Gericht | OLG Brandenburg 5. Senat für Familiensachen | Entscheidungsdatum | 26.04.2012 | |
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Aktenzeichen | 3 WF 35/12 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Der angefochtene Beschluss wird abgeändert.
Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens werden den Antragstellerinnen zu 21 % und dem Antragsgegner zu 79 % auferlegt.
Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Antragstellerinnen 42 %, der Antragsgegner 58 % zu tragen.
Der Beschwerdewert wird auf zwischen 901 und 1.200 € festgesetzt.
I.
Mit Antragschrift vom 30.5.2011 haben die minderjährigen Antragsteller beantragt, ihren Vater, den Antragsgegner, zur Zahlung monatlichen Unterhalts von jeweils 120 % des Mindestunterhalts ab Juni 2011 sowie zur Zahlung rückständigen Unterhalts, ferner zur Zahlung eines Sonderbedarfs von 496,13 €, zu verpflichten. Mit der Antragserwiderung vom 22.6.2011 hat der Antragsgegner Urkunden des Jugendamtes des Landkreises … vom 16.6.2011 vorgelegt, nach denen er sich verpflichtet hat, für jede der Antragstellerinnen ab Mai 2011 monatlichen Unterhalt in Höhe von 120 % des Mindestunterhalts zu zahlen. Im Hinblick darauf haben die Antragstellerinnen mit Schriftsatzes des am 10.8.2011 das Verfahren teilweise für erledigt erklärt. Mit Schriftsatz vom 20.12.2011 haben die Antragstellerinnen erklärt, man habe sich abschließend verglichen, weshalb das Verfahren in der Hauptsache insgesamt für erledigt erklärt werde. Der Antragsgegner hat sich der Erledigungserklärung unter dem 19.1.2012 angeschlossen.
Durch den angefochtenen Beschluss vom 15.2.2012 hat das Amtsgericht die Kosten des Verfahrens gegeneinander aufgehoben. In seiner Begründung hat es auf die Vorschriften der §§ 112, 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 91 a ZPO Bezug genommen und die Kostenaufhebung damit begründet, dass sich der Antragsgegner vor Zustellung des Antrags hinsichtlich des laufenden Kindesunterhalts durch Jugendamtsurkunde verpflichtet habe und im Übrigen ein gegenseitiges Nachgeben der Beteiligten zur Beendigung des Verfahrens geführt habe.
Gegen diese Entscheidung wenden sich die Antragstellerinnen mit der sofortigen Beschwerde.
II.
A.
Die Beschwerde ist zulässig.
In Ehesachen und Familienstreitsachen bestimmt sich die Anfechtbarkeit einer isolierten Kostenentscheidung nach den Vorschriften der ZPO, § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG. Grundsätzlich ist die isolierte Kostenentscheidung danach unanfechtbar, § 99 Abs. 1 ZPO. Anders verhält es sich bei der Antragsrücknahme, § 269 Abs. 5 ZPO, der Erledigung der Hauptsache durch eine aufgrund eines Anerkenntnisses ausgesprochene Verpflichtung, § 99 Abs. 2 ZPO, oder im Falle übereinstimmender Erledigungserklärungen, § 91 a Abs. 2 ZPO. In diesen Fällen ist die sofortige Beschwerde nach §§ 567 ff. ZPO gegeben (BGH, NJW 2011, 3654 Tz. 13 ff.; Schael, FPR 2009, 11, 13; Hahne/Munzig/Gutjahr, BeckOK FamFG, 4. Edition, § 58 Rn. 61). Insofern ist die Rechtsmittelbelehrung des Amtsgerichts, wonach die Beschwerde gemäß § 58 FamFG stattfindet, unzutreffend. Im Hinblick auf die Anwendbarkeit der §§ 567 ff. ZPO ist eine Beschwerdefrist von zwei Wochen, beginnend mit der Zustellung der Entscheidung, zu beachten, § 569 Abs. 1 Satz 1, 2 ZPO. Vorliegend ist die Entscheidung nicht förmlich zugestellt worden. Die Beschwerdefrist ist mithin nicht in Lauf gesetzt worden (vgl. BGH, NJW-RR 2011, 1011 Tz. 12; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, # 31. Auflage, § 569 Rn. 4 #).
