Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 6. Senat | Entscheidungsdatum | 26.09.2013 | |
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Aktenzeichen | OVG 6 B 38.12 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 87a Abs 2 VwGO, § 87a Abs 3 VwGO, § 113 Abs 5 S 1 VwGO, § 2 Nr 1a PflGG BB, § 2 Nr 1b PflGG BB, § 2 Nr 2 PflGG BB, § 2 Nr 3 S 1 PflGG BB, § 3 Abs 1 S 1 PflGG BB, § 5 PflGG BB, § 8 Abs 1 S 1 PflGG BB, § 14 Abs 2 Nr 1 SGB 11, § 14 Abs 2 Nr 2 SGB 11, § 14 Abs 2 Nr 3 SGB 11, § 14 Abs 4 Nr 4 SGB 11, § 15 Abs 3 S 1 Nr 1 SGB 11, § 69 Abs 1 SGB 9, § 146 Abs 1 S 1 SGB 9, § 146 Abs 2 S 1 SGB 9, § 3 Abs 1 Nr 7 SchwbAwV, § 3 Abs 2 SchwbAwV, § 6 Abs 1 Nr 14 StVG, § 2 Abs 1 Nr 1 OrthV, § 2 Abs 4 OrthV |
1. Das Merkmal "Lähmungen oder gleichartige Behinderungen" in § 2 Nr. 1 Buchstabe a. LPflGG Brandenburg setzt Funktionsbeeinträchtigungen voraus; eine "vollständige Lähmung" ist nicht erforderlich.
2. Ungeachtet der Frage, welches Ausmaß die fraglichen Funktionsbeeinträchtigungen im Einzelnen haben müssen, genügt es jedenfalls, wenn sie so schwerwiegend sind, dass sie hinsichtlich der durch sie verursachten Beeinträchtigungen denen eines beidseitig Oberschenkelamputierten zumindest nahe kommen.
3. Für die danach erforderliche Vergleichsbildung kann in Ermangelung anderer Kriterien und ungeachtet einer Bindungswirkung an die vom Versorgungsamt zuerkannten Merkzeichen, hier das Merkzeichen "aG", angeknüpft werden.
Das Urteil des Verwaltungsrechts Potsdam vom 17. Februar 2012 wird geändert.
Der Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin unter Aufhebung seines Bescheides vom 29. September 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Dezember 2009 ab dem Monat März 2009 ein Pflegegeld in Höhe von 148 Euro monatlich zu bewilligen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Die Klägerin ist 1971 geboren. Sie leidet u.a. an einem Zustand nach einem embolisierenden Aortenthrombus mit Arterienverschlüssen in beiden Beinen. Sie ist als Schwerbehinderte mit einem Grad der Behinderung von 90 vom Hundert anerkannt und verfügt über die Merkmale „B“ („Berechtigung zur Mitnahme einer Begleitperson“), „G“ („erhebliche Gehbehinderung“) und „aG“ („außergewöhnliche Gehbehinderung“).
Im März 2009 beantragte sie beim Beklagten die Gewährung von Pflegegeld nach dem Landespflegegeldgesetz mit der Begründung, sie sei nach diesem Gesetz im Hinblick auf die Lähmungen ihrer Beine anspruchsberechtigt. Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 29. September 2009 unter Bezugnahme auf eine von ihm zuvor eingeholte amtsärztliche Stellungnahme vom 22. September 2009 ab, wonach eine Erkrankung aus dem internistischen Bereich vorliege und es sich nicht um Lähmungen oder gleichartige Behinderungen im Sinne des Landespflegegeldgesetzes handele. Hiergegen legte die Klägerin am 7. Oktober 2009 Widerspruch ein, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15. Dezember 2009 als unbegründet zurückwies. Zur Begründung führte er aus, die gesetzlichen Voraussetzungen zur Bewilligung des Pflegegeldes seien nicht erfüllt. Das wäre nur dann anzunehmen, wenn die Lähmungen der Klägerin dem Verlust beider Beine im Oberschenkelbereich gleichstünden. Das könne hier nicht angenommen werden, da die Klägerin noch über einen Rest an Gehfähigkeit verfüge, sich insbesondere im Haus ohne fremde Hilfe bewegen und bei Einnahme von Schmerzmitteln ein Kraftfahrzeug mit Automatikgetriebe führen könne.
