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Abfallbeseitigungsrecht


Metadaten

Gericht VG Potsdam 1. Kammer Entscheidungsdatum 06.07.2017
Aktenzeichen 1 K 675/15 ECLI ECLI:DE:VGPOTSD:2017:0706.1K675.15.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 17 Abs 2 Nr 4 KrWG, § 17 Abs 3 KrWG, § 18 Abs 5 KrWG, § 18 Abs 7 KrWG

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen die mengenmäßige Beschränkung und die Befristung ihrer gewerblichen Sammlung von Altpapier aus privaten Haushalten.

Die Klägerin betreibt ausweislich eines Handelsregisterauszugs vom 25. April 2005 eine Wertstofferfassung aus Haushalten und gewerblichen Betrieben sowie Güternahverkehr und Schüttguttransport. Nach einer Gewerbeummeldung vom 21. Oktober 1994 wurden am jetzigen Betriebsstandort bereits Altpapier, Textilien, Schrott und Metalle recycelt.

Im Hinblick auf ihre Verpflichtung nach § 18 Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG), das am 1. Juni 2012 in Kraft trat, zeigte die Klägerin am 31. August 2012 die Durchführung einer gewerblichen Sammlung - unter anderem von Altpapier - an und erklärte, über Anlagen zum Lagern und Behandeln von Abfällen zu verfügen. Im Laufe des Verfahrens erklärte sie ergänzend, dass sie beabsichtige, im Landkreis P... neben anderen Abfällen dauerhaft jährlich ca. 180 t Altpapier (Altpapier/Zeitungen/Zeitschriften/Pappe) zu sammeln, die durch die S... verwertet würden. Sie habe im Jahr 2010 und 2011 ca. 240 t und 2012 ca. 180 t Altpapier erfasst. Dies erfolge auf drei Wegen. Die Haushalte könnten gebündeltes Papier und Pappe getrennt auf den Recyclinghöfen gegen Entgelt abgegeben. In P... fänden einmal im Monat Straßensammlungen getrennt nach Papier und Pappe statt. Außerdem seien an bestimmten Stellen, wie Schulen und Kindergärten, Container aufgestellt worden, in die sortierte Ware eingeworfen werden könne.

Als betroffener öffentliche-rechtlicher Entsorgungsträger erklärte der beigeladene Landkreis P... bei einer Anhörung durch den Beklagten, dass die angezeigte Sammlung von Altpapier (PPK-Abfälle) unzulässig sei. Er unterhalte ein eigenes kombiniertes Bring- und Holsystem mit bereitgestellten Sammelcontainern und haushaltsnahen Papiercontainern. Dafür habe er für den Zeitraum vom 1. April 2012 bis zum 30. Juni 2015 ein europaweites Vergabeverfahren durchgeführt und den Zuschlag einem Drittbeauftragten erteilt. Nach der Abfallentsorgungssatzung vom 9. Dezember 2011 würden die PPK-Abfälle auf den Grundstücken in 120 l, 240 l und 1100 l großen Abfallbehältern erfasst („blaue Tonne“). Grundstückseigentümer, die keinen Abfallbehälter benutzen würden, seien verpflichtet, die Sammelcontainer zu nutzen. Die Papiertonnen würden in einem vierwöchigen Rhythmus entleert. Daneben gebe es noch weitere gewerbliche PKK-Sammlungen. Aus diesem Grunde stehe der angezeigten Sammlung ein öffentliches Interesse gemäß § 17 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 KrWG entgegen. Die Funktionsfähigkeit der Abfallwirtschaft des Landkreises sei gefährdet. Auch sei die Planungssicherheit und Organisationsanpassung wesentlich beeinträchtigt. Schließlich sei die angezeigte Sammlung und Verwertung der Abfälle auch nicht wesentlich leistungsfähiger als die eigene. Aus dem kommunalen Abfallwirtschaftskonzept des Landkreises vom 30. April 2008 ergibt sich, dass der Landkreis zuvor das Altpapier mit Containern sammelte.

Mit Bescheid vom 25. Oktober 2013 entschied das beklagte Landesamt, dass die angezeigte gewerbliche Sammlung von Abfällen unter Auflagen erfolgen könne. Die Sammlung von Altpapier wurde auf den Umfang von maximal 180 t pro Jahr begrenzt und bis zum 30. September 2017 befristet. Grundsätzlich seien die Abfälle aus privaten Haushaltungen den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern zu überlassen. Davon bestehe zwar eine Ausnahme, wenn die durch die gewerbliche Sammlung erfassten Abfälle einer ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung zugeführt würden und überwiegende öffentliche Interessen nicht entgegenstünden. Letzteres sei hier aber der Fall, da die gewerbliche Sammlung die Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers bzw. des von diesem beauftragten Dritten gefährde. Die Planungssicherheit und Organisationsverantwortung des Entsorgungsträgers werde wesentlich beeinträchtigt, da der Landkreis P... bzw. der von ihm beauftragte Dritte eine haushaltsnahe oder sonstige hochwertige getrennte Erfassung und Verwertung der Abfälle durchführe.

Zwar könne die Klägerin, da sie die gewerbliche Sammlung von Abfällen bereits vor dem 1. Juni 2012 betrieben habe, ohne die Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers zu gefährden, in schutzwürdiger Weise auf die weitere Durchführung der Sammlung vertrauen. Zur Erfüllung der Voraussetzungen nach § 17 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 KrWG werde deshalb der Umfang der Sammlung auf die von der Klägerin angegebene Menge von 180 t pro Jahr begrenzt und auf einen Zeitraum von 5 Jahren befristet. Dies sei auch angemessen, da die Klägerin weiter diverse Abfälle erfassen könne und einen Containerdienst und andere Dienstleistungen anbiete. Bei den anderen im Kreisgebiet zum 1. Juni 2012 bereits durchgeführten Altpapiersammlungen verfuhr der Beklagte in gleicher Weise.

