2009, 01. Februar 2009, 01. März 2009, 01. April 2009, 01. Mai 2009, 01. Juni 2009, 01. Juli 2009, 01. August 2009, 01. September 2009, 01. Oktober 2009, 01. November 2009, 01. Dezember 2009, 01. Januar 2010, 01. Februar 2010, 01. März 2010, 01. April 2010, 01. Mai 2010, 01. Juni 2010, 01. Juli 2010, 01. August 2010, 01. September 2010, 01. Oktober 2010, 01. November 2010 zu zahlen
2) festzustellen, dass das beklagte Land verpflichtet ist, zu Gunsten der Klägerin mit Wirkung zum 01. November 2010 ein Vergleichsentgelt gemäß §§ 5, 6 TVÜ – L i.V.m. dem Angleichungstarifvertrag des Landes Berlin auf der Grundlage von Vergütungsgruppe Ib BAT in der Lebensaltersstufe 47 zu berechnen und entsprechend überzuleiten und zu vergüten.
Das beklagte Land hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das beklagte Land hat die Meinung vertreten, dass es jedenfalls bis zur Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 10. November 2011 von der Wirksamkeit der tariflichen Regelung habe ausgehen dürfen so dass bis dahin die Säumnis mit der Zahlung der Differenzvergütung für den Zeitraum bis zur Überleitung in den TV – L nicht verschuldet sei. Eine Überleitung auf Grundlage der tatsächlich erreichten Lebensaltersstufe wie sie erfolgt sei, sei nach der Rechnung des Bundesarbeitsgericht und des EuGH zulässig.
Im Übrigen wird wegen des diesem Streit zugrunde liegenden unstreitigen Sachverhaltes und des streitigen Vorbringens der Parteien in der I. Instanz auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils (Bl. 110, 111 d.A.) sowie auf die zwischen den Parteien in der Eingangsinstanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Durch Urteil vom 29. November 2012 hat das Arbeitsgericht Berlin das beklagte Land verurteilt der Klägerin die begehrten Zinsen auf einen Betrag i.H.v. 12.136,54 € seit dem 01. November 2011 bis zum 31. Juli 2012 zu zahlen, im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung der Klageabweisung hat es hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass das beklagte Land sich bis zur Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in einem unverschuldeten Rechtsirrtum befunden habe und die Ermittlung des Vergleichsentgeltes unter Zugrundelegung der erreichten Lebensaltersstufe sich aus § 18 des Angleichungstarifvertrages ergebe, der nach der Rechtsprechung des BAG und des EuGH wirksam sei. Wegen der Einzelheiten der Begründung der Entscheidung wird auf die dortigen Gründe (Bl. 112 – 114 d.A.) verwiesen.
Gegen dieses ihr am 21. Dezember 2012 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit am 18. Januar 2013 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit am 21. Februar 2013 eingegangenem Schriftsatz begründet.
Sie vertritt weiter die Auffassung, ihr stünden Verzugszinsen auch für die Zeit vom 01. Mai 2008 bis 10. November 2011 zu, denn das beklagte Land habe sich nicht in einem entschuldbaren Rechtsirrtum befunden. Infolge des Inkrafttretens des allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes mit Wirkung vom 18. August 2006 und infolge der Tarifentwicklung im Bund und in den anderen Bundesländern habe das beklagte Land von einer Rechtmäßigkeit des Vergütungssystems nicht ausgehen dürfen. Der Zinsanspruch sei - auch nicht teilweise –verjährt, denn gemäß § 217 BGB richte sich die Verjährung der Zinsen nach der des Hauptanspruches, dieser sei jedoch von ihr innerhalb der Verjährungsfrist eingeklagt worden und somit sei die Verjährung gehemmt. Außerdem habe das beklagte Land mit Schreiben vom 07. Dezember 2011 (Bl. 221 d.A.) auf die Einrede der Verjährung verzichtet.
