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Entscheidung 1 O 87/18


Metadaten

Gericht LG Neuruppin 1. Zivilkammer Entscheidungsdatum 26.04.2018
Aktenzeichen 1 O 87/18 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird als unzulässig zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits hat zu tragen hat Herr IXXX

3. Das Urteil ist für die Beklagten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin ist als Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung eingetragen. Sie wurde als Recht§haus XXX mit Gründungsvertrag vom 09.09.2005 errichtet. Nach einer Umfirmierung und verschiedenen Übertragungsverträgen erwarb Herr XXX mit zwei Übertragungsverträgen, zuletzt mit Vertrag vom 12.01.2017 die noch bei dem Gesellschafter Maaß verbliebenen Gesellschaftanteile, so dass die XXX nunmehr nur noch den einen Gesellschafter hat.

Folgerichtig hat dieser unter dem 26.01.2017 zum Handelsregister bei dem Amtsgericht Jena angemeldet, dass die Gesellschaft aufgelöst ist. Die Mitteilung ist von dem verbliebenen Gesellschafter unterzeichnet und von dem vormaligen Gesellschafter, dem jetzigen Verfahrensbevollmächtigten der Klägerin. Dieser hat die Mitteilung unter dem Zusatz: „genehmigt auch durch Herrn XXX“ unterzeichnet.

Die Klägerin möchte als Pächterin eines Objektes in der XXX in XXX, das sie unterverpachtet hatte, Besitzschutzansprüche gegen die Beklagten geltend machen, um den Unterpächtern die Fortsetzung ihrer Geschäftsbetriebe zu ermöglichen.

Die Beklagten vertreten zuvörderst die Ansicht, dass die Klägerin keine Rechte mehr geltend machen könne, da sie liquidationslos erloschen sei durch Verschmelzung der Geschäftsanteile in einer Person.

In der mündlichen Verhandlung sind die Vollmachten der Verfahrensbevollmächtigten wechselseitig gerügt worden; für die Beklagten zu 1. und 3. ist eine entsprechende Vollmacht nicht binnen der gesetzten frist abgereicht worden.

Entscheidungsgründe

Die Entscheidung beruht für die Beklagten zu 1. und 3. auf § 331 Abs. 2 ZPO. Zwar waren diese in der mündlichen Verhandlung nicht wirksam durch den Verfahrensbevollmächtigten des Beklagten zu 2. vertreten, der Antrag ist jedoch im Wege eines sogenannten unechten Versäumnisurteils zurückzuweisen.

Der Antrag ist unzulässig. Die Klägerin ist nicht parteifähig.

Die Klägerin ist aufgelöst und voll beendet. Werden sämtliche Anteile einer Zwei-Personen-Gesellschaft bürgerlichen Rechts auf einen Gesellschafter übertragen, hat dies zur Folge, dass die Gesellschaft aufgelöst und ohne Liquidation sofort beendet wird (OLG Brandenburg, Urteil vom 14.01.2009 - 3 U 75/08 m. w. N.). Das gilt grundsätzlich auch für die XXX, auf die gemäß § 1 XXXAG die für die OHG geltenden Vorschriften Anwendung finden. § 131 HGB zählt die Auflösungsgründe nicht abschließend auf. Die Auflösung oder sogar Beendigung der Gesellschaft tritt zum Beispiel genau auch dann ein, wenn das gesamte Vermögen der Gesellschaft auf einen Dritten oder auf einen Gesellschafter übertragen wird (§ 142 HGB) oder wenn die Gesellschaft mit einer anderen verschmolzen wird (vgl. Emmerich, HGB, 2. Auflage, § 131 Rz. 75).

Dieser für das deutsche Recht allgemein anerkannte Grundsatz wird allerdings durch europarechtliche Vorschriften überlagert, insbesondere Art. 32, 35 EWIV-VO.

Artikel 31

(1) Die Vereinigung kann durch Beschluß ihrer Mitglieder aufgelöst werden, der diese Auflösung ausspricht. Dieser Beschluß muß einstimmig gefasst werden, es sei denn, daß der Gründungsvertrag etwas anderes bestimmt.

(2) Die Vereinigung muß durch Beschluß ihrer Mitglieder aufgelöst werden, der feststellt, daß

a) die im Gründungsvertrag bestimmte Dauer abgelaufen oder ein anderer in diesem Vertrag vorgesehener Auflösungsgrund eingetreten ist oder

b) der Unternehmensgegenstand der Vereinigung verwirklicht worden ist oder nicht weiter verfolgt werden kann.

Ist binnen drei Monaten nach Eintritt eines der in Unterabsatz 1 genannten Fälle kein Beschluß der Mitglieder über die Auflösung der Vereinigung ergangen, so kann jedes Mitglied bei Gericht beantragen, diese Auflösung auszusprechen.

(3) Die Vereinigung muß ferner durch Beschluß ihrer Mitglieder oder des verbleibenden Mitglieds aufgelöst werden, wenn die Bedingungen des Artikels 4 Absatz 2 nicht mehr erfuellt sind.

(4) Nach Auflösung der Vereinigung durch Beschluß ihrer Mitglieder müssen der oder die Geschäftsführer die jeweiligen Verpflichtungen nach den Artikeln 7 und 8 erfuellen. Ferner kann jeder Beteiligte diese Verpflichtungen erfuellen.

Artikel 32

(1) Auf Antrag jedes Beteiligten oder einer zuständigen Behörde muß das Gericht im Falle der Verletzung des Artikels 3, des Artikels 12 oder des Artikels 31 Absatz 3 die Auflösung der Vereinigung aussprechen, es sei denn, daß die Mängel der Vereinigung behoben werden können und vor der Entscheidung in der Sache behoben werden.

(2) Auf Antrag eines Mitglieds kann das Gericht die Auflösung der Vereinigung aus wichtigem Grund aussprechen.

(3) Ein Mitgliedstaat kann vorsehen, daß das Gericht auf Antrag einer zuständigen Behörde die Auflösung einer Vereinigung, die ihren Sitz in dem Staat dieser Behörde hat, in den Fällen aussprechen kann, in denen die Vereinigung durch ihre Tätigkeit gegen das öffentliche Interesse dieses Staates verstößt, sofern diese Möglichkeit in den Rechtsvorschriften dieses Staates für eingetragene Gesellschaften oder andere juristische Einheiten, die diesen Rechtsvorschriften unterliegen, vorgesehen ist.

Artikel 35

(1) Die Auflösung der Vereinigung führt zu deren Abwicklung.

(2) Die Abwicklung der Vereinigung und der Schluß dieser Abwicklung unterliegen dem einzelstaatlichen Recht.

(3) Die Geschäftsfähigkeit der Vereinigung im Sinne von Artikel 1 Absatz 2 besteht bis zum Schluß der Abwicklung fort.

Danach kann der Grundsatz der automatischen Beendigung einer Gesellschaft für die XXX insoweit nicht Platz greifen, als Art. 31, 32 EWIV-VO vorsehen, dass die Gesellschaft durch Beschluss aufzulösen ist. Eine Auflösung kraft Gesetzes kennt die EWIV-VO grundsätzlich nicht. Zunächst ist zu konstatieren, dass gerade bei einer durch Europarecht geschaffenen Gesellschaftsform, die zusätzlich voraussetzt, dass Gesellschafter aus unterschiedlichen Mitgliedsstaaten vorhanden sind, ein evidentes Interesse daran besteht, Rechtssicherheit darüber zu haben, ob eine solche Gesellschaft aufgelöst ist oder nicht. Ein nationalstaatlich geprägtes Rechtsverständnis, dass – wie bei der OHG – auch andere Gründe zu deren Auflösung führen könnten, steht entgegen, dass die Auflösung, anders als die Abwicklung der Gesellschaft, gerade nicht dem nationalen Recht überwiesen worden ist.

Der mithin als erforderlich anzusehende Beschluss der Gesellschafter bedarf grundsätzlich keiner Form (Fleischhauer/Preuß-Solveen in: Handelsregisterrecht, 3. Aufl. EWIV – juris). Auch der Gesellschaftsvertrag sieht ein Schriftformerforderniss nicht vor (§ 9 Abs. 1 GV; Bl. 38 der HR-Akte). Der (einzig) verbliebene Gesellschafter kann jederzeit eine Gesellschafterversammlung einberufen und auch „einstimmig“ beschließen, die Gesellschaft aufzulösen. Spätestens in der Mitteilung an das Registergericht vom 26.1.2017 ist ein solcher Beschluss zu sehen. Aus der Mitteilung ergibt sich, dass er die Gesellschaft hat auflösen wollen. Alles andere, als anzunehmen, dass er zuvor oder zumindest zeitgleich den entsprechenden Beschluss gefasst hatte, erscheint als Förmelei. Zwar kommt grundsätzlich in Betracht, dass er annahm, die Gesellschaft sei von Gesetzes wegen aufgelöst und „nur“ die entsprechende Mitteilung machen wollte. Dann macht aber die zusätzliche „Genehmigung“ des Verfahrensbevollmächtigten der Klägerin keinen Sinn. Der Beschluss bedarf selbstverständlich keiner „Genehmigung“ durch einen Dritten; dem Handelsregister sollte aber zur Kenntnis gebracht werden, dass die Gesellschaft aufgelöst worden war. Da zu dem Zeitpunkt der Verfahrensbevollmächtigte der Klägerin noch als Gesellschafter im Handelsregister eingetragen war, machte es Sinn, sein „Einverständnis“ mit der Eintragung sicherheitshalber erklären zu lassen. Damit konnte an einer Einstimmigkeit des Auflösungsbeschlusses gem. Art. 31 EWIV-VO kein Zweifel bestehen.

Damit war die Klägerin aufgelöst und zugleich ohne weitere Abwicklung beendet.

Für die dem deutschen Recht zugewiesene Abwicklung gilt zwar § 10 EWIVAG

§ 10 Abwicklung der Vereinigung

(1) In den Fällen der Auflösung der Vereinigung außer im Fall des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Vereinigung erfolgt die Abwicklung durch die Geschäftsführer, wenn sie nicht durch den Gründungsvertrag oder durch Beschluß der Mitglieder der Vereinigung anderen Personen übertragen ist.

(2) Auf die Auswahl der Abwickler ist Artikel 19 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung, auf die Anmeldung zur Eintragung in das Handelsregister § 3 Abs. 3 entsprechend anzuwenden.

Es besteht aber kein Bedürfnis, von den überkommenen Grundsätzen abzuweichen, nach denen die Gesellschaft durch Vereinigung der Gesellschaftsanteile in einer Person beendet ist, wenn sie deswegen auflösungsbedürftig ist und ein entsprechender, europarechtlich erforderlicher, Beschluss gefasst ist. Die EWIV-VO veweist zwar auf eine Abwicklung nach nationalstaatlichem Recht, verlangt eine solche aber nicht. Es obliegt den Mitgliedsstaaten, diese Abwicklung – soweit erforderlich – zu regeln. Bei einer Auflösung durch Vereinigung der Gesellschaftsanteile ist eine solche Abwicklung aber nicht erforderlich. Die entsprechenden Informationen kann derjenige Europäer, der Ansprüche gegen die ordnungsgemäß aufgelöste EWIV geltend machen will, dem Handelsregister entnehmen und seine (vermeintlichen) Ansprüche gegen den „verbliebenen Gesellschafter“ persönlich geltend machen.

Umgekehrt kann die Gesellschaft ihrerseits keine Rechte mehr geltend machen, da sie vollbeendet ist.

Den die Gesellschaftsanteile Übernehmenden als Partei anzusehen, kommt aufgrund der ausdrücklichen Geltendmachung der Ansprüche durch die Klägerin, vertreten durch ihren Geschäftsführer und den Streit um ihre Parteifähigkeit, nicht in Betracht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO analog. Der nicht existenten Klägerin können sie nicht auferlegt werden.

Das Gesetz sieht grundsätzlich vor, dass die Kosten des Rechtsstreits von der - unterlegenen - Partei zu tragen sind. Die §§ 91, 97 ZPO stellen auch nicht darauf ab, ob die Prozessfähigkeit der Partei festgestellt werden kann. Die Vorschriften setzen nur den Bestand eines Prozessrechtsverhältnisses voraus. Dieses wird aber allein durch die Erhebung der Klage begründet, und zwar unabhängig davon, ob die Parteien prozessfähig sind (BGH, Beschluss vom 04. März 1993 – V ZB 5/93 –, BGHZ 121, 397-401, Rn. 10). Wenn aber für eine nicht (mehr) existente Partei geklagt wird, kommt mit dieser naturgemäß auch kein Prozessrechtsverhältnis zustande.

Die Kosten sind auch nicht dem Verfahrensbevollmächtigten der Klägerin aufzuerlegen. Zwar lag dem Antrag keine wirksame Vollmacht der nicht Klägerin zugrunde. Das war dem vollmachtlosen Vertreter aber nicht bekannt, sondern steht zwischen den Parteien gerade im Streit. Die Rechtslage ist insoweit nicht geklärt, die Auffassung des erkennenden Gerichts muss nicht zutreffend sein.

Letztlich sind die Kosten dem Veranlasser des Verfahrens aufzuerlegen. Das ist hier derjenige, der den Verfahrensbevollmächtigten der Klägerin beauftragt und „bevollmächtigt“ hat.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 704, 708 Nr. 6 ZPO.