Den dagegen gerichteten Widerspruch der Klägerin vom 27. November 2013 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11. Februar 2015, zugestellt am 16. Februar 2015, zurück. Selbst wenn eine wesentliche Beeinträchtigung der Planungssicherheit und Organisationsverantwortung erst vorliegen sollte, wenn eine gewisse Mengenbegrenzung überschritten wäre, sei diese Voraussetzung hier erfüllt. Im Zeitpunkt des Widerspruchsbescheides hätten 13 Anzeigen vorgelegen, welche die Fraktion Papier beträfen. Die angezeigte Gesamtmenge belaufe sich dabei einschließlich einer Menge von 50 t durch gemeinnützige Sammlungen auf 1.350 t pro Jahr. Der Landkreis habe demgegenüber im Jahr 2011 ohne Verpackungsanteil 3.846 t, 2012 4.077 t und 2013 ca. 4.010 t Altpapier ohne Verpackungsabfall erfasst. Betrachte man sämtliche Mengen, würden dem kommunalen Erfassungssystem über 33 % entzogen.

Hiergegen richtet sich die am 16. März 2015 eingegangene Klage.

Zur Begründung hat die Klägerin zunächst Zweifel an der Europarechtskonformität und § 17 Abs. 3 S. 3 Nr. 1 KrWG vorgetragen. Nach der Gesetzessystematik des Kreislaufwirtschaftsgesetzes und den Vorgaben des europäischen Rechts sei das gesetzliche Merkmal der überwiegenden öffentlichen Interessen aber jedenfalls restriktiv auszulegen.

Außerdem sei eine wesentliche Beeinträchtigung der Planungssicherheit und Organisationsverantwortung nicht dargelegt. Dies sei aber nach der gesetzlichen Systematik Aufgabe der Behörde. Hinsichtlich der übrigen Sammelmengen sei zu berücksichtigen, dass der Umfang der gewerblichen und gemeinnützigen Sammlungen im Jahr 2011 lediglich 440 t betragen habe. Unklar sei auch, welche davon fortgeführt werden dürften. Jedenfalls sei eine sachgerechte Zuteilungsentscheidung erforderlich. Daran fehle es. Deswegen sei die zeitliche Befristung rechtswidrig.

Rechtswidrig sei auch die mengenmäßige Beschränkung, da die Festlegung auf 180 t lediglich eine Prognose sei, die Mengen sich aber zukünftig erhöhen könnte. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin ihre Sammlung bereits seit 20 Jahren beanstandungsfrei betreibe.

Im Hinblick auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. Juni 2016 (7 C 4.15, juris), insbesondere zu der darin erörterten „Irrelevanzschwelle“, trägt die Klägerin ergänzend vor: Zum einen müsse diese Schwelle für jede betroffene Fraktion im jeweiligen Entsorgungsgebiet separat ermittelt und geklärt werden, ob beispielsweise infolge der Dominanz des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers Einbußen in größerem oder kleinerem Umfang ohne wesentliche Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit hingenommen werden könnten. Weiter könnten in die Gesamtbelastung nur berücksichtigungsfähige Sammlungen einbezogen werden. Dies seien nur solche Sammlungen, die einen Marktzutritt oder Marktzugang begehrten und sich damit zukünftig in Konkurrenz zu einem bereits ins Werk gesetzten kommunalen System setzen wollten. Dazu zählten nicht die bereits rechtmäßig durchgeführten Sammlungen, denn damit sei keine berücksichtigungsfähige (prozentual-mengenmäßige) Zusatzbelastung für das kommunale System verbunden. Sie prägten den zu erhaltenden Status quo und seien damit nicht in den zu erwartenden Mengenentzug (z.B. 15 %) einzurechnen. Die Richtigkeit der Überlegung zeige sich bereits daran, dass sie, die Klägerin, ihre Sammlung im Kreisgebiet seit nunmehr 25 Jahren betreibe, die haushaltsnahen Tonnen aber erst im Jahr 2012 installiert worden seien.

Außerdem erfasse das kommunale System die unterschiedlichen Abfallfraktionen, nämlich Pappen und Kartonagen einerseits und so genannte „Deinkingware“, insbesondere Zeitschriften und Prospekte, andererseits, als Abfallgemisch. Demgegenüber würden diese Fraktionen von ihr getrennt erfasst. Als überwiegend sortenreine Deinkingware habe sie 2015 160 t und 2016 170 t gesammelt. An Pappen und Kartonagen seien in diesem Zeitraum 10 t bzw. 8 t separat erfasst worden. Der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger bzw. der von diesem beauftragte Dritte führe keine so hochwertige getrennte Erfassung und Verwertung der Abfälle im Sinne von § 17 Abs. 3 S. 3 Nr. 1 KrWG durch. Die Vermarktung bzw. Verwertung von gemischten PPK-Materialien führe mit Blick auf das Gebot der hochwertigen Verwertung gemäß § 8 KrWG zu einem negativen Effekt.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 25. Oktober 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Februar 2015 hinsichtlich der Begrenzung der Sammelmenge gemäß Ziff. 1 a sowie hinsichtlich der Befristung der Sammlung gemäß Ziff. 2 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hält die maßgeblichen Bestimmungen des Kreislaufwirtschaftsgesetzes für europarechtskonform.