Die Klägern vertritt auch die Meinung, dass aufgrund der Überleitung in den TV-L auf Basis der altersdiskriminierenden Stufen die Diskriminierung fortwirke, denn sie könne den diskriminierenden Vorsprung der lebensälteren Angestellten in ihrer Entgeltgruppe während ihres Erwerbslebens nicht aufholen. Der EuGH sei in seinen Entscheidungen jedoch davon ausgegangen, dass die Diskriminierung im Zuge der Überleitung vom BAT in das neue Vergütungssystems nur gerechtfertigt sei, wenn die Diskriminierung schrittweise abgebaut werde bzw. die diskriminierenden Auswirkungen schrittweise nach Maßgabe der Entwicklung der Vergütung verschwinden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Klägerin in der Berufungsinstanz wird auf den Berufungsbegründungsschriftsatz vom 21. Februar 2013 und ihre Schriftsätze vom 10. Mai und 04. Juni 2013 nebst Anlagen verwiesen.
Die Klägerin und Berufungsklägerin beantragt,
unter Abänderung des am 19.11.2012 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Berlin, 58 Ca 19652/11, das beklagte Land zu verurteilen
1) an sie bis zum 10.11.2011 Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 429,09 € brutto jeweils seit dem 01. Mai 2008, 01. Juni 2008, 01. Juli 2008, 01. August 2008, 01. September 2008, 01. Oktober 2008, 01. November 2008, 01. Dezember 2008, 01. Januar 2009, 01. Februar 2009, 01. März 2009, 01. April 2009, 01. Mai 2009, 01. Juni 2009, 01. Juli 2009, 01. August 2009, 01. September 2009, 01. Oktober 2009, 01. November 2009, 01. Dezember 2009, 01. Januar 2010, 01. Februar 2010, 01. März 2010, 01. April 2010, 01. Mai 2010, 01. Juni 2010, 01. Juli 2010, 01. August 2010, 01. September 2010, 01. Oktober 2010, und
aus 12.136,54 € brutto seit dem 01. November 2010 zu zahlen;
2) festzustellen, dass das beklagte Land verpflichtet ist, zu Gunsten der Klägerin mit Wirkung zum 01. November 2010 ein Vergleichsentgelt gemäß §§ 5, 6 TVÜ – L i.V.m. dem Angleichungstarifvertrag des Landes Berlin auf der Grundlage von Vergütungsgruppe Ib BAT in der Lebensaltersstufe 47 zu berechnen und entsprechend überzuleiten und zu vergüten.
Das beklagte und berufungsbeklagte Land beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Es verteidigt die angefochtene Entscheidung soweit hierin die Klage abgewiesen worden ist und tritt den Ausführungen der Klägerin in der Berufungsinstanz entgegen.
Weiterhin hat es gegenüber den von der Klägerin geltend gemachten Ansprüchen die Einrede der Verjährung erhoben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens des beklagten Landes in der Berufungsinstanz wird auf den Berufungsbeantwortungsschriftsatz vom 17. April 2013 verwiesen.
I.
Die Berufung ist zulässig.
Sie ist gemäß den §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 und 2 b ArbGG statthaft und frist- und formgerecht i.S.d. §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO eingelegt und begründet worden.
II.
Die Berufung der Klägerin hat jedoch nur teilweise Erfolg.
Die Klägerin hat gegen das beklagte Land Anspruch auf Zahlung von Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf jeweils 429,29 € brutto seit jeweils 01. Februar 2009, 01. März 2009, 01. April 2009, 01. Mai 2009, 01. Juni 2009, 01. Juli 2009, 01. August 2009, 01. September 2009, 01. Oktober 2009, 01. November 2009, 01. Dezember 2009, 01. Januar 2010, 01. Februar 2010, 01. März 2010, 01. April 2010, 01. Mai 2010, 01. Juni 2010, 01. Juli 2010, 01. August 2010, 01. September 2010 und 01. Oktober 2010 bis jeweils 31. Oktober 2010 sowie aus 12.136,54 € brutto vom 1. November 2010 bis 10. November 2011 gemäß §§ 286, 288 BGB, denn das beklagte Land hat die Nichtleistung der Differenzvergütung ab Fälligkeit zu vertreten und ist daher mit den monatlichen Differenzbeträgen jeweils zum Ersten des folgenden Monats in Verzug geraten. (1.)