B.
Das Rechtsmittel führt zur Abänderung der vom Amtsgericht getroffenen Kostenentscheidung.
1.
Das Amtsgericht hat seine Kostenentscheidung zu Unrecht auf § 91 a ZPO gestützt. Denn in Unterhaltssachen im Sinne der §§ 112 Nr. 1, 231 Abs. 1 FamFG ersetzt die Kostenvorschrift des § 243 FamFG als lex specialis die Vorschriften über die Verteilung der Kosten nach der ZPO (BGH, NJW 2011, 3654 Tz. 23; Verfahrenshandbuch Familiensachen – FamVerf-/Gutjahr, 2. Auflage, § 1 Rn. 404).
Gemäß § 243 Satz 1 FamFG entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen über die Verteilung der Kosten des Verfahrens auf die Beteiligten. Dabei können alle Umstände des Einzelfalles Berücksichtigung finden. In § 243 Satz 2 Nr. 1 bis 4 FamFG sind Kriterien aufgeführt, die insbesondere zu berücksichtigen sind (FamVerf/Gutjahr, a.a.O.). Da das Amtsgericht eine solche Einzelfallabwägung ersichtlich nicht vorgenommen hat, bedarf es keiner Entscheidung darüber, ob das Beschwerdegericht bei Ermessensentscheidungen, insbesondere in Kostensachen, sein eigenes Ermessen anstelle des erstinstanzlichen Gerichts auszuüben hat (vgl. hierzu Hahne/Munzig/Gutjahr, a.a.O., § 69 Rn. 31). Vielmehr muss der Senat hier die bislang unterbliebene Ermessensentscheidung treffen.
a)
Die in § 243 Satz 2 Nrn. 2, 3 FamFG genannten Kriterien sind vorliegend offensichtlich nicht einschlägig.
b)
Die Vorschrift des § 243 Satz 2 Nr. 4 FamFG führt nicht zu einer für den Antragsgegner günstigen Kostenentscheidung. Nach dieser Bestimmung ist ein sofortiges Anerkenntnis nach § 93 ZPO zu berücksichtigen. Hierfür wäre entsprechend § 93 ZPO kumulativ neben einem sofortigen Anerkenntnis erforderlich, dass der Antragsgegner nicht durch sein Verhalten zur Einreichung des Antrags Veranlassung gegeben hat (FamVerf/Gutjahr, § 1 Rn. 410). Das kann vorliegend nicht angenommen werden.
Der Antragsgegner hat mit der Antragserwiderung vom 22.6.2011 eine ausdrückliche Anerkenntniserklärung nicht abgegeben. Selbst wenn man in der Vorlage der Jugendamtsurkunden vom 16.6.2011 ein (sofortiges) (Teil-) Anerkenntnis für die Zeit ab Mai 2011 sehen wollte, führte dies nicht zu einer für den Antragsgegner günstigen Kostenentscheidung. Denn er hat zur Antragseinreichung Veranlassung gegeben. Er ist nämlich durch Anwaltschreiben vom 14.1.2011 unstreitig zur erhöhten Unterhaltszahlung aufgefordert worden, hat hierauf aber erst im gerichtlichen Verfahren reagiert.
c)
Da weitere Billigkeitsgesichtspunkte nicht ersichtlich sind, ist hier die Kostenentscheidung nach dem Verhältnis von voraussichtlichem Obsiegen und Unterliegen der Beteiligten zu treffen, § 243 Satz 2 Nr. 1 FamFG.