Am 15. Januar 2010 hat die Klägerin daraufhin Klage zum Verwaltungsgericht Potsdam erhoben, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgt. Zur Begründung macht sie im Wesentlichen geltend, bei ihr liege eine Lähmung vor. Ihr sei die Fortbewegung auch nur sehr erschwert unter Nutzung eines Rollators möglich. Auch beim Verlust beider Beine könne unter Rückgriff auf Hilfsmittel - wie etwa einen Rollstuhl - noch Beweglichkeit vorhanden sein. Unbeweglichkeit fordere das Gesetz nicht. Sie sei zeitweise stärker eingeschränkt, als jemand der unter dem Verlust beider Beine zu leiden habe, jedoch auf die Hilfe eines Rollstuhls zurückgreifen könne. Einem Rollstuhlfahrer sei es oft noch möglich, während der Fortbewegung seine Hände für andere Tätigkeiten einzusetzen. Die Klägerin könne sich ohne unterstützende Zuhilfenahme ihrer Hände zumeist nicht fortbewegen. Auch die Zuerkennung des Merkzeichens „aG“ durch das Versorgungsamt weise in diese Richtung. Der Betreuungsbedarf zur Sicherung ihrer Mobilität bestehe darin, dass sie nicht in der Lage sei, allein Besorgungen für das tägliche Leben zu machen. Ferner benötige sie bei der hauswirtschaftlichen Versorgung, hier insbesondere ihrer zwei Kinder, täglich Unterstützung.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die Klägerin erfülle nicht die gesetzlichen Voraussetzungen. Sie sei keine Person „ohne Anspruch auf Leistungen nach dem SGB XI“. Die Vorschrift sei so zu verstehen, dass es darauf ankomme, ob der Antragsteller „dem Grunde nach berechtigt“ sei, Leistungen der gesetzlichen Pflegversicherung nach dem SGB XI zu beanspruchen. Mit der gesetzgeberischen Formulierung werde der Zweck verfolgt, die Leistungen nach dem Landespflegegeldgesetz nicht durch Leistungen der Pflegeversicherung an Versicherte zu verdrängen oder zu ersetzen. Gehöre der Betroffene zum Personenkreis, der unter das SGB XI falle, schieden landesrechtliche Ansprüche aus. Das Landespflegegeldgesetz schaffe keinen Auffangtatbestand für Fälle, in denen Leistungen der Pflegeversicherung am Fehlen des Vorliegens einer Pflegestufe scheiterten. Dem Grunde nach gehöre die Klägerin zu den nach dem SGB XI anspruchsberechtigten Personen. Sie sei in der Pflegeversicherung und anspruchsberechtigt, wenn sie aufgrund einer Lähmung hinreichend behindert sei (§ 14 Abs. 2 Nr. 1 SGB XI). Darüber hinaus liege in ihrem Fall auch keine Lähmung im Sinne des § 2 Nr. 1 Buchstabe b. des Landespflegegeldgesetzes vor. Die Vorschrift beziehe sich auf komplette Lähmungen, nicht jedoch auf Fälle der Einschränkungen der motorischen Funktionen, in denen diese erhalten geblieben seien. Das ergebe sich aus dem Gesetzeszweck, wonach nur besonders schwere Behinderungen erfasst werden sollten und werde zusätzlich dadurch bestätigt, dass etwa Behinderungen und Krankheiten im Sinne von § 14 Abs. 2 Nr. 2 und 3 SGB XI, die zu einem Pflegegeldanspruch nach dem SGB XI führten, nicht zur Begründung eines Landespflegegeldes ausreichten. Aus dem Sinnzusammenhang des § 2 Nr. 1 Buchstabe a., Buchstabe b. sowie § 3 Abs. 1 Landespflegegeldgesetz ergebe sich, dass der Gesetzgeber schon bei der Formulierung der Anspruchsvoraussetzungen „Lähmungen oder gleichartige Behinderungen“ dem Fall des Verlustes beider Beine im Oberschenkelbereich oder beider Hände hinsichtlich der Einstufung gleichsetze. Dementsprechend würden die genannten Fallgruppen auch bei der Bemessung der Höhe des Pflegegeldes nach § 3 Landespflegegeldgesetz gleichbehandelt. Den extremen Behinderungen des Verlustes beider Beine im Oberschenkelbereich oder beider Hände sei die Fallgruppe jedenfalls der inkompletten Beeinträchtigung der motorischen Funktionen nicht vergleichbar. Im Falle der Klägerin sei in keinem der vorliegenden ärztlichen Berichte eine komplette Lähmung bejaht worden. Die vorhandene restliche Gehfähigkeit der Klägerin ließe sich nach den ärztlichen Gutachten weiter verbessern, wenn sie ihren jahrelangen Nikotin-Abusus einstellen würde. Die Klägerin sei auch nicht ungeachtet ihres Leidenszustandes formell so zu behandeln, als lägen die gesetzlichen Voraussetzungen zur Bewilligung von Pflegegeld vor. Selbst wenn man zu Gunsten der Klägerin unterstelle, dass die Statusentscheidungen der Versorgungsämter bei der Prüfung inhaltsgleicher Tatbestandsvoraussetzungen der in anderen Gesetzen geregelten Vergünstigungen bzw. Nachteilsaus-gleichen für die hierfür jeweils zuständigen anderen Verwaltungsbehörden bindend seien und dies auch für Hilfen nach den Landespflegegeldgesetzen der Länder gelte, rechtfertige das kein anderes Ergebnis. Denn zur Tatbestandsvoraussetzung „Lähmung“ liege eine Feststellung des Versorgungsamtes nicht vor. Eine solche Feststellung gehöre auch nicht zu den Statusentscheidungen und Merkmalen, für die sich im SGB IX oder in der Schwerbehindertenausweisverordnung eine Rechtsgrundlage finde. Darüber hinaus dürfte auch ein Betreuungsbedarf zur Sicherung der körperlichen Mobilität und der hauswirtschaftlichen Versorgung im Sinne von § 2 Nr. 1 Buchstabe b. Landespflegegeldgesetz nicht vorliegen. Ein Betreuungsbedarf sei zum einen nicht im bindenden Ausweisverfahren verbindlich in Bezug auf die körperliche Mobilität festgestellt worden.
