Gericht | OLG Brandenburg 13. Zivilsenat | Entscheidungsdatum | 23.02.2011 | |
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Aktenzeichen | 13 U 128/08 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 10. September 2008 - Az.: 3 O 50/05 - wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn die Beklagte vor der Vollstreckung nicht Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
I.
Die Klägerin nimmt die Beklagte, die in Deutschland das Schmerzmittel V… vertrieb, das sie im September 2004 nach dem Bekanntwerden möglicher erheblicher Gesundheitsrisiken freiwillig vom Markt nahm, unter dem Gesichtspunkt der Arzneimittelhaftung auf Ersatz materiellen und immateriellen Schadens in Anspruch. Sie macht geltend, infolge ihrer Einnahme des Medikaments V… am 26. Februar 2004 einen Herzinfarkt erlitten zu haben. Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird auf das erstinstanzliche Urteil Bezug genommen, § 540 Abs. 1 Ziffer 1 ZPO.
Das Landgericht Cottbus hat die Klage nach Beweisaufnahme, insbesondere Einholung eines kardiologischen Sachverständigengutachtens sowie der mündlichen Anhörung des Sachverständigen, mit Urteil vom 10. September 2008 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Klägerin zwar durch die von ihr benannten und vom Landgericht vernommenen Zeugen nachgewiesen habe, dass sie das Medikament V… in dem von ihr behaupteten Umfang zu sich genommen habe, aber nicht habe beweisen können, dass V… nach den Gegebenheiten des Einzelfalls geeignet sei, bei bestimmungsgemäßem Gebrauch den von ihr erlittenen Schaden zu verursachen. Vielmehr sei Ursache des Herzinfarkts bei der Klägerin mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Gefäßerkrankung gewesen. Davon zu unterscheiden sei der Anlass des Herzinfarkt, der in der Regel ein aufgebrochener arteriosklerotischer Plaque sei. V… könne bei der Herausbildung des Herzinfarkts als ein additiver Faktor angesehen werden. Allerdings sei der Gebrauch von V… zumindest ab Oktober 2002 wegen der Leberwerte der Klägerin kontraindiziert gewesen. Die Einnahme sei daher ab dem vorgenannten Zeitpunkt nicht mehr bestimmungsgemäß gewesen. Aber auch wenn die Kausalitätsvermutung nach § 84 Abs. 2 Satz 1 Arzneimittelgesetz (AMG) zugrunde gelegt werde, so habe sich die Beklagte entlasten können, denn nach der durchgeführten Beweisaufnahme stehe zur Überzeugung der Kammer fest, dass bei der Klägerin umfangreiche Vorerkrankungen vorgelegen hätten, die den Herzinfarkt verursacht haben könnten. Das Risiko der Klägerin, einen Herzinfarkt zu erleiden, sei aufgrund ihrer unzureichend behandelten Erkrankungen um ein 41faches höher als bei einem gesunden Patienten im gleichen Alter. Im Übrigen treffe die Klägerin nach § 254 BGB ein ganz überwiegendes Mitverschulden an dem erlittenen Herzinfarkt, denn sie habe das Medikament nicht über einen längeren Zeitpunkt als drei Monate nehmen dürfen, was ihr als Medizinerin hätte bekannt sein müssen.
Ergänzend wird auf die Gründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die ihre Ansprüche vollumfänglich weiterverfolgt. Sie rügt die Verletzung materiellen Rechts sowie des Anspruchs auf rechtliches Gehör. Das Urteil basiere auf den widersprüchlichen Angaben des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung. Das Gericht habe diese Widersprüche nicht aufgeklärt und nicht berücksichtigt, dass auch nach den Angaben des Sachverständigen ein Drittel der Verursachung des Herzinfarkts dem Medikament V… zuzuschreiben gewesen sei.
Die Klägerin beantragt daher,
1. die Beklagte zu verurteilen, einen ins Ermessen des Gerichts gestellten Schmerzensgeldbetrag, mindestens aber die Summe von 150.000,- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27. Februar 2004 zu zahlen,
2. die Beklagte zu verurteilen, an sie eine monatliche Geldrente, deren Höhe in das Ermessen des Gerichtes gestellt wird, mindestens jedoch 1.000,- €, beginnend ab dem 1. Februar 2005 und dann jeweils vierteljährlich im Voraus zum 1. Januar, 1. April, 1. Juli und zum 1. Oktober eines jeden Jahres zu zahlen,
3. die Beklagte zu verurteilen, an sie die rückständige monatliche Geldrente für den Zeitraum vom 27. Februar 2004 bis 31. Januar 2005, deren Höhe in das Ermessen des Gerichtes gestellt wird, mindestens jedoch 1.000,- € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem jeweils 2. Werktag des Monats zu zahlen,
4. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr sämtliche weitere materielle und immaterielle - über die Anträge zu Ziffer 2. und 3. hinausgehenden - Schäden aus der Einnahme des Medikaments V… zu ersetzen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.