Darüber hinaus sei das Erfassungssystem des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers hochwertig. Überwiegend erfolge die Erfassung der Abfälle über die den privaten Haushaltungen bereitgestellten blauen Tonnen. Damit biete der Entsorgungsträger ein auf Dauer angelegtes haushaltsnahes und servicefreundliches Erfassungssystem für die Abfallfraktion Altpapier an. Es sei bereits anzuzweifeln, ob die von der Klägerin angebotene Straßen- bzw. Behältersammlung unabhängig von schwankenden Rohstoffpreisen und Verkaufserlösen durchgeführt werde, jedenfalls sei ein messbarer und gewichtiger Leistungsvorteil im Vergleich zu der haushaltsnahen Erfassung nicht zu verzeichnen.

Der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger habe 2016 insgesamt 3.999 t erfasst. Dem seien die nicht bestandskräftig untersagten und die bereits durchgeführten gemeinnützigen und gewerblichen Sammlungen in Höhe von 1.012,4 t gegenüberzustellen. Der Beklagte hat dazu eine Tabelle mit den im Jahr 2016 angezeigten und tatsächlich durchgeführten Sammelmengen vorgelegt. Der Anteil betrage mithin 25,3 % und überschreitet damit die vom Bundesverwaltungsgericht festgelegte Irrelevanzschwelle von 10-15 %. Selbst wenn man die Menge abziehen würde, um die die tatsächliche Sammelmenge die angezeigte Menge unterschreite (Reduzierung von 1.012,4 t auf 874,8 t), entspreche dies einem Anteil von 21,8 % der Sammelmenge des öffentlichen-rechtlichen Entsorgungsträgers. Damit greife die Regelvermutung, dass der Marktzutritt der gewerblichen Sammlung der Klägerin die Planungssicherheit und Organisationsverantwortung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers wesentlich beeinträchtige und damit dessen Funktionsfähigkeit gefährde. Der Sammlung stünden mithin überwiegende öffentliche Interessen entgegen. In der mündlichen Verhandlung erklärte der Beklagte, dass sich bei einem gewerblichen Sammler die tatsächliche Sammelmenge für 2016 um 80 t reduziert habe.

Die Kammer hat mit Beschluss vom 24. August 2015 den Landkreis P... beigeladen. Dieser stellt keinen Antrag.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze, den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und auf den Verwaltungsvorgang des Beklagten (1 Ordner) Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 25. Oktober 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Februar 2015 ist hinsichtlich der mit der Klage angegriffenen Begrenzung der Sammelmenge gemäß Ziff. 1 a sowie hinsichtlich der Befristung der Sammlung gemäß Ziff. 2 rechtmäßig (§ 113 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -).

Der angefochtene Bescheid findet hinsichtlich dieser Regelungen seine Rechtsgrundlage in § 18 Abs. 5 S. 1 i.V.m. § 17 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 KrWG. Danach kann die zuständige Behörde eine angezeigte Sammlung von Bedingungen abhängig machen, sie zeitlich befristen oder Auflagen für sie vorsehen, soweit dies erforderlich ist, um die Erfüllung der Voraussetzungen nach § 17 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 KrWG sicherzustellen. Bei den Bedingungen, Befristungen und Auflagen nach § 18 Abs. 5 S. 1 KrWG handelt es sich dabei nicht um Nebenbestimmungen im Sinne von § 36 Verwaltungsverfahrensgesetz, sondern um eigenständige Verwaltungsakte (Karpenstein/Dingemann, in: Jarass/Petersen, KrWG, § 18 Rn. 68 m.w.N.). Die Befristung hat zur Folge, dass nach Ablauf der Frist der Klägerin die Sammlung untersagt ist.

In § 17 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 KrWG ist eine Ausnahme von der Überlassungspflicht nach § 17 Abs. 1 S. 1 KrWG normiert, wonach die Erzeuger oder Besitzer von Abfällen aus privaten Haushaltungen grundsätzlich verpflichtet sind, diese Abfälle den nach Landesrecht zur Entsorgung verpflichteten juristischen Personen (öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger) zu überlassen, soweit sie zu einer Verwertung auf den von ihnen im Rahmen ihrer privaten Lebensführung genutzten Grundstücken nicht in der Lage sind oder dies nicht beabsichtigen. Die Überlassungspflicht besteht nach § 17 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 KrWG allerdings nicht für Abfälle, die durch eine gewerbliche Sammlung einer ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung zugeführt werden, soweit überwiegende öffentliche Interessen dieser Sammlung nicht entgegenstehen.

Gemäß § 17 Abs. 3 KrWG stehen überwiegende öffentliche Interessen nach Abs. 2 S. 1 Nr. 4 KrWG einer gewerblichen Sammlung aber entgegen, wenn die Sammlung in ihrer konkreten Ausgestaltung, auch im Zusammenwirken mit anderen Sammlungen, die Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers oder des von diesem beauftragten Dritten gefährdet. Eine Gefährdung der Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers oder des von diesem beauftragten Dritten ist anzunehmen, wenn die Erfüllung der nach § 20 KrWG bestehenden Entsorgungspflichten zu wirtschaftlich ausgewogenen Bedingungen verhindert oder die Planungssicherheit und Organisationsverantwortung wesentlich beeinträchtigt wird. Eine wesentliche Beeinträchtigung der Planungssicherheit und Organisationsverantwortung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers ist insbesondere anzunehmen, wenn durch die gewerbliche Sammlung Abfälle erfasst werden, für die der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger oder der von diesem beauftragte Dritte eine haushaltsnahe oder sonstige hochwertige getrennte Erfassung und Verwertung der Abfälle durchführt (§ 17 Abs. 3 S. 3 Nr. 1 KrWG).