Da eine Hauptsacheentscheidung nicht ergangen ist, kann nicht ein tatsächliches Obsiegen und Unterliegen Maßstab für die Kostenentscheidung sein. Vielmehr ist die Rechtslage unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes summarisch zu prüfen (vgl. FamVerf/Schael, § 1 Rn. 291). Dies führt hier zu einer Kostenquotelung. Dabei ist das teilweise Obsiegen und Unterliegen der Beteiligten nicht allein auf der Grundlage der geschuldeten Unterhaltsrenten, die innerhalb des für die Verfahrenswertfestsetzung nach § 51 Abs. 1, 2 FamGKG maßgeblichen Zeitraums begehrt werden, zu bestimmen. Vielmehr ist eine wirtschaftliche Betrachtungsweise angebracht, wobei einen Anhaltspunkt für den wirtschaftlichen Wert der 3 ½ fache Jahreswert, 42 Monate, nach § 9 ZPO gibt (OLG Brandenburg, 2. Senat für Familiensachen, FamRZ 2007, 67, 68 sowie Beschlüsse vom 20.12.2011 – 10 UF 133/11 und vom 10.1.2012 – 10 UF 257/10; FamVerf/Gutjahr, § 1 Rn. 405). Insoweit ist nach Zeitabschnitten zu differenzieren.
aa)
Soweit es den Unterhalt für die Zeit von Februar bis Dezember 2010 betrifft, ist nach dem Vorbringen in der Antragschrift, wonach zunächst ein Wechselmodell praktiziert worden sei und die Kinder spätestens seit Januar 2011 im Haushalt der Mutter lebten, von einem Wechselmodell, also einer wechselnden Betreuung der Antragstellerinnen durch die Mutter und den Antragsgegner, den Vater, auszugehen. Der Vortrag der Antragstellerin lässt allerdings nicht erkennen, ob von nahezu gleichwertigen Betreuungsanteilen beider Elternteile auszugehen ist.
Betreuen die Eltern trotz der Trennung das Kind gemeinsam, kommt es hinsichtlich der Unterhaltsverpflichtung darauf an, bei wem der Schwerpunkt der tatsächlichen Fürsorge und Erziehung liegt. Dieser Elternteil kann für sich die Vorschrift des § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB in Anspruch nehmen, wonach der Elternteil, der das minderjährige Kind betreut, seine Unterhaltsverpflichtung in der Regel durch die Pflege und Erziehung des Kindes erfüllt (vgl. BGH, FamRZ 2006, 1015; OLG Brandenburg, 4. Senat für Familiensachen, Urteil vom 28.12.2011 – 13 UF 4/08, BeckRS 2012, 01660). Nimmt hingegen jeder Elternteil die Hälfte der Versorgungs- und Erziehungsaufgaben wahr, so hat das Kind gegen jeden Elternteil einen Barunterhaltsanspruch für die Zeit, in der es von dem anderen Elternteil betreut wird. Wenn beide Elternteile über Einkommen verfügen und zumindest teilweise leistungsfähig sind, ist der Unterhaltsbedarf des Kindes – wie bei einem Volljährigen, der noch im Haushalt eines Elternteils lebt – nach den beiderseitigen zusammengerechneten Einkünften auszurichten und nach Quoten auf beide Eltern zu verteilen (vgl. näher OLG Brandenburg, 2. Senat für Familiensachen, Beschluss vom 10.1.2012 – 10 UF 257/10).
Welche der beiden genannten Fallkonstellationen im vorliegenden Fall gegeben war, lässt sich dem Vortrag nicht entnehmen. Daher kann nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass der Antragsgegner, wie in der Antragschrift geltend gemacht, für diesen Zeitraum allein barunterhaltspflichtig war. Andererseits lässt sich dies auch nicht ausschließen. Nach übereinstimmender Erledigungserklärung ist eine Sachaufklärung insoweit nicht angezeigt. Andererseits kann den Antragstellerinnen der nicht hinreichend substanziierte Sachvortrag nicht allein zur Last gelegt werden. Denn das Amtsgericht wäre nach §§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 139 ZPO gehalten gewesen, einen rechtlichen Hinweis zu erteilen, welcher den Antragstellerinnen ermöglicht hätte, ihren Sachvortrag zu ergänzen. Vor diesem Hintergrund ist es unter Billigkeitsgesichtspunkten gerechtfertigt, hinsichtlich des Zeitraums von Februar bis Dezember 2010 von einem hälftigen Unterliegen beider Seiten auszugehen.
bb)
Für die Zeit ab Januar 2011, als die Antragstellerinnen allein von der Mutter betreut wurden, ist anzunehmen, dass der von den Antragstellerinnen geltend gemachte Unterhalt vom Antragsgegner tatsächlich geschuldet wurde. Dafür spricht, dass er sich zunächst durch Jugendamtsurkunden für die Zeit ab Mai 2011 entsprechend verpflichtet hat und hinsichtlich des vorangegangenen Zeitraums nach dem unwidersprochen gebliebenen Vorbringen der Antragstellerinnen mit Schriftsatz vom 20.12.2011 anderweitige Kompensationsleistungen erbracht hat, die dem verlangten Unterhalt entsprechen. Für die Zeit ab Januar 2011 ist somit von einem vollständigen Unterliegen des Antragsgegners auszugehen. Dies ist mit Rücksicht auf die gebotene wirtschaftliche Betrachtungsweise nicht nur für die Zeit des Rückstands im Sinne von § 51 Abs. 2 FamGKG, von Januar bis Mai 2011 anzunehmen, sondern beginnend mit Juni 2011 für weitere 42 Monate.
cc)
Soweit es den geltend gemachten Sonderbedarf von 496,13 € betrifft, ist wiederum von einem hälftigen Unterliegen beider Seiten auszugehen.
Es ist rechtlich nicht unproblematisch, ob es sich bei den geltend gemachten Positionen tatsächlich um Sonderbedarf und nicht etwa um einen familienrechtlichen Ausgleichsanspruch der Mutter (vgl. hierzu Wendl/Dose/Scholz, Das Unterhaltsrecht in der familiengerichtlichen Praxis, 8. Auflage, § 2 Rn. 767 ff.) handelt. Insoweit wären unter Umständen richterliche Hinweise und gegebenenfalls ergänzender Sachvortrag erforderlich gewesen. Da eine weitere Sachaufklärung nun nicht mehr angezeigt ist, entspricht es der Billigkeit, hinsichtlich dieser Position ein hälftiges Unterliegen beider Seiten anzunehmen.
dd)
Die soeben genannten Überlegungen führen zu einem Unterliegen des Antragsgegners wie folgt:
Februar bis Dezember 2010 | |||
(184 x 11 Monate x 2 Kinder) : 2 = | 2.024 € | ||
Januar bis Mai 2011 | |||
(55 € + 48 €) x 3 Monate + (73 € + 64 €) x 2 Monate = | 583 € | ||
ab Juni 2011 für 42 Monate | |||
(73 € + 64 €) x 42 Monate = | 5.754 € | ||
Sonderbedarf | |||
496,13 € : 2 = | 248 € | ||
8.609 € | . |
Für die genannten Zeiträume insgesamt verlangt waren 10.881 € (= 2.024 € x 2 + 583 € + 5.754 € + 496 €). Der Antragsgegner ist folglich mit 79 % (= 8.609 € : 10.881 €) unterlegen. Die Unterliegungsquote der Antragstellerinnen beträgt demnach 21 %.
2.
Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht ebenfalls auf § 243 FamFG. Dabei ist das Unterliegen der Antragstellerinnen zu berücksichtigen, das sich daraus ergibt, dass der Antragsgegner die erstinstanzlichen Verfahrenskosten nicht allein zu tragen hat, sondern die Antragstellerinnen mit einem Anteil von 21 % beteiligt sind.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.