Wegen des weitergehenden Parteivortrags im Berufungsverfahren wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Das Verfahren war nach § 240 ZPO unterbrochen worden, da durch Beschluss des Amtsgerichts Cottbus vom 20. Mai 2009 - Az.: 64 IK 132/09 - das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Klägerin eröffnet worden war. Der Insolvenzverwalter hat die streitgegenständliche Forderung mit Schreiben vom 3. Juni 2010 aus dem Insolvenzbeschlag an die Klägerin freigegeben mit der Möglichkeit, den Anspruch weiter zu verfolgen.
II.
1. Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 517, 519, 520 ZPO.
2. Die Klägerin war auch berechtigt das Verfahren fortzusetzen, nachdem es zunächst aufgrund des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen nach § 240 ZPO unterbrochen worden war. Nach § 85 InsO können Rechtsstreitigkeiten über das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen, die zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens für den Schuldner anhängig sind, in der Lage, in der sie sind, vom Insolvenzverwalter aufgenommen werden. Der Insolvenzverwalter hat die streitgegenständliche Forderung mit Schreiben vom 3. Juni 2010 aus dem Insolvenzbeschlag an die Klägerin freigegeben mit der Möglichkeit, den Anspruch weiter zu verfolgen. Die Klägerin konnte daher nach § 250 ZPO das unterbrochene Verfahren wieder aufnehmen.
3. Die Berufung ist aber nicht begründet. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld und Schadensersatz gemäß §§ 84, 87 AMG, 253 Abs. 2 BGB.
a. Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass auf den hier zu entscheidenden Fall das Arzneimittelgesetz in der durch das Gesetz zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften vom 19. Juli 2002 geltenden Fassung Anwendung findet. Gemäß Art. 229 § 8 Abs. 1 EGBGB sind die neuen Vorschriften anzuwenden, wenn das schädigende Ereignis nach dem 31. Juli 2002 eingetreten ist. Das schädigende Ereignis, auf das Absatz 1 der vorgenannten Vorschrift abstellt, ist die Vornahme der zum Schadensersatz verpflichtenden Handlung, nicht etwa der Eintritt des Schadens (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 70. Aufl., Art 229 § 8 EGBGB Rdnr. 2; Wagner, Das Zweite Schadensersatzrechtsänderungsgesetz, NJW 2002, 2049, 2064). Dieser Grundsatz kann im Rahmen der Gefährdungshaftung jedoch nur eingeschränkt gelten, weil die Haftung die Risiken aus dem Betrieb einer Gefahrenquelle abdecken soll. Vielmehr ist auf den Zeitpunkt der Rechtsgutsverletzung abzustellen (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Juli 2008 - IV ZR 287/07 – zur Entscheidung des KG vom 5. November 2007 - Az.: 10 U 262/06). Anderenfalls würde dem Geschädigten die Anwendung des § 84 AMG derart erschwert, dass § 84 AMG n.F. mit seinen Erleichterungen kaum zum Zuge käme (vgl. dazu Trimbach, Änderungen des Schadensersatzrechts, Neue Justiz 2002, 393 ff).
Die von dem Kläger behauptete Rechtsgutsverletzung (Herzinfarkt) ist am 24. Februar 2004 eingetreten, so dass das Arzneimittelgesetz in seiner nach dem 31. Juli 2002 geltenden Fassung Anwendung findet.
b. Unter Berücksichtigung der Voraussetzungen des § 84 Abs. 2 Satz 1 AMG steht der Klägerin der geltend gemachte Anspruch nicht zu. Denn auch entsprechend der nach der Neufassung des § 84 AMG geltenden gesetzlichen Kausalitätsvermutung (vgl. dazu Trimbach, a.a.O., S. 395), konnte die (Mit)Kausalität des Medikaments V… bei bestimmungsgemäßem Gebrauch am Myokardinfarkts der Klägerin nicht festgestellt werden.
aa. Nach § 84 Abs. 2 Satz 1 AMG besteht die Vermutung, dass der Schaden durch das Arzneimittel verursacht worden ist, wenn das angewendete Arzneimittel nach den Gegebenheiten des Einzelfalls geeignet ist, den Schaden zu verursachen. Die Eignung im Einzelfall beurteilt sich gemäß § 84 Abs. 2 Satz 2 AMG nach der Zusammensetzung und der Dosierung des angewendeten Arzneimittels, nach der Art und Dauer seiner bestimmungsgemäßen Anwendung, nach dem zeitlichen Schadensbild und dem gesundheitlichen Zustand des Geschädigten im Zeitpunkt der Anwendung sowie allen sonstigen Gegebenheiten, die im Einzelfall für oder gegen die Schadensverursachung sprechen (vgl. BGH Beschluss vom 1. Juli 2008 -Az.: VI ZR 287/07). Voraussetzung für den Eintritt der gesetzlichen Vermutung ist die Geeignetheit des Arzneimittels, den Schaden hervorzurufen. Eine bloße Vermutung im Sinne einer bloßen Hypothese reicht nicht aus (vgl. Rehmann, AMG, 3. Aufl., § 84 Rdnr. 8). Vielmehr muss die Eignung auf Grund der konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalls festgestellt werden. Die Vortragungs- und Beweislast trifft den Geschädigten. Ausreichend ist der Nachweis der Möglichkeit der Schadensverursachung durch das Arzneimittel, nicht erforderlich ist also ein Vollbeweis (vgl. Rehmann, a.a.O.). Denn an die Darlegungslast des Patienten dürfen, um ein weitgehendes Leerlaufen der Vorschrift zu vermeiden, keine überhöhten Anforderungen gestellt werden (vgl. BGH Beschluss vom 1. Juli 2008 - Az.: VI ZR 287/07 mit weiteren Nachweisen). Der Bundesgerichtshof hat die Anforderungen an die Darlegungslast des Patienten niedrig eingestuft, hat dann aber keine Einschränkung hinsichtlich der Beweislast getroffen. Denn die reduzierten Anforderungen an die Darlegungslast des Patienten führen nicht automatisch dazu, dass auch die Beweislast des Patienten entfällt. Vielmehr hat der Bundesgerichtshof in einer späteren Entscheidung vom 26. Januar 2010 (BGH AZ: VI ZR 72/09) ausgeführt: „Für die Anwendung der Grundsätze des Anscheinsbeweises reicht die geltend gemachte Erhöhung des Herzinfarktrisikos nicht aus.“.
bb. Das Landgericht hat unter Zugrundelegung dieser Grundsätze zutreffend festgestellt, dass das Arzneimittel V… geeignet ist, bei bestimmungsgemäßem Gebrauch schädliche Wirkungen zu haben, die über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen. Ebenfalls ist das Landgericht aufgrund der Vernehmung der Zeugen J… R…, dem Sohn der Klägerin, sowie ihrer Kollegin I… H… zu der Überzeugung gelangt, dass die Klägerin das Medikament V… in dem von ihr behaupteten Umfang – seit Oktober 2001 ca. drei bis vier Tabletten pro Woche und ab Januar 2003 täglich eine Tablette V… D… 25 und bei akuten Schmerzen, ca. zwei mal im Monat, zusätzlich V… D… 50 - zu sich genommen hat. Sie hat jedoch nicht beweisen können, dass das Medikament V… nach den Gegebenheiten des Einzelfalls bei bestimmungsgemäßem Gebrauch geeignet ist, den von der Klägerin erlittenen Schaden zu verursachen.
cc. Das Landgericht hat das Gutachten des Sachverständigen M… vom 17. September 2007 sowie seine Ausführungen in der mündlichen Verhandlung vom 16. Juli 2008 herangezogen und ist den dortigen Ausführungen zu Recht gefolgt. Der Sachverständige hat auf Seite 38 seines Gutachtens festgestellt, dass grundsätzlich alle COX-2-Hemmer, insbesondere wenn diese bei Patienten mit einem hohen kardiovaskulären Risiko ohne Acetylsäure verabreicht werden, geeignet seien, thrombotische kardiovaskuläre Ereignisse, wie beispielsweise einen Herzinfarkt oder Schlaganfall auszulösen. Der Myokardinfarkt der Klägerin vom 25./26. Februar 2004 sei mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht durch V…, sondern durch eine akute Koronarischämie auf dem Boden einer koronaren Zweigefäßerkrankung mit subtotaler Stenose, die durch zahlreiche kardiovaskuläre Risikofaktoren bei der Klägerin bedingt sei, eingetreten. In seinem Ergänzungsgutachten vom 5. Juni 2008 hat er weiter ausgeführt, dass es ein von medizinischen Laien und in der Presse häufig behaupteter Irrtum sei, das V… bei entsprechender Einnahme für die Entstehung einer koronaren Herzkrankheit verantwortlich zu machen sei. Das Medikament V… besitze kein atherogenes Potential, das heißt es sei nicht in der Lage, die bei der Klägerin beschriebene koronare Herzkrankheit hervorzurufen. Die koronare Herzkrankheit sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht durch die vorherige Einnahme von V… hervorgerufen oder beschleunigt worden. Von der Ursache unterscheidet der Sachverständige – zuletzt auch in der mündlichen Verhandlung vom 16. Juli 2008 - aber den Anlass des Myokardinfarkts. Anlass sei in der Regel ein aufgebrochener arteriosklerotischer Plaque. Dies führe zur Freisetzung von gerinnungswirksamen Substanzen und dies wiederum zu Mikrothrombosen, die Anlass des Herzinfarkts sein können. Zwar habe man bei der Klägerin keine Thromben in der Angiographie erkennen können, es könne bei besonders kleinen Thrombosen aber sein, dass sie nicht erkennbar seien oder in der Angiographie wegschwimmen. Es sei zutreffend, dass ein thrombotisches Ereignis notwendig sei, um sagen zu können, dass V… denkbar ursächlich geworden wäre. Er hat nochmals betont, dass V… nicht verantwortlich sei für die Bildung oder den Aufbruch eines arteriosklerotischen Plaques. V… habe lediglich die Wirkung, dass die Akutgerinnbarkeit des Blutes etwas heraufgesetzt werden könne. Der Sachverständige hat sodann in der mündlichen Verhandlung vom 16. Juli 2008 ausgeführt, dass die Auslösung des Herzinfarkts zu einem Drittel an der Koronarerkrankung selbst liege, zu einem Drittel an dem Umstand, dass ein Plaque aufgebrochen sei und zu einem weiteren Drittel an der Gerinnungsproblematik. Er hat seine Aussage dahingehend konkretisiert, dass, wenn er von einem Drittel-Risiko durch die Gerinnungsfaktoren gesprochen habe, er damit gemeint habe, dass für den Fall, dass V… sich negativ auch für die Gerinnungsfaktoren auswirke, dies maximal zu einem Drittel zur Auslösung des Infarkts geführt haben könne. Er hat sodann aber seine Angaben dahingehend eingeschränkt, dass bei der Klägerin durch die bei ihr vorliegenden Risikofaktoren ein erhebliches Risiko für einen Herzinfarkt bestanden habe und „als letztes i-Tüpfelchen dann doch V… sich in dieser Situation ungünstig ausgewirkt haben kann“. Allerdings könne man auch durch einen Versuch bei der Klägerin nicht nachweisen, dass gerade bei ihr V… sich ungünstig auswirken würde. Man gehe von der Auswirkung von V… aus, nicht weil es im Einzelfall beweisbar wäre, sondern aufgrund epidemiologischer Daten und Studien und Tierversuchen.
Das Landgericht ist den nachvollziehbaren und begründeten Ausführungen des Sachverständigen gefolgt. Es ist letztendlich zu dem Ergebnis gelangt, dass das Medikament V… hätte Mitauslöser eines akuten koronaren Ereignisses sein könne. Entgegen der Behauptung der Klägerin auf Seite 5 der Berufungsbegründung, ist das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung zugunsten der Klägerin davon ausgegangen, dass eine Mitverursachung durch V… im vorliegenden Fall vorliegen könnte.