Der beigeladene Landkreis P... ist zuständiger öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger für das in Rede stehende Gebiet im Sinne von § 17 Abs. 1 S. 1 KrWG. Ihm sind damit grundsätzlich Abfälle im Sinne von § 3 Abs. 1 KrWG, zu denen auch Altpapier aus privaten Haushaltungen zählt, zu überlassen. Eine Ausnahme von der Überlassungspflicht nach § 17 Abs. 2 KrWG besteht nicht. Der Beklagte hat zu Recht angenommen, dass der von der Klägerin angezeigten gewerblichen Sammlung von Altpapier überwiegende öffentliche Interessen im Sinne von § 17 Abs. 3 KrWG entgegenstehen.

Dabei ist es grundsätzlich mit dem Unionsrecht vereinbar, dass der Bundesgesetzgeber in § 17 KrWG den Marktzutritt für gewerbliche Sammler trotz der damit verbundenen Beeinträchtigung der Freiheit des Warenverkehrs zu Gunsten der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger beschränkt hat. Dies entspricht Art. 106 Abs. 2 S. 1 des Vertrages über die Arbeitsweise der europäischen Union – AEUV – (BVerwG, Urteil vom 30. Juni 2016 - 7 C 4/15 - juris, Rn. 38). Danach gelten für Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sind, die Vorschriften der Verträge, insbesondere die Wettbewerbsregeln, nur, soweit die Anwendung dieser Vorschriften nicht die Erfüllung der ihnen übertragenen besonderen Aufgaben rechtlich oder tatsächlich verhindert. Darunter fällt die Betrauung der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger mit der Aufgabe der Sammlung und Verwertung sortenreiner ungefährlicher Abfallfraktionen (BVerwG, a.a.O., Rn 39). Die Ausnahme nach Art. 106 Abs. 2 AEUV ist dabei allerdings auf dasjenige Maß zu beschränken, das erforderlich ist, um eine Gefährdung der Aufgabenerfüllung zu verhindern. Der Gesetzgeber darf danach ein von einem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger errichtetes hochwertiges Entsorgungssystem in dem Sinne schützen, dass er es zwar nicht in allen seinen konkreten Ausformungen gegen Veränderungen absichert, er aber dessen Funktionsfähigkeit vor Beeinträchtigungen bewahrt. Um dieses Ziel auch angesichts von Schwierigkeiten der prognostischen Bewertung im jeweiligen Einzelfall sicherzustellen, darf er sich dabei nicht zuletzt im Interesse eines verlässlichen Verwaltungsvollzugs auch auf generalisierende Betrachtungen, Regelbeispiele und Vermutungsregelungen stützen. Hiernach ist § 17 Abs. 3 S. 3 Nr. 1 KrWG unionsrechtskonform als widerlegbare Vermutung auszulegen (BVerwG, a.a.O., Rn. 49 f.).

Die Prüfung, ob eine Ausnahme von der in § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 KrWG normierten Regelvermutung vorliegt, hat sich daran auszurichten, ob Anhaltspunkte gegeben sind, die den Schluss zulassen, dass die dort vorausgesetzten negativen Auswirkungen auf die Planungssicherheit und Organisationsverantwortung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers aufgrund besonderer Umstände nicht zu besorgen sind.Es kommt dabei darauf an, ob durch einen Marktzugang des gewerblichen Sammlers die Grundstrukturen der Entsorgung, die der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger zur Gewährleistung einer sachgerechten Aufgabenerfüllung nach Maßgabe seiner organisatorischen Grundentscheidungen ins Werk gesetzt hat, wesentlich umgestaltet werden müssten (BVerwG, a.a.O, Rn. 51).

Ob es daran entgegen der in § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 KrWG vorausgesetzten Regel fehlt, bemisst sich in erster Linie nach den Auswirkungen auf die vom öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger zu erzielende Sammelmenge. Einbußen in der Sammelmenge, die sich durch den Marktzutritt anderer Sammler abzeichnen, können hiernach einen organisatorischen und strukturellen Anpassungsbedarf nach sich ziehen (BVerwG, a.a.O., Rn. 52).

Bei der Bewertung der Auswirkungen des Marktzutritts eines gewerblichen Sammlers ist dessen Sammlung nicht isoliert, sondern nach § 17 Abs. 3 Satz 1 KrWG im Zusammenwirken mit anderen Sammlungen zu betrachten. In erster Linie von Bedeutung sind insoweit - als zusätzlich beabsichtigte Veränderung des Sammlungsumfeldes - weitere angezeigte, aber insbesondere wegen einer sofort vollziehbaren Untersagungsverfügung noch nicht durchgeführte Sammlungen. Sie werden erst dann unbeachtlich, wenn die Untersagung bestandskräftig geworden ist. Neben den anstehenden Veränderungen sind bereits rechtmäßig durchgeführte Sammlungen mit den tatsächlichen Sammelmengen in den Blick zu nehmen. Sie bilden den Rahmen, in dem sich die Sammlung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers bewährt und behauptet hat. Sie prägen den Status quo und zeigen mit dem Anteil des Entsorgungsträgers am gesamten Sammelaufkommen an, welches Gewicht ihm auf dem Entsorgungsmarkt für die betreffende Abfallfraktion zukommt. Außerdem sind die gemeinnützigen Sammlungen einzustellen (BVerwG, a.a.O., Rn. 54 ff.).