Der Begriff „Begleitung“ sei nicht identisch mit „Betreuung“. Zum anderen sei der Begriff „Betreuungsbedarf bei der Mobilität“ nicht dahingehend auszulegen, dass ein minimaler Betreuungsbedarf ohne Pflegestufe zur Anspruchsbegründung ausreiche.
Mit der vom Senat zugelassenen Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vorbingens weiter.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgericht Potsdam vom 17. Februar 2012 zu ändern und den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 29. September 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Dezember 2009 zu verpflichten, der Klägerin ab März 2009 ein monatliches Pflegegeld in Höhe von 148 Euro zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er macht sich im Wesentlichen die Begründung des erstinstanzlichen Urteils zu eigen.
Der Berichterstatter hat den Ehemann der Klägerin in der mündlichen Verhandlung zu deren Lähmungserscheinungen und zur Frage ihres Betreuungsbedarfs bei den hauswirtschaftlichen Verrichtungen und der körperlichen Mobilität informatorisch befragt. Wegen des Ergebnisses dieser Befragung wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Streitakte sowie der Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Die Sache konnte durch den Berichterstatter als Einzelrichter verhandelt und entschieden werden, weil die Beteiligten hierzu schriftlich ihr Einverständnis erklärt haben (§ 87a Abs. 2, Abs. 3 VwGO).
Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die Klägerin hat Anspruch auf Bewilligung des mit der Klage begehrten Pflegegeldes nach dem Landespflegegeldgesetz - LPflGG - in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang. Der diesen Anspruch verneinende Bescheid vom 29. September 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Dezember 2009 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin daher in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
I. Anspruchsgrundlage für das Begehren der Klägerin ist § 2 Nr. 1 LPflGG. Nach dieser Vorschrift sind Anspruchsberechtigte im Sinne dieses Gesetzes Personen ohne Anspruch auf Leistungen nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch - Soziale Pflegeversicherung - SGB XI - mit Verlust beider Beine im Oberschenkelbereich oder beider Hände (Buchstabe a.) sowie mit Lähmungen oder gleichartigen Behinderungen, wenn dadurch auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, Betreuungsbedarf zur Sicherung der körperlichen Mobilität und hauswirtschaftlichen Versorgung besteht (Buchstabe b.). Hier kommt nur die zweite Alternative nach § 2 Nr. 1 Buchstabe b. LPflGG in Betracht, denn die Klägerin hat nicht den Verlust beider Beine im Oberschenkelbereich oder beider Hände erlitten. Die Voraussetzungen des § 2 Nr. 1 Buchstabe b. LPflGG liegen vor.
1. Die Klägerin ist eine Person ohne Anspruch auf Leistungen nach dem SGB XI. Die von ihr beantragten Leistungen der Pflegeversicherung wurden mit Bescheid der Pflegekasse vom 25. Mai 2009 abgelehnt. Damit ist dieses Merkmal erfüllt.
Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, wonach diese Vorschrift die Anspruchsberechtigung für sämtliche Personen ausschließe, die „dem Grunde nach“ Anspruch auf Leistungen der Pflegeversicherung hätten, überzeugt nicht. Sie führt dazu, dass sämtliche in der gesetzlichen Pflegeversicherung Versicherte, mit Ausnahme Blinder oder ihnen gleichgestellter Personen (vgl. § 2 Nr. 2 LPflGG), keine Ansprüche nach dem Landespflegegeldgesetz geltend machen könnten. Es gibt keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der Landesgesetzgeber Derartiges beabsichtigt haben könnte. Vielmehr deutet der Umstand, dass in § 5 LPflGG die Anrechnung gleichartiger Leistungen, zu denen solche nach dem SGB XI zählen, auf Leistungen nach dem Landespflegegeldgesetz vorgesehen ist darauf hin, dass der Landesgesetzgeber angenommen hat, dass auch in der gesetzlichen Pflegeversicherung Versicherte Leistungen nach dem Landespflegegeldgesetz im Grundsatz beanspruchen können. Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber einen derart weitgehenden Ausschluss ohne weiteres durch eine entsprechende Formulierung im Gesetz hätte verankern können, indem er solche Personen von der Anspruchsberechtigung ausnimmt, die „dem Grunde nach“ Anspruch auf Leistungen nach dem SGB XI haben.