dd. Das Landgericht hat jedoch den Anspruch der Klägerin zu Recht daran scheitern lassen, dass das Medikament V… bei bestimmungsgemäßem Gebrauch den von der Klägerin erlittenen Herzinfarkt nicht hätte verursachen können. Bereits in dem Gutachten vom 17. September 2007 hat der Sachverständige auf Seite 19 ausgeführt, dass bei der Klägerin eine schwere Adipositas, ein unzureichend behandelter arterieller Hypertonus und ein Diabetes mellitus Typ II als Risikofaktoren einer Herzinsuffizienz vorlagen. Die Einnahme von V… sei durch die mehrfach gestellte klinische Diagnose einer Herzinsuffizienz mit dem Schweregrad NYHA III bereits seit Oktober 2002 kontraindiziert gewesen. Auf Seite 41 letzter Absatz des Gutachtens führt der Sachverständige aus:
„Eine Einnahme des Medikaments durch die Klägerin war jedoch, auch schon mit der Verdachtsdiagnose „Herzinsuffizienz NYHA III“ ab Oktober 2002 kontraindiziert gewesen. Ein weiterer Grund zum Absetzen von V… bestand im Rahmen der letztlich ungeklärten Erhöhung der Leberwerte Alaninamionotransferase (ALT=GPT) und Aspartaminotransferase (AST=GOT). Die Häufigkeit dieser Leberenzymveränderungen wird in der Fachinformation mit „Häufig“ (>1/100 - <1/10) angegeben. … Die Anwendung von V… erfolgte daher nicht bestimmungsgemäß.“
Aufgrund der Herzinsuffizienz sowie der veränderten Leberwerte war die Einnahme des Medikaments V… spätestens ab Oktober 2002 nicht mehr bestimmungsgemäß. Die Klägerin hat weder erstinstanzlich hierzu erwidert noch in der Berufungsbegründung hierzu konkret vorgetragen. Der Nachweis der bestimmungsgemäßen Einnahme des Medikaments ist Voraussetzung für das Vorliegen des § 84 Abs. 2 AMG. Darlegungs- und beweisbelastet ist, wie bereits oben ausgeführt, die Klägerin. Der Bundesgerichtshof hat in den von der Klägerin zitierten Entscheidungen insoweit weder auf die diesbezügliche Darlegungs- und Beweislast des Patienten noch auf die Darlegung dieser in dem § 84 Abs. 2 AMG aufgeführten Voraussetzungen verzichtet.
c. Das landgerichtliche Urteil geht sodann auf die Voraussetzungen des § 84 Abs. 2 Satz 3 AMG ein. Falls die Kausalitätsvermutung unterstellt werde, so habe sich die Beklagte entlasten können. Auf diese Ausführungen kommt es letztendlich nicht an, denn die Klage war bereits abzuweisen, da die bestimmungsgemäße Einnahme des Medikaments V… nicht dargelegt wurde.
Allerdings hat das Landgericht bei seinen Ausführungen zu Recht auf das Gutachten abgestellt, in dem sehr anschaulich das Ausmaß der Erkrankungen der Klägerin dargestellt werden. Der Sachverständige schlussfolgert auf Seite 32 hinsichtlich des kardiovaskulären Risikos der Klägerin:
„Dass bei der Klägerin ca. 1 ½ Jahre nach der Koronarangiographie, trotz ärztlicher Aufforderung der Optimierung der kardiovaskulären Risikofaktoren (…) ein Herzinfarkt eingetreten ist, entspricht somit keinem Zufall, sondern war schlichtweg vorhersehbar gewesen.“
Daneben hat der Sachverständige weitere unzureichend behandelte Erkrankungen festgestellt, die geeignet seien, die bei der Klägerin diagnostizierte Herzerkrankung bzw. den Herzinfarkt zu verursachen. Es handele sich dabei neben dem mittleren bis schweren Nikotinabusus um einen arteriellen Hypertonus, eine schwere Adipositas, Hyperurikämie und eine Hyperlipoproteinämie. Es sei daher bei der Klägerin mit Hilfe der Daten der Procam-Studie ein kardiovaskuläres Risiko von 57,7 % im Vergleich zu einer gesunden, gleich alten Patientin von 1,4 % berechnet worden. Durch die weiteren unabhängigen Risikofaktoren einer CRP-Erhöhung und Hyperurikämie müsse bei der Klägerin von einem noch weiter erhöhten Risiko ausgegangen werden. Im Übrigen wird ergänzend auf die Ausführungen des landgerichtlichen Urteils verwiesen.
d. Soweit die Klägerin in der Berufungsbegründung ausführt, dass auf dem Merkzettel nicht vermerkt sei, dass das Medikament V… nur über einen gewissen Zeitraum eingenommen werden dürfe, kommt es darauf nicht an. Bereits in der angefochtenen Entscheidung ist nur hilfsweise auf ein Mitverschulden der Klägerin nach § 254 BGB abgestellt worden. Insbesondere hat die Klägerin auch in der Berufungsbegründung nicht darlegen können, weshalb sie als Fachärztin für Chirugie nicht die Kenntnisse einer Basismedizinerin hat. Denn nach den Angaben des Sachverständigen gehöre es zum Wissen eines jeden Mediziners, dass man Antirheumatika selbst bei schweren Erkrankungen nicht über einen Zeitraum von drei Monaten hinaus nehmen sollte. Dieses Wissen muss sich Klägerin bereits deshalb zurechnen lassen, weil sie V… über fast die gesamte Zeit hinweg als Ärztin sich selbst verschrieben hat.
4. Hinsichtlich der weiteren in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen ist auf die zutreffenden Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung zu verweisen.
5. Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
7. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
8. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Sache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.