Für die prognostische Beurteilung der Veränderungen, wie auch des Status quo durch das Gericht, ist dabei grundsätzlich auf die Sachlage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen, da es sich bei dem angefochtenen Bescheid um einen Dauerverwaltungsakt handelt. Maßgeblich Veränderungen zu Gunsten und zulasten des die gewerbliche Sammlung Anzeigenden zu diesem Zeitpunkt sind also zu berücksichtigen (BVerwG, a.a.O., Rn. 57).

Die so ermittelten zusätzlichen Sammelmengen der privaten Sammler sind den tatsächlichen bzw. auf der Grundlage konkreter Planungen erwarteten Sammelmengen des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers gegenüberzustellen und hiernach die Rückgänge bzw. die verminderten Steigerungspotenziale auf Seiten des Entsorgungsträgers zu prognostizieren und zu bewerten. Dabei ist im Interesse der Praktikabilität der Regelung in generalisierender Weise eine „Irrelevanzschwelle“ anzunehmen, von der nach unten oder nach oben nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände abgewichen werden kann. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 30. Juli 2016 bezogen auf Alttextilien eine Schwelle von 10 bis 15 % als angemessen betrachtet. Ist diese Irrelevanzschwelle – gegebenenfalls nach deren Modifikation bei ganz außergewöhnlichen Konstellationen – überschritten, bleibt es bei der Regelvermutung. Einer einzelfallbezogenen Prüfung bedarf es nicht (BVerwG, a.a.O, Rn. 59, 60).

Unter Berücksichtigung dieser vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Grund-sätze, denen sich die Kammer anschließt, ist durch den Marktzutritt der Klägerin eine wesentliche Beeinträchtigung der Planungssicherheit und Organisationsverantwortung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers i.S.v. § 17 Abs. 3 S. 3 Nr. 1 KrWG anzunehmen.

Dabei ist hier nicht zu erörtern, ob die vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Grundsätze auch dann anzuwenden sind, wenn ein öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger erstmals dem Markt für Sammlungen einer bestimmten Abfallfraktion hinzutritt. Denn dann würde sich die Frage stellen, ob die geplante Entsorgungsstruktur überhaupt den Schutz des § 17 Abs. 3 S. 2 KrWG beanspruchen kann, weil sie noch nicht „ins Werk gesetzt“ wurde (vgl. dazu VG Stuttgart, Urteil vom 27. April 2017 - 14 K 361/15 -, juris). Der Landkreis Prignitz bzw. der von ihm beauftragte Dritte hat zwar erst ab dem 1. April 2012 das flächendeckende Holsystem für Altpapier in Form der blauen Tonne eingeführt. Aus dem Kommunalen Abfallwirtschaftskonzept des Landkreises Prignitz von 2008 ergibt sich aber, dass er Altpapier auch vorher durch einen beauftragten Dritten in Form eines Bringsystems mit ca. 360 Containern an 300 Stellplätzen erfasst hat. Der Anteil an den Gesamtaufkommen bewegte sich beispielsweise bezogen auf die Jahre 2004 bis 2006, für die Daten vorliegen, in etwa bei 85 %. Dies entspricht den Anteilen von 2011 bis 2016. Die öffentlich-rechtliche Entsorgung von Altpapier war daher schon seit längerem in dem jetzt bestehenden Umfang ins Werk gesetzt.

Die Abfallentsorgung durch den Landkreis P... ist besonders schutzwürdig im Sinne von § 17 Abs. 3 S. 3 Nr. 1 KrWG. Durch die gewerbliche Sammlung werden jedenfalls seit dem 1. April 2012 Abfälle erfasst, für die der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger bzw. der von diesem beauftragte Dritte eine haushaltsnahe oder sonstige hochwertige getrennte Erfassung und Verwertung der Abfälle durchführt. Im Gebiet des Landkreises wird das in den Haushaltungen anfallenden Altpapier als getrennte Fraktion im Wesentlichen mittels der blauen Tonne abgeholt. Diese Sammlungsform sichert die allgemeine Zugänglichkeit und bedarf aufgrund der erheblichen kommunalen Investitionen in besonderem Maße des Schutzes (vgl. dazu die Gesetzesbegründung in BT-Drucks. 17/7505, S. 44; Karpenstein/Dingemann in: Jarass/Petersen, KrWG, § 17 Rn. 173 m.w.N.). Daneben werden zusätzlich Papiercontainer in Form eines Bringsystems für diejenigen Haushalte bereitgehalten, die keine blaue Tonne wünschen. Die maßgebliche Satzung enthält eine Verpflichtung zur Nutzung dieser Systeme (dazu § 8 der Abfallentsorgungssatzung des Landkreises P... ).

Durch den Marktzugang der Klägerin wird unter Berücksichtigung der oben dargelegten Grundsätze die Planungssicherheit und Organisationsverantwortung auch wesentlich beeinträchtigt, da die Schwelle, unter der die Beeinträchtigung als irrelevant angesehen werden könnte, überschritten wird. Dies ergibt sich aus Folgendem:

Für die Ermittlung der maßgeblichen Abfallmengen stellt die Kammer auf die vom Beklagten mit Schriftsatz vom 21. Juni 2017 übermittelten, tabellarisch aufgelisteten Mengen der gewerblichen und gemeinnützigen Sammler ab. Diese beziehen sich auf das Jahr 2016 und stellen damit die aktuellsten miteinander vergleichbaren Werte dar. Zweifel an der Richtigkeit der Angaben des Beklagten sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Ausweislich dessen erfasste der vom Landkreis P... beauftragte Dritte 3.999 t Altpapier. Dies entspricht im Wesentlichen den Mengen der Vorjahre. Ein Ausbau dieser Sammlung ist nach Darstellung des Beklagten derzeit nicht geplant.