2. Die Klägerin weist auch „Lähmungen oder gleichartige Behinderungen“ der Beine im Sinne des § 2 Nr. 1 Buchstabe b. LPflGG auf. Dieses Merkmal stellt auf Funktionsbeeinträchtigungen der fraglichen Gliedmaßen ab. Diese liegen bei der Klägerin vor, wobei dahingestellt bleiben kann, ob es sich um „Lähmungen“ oder um „gleichartige Behinderungen“ handelt.
Sie ist aufgrund ihrer Gefäßerkrankung nicht in der Lage, ihre Beine in der üblichen Weise zu benutzen. Woher diese Funktionsbeeinträchtigungen rühren, ob sie also internistischen oder sonstigen Ursprungs sind, spielt keine Rolle. Dass bei der Klägerin keine vollständige Lähmung der Beine vorliegt, steht der Annahme, sie leide an „Lähmungen oder gleichartigen Behinderungen“ im Sinne der Vorschrift, nicht entgegen, denn diese verlangt - anders als das Verwaltungsgericht meint - keine vollständige Lähmung (a.). Ungeachtet der Frage, welches Ausmaß die fraglichen Funktionsbeeinträchtigungen im Einzelnen haben müssen, genügt es jedenfalls, wenn sie so schwerwiegend sind, dass sie hinsichtlich der durch sie verursachten Beeinträchtigungen denen eines beidseitig Oberschenkelamputierten zumindest nahe kommen (b.). Dies ist bei der Klägerin der Fall (c.). Der Umstand, dass sie noch über eine „Restgehfähigkeit“ verfügt, schließt diese Annahme nicht aus (d.).
a. Das Verwaltungsgericht ist der Auffassung, bei den „Lähmungen“ im Sinne des § 2 Nr. 1 Buchstabe b. LPflGG müsse es sich um „vollständige Lähmungen“ handeln, um so eine Gleichstellung mit dem Verlust beider Beine im Oberschenkelbereich nach § 2 Nr. 1 Buchstabe a. LPflGG herzustellen. Diese Argumentation lässt sich allerdings weder mit dem Wortlaut noch mit der Systematik der Vorschrift überzeugend in Einklang bringen.
Das Gesetz spricht nicht nur von „Lähmungen“, sondern von „Lähmungen oder gleichartigen Behinderungen“. Wenn man insoweit „vollständige Lähmungen“ verlangte, bliebe für die „gleichartigen Behinderungen“ praktisch kein Raum mehr. Im Übrigen hätte der Gesetzgeber, wenn er „vollständige Lähmungen“ voraussetzen würde, dies durch eine entsprechende Formulierung ohne weiteres regeln können. Weiter lässt die Ansicht des Verwaltungsgerichts außer Acht, dass - anders als bei § 2 Nr. 1 Buchtstabe a. LPflGG - zusätzlich zu den von § 2 Nr. 1 Buchstabe b. LPflGG geforderten Lähmungen oder gleichartigen Behinderungen noch weitere Anforderungen vom Gesetz formuliert werden. Es verlangt darüber hinaus „Betreuungsbedarf zur Sicherung der körperlichen Mobilität und hauswirtschaftlichen Versorgung“. Dies spricht dafür, dass die „Lähmungen oder gleichartigen Behinderungen“ in ihrer Intensität hinter den von § 2 Nr. 1 Buchstabe a. LPflGG vorausgesetzten, durch den Verlust beider Beine im Oberschenkelbereich oder beider Hände eintretenden Beeinträchtigungen, in gewissem Umfang zurückbleiben können. Diese geringere Intensität wird durch den zusätzlich erforderlichen Unterstützungsbedarf gleichsam kompensiert.
b. Die Funktionsbeeinträchtigungen der Beine der Klägerin haben das für die Gewährung von Pflegegeld nach § 2 Nr. 1 Buchstabe b. LPflGG erforderliche Ausmaß. Zu der von der Frage, ob eine vollständige Lähmung der Beine verlangt werden muss, zu unterscheidende Frage, wie schwerwiegend die durch „Lähmungen oder gleichartige Behinderungen“ verursachten Funktionsbeeinträchtigungen sein müssen, um Pflegegeld nach dem Landespflegegeldgesetz beanspruchen zu können, enthält das Gesetz selbst keine ausdrücklichen Vorgaben. Allerdings muss angenommen werden, dass die „Lähmungen oder gleichartigen Behinderungen“ eine erhebliche Schwere aufweisen müssen. Darauf deutet schon der Umstand hin, dass sie ursächlich für den von der Vorschrift weiter verlangten Betreuungsbedarf sein müssen. Für diese Annahme spricht aber vor allem der Vergleich mit den übrigen Anspruchstatbeständen des Gesetzes. Pflegegeld nach dem Landespflegegeldgesetz erhalten Personen mit Verlust beider Beine im Oberschenkelbereich oder beider Hände (§ 2 Nr. 1 Buchstabe a. LPflGG), blinde Menschen und ihnen gleichgestellte Personen (§ 2 Nr. 2 LPflGG) sowie gehörlose Menschen mit angeborener oder bis zum siebten Lebensjahr erworbener Taubheit oder an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit (§ 2 Nr. 3 Satz 1 LPflGG). Diesen Personen ist gemeinsam, dass sie an schwerwiegenden Beeinträchtigungen leiden, die regelmäßig dauerhaft zu erheblichen Erschwernissen in der Bewältigung des Alltags führen. Vor diesem Hintergrund müssen die hier zu verlangenden Funktionsbeeinträchtigungen daher schon zur Vermeidung ungerechtfertigter Ungleichbehandlung unter Berücksichtigung des Betreuungsbedarfs eine erhebliche Schwere aufweisen. Dabei muss die Frage, welchen Grad sie im Einzelnen haben müssen, im vorliegenden Verfahren nicht geklärt werden. Ausreichend sind jedenfalls Funktionsbeeinträchtigungen, die so schwer wiegen, dass sie den Beeinträchtigungen eines Doppeloberschenkelamputierten in ihren Auswirkungen gleich oder zumindest nahe kommen. Das ist hier der Fall.
c. Die Funktionsbeeinträchtigungen der Beine der Klägerin sind denen eines beidseitig Oberschenkelamputierten vergleichbar. Für diese Vergleichsbildung kann in Ermangelung anderer Kriterien an die vom Versorgungsamt zuerkannten Merkzeichen angeknüpft werden. Die Zuerkennung des Merkzeichens „aG“ indiziert gewissermaßen das Vorliegen der hier in Rede stehenden „Lähmungen oder gleichartigen Behinderungen“ im notwendigen Ausmaß. Die Anforderungen, die der Gesetzgeber an die Vergabe dieses Merkzeichens knüpft, lassen den Schluss zu, dass die bei der Klägerin bestehenden Behinderungen beider Beine zu Beeinträchtigungen führen, die denen eines Doppeloberschenkelamputierten zumindest nahe kommen.
aa. Keiner Klärung bedarf in diesem Zusammenhang, ob und inwieweit eine unmittelbare Bindungswirkung der Feststellungen des Versorgungsamtes für den Beklagten im vorliegenden Verfahren besteht. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 27. Februar 1992 - 5 C 48/88 -, BVerwGE 90, 65 ff. zum Merkzeichen „Bl“) sind die Statusentscheidungen der Versorgungsämter bei der Prüfung inhaltsgleicher Tatbestandsvoraussetzungen für in anderen Gesetzen geregelte Vergünstigungen bzw. Nachteilsausgleiche für die hierfür jeweils zuständigen anderen Verwaltungsbehörden bindend. Das Oberverwaltungsgericht Berlin ist dem mit Urteil vom 30. Juni 1994 - OVG 6 B 19.93 - (OVGE 21, 147 zum Merkzeichen „H“) entgegengetreten. Der erkennende Senat hat diese Frage bislang nicht entschieden. Er hat allerdings in zwei Verfahren ausgeführt, dass in Fällen, in denen um die Bewilligung von Pflegegeld nach dem Landespflegegeldgesetz gestritten wird, bei Zuerkennung entsprechender Merkzeichen durch das Versorgungsamt hinreichende Erfolgsaussichten für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe jedenfalls nicht verneint werden können (Senatsbeschlüsse vom 7. Februar 2007 - OVG 6 M 14.06 - zum Merkzeichen „Bl“ sowie vom 30. Juli 2010 - OVG 6 M 64.10 - zu den Merkzeichen „B“, „G“ und „aG“). Das Verwaltungsgericht hat im vorliegenden Verfahren eine solche Bindungswirkung zu Gunsten der Klägerin unterstellt, allerdings die Auffassung vertreten, es gäbe zum Tatbestandsmerkmal „Lähmung“ keine verbindlichen Feststellungen des Versorgungsamtes, da das Merkzeichen „Lähmung“ nicht existiere. Letzteres mag zwar zutreffen. Das Verwaltungsgericht hätte aber - ungeachtet einer Bindungswirkung und ungeachtet der Bezeichnung der Merkzeichen und der Formulierung der Tatbestandsmerkmale des Landespflegegeldgesetzes - berücksichtigen müssen, ob das Versorgungsamt Merkzeichen aufgrund von Umständen vergeben hat, die Rückschlüsse auf das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 2 Nr. 1 Buchstabe b. LPflGG zulassen. Das ist hier mit Blick auf das Merkzeichen „aG“ der Fall.