Im Übrigen war die Berufung zurückzuweisen, da der Anspruch auf Zinsen für das Jahr vor 2008 verjährt ist (2.) und das beklagte Land die Klägerin mit dem 01. November 2010 zu Recht auf Grundlage ihrer erreichten Lebensaltersstufe in das Vergütungssystem des TV-L Berlin übergeleitet hat. (3.)
1) Die Klägerin hat gegen das beklagte Land Anspruch auf Zahlung der begehrten Zinsen auf den unstreitigen monatlichen Differenzbetrag von 429,09 € brutto für die Monate Januar 2009 bis September 2010 bis 31. Oktober 2010 sowie auf den Gesamtdifferenzbetrag von 12.136,54 € brutto für die Zeit vom 01. November 2010 bis 10. November 2011 gemäß den §§ 286,288 BGB.
a) Die Klage ist zulässig.
Zwar wäre es der Klägerin aufgrund des Umstandes, dass der Zeitpunkt der Zinszahlungspflicht feststand, möglich gewesen, den Anspruch konkret zu beziffern. Der Antrag ist aber auch in der gestellten Fassung ausreichend bestimmt und die Forderung ausreichend bestimmbar.
b) Gemäß § 286 Abs. 4 BGB kommt der Schuldner nicht in Verzug, solange die Leistung infolge eines Umstands unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat. Nach § 276 Abs. 1 BGB hat der Schuldner grundsätzlich Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten. Zwar ist anerkannt, dass ein unverschuldeter Rechtsirrtum den Schuldner von den Folgen des Verzugs freistellen kann. Hierbei sind jedoch hohe Anforderungen zu stellen. Unverschuldet ist der Rechtsirrtum nur, wenn der Schuldner nach sorgfältiger Prüfung der Sach- und Rechtslage mit einem Unterliegen im Rechtsstreit nicht zu rechnen brauchte. Ein bloßes Prozessrisiko hierfür reicht nicht aus (BGH 06. Dezember 2006 – IV ZR 34/05 – MDR 2007, 588).
Bei Anwendung dieses Maßstabs handelte die Beklagte schuldhaft.
aa) Die Beklagte mag zwar davon ausgegangen sein, dass sie im Hinblick auf die eindeutige Regelung in § 27 BAT nicht zur Zahlung der Vergütung nach der höchsten Lebensaltersstufe verpflichtet war. Dies lässt jedoch ihr Verschulden vorliegend nicht entfallen. Insoweit liegt lediglich ein normales Prozessrisiko vor, das die Beklagte nicht entlastet.
bb) Die Beklagte hätte bei sorgfältiger Prüfung der Sach- und Rechtslage auch erkennen können, dass sie infolge der Altersdiskriminierung des BAT zu einer Anpassung der Vergütung „nach oben“ verpflichtet gewesen wäre.
Das Bundesarbeitsgericht hatte in der Vergangenheit beim Ausschluss einzelner Arbeitnehmergruppen von einer Leistung wiederholt eine Anpassung „nach oben“ vorgenommen, wenn die Benachteiligung nur dadurch beseitigt werden konnte, dass auch die benachteiligten Arbeitnehmer für die Vergangenheit die vorenthaltene Leistung erhielten (vgl. BAG 22. April 2010 – 6 AZR 966/08 – AP GG Art. 3 Nr. 322; 18. März 2010 – 6 AZR 156/09 – BAGE 133, 354; 18. März 2010 – 6 AZR 434/07 – AP GG Art. 3 Nr. 321; 18. Dezember 2008 – 6 AZR 287/07 – BAGE 129, 93; 13. November 1985 – 4 AZR 234/84 – BAGE 50, 137).
Auch in der Literatur wurde überwiegend bei einem Verstoß eines tarifvertraglichen Vergütungssystems gegen das primärrechtliche Verbot der Ungleichbehandlung wegen des Alters eine Anpassung „nach oben“ befürwortet (vgl. Henssler/Tillmanns/FF. Rolf Birk S. 179, 187; Meinel/Heyn/Herms AGG 2. Aufl. § 10 Rn. 45 c; Schleusener/Suckow/Voigt AGG 3. Aufl. § 7 Rn. 52 m.w.N.).
Entscheidend sprachen vor allem die Anforderungen des Unionsrechts dafür, dass die Diskriminierung zu einer Anpassung „nach oben“ führen würde. Bereits in einem Urteil vom 07. Februar 1991 (- C-184/89 - [Nimz] Slg. 1991, I-297) hat der Gerichtshof der Europäischen Union angenommen, dass im Fall einer mittelbaren Diskriminierung durch eine Bestimmung eines Tarifvertrags die Pflicht besteht, diese Bestimmung außer Acht zu lassen und auf die Angehörigen der durch diese Diskriminierung benachteiligten Gruppe die gleiche Regelung wie auf die übrigen Arbeitnehmer anzuwenden, solange diese das einzig gültige Bezugssystem bleibt. Hieran hat der Gerichtshof der Europäischen Union auch im Urteil vom 26. Januar 1999 (- C-18/95 - [Terhoeve], Slg. 1999, I-345) ausdrücklich festgehalten. Vor diesem rechtlichen Hintergrund konnte die Beklagte bei sorgfältiger Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht davon ausgehen, dass sie nicht zur Nachzahlung verpflichtet wäre.
(vgl. LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 29. November 2012, 25 Sa 1363/12)
2) Der Anspruch auf Zinszahlung auch für die Differenzbeträge für die Monate April 2008 bis Dezember 2008 ist hingegen verjährt. Das beklagte Land war gemäß § 214 BGB berechtigt, die Zinszahlungen zu verweigern.
Ein Anspruch auf Nebenleistung wie der Zinsanspruch ist grundsätzlich hinsichtlich Verjährungsbeginn, Dauer der Verjährung und Unterbrechung der Verjährung vom Hauptanspruch unabhängig.
Es gilt die regelmäßige Verjährungsfrist des § 195 BGB von drei Jahren. Gemäß § 199 Absatz 1 S. 1 BGB begann diese vorliegend für die Zinsansprüche, die im Jahre 2008 entstanden sind mit Schluss des Jahres 2008 und lief damit bis Schluss des Jahres 2011. Die Zinsforderung ist von der Klägerin jedoch erstmals mit bei Gericht am 08. August 2012 eingegangenem Schriftsatz vom 08. August 2012 geltend gemacht worden
Die frühere gerichtliche Geltendmachung des Hauptanspruches mit Klageschrift vom 15. Dezember 2011 hat die Verjährung betreffend den Zinsanspruch aufgrund der grundsätzlichen Eigenständigkeit des Anspruchs auf Nebenleistungen nicht unterbrochen.
§ 217 BGB regelt entgegen der Auffassung der Klägerin nichts anderes. Dieser bestimmt lediglich, dass Nebenansprüche nicht später verjähren können als der Hauptanspruch. Eine frühere Verjährung bleibt hingegen möglich.
Das beklagte Land hat auch nicht auf die Einrede der Verjährung bezüglich der Zinsansprüche verzichtet.
Das von der Klägerin insoweit angeführte Schreiben vom 07. Dezember 2011 (Bl. 221 d.A.) bezieht sich ausschließlich auf die Zahlung der Grundvergütung nach der höheren Lebensaltersstufe und nicht auf Nebenansprüche.
3) Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, seit ihrer Eingliederung in das reguläre Stufensystem des TV-L Berlin seit dem 01. November 2010 so gestellt zu werden, als wäre sie unter Zugrundelegung einer Vergütung aus der höchsten Lebensaltersstufe der Vergütungsgruppe Ib einer Stufe des TV-L zugeordnet worden.
Zwar war die lebensaltersbezogene Grundvergütung im BAT seit Inkrafttreten des AGG altersdiskriminierend, so dass, wie das Bundesarbeitsgericht am 10. November 2011 (- 6 AZR 481/09 - und - 6 AZR 148/09 -) entschieden hat, bis zur Einführung eines diskriminierungsfreien Vergütungssystems eine „Anpassung nach oben“ erfolgen musste. Demzufolge war den diskriminierten jüngeren Arbeitnehmern eine Vergütung aus der höchsten Lebensaltersstufe der jeweiligen Vergütungsgruppe zu zahlen. Diese Pflicht endet jedoch mit der Ablösung eines altersdiskriminierenden Vergütungssystems durch ein diskriminierungsfreies (vgl. BAG, Urteil vom 08.12.2011, - 6 AZR 319/09 – m.w.N.; zitiert nach juris).
Ein solches ist das Entgeltsystem des TV-L Berlin (EuGH 08. September 2011 - C-297/10 und C-298/10 - [Hennigs] Rn. 81, 99, ZTR 2011, 664; vgl. BAG 10. November 2011 - 6 AZR 481/09 - Rn. 34 und - 6 AZR 148/09 - Rn. 29). In dieses neue, diskriminierungsfreie System waren die Beschäftigten gemäß § 18 Angleichungstarifvertrag Berlin auf Grundlage der unter Wahrung der gemäß § 27 BAT erreichten Lebensaltersstufe in die neue Entgeltstruktur zum 01. November 2010 einzugliedern.
Der EuGH ist in seiner Entscheidung vom 08. September 2011 zwar davon ausgegangen, dass die Überleitung auf Basis der altersdiskriminierenden Vergütungsstufen grundsätzlich diskriminierend sei, dass diese jedoch gerechtfertigt sei, wenn hiermit ein legitimes Ziel wie die Besitzstandswahrung und die Verhinderung von Einkommenseinbußen verfolgt wird und die diskriminierende Regelung zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sei. Dabei ist der EuGH davon ausgegangen, dass es nicht zu beanstanden ist, wenn für einen zeitlich befristeten Übergangszeitraum einige der diskriminierenden Auswirkungen bestehen bleiben, um für bereits im Beschäftigungsverhältnis stehende Angestellte den Übergang zum neuen System ohne Einkommensverluste zu gewährleisten.
Sich dem anschließend hat das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 08. Dezember 2011 – 6 AZR 319/09 – die Überleitung in das neue diskriminierungsfreie Entgeltsystem aufgrund der erreichten Lebensaltersstufe nach BAT als wirksam angesehen.
Die Klägerin weist unter Bezug auf die Entscheidung des EuGH vorliegend darauf hin, dass in den Fällen, in denen Mitarbeiter, die bereits die höchste Lebensaltersstufe erreicht hatten, auf Basis eines Vergleichsentgeltes übergeleitet wurden, das die letzte reguläre Stufe der jeweiligen Entgeltgruppe überstieg, diese in eine individuelle Stufe über der letzten regulären Stufe übergeleitet worden sind. Ein schrittweiser Abbau dieser Diskriminierung gegenüber den Mitarbeitern, die die höchste Lebensaltersstufe zur Zeit der Überleitung noch nicht erreicht hatten, erfolge nicht, da diese nie mehr als die letzte Stufe der Entgeltgruppe erreichen können. Dabei verringere sich auch der Abstand nicht, sondern vergrößere sich sogar noch, da die in die individuelle Stufe über der letzten regulären Stufe eingruppierten Mitarbeiter auch an den prozentualen Tariferhöhungen teilnehmen. Dies gleiche der Strukturausgleich nicht aus.
Dies trifft so zu.
Nach Auffassung der erkennenden Berufungskammer führt dies dennoch nicht dazu, dass die Regelung des § 18 Angleichungstarifvertrag bzw. die entsprechende von dem beklagten Land geübte Praxis als altersdiskriminierend anzusehen ist.
Denn die Prüfung, ob eine ansich diskriminierende Maßnahme zur Erreichung eines legitimen Ziels angemessen und erforderlich ist, hat nach Auffassung der erkennenden Berufungskammer in einer Gesamtbetrachtung zu erfolgen und nicht einzelfallbezogen. Dies beruht darauf, dass bei der Bewertung der von den Tarifvertragsparteien ausgehandelten Regelungen zur Überleitung der Angestellten aus dem BAT in den TVöD/TV-L sowie zu deren endgültiger Eingliederung in die neue Entgeltstruktur sowie der Entgeltstruktur des TVöD/TV-L selbst zu berücksichtigen ist, dass die Findung des nach dem TVöD/TV-L zu zahlenden Entgelts und die Überleitung der bereits Beschäftigten in das neue Vergütungssystem ein überaus komplexer Vorgang war. Im TVöD/TV-L ist nicht nur das bisherige Vergütungssystem mit seinen an die beamtenrechtliche Alimentation angelehnten, vom Lebensalter, vom Familienstand und von der Kinderzahl abhängigen Vergütungsbestandteilen, das zudem einen Aufstieg in die nächsthöhere Lohn-/Vergütungsgruppe auch ohne Tätigkeitswechsel vorsah, aufgegeben und durch eine Leistungsaustauschbeziehung ersetzt worden, die ausschließlich von der wahrgenommenen Aufgabe, Berufserfahrung und individuellen Leistungen abhängt. Zugleich wurden auch die bisher unterschiedlich ausgestalteten Vergütungsstrukturen von Arbeitern und Angestellten aufgelöst. Dafür mussten die bisher 17 Lohngruppen der Arbeiter und 18 Vergütungsgruppen der Angestellten, insgesamt also 35 Gruppen, in den 15 Entgeltgruppen des TVöD zusammengefasst werden. Das unterschiedlich hohe Entgeltniveau von Arbeitern und Angestellten musste dabei ebenso vereinheitlicht werden wie die unterschiedlich hohe Vergütung der Angestellten im Bereich der VKA und des Bundes. Aus den bis zu 15 Lebensaltersstufen der Grundvergütung wurden fünf bis sechs an Berufserfahrung anknüpfende Entgeltstufen. Schließlich wurde auch eine Vielzahl von Tarifverträgen, die das Entgelt einzelner Beschäftigungsgruppen des öffentlichen Dienstes höchst differenziert und mit vielen Verästelungen bis ins Detail regelten, zusammengeführt. Schlussendlich wurde das Vergütungsniveau strukturell verändert: Das Entgeltniveau jüngerer Arbeitnehmer wurde angehoben, das älterer abgesenkt. Die neue Entgelttabelle des TVöD/TV-L ist dabei das Ergebnis von Einzelberechnungen für jede Entgeltgruppe, ohne dass sich ihr eine systematische Struktur entnehmen lässt.
Angesichts dieser Komplexität der von den Tarifvertragsparteien gewählten Regelungsaufgabe war es unmöglich, eine Entgeltstruktur zu schaffen, die keine Nachteile für einzelne Beschäftigte oder Beschäftigtengruppen gegenüber dem bisherigen Tarifrecht mit sich brachte. Ebenso wenig war es möglich zu verhindern, dass einzelne Beschäftigtengruppen nach der Überleitung in den TVöD/TV-L von der neuen Entgeltstruktur mehr oder zu früheren Zeitpunkten profitierten als andere Gruppen. Die Tarifvertragsparteien mussten bei der Schaffung der neuen Entgeltstruktur ebenso wie bei der Überleitung in das neue System generalisieren, pauschalieren und typisieren, ohne dabei jeder Besonderheit des Einzelfalls gerecht werden zu können. Bei der Regelung von Massenerscheinungen, wie es die Schaffung der neuen Entgeltstruktur, die Überleitung der Beschäftigten in den TVöD und deren endgültige Eingliederung in die neue Struktur war, liegt es in der Natur der Sache, dass es zu Randunschärfen kommt und die Regelung nicht jedem Einzelfall gerecht werden kann. Derart komplexe Sachverhalte lassen sich nur unter gewissen Brüchen in der Systematik und unter Hinnahme vorübergehender Unstimmigkeiten regeln.
(vgl. BAG, Urteil vom 08.12.2011, - 6 AZR 319/09 – m.w.N.; zitiert nach juris).
Nach alledem war auf die Berufung der Klägerin das Urteil erster Instanz wie aus dem Tenor ersichtlich teilweise abzuändern und die Berufung im Übrigen zurückzuweisen.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 91, 91a, 97 ZPO auf Basis eines Kostenstreitwerts von 6.795,87 € für die II. und 18.932,41 € für die I. Instanz.
IV.
Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG für die Klägerin zuzulassen, soweit sie mit ihrem Antrag zu 2) unterlegen ist.
Im Übrigen ist gegen diese Entscheidung ein Rechtsmittel nicht gegeben. Für die Zulassung der Revision gemäß § 72 ArbGG gegen die insoweit am Einzelfall orientierte und unter Beachtung höchstrichterlicher Rechtsprechung ergangene Entscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung bestand kein rechtlich begründeter Anlass.
Die Parteien werden auf die Möglichkeit der Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde hingewiesen.