Dem ist zunächst die angezeigte Sammelmenge der Klägerin von 180 t gegenüberzustellen (Sammlung 171). Zu berücksichtigen ist nach § 17 Abs. 3 S. 1 KrWG aber auch das Zusammenwirken mit anderen Sammlungen. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zählen dazu als zusätzlich beabsichtigte Veränderungen des Sammlungsumfeldes weitere angezeigte, aber insbesondere wegen einer sofort vollziehbaren Untersagungsverfügung noch nicht durchgeführte Sammlungen, die erst dann unbeachtlich werden, wenn die Untersagung bestandskräftig geworden ist (BVerwG, a.a.O., Rn. 54). Dies sind nach den aktuellen Angaben des Beklagten zwei Sammlungen, die zwar unter Anordnung der sofortigen Vollziehung untersagt wurden, bei denen über den Widerspruch aber noch nicht entschieden wurde. Hierbei handelt es sich um die Sammelmenge von 100 t (Sammlung 114) und 370 t (Sammlung 181).

Zu berücksichtigen sind außerdem nach § 17 Abs. 2 Nr. 3 KrWG die Mengen, die durch gemeinnützige Sammlungen einer ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung zugeführt werden. Dies war im Jahr 2016 eine angezeigte Sammelmenge von 45 t. Tatsächlich wurden durch gemeinnützige Träger 67,6 t gesammelt.

Darüber hinaus gibt es außer der klägerischen vier weitere gewerbliche Sammlungen, die zeitlich bis zum 30. September 2017 befristet wurden (Nrn. 41, 125, 187 und 210). Die dafür angezeigten Mengen betragen insgesamt 285 t. Gemeldet wurden für 2016 dafür 174,2 t als tatsächlich in Anspruch genommene Sammelmenge.

Zwar spricht Einiges dafür, bei den durchgeführten Sammlungen auf die angezeigte Menge abzustellen, denn nur diese Mengen waren Gegenstand der Bescheide nach § 18 Abs. 5 KrWG und könnten damit in ein rechtmäßiges Handeln der Marktteilnehmer einmünden. Wie noch darzustellen sein wird würde es aber zu keinem anderen Ergebnis führen, wenn man auf die aktuell gemeldete Sammelmenge für 2016 abstellen würde. Deswegen kann es dahingestellt bleiben, ob es insoweit auf die angezeigte oder die erzielte Sammelmenge ankommt.

Im Gegensatz zur Ansicht der Klägerin ist es ohne Belang, dass die Sammlungen, deren Laufzeit befristet wurde, offensichtlich schon früher durchgeführt wurden und damit schon bisher in Konkurrenz zu der öffentlich-rechtlichen Entsorgung getreten waren, ohne dass deren Aufgabenerfüllung wesentlich beeinträchtigt gewesen wäre. Auch diese Mengen sind bei der Ermittlung der Irrelevanzschwelle einzubeziehen. Dafür spricht bereits die Gesetzesbegründung (BT Drs. 17/7505, S. 43), wonach es bei der Prüfung der entgegenstehenden öffentlichen Interessen auf die Gesamtbelastung für den betroffenen öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger ankommt. Zwar bestimmen die zuvor durchgeführten Sammlungen den Status quo, auf den sich der Entsorgungsträger bislang eingestellt hatte, mit. Als „Vorbelastung“ sind sie aber genauso wie die gemeinnützigen Sammlungen (s. dazu BVerwG, a.a.O., Rn. 57) in die „anderen Sammlungen“ im Sinne von § 17 Abs. 3 S. 1 KrWG einzustellen (vgl. VG Münster, Urteil vom 22. März 2017 - 7 K 1467/14 -, juris; Dippel/Ottensmeier, AbfallR 2017, S. 13 (15); Schink/Versteyl, KrWG, 2. Aufl. § 17 Rn. 49).

Würde man stattdessen nur auf die Belastung durch den Marktzutritt eines einzelnen Bewerbers abstellen und die bestehenden Sammlungen Dritter unberücksichtigt lassen, würde der durch § 17 Abs. 3 KrWG bezweckte Schutzzweck leerlauen. In diesem Fall könnten für sich genommen nach ihrer Menge irrelevante gewerbliche Sammlungen, wenn sie in zeitlichem Abstand angezeigt werden, sich aufsummieren und gemeinsam die Aufgabenerfüllung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers infrage stellen. Genau dies soll aber nach § 17 Abs. 3 S. 1 KrWG durch die Einbeziehung anderer Sammlungen verhindert werden.

Schließlich ist noch die Sammlung mit der internen Nummer 147 einzubeziehen, die nicht bestandskräftig untersagt wurde. Die angezeigte Sammelmenge beträgt 20 t, die aktuell für 2016 gemeldete, 42,6 t.

Addiert man die oben dargestellten angezeigten und noch nicht bestandskräftig untersagten oder eingestellten Sammelmengen für 2016 ergibt sich eine Menge von 955 t, zu denen angezeigte gemeinnützige Sammlungen von 45 t treten. Insgesamt sind dies 990 t. Stellt man diese der vom öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger erfassten Menge von 3.999 t gegenüber, beträgt deren Anteil 24,76 %. Damit wird die vom Bundesverwaltungsgericht für irrelevant bezeichnete Schwelle von 10 bis 15 % (a.a.O., Rn. 59; vgl. auch VGH Mannheim, Beschluss vom 9. September 2013 – 10 S 1116/13 –, juris) deutlich überschritten.