bb. Als schwerbehinderte Menschen mit außergewöhnlicher Gehbehinderung sind solche Personen anzusehen, die sich wegen der Schwere ihres Leidens dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb ihres Kraftfahrzeugs bewegen können. Hierzu zählen Querschnittsgelähmte, Doppeloberschenkelamputierte, Doppelunterschenkelamputierte, Hüftexartikulierte und einseitig Oberschenkelamputierte, die dauernd außer Stande sind, ein Kunstbein zu tragen, oder nur eine Beckenkorbprothese tragen können oder zugleich unterschenkel- oder armamputiert sind, sowie andere schwerbehinderte Menschen, die nach versorgungsärztlicher Feststellung, auch aufgrund von Erkrankungen, dem vorstehend aufgeführten Personenkreis gleichzustellen sind (§ 69 Abs. 4 SGB IX in Verbindung mit § 6 Abs. 1 Nr. 14 StVG, nach den Maßstäben der in ständiger Rechtsprechung anzuwendenden straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften nach Abschnitt II Nr. 1 der StVO-Verwaltungsvorschriften zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 StVO). Ein Betroffener ist gleichzustellen, wenn seine Gehfähigkeit in ungewöhnlich hohem Maße eingeschränkt ist und er sich nur unter ebenso großen Anstrengungen wie die in Abschnitt II Nr. 1 Satz 2, erster Halbsatz der StVO-Verwaltungsvorschriften zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 StVO aufgeführten schwerbehinderten Menschen oder nur noch mit fremder Hilfe fortbewegen kann (BSG, Urteil vom 29. März 2007 - B 9a SB 5/05 R -, Rn. 13 f. bei juris; LSG Potsdam, Urteil vom 14. August 2013 - L 11 SB 267/12 -, Rn. 35 bei juris). Bei der Frage der Gleichstellung von behinderten Menschen mit Schäden an den unteren Gliedmaßen ist zu beachten, dass das Gehvermögen auf das Schwerste eingeschränkt sein muss und deshalb als Vergleichsmaßstab am ehesten das Gehvermögen eines Doppeloberschenkelamputierten heranzuziehen ist. Dies gilt auch, wenn Gehbehinderte einen Rollstuhl benutzen: Es genügt nicht, dass ein solcher verordnet wurde, der Betroffene muss vielmehr ständig auf den Rollstuhl angewiesen sein, weil er sich sonst nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung fortbewegen kann (LSG Stuttgart, Urteil vom 20. Juni 2013 - L 6 SB 5053/12 -, Rn. 25 bei juris).
Bei der Zuerkennung des Merkzeichens „aG“ dürfte das Versorgungsamt davon ausgegangen sein, dass die Klägerin aufgrund der Funktionsbeeinträchtigungen ihrer Beine dem eingangs aufgeführten Personenkreis gleichzustellen ist. Diese Annahme ist - ungeachtet einer etwaigen Bindungswirkung für den Beklagten - auch ohne weiteres nachvollziehbar, denn sie deckt sich mit den aktenkundigen Beeinträchtigungen der Klägerin. Diese kann sich nach den Feststellungen des amtsärztlichen Dienstes (Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dipl.-Med. S... vom 14. Oktober 2008) und ihren eigenen sowie den Angaben ihres Ehemannes in der mündlichen Verhandlung nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung fortbewegen. Sie kann lediglich eine Gehstrecke von 47 Metern im Tempo von 1 km/h ohne Steigung zurücklegen. Im häuslichen Umfeld bewegt sie sich zwar ohne Rollstuhl und Gehhilfen, muss sich aber stets abstützen. Nur die ständige Einnahme von Schmerzmitteln ermöglicht es ihr, selbstständig zu laufen und ein Kraftfahrzeug mit Automatikgetriebe zu führen.
d. Dass die Klägerin noch über den geschilderten Rest an Gehfähigkeit verfügt, steht der Annahme, sie leide an „Lähmungen oder gleichartigen Behinderungen“ im Sinne des § 2 Nr. 1 Buchstabe b. LPflGG nicht entgegen. Das Verwaltungsgericht und der Beklagte nehmen dies zu Unrecht an. Insbesondere ist diese Annahme auch nicht gerechtfertigt, weil die Klägerin in ihrer Mobilität im Vergleich zu einem beidseitig Oberschenkelamputierten weniger eingeschränkt wäre.
Diese Argumentation berücksichtigt nicht, dass das jeweilige Ausmaß der aus einer Behinderung resultierenden Erschwernisse bei der Bewältigung des Alltags ohnehin eine erhebliche Bandbreite hat. Es variiert je nach individuellen physischen, psychischen und geistigen Fähigkeiten, Kenntnissen und Erfahrungen. Dabei ist in diesem Zusammenhang weiter zu bedenken, dass die Auswirkungen der in § 2 Nr. 1 Buchstabe a. LPflGG genannten Behinderungen auf die Schwierigkeiten bei der Bewältigung des Alltags durch entsprechende Hilfsmittel und Schulungsmaßnahmen in nicht unerheblichem Maße ausgeglichen werden können. So ist es etwa möglich, den Verlust beider Beine sowie den Verlust der Hände durch entsprechende Prothesen in bedeutsamem Maße zu kompensieren. Es ist daher durchaus denkbar, dass es Fälle gibt, in denen ein beidseitig Oberschenkelamputierter ohne fremde Hilfe, allein mittels technischer und anderer Hilfsmittel seinen Alltag bewältigt, insbesondere also körperlich weitgehend mobil ist und seine hauswirtschaftlichen Verrichtungen selbstständig erledigt und gleichwohl einen Anspruch auf Pflegegeld nach dem Landespflegegeldgesetz hat. Denn im Fall des § 2 Nr. 1 Buchstabe a. LPflGG wird gerade kein zusätzlicher Betreuungsbedarf zur bestehenden Behinderung verlangt. Die in der Stellungnahme der Dipl.-Med. S... vom 14. Oktober 2008 geäußerte Ansicht, bei beidseitig Oberschenkelamputierten sei keine Prothesenversorgung möglich, so dass Betroffene stets auf einen Rollstuhl oder ständig auf fremde Hilfe angewiesen seien, ist nicht nachvollziehbar. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 der Orthopädieverordnung vom 4. Oktober 1989 (BGBl. I S. 1834) werden als Körperersatzstücke u.a. künstliche Glieder geliefert. Nach Absatz 4 derselben Vorschrift können Doppeloberschenkelamputierte zusätzlich auch ein Paar Kurzprothesen erhalten. Die Versorgung von Doppeloberschenkelamputierten mit Prothesen, die ihnen selbstständiges Stehen und Gehen ermöglichen, ist schon danach offenkundig möglich. Im Übrigen gibt es Doppeloberschenkelamputierte Sportler, die sogar an Laufwettbewerben teilnehmen, indem sie auf Prothesen zurückgreifen (vgl. etwa den Bericht unter http://www2.evangelisch.de/themen/gesellschaft/wie-vanessa-laufen-lernte-spitzensportlerin-mit-kunstbeinen8165 vom 8. Dezember 2009).
3. Die Klägerin hat auch dauerhaft behinderungsbedingten Betreuungsbedarf zur Sicherung ihrer körperlichen Mobilität und hauswirtschaftlichen Versorgung im Sinne des § 2 Nr. 1 Buchstabe b. LPflGG. Es kann offen bleiben, welchen Umfang dieser Betreuungsbedarf im Einzelnen erfordert. Jedenfalls der im vorliegenden Fall anzunehmende ist als ausreichend anzusehen.
a. Die Klägerin hat erheblichen Hilfebedarf hinsichtlich ihrer hauswirtschaftlichen Versorgung. Der Begriff „hauswirtschaftliche Versorgung“ im Sinne des Landespflegegeldgesetzes ist gleichbedeutend mit dem gleichlautenden Begriff im SGB XI. Das ist schon im Hinblick auf die Zweckgleichheit beider Gesetze anzunehmen. Er umfasst demnach das Einkaufen, das Kochen, das Reinigen der Wohnung, das Spülen, das Waschen und Wechseln der Wäsche und der Kleidung sowie das Beheizen (vgl. § 14 Abs. 4 Nr. 4 SGB XI). Der Hilfebedarf der Klägerin für diese Verrichtungen beträgt nach den Feststellungen des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen täglich 45 Minuten (vgl. den Bescheid der T... Krankenkasse vom 25. Mai 2009). Ein Betreuungsbedarf bei der hauswirtschaftlichen Versorgung dieses Umfangs dürft nahezu sämtliche regelmäßig anfallenden Tätigkeiten erfassen. Das zeigt sich auch daran, dass dieser Hilfebedarf an sich für die Bewilligung von Pflegegeld der Pflegestufe I nach dem SGB XI ausgereicht hätte. Gescheitert ist der Antrag der Klägerin auf Leistungen nach dem SGB XI nur daran, dass bei der Grundpflege (Körperpflege, Ernährung und Mobilität) ein Hilfebedarf von täglich lediglich 21 Minuten festgestellt worden ist (vgl. hierzu § 15 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB XI, wonach der Hilfebedarf in der Pflegestufe I mindestens 90 Minuten betragen muss und hierbei auf die Grundpflege mehr als 45 Minuten entfallen müssen).
Der im Bescheid der Pflegekasse vom 25. Mai 2009 nicht näher begründete Umfang des Hilfebedarfs bei der hauswirtschaftlichen Versorgung erscheint auch plausibel, weil er sich mit dem schriftsätzlichen Vorbringen der Klägerin und den Angaben ihres Ehemannes in der mündlichen Verhandlung deckt. Danach kümmert sich der Ehemann der Klägerin um den Haushalt im Prinzip alleine. Die Klägerin unterstützt ihn hierbei allenfalls in ganz geringem Umfang. Anlass, die Richtigkeit der schriftsätzlichen Angaben der Klägerin oder der mündlichen Angaben ihres Ehemannes in Zweifel zu ziehen, sieht der Senat nicht.
Soweit die Klägerin allerdings geltend macht, sie könne ihre Kinder behinderungsbedingt hauswirtschaftlich nicht versorgen, spielt dies für die Frage, ob ihr Pflegegeld nach dem Landespflegegeldgesetz zu bewilligen ist, keine Rolle. § 2 Nr. 1 Buchstabe b. LPflGG stellt erkennbar auf die Fähigkeit eigener hauswirtschaftlicher Versorgung des Betroffenen ab, nicht aber auf die Fähigkeit zur Versorgung naher Angehöriger. Sollte die Klägerin insoweit Hilfe benötigen, wäre allenfalls an Maßnahmen der Kinder- und Jugendhilfe nach dem SGB VIII zu denken.
b. Die Klägerin hat darüber hinaus auch Betreuungsbedarf hinsichtlich ihrer körperlichen Mobilität im Sinne des § 2 Nr. 1 Buchstabe b. LPflGG. Auch dies wird bereits durch die vom Versorgungsamt erteilten Merkzeichen, hier „G“ und „B“, indiziert.
Das Merkzeichen „G“ wird für Personen vergeben, die in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt sind und die als Folge einer Einschränkung des Gehvermögens nicht unerhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermögen, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden (§ 3 Abs. 1 Nr. 7 der Schwerbehindertenausweisverordnung vom 25. Juli 1991, BGBl. I S. 1739 - SchwerbAwV - in Verbindung mit § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Als ortsübliche Wegstrecke ist danach eine Strecke von etwa zwei Kilometern anzusehen, die in etwa einer halben Stunde zurückgelegt wird (BSG, Urteil vom 10. Dezember 1987 - 9a RVs 11/87 -, BSGE 62, 273 ff., Rn. 13 bei juris; LSG Potsdam, Urteil vom 25. April 2013 - L 13 SB 29/11 -, Rn. 18 bei juris). Das Merkzeichen „B“, also eine Berechtigung für eine ständige Begleitung, wird bei schwerbehinderten Menschen angenommen, die bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel, also beim Ein- und Aussteigen oder während der Fahrt, infolge ihrer Behinderung zur Vermeidung von Gefahren für sich oder andere regelmäßig auf fremde Hilfe angewiesen sind (§ 3 Abs. 2 SchwerbAwV in Verbindung mit § 146 Abs. 2 Satz 1 SGB IX; BSG Urteil vom 10. Dezember 2003 - B 9 SB 4/02 R, Rn. 22 bei juris). Das Vorliegen dieser Anforderungen im Falle der Klägerin anzunehmen, erscheint ohne weiteres plausibel.
Die Klägerin kann aufgrund ihrer Behinderung öffentliche Verkehrsmittel nicht ohne fremde Hilfe benutzen. Dass sie hierauf faktisch verzichtet, ändert an diesem Befund nichts. Das Landespflegegeldgesetz will Mobilität ermöglichen, setzt aber deren Nutzung nicht voraus. Der Klägerin ist es weiter auch weder möglich, in dem genannten Tempo von 4 km/h ohne fremde Hilfe zu gehen noch vermag sie die angegebene Entfernung von zwei Kilometern selbstständig zu Fuß zurückzulegen. Sie kann sich zwar ohne fremde Hilfe fortbewegen, das aber allenfalls über sehr kurze Wegstrecken und deutlich langsamer. Wie bereits dargelegt, vermochte sie nach den aktenkundigen Feststellungen anlässlich ärztlicher Begutachtung selbstständig und ohne fremde Hilfe lediglich eine Wegstrecke von 47 Metern bei einem Tempo von 1 km/h zu bewältigen.
III. Die Höhe des der Klägerin demnach zustehenden Anspruchs richtet sich nach § 3 Abs. 1 Satz 1 LPflGG. Danach erhalten anspruchsberechtigte Personen nach § 2 Nr. 1 LPflGG ein monatliches Pflegegeld in Höhe von 148 Euro. Gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 LPflGG beginnt die Gewährung mit dem Ersten des Monats, in dem die Voraussetzungen erfüllt sind, frühestens aber mit dem Ersten des Antragsmonats. Da die Klägerin den hier in Rede stehenden Antrag auf Pflegegeld im Monat März 2009 gestellt hat und bereits damals die dargelegten Voraussetzungen erfüllte, kann sie ab diesem Monat das Pflegegeld beanspruchen.
IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gemäß § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10, § 711 der Zivilprozessordnung.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt. Hinsichtlich der Bestimmungen des Landespflegegeldgesetzes ist im Übrigen der Senat selbst für die verbindliche Interpretation zuständig, weil es sich um Landesrecht handelt.