Stellt man stattdessen bei den im Jahr 2016 aktuell durchgeführten Sammlungen auf die gemeldeten tatsächlichen Mengen ab, dann ergibt sich eine Gesamtmenge von 394,8 t zuzüglich angemeldeter 470 t und gemeinnütziger Sammlungen von 67,6 t, insgesamt 932,4 t. Dies entspricht einem Anteil von 23,32 %.

Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zur Irrelevanzschwelle bezieht sich zwar auf die Abfallfraktion „Alttextilien“. Wie dort ist aber auch das Erfassungssystem bei Altpapier durch stationäre Einrichtungen und folglich durch einen hohen Anteil fixer Kosten gekennzeichnet. Dies gilt umso mehr, wenn die Sammlung, wie hier, nicht nur über Container, sondern mit Tonnen erfolgt, die den einzelnen Haushalten zur Verfügung gestellt werden. Zwar dürfte eine Schwelle von unter 10 % für gewerbliche Sammler innerhalb einer üblichen Schwankungsbreite bleiben und daher unwesentlich sein (vgl. OVG Münster, Urteil vom 21. September 2015 - 20 A 2120/14 -, juris Rn. 191). Dagegen kann jedenfalls bei einer Reduzierung der zu erwartenden Papiermenge von 20 % von einer Beeinträchtigung der Kalkulationsgrundlage für den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger ausgegangen werden (VGH München, Beschluss vom 29. März 2012 - 20 ZB 11.2834 -, juris, Rn. 6). Die vom Bundesverwaltungsgericht angenommene Schwelle von max. 15 % kann daher auch auf die Fraktion Altpapier angewandt werden.

Da durch die angezeigte Sammlung der Klägerin im Zusammenwirken mit anderen Sammlungen die dargestellte Irrelevanzschwelle überschritten wird, verbleibt es bei der Regelvermutung des § 17 Abs. 3 S. 3 Nr. 1 KrWG. Eine ergänzende einzelfallbezogene Prüfung dahingehend, ob die Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers tatsächlich gefährdet ist, findet nicht statt. Dies wäre mit dem Anliegen des Gesetzes - auch bei unionsrechtskonformer Auslegung - nicht zu vereinbaren (BVerwG, a.a.O., Rn. 60). Eine außergewöhnliche Konstellation, nach der die Irrelevanzschwelle hier zu modifizieren wäre, ist nicht ersichtlich.

Die Annahme einer wesentlichen Beeinträchtigung der Planungssicherheit und Organisationsverantwortung des öffentlichen-rechtlichen Entsorgungsträgers scheidet auch nicht nach § 17 Abs. 3 S. 4 KrWG aus, weil die von der Klägerin angebotene Sammlung der Abfälle wesentlich leistungsfähiger wäre als die von dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger oder dem von ihm beauftragten Dritten bereits angebotene oder konkret geplante Leistung. Eine wesentlich höhere Leistungsfähigkeit der Klägerin ist nicht dargetan.

Nach § 17 Abs. 3 S. 5 KrWG sind bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit sowohl die in Bezug auf die Ziele der Kreislaufwirtschaft zu beurteilenden Kriterien der Qualität und Effizienz, des Umfangs und der Dauer der Erfassung und Verwertung der Abfälle, als auch die aus Sicht aller privaten Haushalte im Gebiet des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers zu beurteilende gemeinwohlorientierte Servicegerechtigkeit der Leistung zu berücksichtigen. Gefordert ist eine wertende Gesamtbetrachtung in Bezug auf sämtliche Kriterien (Karpenstein/Dingemann, in: Jarass/Petersen, KrWG, § 17 Rn. 197).

Eine wesentlich höhere Leistungsfähigkeit, für die die Klägerin darlegungspflichtig wäre, ist nicht ersichtlich. Die Klägerin erfasst zwar, anders als der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger, Pappen und Kartonagen einerseits und so genannte Deinkingware (sortiertes grafisches Papier, im Wesentlichen Zeitungen und Illustrierte) andererseits separat. Dadurch ist es nicht erforderlich, gemischte Papierabfälle zu sortieren. Zudem sind die erfassten Mengen wirtschaftlich hochwertiger, der Verwertungsprozess kann möglicherweise umweltgerechter durchgeführt werden, als die Verwertung der vom Beigeladenen gesammelten gemischten Papierabfälle. Dies könnte auch einen Vorteil unter dem Gesichtspunkt der Effizienz bedeuten.

Dies allein führt aber noch nicht dazu, dass die Sammlung der Klägerin als leistungsfähiger i.S.v. § 17 Abs. 3 S. 4 und 5 KrWG anzusehen ist. Sie beschränkt sich auf die Anlieferung an die beiden Recyclinghöfe und die Abholung bei bestimmten Einrichtungen mit hohem Papieraufkommen. Daneben wird monatlich in drei Städten sortiertes Papier abgeholt. Der vom Beigeladenen beauftragte Dritte holt dagegen monatlich bei jedem Haushalt im Kreisgebiet, der dies wünscht, den Papierabfall ab. Dieser kann während der Zwischenzeit in der blauen Tonne gelagert werden. Für andere Haushaltungen stehen Container zur Verfügung. Die Klägerin erfüllt damit das gesetzliche Merkmal der gemeinwohlorientierten Servicegerechtigkeit aus Sicht aller privaten Haushalte im Sinne von § 17 Absatz 3 S. 5 KrWG, mit dem eine „Rosinenpickerei“ verhindert werden soll (vgl. Karpenstein/Dingemann, in: Jarass/Petersen, KrWG, § 17 Rn. 195), deutlich schlechter als der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger mit seiner umfassenden und flächendeckenden Sammlung. Damit ist die Sammlung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers auch in ihrem Umfang leistungsfähiger.

Aber selbst wenn die Leistungsfähigkeit der angezeigten Sammlung der Klägerin der öffentlich-rechtlichen Sammlung vergleichbar wäre, läge danach ein „wesentlicher“ Leistungsvorsprung jedenfalls nicht vor.

Schließlich hat der Beklagte das ihm nach § 18 Abs. 5 S. 1 KrWG zustehende Ermessen fehlerfrei ausgeübt.

Nach § 18 Abs. 7 KrWG ist bei Anordnungen nach Abs. 5 der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, insbesondere ein schutzwürdiges Vertrauen des Trägers der Sammlung auf ihre weitere Durchführung, zu beachten, soweit die zum 1. Juni 2012 durchgeführte gewerbliche Sammlung die Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers bzw. des von diesem beauftragten Dritten bislang nicht gefährdet hat. Der Beklagte hat berücksichtigt, dass die Klägerin schon seit über 20 Jahren Altpapier im Kreisgebiet sammelt, ohne dass dies Auswirkungen auf die Funktionsfähigkeit der Sammlung durch den Landkreis gehabt hätte. Da die Fortführung der Sammlung aber gegen die Überlassungspflicht nach § 17 Abs. 1 Satz ein KrWG verstößt, ist es nicht zu beanstanden, dass der Beklagte eine zeitliche Befristung verfügt hat, um langfristig einen rechtmäßigen Zustand herbeizuführen. Die Befristung ist mit 5 Jahren auch angemessen, um der Klägerin eine Umstellung ihres Gewerbebetriebs zu ermöglichen. Dabei hat der Beklagte zutreffend berücksichtigt, dass die Klägerin sich wirtschaftlich auch auf andere Weise betätigt und weiter betätigen kann. Dazu gehört, dass sie weiterhin Abfälle - allerdings mit Ausnahme von Altpapier - sammeln kann.

Der Beklagte war bei der Ausübung seines Ermessens unter Berücksichtigung von § 18 Abs. 7 KrWG auch nicht verpflichtet, die Anzeige der Klägerin als „Bestandssammlerin“ aus Gründen des Bestandsschutzes im Hinblick auf die Irrelevanzschwelle unabhängig von den sonstigen angezeigten Sammlungen zu bewerten bzw. alle „Bestandssammler“ bevorzugt zu behandeln. Die angezeigte Menge der Klägerin würde zwar, wie auch die Menge aller zum 1. Juni 2012 tätigen gewerblichen Altpapiersammler, für sich genommen unter der Schwelle von 10 bis 15 % liegen. Eine derartige Privilegierung sieht das Gesetz aber nicht vor. Grundsätzlich sind alle infolge des Inkrafttretens des Kreislaufwirtschaftsgesetzes zum 1. Juni 2012 erforderlichen Anzeigen gleich zu behandeln. Auf eine eventuelle zeitliche Reihenfolge kommt es nicht an (BVerwG, a.a.O., Rn. 57). Die vorgesehene Verhältnismäßigkeitsprüfung verweist in den Einzelfall. Diese Bewertung des Einzelfalls hat der Beklagte hier beanstandungsfrei vorgenommen und mit einem das Gebot der Verhältnismäßigkeit beachtende Ergebnis abgeschlossen.

Der Beklagte musste schließlich bei seiner Ermessensentscheidung auch keine irgendwie geartete Aufteilung der Menge von Altpapier unter den gewerblichen Sammlern vornehmen, die unterhalb der Irrelevanzschwelle liegt. Zwar würde in dieser Höhe die gesetzliche Vermutung nach § 17 Abs. 3 S. 3 Nr. 1 KrWG widerlegt sein, so dass ein Marktzutritt mehrerer Bewerber bei dieser Größenordnung in ihrer Gesamtheit die Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers also mutmaßlich nicht gefährden würde. Darauf kommt es aber nicht an. § 17 KrWG sieht eine solche Aufteilung von „Restmengen“ nicht vor, sondern enthält die widerlegbare Vermutung, dass ein Marktzutritt gewerblicher Anbieter bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 17 Abs. 3 S. 3 Nr. 1 KrWG zu einer Gefährdung im Sinne von § 17 Abs. 3 S. 1 KrWG führt. Ist dies im Zusammenwirken mit anderen Sammlungen wegen Überschreitens der Irrelevanzschwelle anzunehmen, ist jeglicher Marktzugang für gewerbliche Sammler nach der Systematik des Gesetzes ausgeschlossen. Im Übrigen dürfte es nicht Aufgabe der zuständigen Behörde sein, den Umfang der angezeigten Sammlung auf das gerade noch verträgliche Maß zu beschränken. Dies wäre Sache des gewerblichen Sammlers, der zu entscheiden hat, welche Sammlung er durchführen will und ob sich diese betriebswirtschaftlich für ihn rechnet (OVG Münster, Urteil vom 21. September 2015 - 20 A 2120/14 -, juris, Rn. 211).

Nicht zu beanstanden ist schließlich die Begrenzung der Sammelmenge auf 180 t pro Jahr. Diese entspricht der Anzeige der Klägerin. Anlass, eine höhere Menge einzuräumen, hatte der Beklagte nicht. Mit der Anzeige hat die Klägerin die beanspruchte Sammelmenge bestimmt (vgl. OVG Münster, a.a.O.).

Die Klage ist daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Kosten des Beigeladenen waren nicht für erstattungsfähig zu erklären, da er keinen Antrag gestellt und sich damit keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat (§ 162 Abs. 3 VwGO). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz.