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(Krankenversicherung der Rentner - Wohnsitz in der Schweiz - Zuschuss zur obligatorischen Krankenversicherung nach dem Schweizerischen Krankenversicherungsgesetz - Verpflichtung zum Nachweis eines Krankenversicherungsschutzes in der Schweiz - keine Pflichtversicherung iS von § 106 Abs 1 SGB 6)


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 4. Senat Entscheidungsdatum 09.06.2010
Aktenzeichen L 4 R 583/06 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 106 Abs 1 S 2 SGB 6, § 106 Abs 3 S 2 SGB 6, § 249a SGB 5, Art 10 EWGV 1408/71, Art 8 EGFreizügAbk CHE, Anh II Art 1 Abschn A EGFreizügAbk CHE

Leitsatz

Der deutsche Rentenversicherungsträger ist nach § 106 SGB VI verpflichtet, einem in der Schweiz lebenden Rentenempfänger einen Zuschuss zu den Aufwendungen seiner obligatorischen Krankenpflegeversicherung im Sinne von Art. 3 Bundesgesetz über die Krankenversicherung (KVG) zu zahlen.

Tenor

Das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 12. Dezember 2005 wird abgeändert.

Der Bescheid der Beklagten vom 9. April 2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Juli 2001 sowie der Bescheid vom 5. Mai 2009 werden aufgehoben. Der Bescheid vom 18. August 2006 wird abgeändert.

Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger ab dem 1. Januar 2006 einen Zuschuss zu den Aufwendungen für die Krankenversicherung unter Berücksichtigung der Kosten seiner obligatorischen Krankenpflegeversicherung bei der Hermes Krankenkasse / Groupe Mutuel zu gewähren.

Im Übrigen wird die Klage als unzulässig verworfen.

Die Beklagte hat dem Kläger seine außergerichtlichen Kosten für das gesamte Verfahren zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der 1938 geborene Kläger, welcher in der Schweiz lebt und seit dem 1. Januar 2001 eine Altersrente für langjährige Versicherte von der Beklagten bezieht, begehrt einen Zuschuss zu den Aufwendungen seiner Krankenversicherung.

Mit Schreiben vom 17. August 2000 beantragte er die Zahlung einer Rente sowie eines Zuschusses zu den Aufwendungen seiner Krankenversicherung. Dabei gab er an, im Jahr 2000 monatliche Beiträge in Höhe von 558,10 SFR für sich und in Höhe von 398,60 SFR für seine Ehefrau gezahlt zu haben. Dem beigefügt war eine Bescheinigung der Groupe Mutuel Versicherungen / Krankenkasse Hermes über monatliche Beiträge im Jahr 2000 in Höhe von 215,10 SFR für eine „Obligatorische Krankenpflegeversicherung“, 253,00 SFR für eine „Kombinierte Spitalversicherung“, 36,00 SFR für „Heilungskosten-Zusatzversicherung“ und 54,00 SFR für „Zahnbehandlung“.

Mit Bescheid vom 9. April 2001 lehnte die Beklagte ab, Zuschüsse nach § 106 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) für die Kranken- oder Pflegeversicherung zu erbringen. Der Kläger sei in der Schweiz obligatorisch krankenversichert.

Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 30. April 2001, per Fax am selben Tag bei der Beklagten eingegangen, Widerspruch. Er sei in einer privaten Versicherung krankenversichert. Es sei kaum denkbar, dass irgendwelche zwischenstaatlichen Verträge einen Rentner deshalb erheblich schlechter stellten, nur weil er seinen Wohnsitz in einem anderen europäischen Land habe.

Mit Schreiben vom 9. Mai 2001 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass der Bescheid vom 9. April 2001 nicht zu beanstanden sei. Er sei in der Schweiz obligatorisch krankenversichert. Dass die vom Krankenversicherungsobligatorium erfassten Personen die Möglichkeit hätten, unter den in Bezug auf das Obligatorium errichteten öffentlichen bzw. anerkannten privaten Krankenkassen auszuwählen, mache aus der Pflichtversicherung keine freiwillige Versicherung. Nach wie vor bestehe die gesetzliche Verpflichtung, einer öffentlichen oder anerkannten privaten Versicherung beizutreten. Daher biete die obligatorische Krankenversicherung des Klägers nicht die Grundlage für einen Beitragszuschuss zu den Aufwendungen für die Kranken bzw. Pflegeversicherung nach §§ 106, 106 a SGB VI.

Mit Schreiben vom 19. Mai 2001 teilte der Kläger mit, dass er den Ausführungen der Beklagten nicht folgen könne, da es in der Schweiz keine gesetzliche Krankenversicherungspflicht gebe. Es bestehe lediglich die Pflicht gegenüber seiner Wohnortgemeinde die Versicherung nachzuweisen. Die Beklagte bleibe die Antwort schuldig, wovon jemand, der eine Rente der Beklagten in der Schweiz beziehe, die Beiträge an die Krankenversicherung kompensieren solle.

Mit Widerspruchsbescheid vom 25. Juli 2001, dem Kläger am 6. August 2001 per Einschreiben übergeben, wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Der Kläger habe keinen Anspruch auf einen Zuschuss zu einer privaten Kranken- bzw. Pflegeversicherung. Nach § 106 SGB VI erhielten Rentenbezieher, die freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung oder bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen versichert seien, einen Zuschuss zu ihren Kosten der Krankenversicherung. Dieser Anspruch bestehe nicht, wenn derjenige gleichzeitig in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert sei. Die Zahlung eines Beitragszuschusses sei bei einem gewöhnlichen Aufenthalt des Rentenbeziehers in der Schweiz gemäß §§ 111 Abs. 2, 319 Abs. 1 SGB VI i. V. m. Nr. 9 j Abs. 3 des Schlussprotokolls zu dem Abkommen vom 25. Februar 1964 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der schweizerischen Eidgenossenschaft für soziale Sicherheit (DSSVA, BGBl. II 1965, 1293) in der Fassung der Zusatzabkommen vom 9. September 1975 (BGBl. II 1976, 1371) und vom 2. März 1989 (BGBl. II 1989, 890) nur möglich, wenn der Rentner allein eine deutsche Rente beziehe und im Hinblick auf den Berechtigten eine Rente oder erhöhte Rente auch nicht durch eine andere Person bezogen werde. Ferner dürfe der Rentner nicht nach schweizerischen Rechtsvorschriften verpflichtet sein, sich gegen Krankheit zu versichern, und nicht nach deutschen Rechtsvorschriften in der Krankenversicherung der Rentner versicherungspflichtig sein. In der Schweiz sei am 1. Januar 1996 das Bundesgesetz über die Krankenversicherung (KVG) vom 18. März 1994 in Kraft getreten. Als Folge hiervon seien seit dem 1. Januar 1996 alle Personen mit Wohnsitz in der Schweiz der Krankenversicherungspflicht nach dem KVG unterworfen. Dem Versicherungsausweis des Klägers könne entnommen werden, dass er in der Schweiz obligatorisch krankenversichert sei. Bei Vorliegen eines Krankenversicherungsobligatoriums sei durch Art. 14 DSSVA in der Fassung des 2. Zusatzabkommens i. V. m. Nr. 9 j des Schlussprotokolls zum Abkommen und Art. 4 a des Abkommens die Zahlung eines Beitragszuschusses ausgeschlossen. In diesen Fällen sei unmittelbar § 111 SGB VI anwendbar, wonach Rentenberechtigte mit gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland keinen Zuschuss zu den Aufwendungen für die Krankenversicherung erhalten.

Am 5. November 2001 hat der Kläger Klage erhoben. Er wiederholt und vertieft sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren. Er sei entgegen der Auffassung der Beklagten nicht in der Schweiz pflichtversichert, sondern müsse nur gegenüber seiner Wohngemeinde einen ausreichenden Versicherungsschutz nachweisen. Hierzu genüge jedoch auch eine in Deutschland abgeschlossene Versicherung. Wäre er nicht in der Schweiz versichert, stünde ihm als Bezieher einer Altersrente aus Deutschland ein Beitragszuschuss zu. Zudem habe ihm zwischenzeitig die Deutsche Verbindungsstelle Krankenversicherung Ausland (DVKA) mitgeteilt, dass er die Möglichkeit habe, sich in der Krankenversicherung der Rentner zu versichern.

Mit Einverständnis der Beteiligten hat das Sozialgericht ohne mündliche Verhandlung entschieden und mit Urteil vom 12. Dezember 2005 die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf einen Zuschuss zu den Kosten seiner bei der Groupe Mutuel obligatorisch abgeschlossenen Krankenversicherung. Zu Recht habe die Beklagte auf das seit dem 1. Januar 1996 in der Schweiz geltende Gesetz über die Krankenversicherung verwiesen, wonach alle Personen mit Wohnsitz in der Schweiz der Versicherungspflicht nach dem KVG unterworfen seien. Eine Ausnahme bestehe hiernach nur für Bundesbedienstete oder auf Gesuch für ehemalige Beamte und Beamte internationaler Organisationen. Nach Ziff. 9 j Abs. 3 des Schlussprotokolls zum DSSVA fänden die Rechtsvorschriften über die Krankenversicherung keine Anwendung, wenn die betreffende Person nach den schweizerischen Vorschriften verpflichtet sei, sich gegen Krankheit zu versichern. Diese Regelungen fänden Anwendung im Rahmen des Art. 14 des DSSVA. Selbst wenn die dort genannte Voraussetzung gegeben sei, dass der Kläger allein nach deutschem Recht eine Rente beziehe, stehe der Zahlung eines Zuschusses jedenfalls entgegen, dass der Kläger in der Schweiz krankenversicherungspflichtig sei. Ein anderes Ergebnis ergebe sich auch nicht aus dem Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Freizügigkeit vom 21. Juni 1999, welches am 1. Juni 2002 in Kraft getreten sei. Nach Art. 8 des Abkommens regeln die Vertragsparteien die Koordinierung des Systems der sozialen Sicherheit, um insbesondere die Gleichbehandlung zu gewährleisten und die anzuwendenden Rechtsvorschriften klarzustellen. In Anhang 2 Art. 3 Abschnitt A werde auf die Verordnung EWG Nr. 1408/71 Bezug genommen. Nach Art. 10 Abs. 1 der Verordnung EWG Nr. 1408/71 habe ein Rentner einen Anspruch auf einen Beitragszuschuss, soweit ansonsten §§ 111 Abs. 1, 112 SGB VI entgegenstünden. Nach § 106 SGB VI bestehe der Anspruch auf einen Beitragszuschuss jedoch auch für in Deutschland lebende Rentner ausschließlich im Falle einer freiwilligen Versicherung.

Am 18. April 2006 hat der Kläger Berufung gegen das ihm am 13. Februar 2006 zugestellte Urteil eingelegt. Er hat Bescheinigungen über die für die Krankenversicherung entrichteten Beiträge für die Jahre 2002 bis 2006 eingereicht und mitgeteilt, dass er die kombinierte Spitalversicherung und die Heilungskosten-Zusatzversicherung zum 31. Dezember 2005 gekündigt habe. Die Beklagte hat daraufhin unter Verweis auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urteil vom 6. Juli 2000, C-73/99, „Victor Movrin ./. Landesversicherungsanstalt Westfalen“) durch Bescheid vom 18. August 2006 ihm für Juni 2002 einen Zuschuss zur Krankenversicherung in Höhe von 95,63 EUR, für den Zeitraum vom 1. Juli 2002 bis zum 30. Juni 2003 in Höhe von monatlich 101,31 EUR, vom 1. Juli 2003 bis zum 30. Juni 2005 in Höhe von 104,56 EUR, vom 1. Juli bis zum 31. Dezember 2005 in Höhe von monatlich 97,25 EUR und ab dem 1. Januar 2006 in Höhe von 23,57 EUR monatlich bewilligt.

Später hat der Kläger mitgeteilt, dass er zum Ende des Jahres 2006 die Versicherung für die Zahnbehandlung gekündigt habe, und weitere Unterlagen über seine Krankenversicherung eingereicht. Daraufhin hat die Beklagte mit Bescheid vom 5. Mai 2009 nach Anhörung des Klägers dessen Rente mit Wirkung ab dem 1. Juni 2002 neu festgestellt. In Anlage 10 des Bescheides heißt es ferner, dass dem Kläger ab dem 1. Januar 2007 kein Zuschuss zu den Kosten der Krankenversicherung mehr zustehe, da er seit diesem Zeitpunkt keine zuschussfähige Krankenversicherung mehr unterhalten habe. Der Bescheid vom 18. August 2006 werde daher insoweit für die Zeit seit dem 1. Januar 2007 aufgehoben. Die Überzahlung für den Zeitraum vom 1. Januar 2007 bis zum 30. April 2009 in Höhe von 659,96 EUR werde zurückgefordert. Nach § 48 Abs. 1 S. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) sollten Bescheide ab dem Zeitpunkt der Veränderung – gegebenenfalls auch für die Vergangenheit - aufgehoben werden, wenn eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen eintrete, die beim Erlass eines Verwaltungsakt mit Dauerwirkung vorgelegen hatten.

Der Kläger hat das Verfahren hinsichtlich der Zuschüsse zur Krankenversicherung für den Zeitraum vor dem 1. Januar 2006 für erledigt erklärt. Entgegen der Auffassung der Beklagten habe er jedoch auch nach diesem Zeitpunkt einen Anspruch auf einen Zuschuss zu den Aufwendungen seiner Krankenversicherung. Zwar habe er seit Ende 2006 auch die Zusatzversicherung für die Zahnbehandlung gekündigt, nach wie vor unterhalte er jedoch die obligatorische Krankenpflegeversicherung. Für diese habe er 2007 355,90 SFr, 2008 356,10 SFr und 2009 358,30 SFr monatliche Beiträge gezahlt. Die obligatorische Krankenpflegeversicherung werde von privaten Versicherungsgesellschaften angeboten, die Beiträge differierten um bis zu 60 v. H. Im Übrigen stehe es ihm auch frei, sich bei einer Gesellschaft in der Schweiz oder der Bundesrepublik Deutschland freiwillig zu versichern, was dem Obligatorium genügen würde.

Der Kläger beantragt,

1. das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 12. Dezember 2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 9. April 2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Juli 2001, der Bescheide vom 18. August 2006 und vom 5. Mai 2009 aufzuheben, soweit darin die Gewährung eines Zuschusses zu den Kosten der obligatorischen Krankenversicherung bei der Hermes Krankenkasse / Groupe Mutuel ab dem 1. Januar 2006 abgelehnt bzw. aufgehoben und ein Betrag von 659,96 EUR zurückgefordert wurde,

2. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ab dem 1. Januar 2006 einen Zuschuss zu den Kosten seiner obligatorischen Krankenversicherung bei der Hermes Krankenkasse / Groupe Mutuel zu zahlen,

3. die Beklagte zu verurteilen, die rückständigen Beträge seit Fälligkeit banküblich zu verzinsen, da sie die Zahlung des Zuschusses jahrelang verweigert habe.

Die Beklagte beantragt (sinngemäß),

die Berufung zurückzuweisen bzw. die Klage abzuweisen.

Der Kläger zahle Beiträge zum Schweizerischen Krankenversicherungs-Obligatorium nach dem KVG. Für die Pflichtversicherung nach dem KVG bestehe auch nach Inkrafttreten des Freizügigkeitsabkommens ab dem 1. Juni 2002 kein Anspruch auf Beitragszuschuss nach § 106 SGB VI. Zwar könne aufgrund der Gebietsgleichstellung nach Art. 10 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 grundsätzlich ein Beitragszuschuss in die Schweiz gezahlt werden, nicht aber zu einer obligatorischen Krankenversicherung. Dieser fehle eindeutig die geforderte Freiwilligkeit im Sinne des § 106 SGB VI. Das schweizerische Recht kenne neben dem KVG durchaus versicherungsvertragliche Ausgestaltungen, denen die entsprechende Freiwilligkeit zugewiesen werden könne. Dies seien etwa die Zusatzversicherungen, welche über den zwingend vorgeschriebenen Schutz des KVG hinausgingen. Ebenso wenig komme in Betracht, einen Beitragszuschuss nach § 249 a des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V) zu zahlen. Schon rein von der Terminologie her befasse sich diese Regelung nicht mit der Gewährung eines „Zuschusses“, sondern mit der gesetzlichen Zuweisung, wer bei Versicherungspflichtigen mit Rentenbezug für die Tragung der Beiträge zuständig sei. Hiernach trügen Bezieher einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung und die Träger der Rentenversicherung die nach der Rente zu bemessenden Beiträge jeweils zur Hälfte. Voraussetzung hierfür sei jedoch, dass sich die Höhe der Pflichtbeiträge konkret an der Höhe der Rentenleistung orientiere. Pflichtbeiträge, welche völlig unabhängig von der Höhe der Rente gezahlt würden, fielen jedoch nicht unter § 249 a SGB V. Bei den Krankenversicherungsbeiträgen zum schweizerischen Krankenversicherungs-Obligatorium sei jedoch genau dies der Fall, die Beiträge würden unabhängig vom Einkommen und damit auch von der Rente erhoben.

Der Verwaltungsvorgang der Beklagten hat vorgelegen und ist Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf diesen sowie den Inhalt der Gerichtsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe

Der Senat durfte ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheiden, da sich der Kläger mit Schreiben vom 19. Februar und die Beklagte mit Schreiben vom 23. Februar 2010 hiermit einverstanden erklärt hatten.

Die Berufung ist statthaft und innerhalb der Frist des § 151 Abs. 1 SGG eingelegt worden. Lediglich hinsichtlich der erstmals im Berufungsverfahren geltend gemachten Zinsen ist die Klage unzulässig. Gegenstand des Berufungs- bzw. des Klageverfahrens ist nur noch der Anspruch des Klägers auf einen Zuschuss zur Krankenversicherung nach § 106 SGB VI ab dem 1. Januar 2006. Für den davor liegenden Zeitraum hat der Kläger das Verfahren für erledigt erklärt, nachdem die Beklagte ihm durch den Bescheid vom 18. August 2006 einen Zuschuss zu den Aufwendungen seiner Krankenversicherung bewilligt hat. Die während des gerichtlichen Verfahrens erlassenen Bescheide vom 18. August 2006 und vom 5. Mai 2009, durch welche die Rente neu berechnet bzw. festgestellt und jeweils ein Zuschuss zur Krankenversicherung nach § 106 SGB VI bewilligt, geändert bzw. aufgehoben worden ist, sind nach §§ 153 Abs. 1, 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden, da sie die ursprünglich angefochtenen Bescheide, durch welche die Zahlung eines Zuschusses zur Krankenversicherung abgelehnt wurde, abändern bzw. ersetzen. Durch den Bescheid vom 18. August 2006 ist die ablehnende Entscheidung teilweise abgeändert worden, da dem Kläger ein Zuschuss zu den Aufwendungen seiner Krankenversicherung in Höhe von 23,57 EUR bewilligt worden ist. Dieser entsprach jedoch nicht den vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen; allein die Hälfte der Aufwendungen für seine obligatorische Krankenpflegeversicherung hat im Zeitraum seit dem 1. Januar 2007 über 100,- EUR betragen. Diese Entscheidung ist wiederum durch den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 5. Mai 2009 abgeändert worden. Über diese Bescheide ist, da sie nach Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens erlassen worden sind, auf Klage zu entscheiden. Dem steht auch nicht entgegen, dass der Kläger im Schreiben vom 16. Mai 2009 mitgeteilt hat, dass er die „Rückzahlung von 659,96 EUR“ (für bereits geleistete Zuschüsse zu den Aufwendungen seiner Zahnbehandlungsversicherung) nicht bestreite. Denn in dem Schreiben hat er gleichzeitig mitgeteilt, dass er einen Zuschuss zu den Aufwendungen seiner obligatorischen Krankenpflegeversicherung begehre, welcher höher als der zunächst bewilligte und dann aufgehobene Zuschuss zu den Aufwendungen für die freiwillige Zahnbehandlungsversicherung ist. § 106 SGB VI kennt jedoch nur einen (einheitlichen) Zuschuss zu den Kosten der Krankenversicherung. Das Vorbringen des Klägers muss daher dahingehend ausgelegt werden, dass er sich auch gegen die Aufhebung und Rückerstattung des ihm bereits bewilligten Zuschusses in Höhe von 23,57 EUR für die Zeit vom 1. Januar 2007 bis zum 30. April 2009 wendet.

Die Berufung bzw. die Klage ist begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf einen Zuschuss zu den Aufwendungen seiner obligatorischen Krankenversicherung bei der Hermes Krankenkasse / Groupe Mutuel nach § 106 SGB VI ab dem 1. Januar 2006. Die Beklagte war nicht berechtigt, bei der Berechnung des Zuschusses nach § 106 Abs. 3 SGB VI ausschließlich die vom Kläger gezahlten Beiträge für die freiwillige Zusatzversicherung zu berücksichtigen, sondern musste (auch) die Beiträge für die obligatorische Krankenversicherung berücksichtigen. Die angefochtenen Bescheide sind insoweit aufzuheben und die Beklagte zur Gewährung eines höheren Beitragszuschusses zu verpflichten. Das Urteil des Sozialgerichts vom 12. Dezember 2005 ist hinsichtlich des Zeitraums bis zum 31. Dezember 2005 gegenstandslos, nachdem der Kläger das Klageverfahren insoweit für erledigt erklärt hat. Soweit das Urteil für den Zeitraum ab dem 1. Januar 2006 einen Anspruch des Klägers auf einen Zuschuss seiner Krankenversicherung verneint hat, ist es aufzuheben.

Nach § 106 Abs. 1 SGB VI erhalten Rentenbezieher, die freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung oder bei einem Krankenversicherungsunternehmen, das der deutschen Aufsicht unterliegt, versichert sind, zu ihrer Rente einen Zuschuss zu den Aufwendungen für die Krankenversicherung. Dies gilt nach S. 2 nicht, wenn sie gleichzeitig in einer in- oder ausländischen gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert sind. Der Beitrag wird nach Abs. 3 S. 1 in Höhe des halben Betrages geleistet, der sich aus der Anwendung des um 0,9 Beitragssatzpunkte verminderten allgemeinen Beitragssatzes der gesetzlichen Krankenversicherung auf den Zahlbetrag der Rente ergibt. Der monatliche Zuschuss ist nach Abs. 3 S. 2 auf die Hälfte der tatsächlichen Aufwendungen für die Krankenversicherung begrenzt.

Dass der Kläger bei der Hermes Krankenkasse / Groupe Mutuel und damit bei einem Unternehmen, welches nicht der deutschen, sondern der schweizerischen Versicherungsaufsicht untersteht, krankenversichert ist, steht seinem Anspruch auf einen Beitragszuschuss nicht entgegen. Auch die Beklagte hat mit der Gewährung des Beitragszuschusses im Zeitraum vom 1. Juni 2002 bis zum 31. Dezember 2005 bzw. 31. Dezember 2006 anerkannt, dass ihm dies aufgrund der Regelungen des Abkommens zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit vom 21. Juni 1999 (in Kraft getreten am 1. Juni 2002) nicht entgegen gehalten werden kann. Ob der Kläger im Zeitraum vor Inkrafttreten des Abkommens einen Anspruch auf einen Zuschuss hatte, kann dahinstehen, da er das Verfahren für den Zeitraum vor dem 1. Januar 2006 für erledigt erklärt hat. Nach Art. 8 des Abkommens koordinieren die Mitgliedsstaaten ihre Systeme der sozialen Sicherheit gemäß Anhang II. Anhang II Art. 1 Abschnitt A verweist insoweit auf die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71. Nach Art. 10 VO (EWG) Nr. 1408/71 dürfen Geldleistungen bei Alter nicht gekürzt, geändert oder entzogen werden, weil der Berechtigte im Gebiet eines anderen Mitgliedsstaates als des Staates wohnt, in dessen Gebiet der zur Zahlung verpflichtete Träger seinen Sitz hat. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaft (Urteil vom 6. Juli 2000, C-.73/99, a. a. O.) ist auch ein im Recht des Mitgliedsstaates vorgesehener Zuschuss zu den Kosten der Krankenversicherung, der von den Rentenversicherungsträgern gewährt wird, eine Leistung im Sinne von Art. 1 t VO (EWG) Nr. 1408/71. In dem entschiedenen Fall hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft dies sogar bei der hälftigen Beitragstragung nach § 249 a SGB V bejaht, bei der der Beitrag direkt an die betreffende Krankenversicherung gezahlt wird. Die Leistung könne einem Berechtigten nicht allein deshalb entzogen werden, weil er seinen Wohnsitz in einem anderen Mitgliedsstaat habe und dort der Versicherungspflicht unterliege.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Kläger nicht pflichtversichert im Sinne von § 106 Abs. 1 S. 2 SGB VI. Zwar hat er die nach dem KVG obligatorische Krankenversicherung nach dem Schweizerischen Krankenversicherungsgesetz mit der Hermes Krankenkasse, welche Teil der Groupe Mutuel ist, abgeschlossen, indes handelt es sich hierbei nicht um eine Pflichtversicherung im Sinne von § 106 Abs. 1 SGB VI. Denn das Attribut „freiwillig“ in S. 1 der Vorschrift („Rentenbezieher, die freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung oder bei einem Krankenversicherungsunternehmen, …, versichert sind, …“) bezieht sich allein auf ein freiwilliges Versicherungsverhältnis in einer gesetzlichen Krankenversicherung. Dies ergibt sich aus S. 2, wonach ein Anspruch auf einen solchen Zuschuss dann nicht besteht, wenn der Rentenbezieher gleichzeitig in einer in- oder ausländischen gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert ist. Bei der Hermes Krankenkasse handelt es sich nicht um eine gesetzliche Krankenversicherung im Sinne von § 106 Abs. 1 SGB VI. Nach Art. 3 Abs. 1 KVG muss sich jede Person mit Wohnsitz in der Schweiz innerhalb von drei Monaten „für Krankenpflege versichern lassen“. Nach Art. 4 KVG kann der Versicherte unter den Versicherern nach Art. 11 KVG frei wählen. Nach Art. 11 KVG wird die obligatorische Krankenpflegeversicherung durch Krankenkassen nach Art. 12 KVG und private Versicherungsunternehmen erbracht. Es muss innerhalb von § 106 SGB VI differenziert werden, ob jemand lediglich verpflichtet ist, einen bestimmten Krankenversicherungsschutz nachzuweisen bzw. vorzuhalten, oder ob jemand aufgrund gesetzlicher Vorschriften automatisch in einer gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert ist.

Die Rechtslage hinsichtlich der obligatorischen Krankenversicherung in der Schweiz gleicht im Übrigen weitestgehend der Rechtslage in der Bundesrepublik Deutschland seit dem 1. Januar 2009. Seitdem müssen gemäß § 193 Abs. 3 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) alle Personen mit Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland zumindest eine Krankenversicherung mit einem privaten Versicherungsunternehmen nach dem so genannten Basistarif, welchen vorzuhalten diese nach § 12 Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) verpflichtet sind, abschließen. Kein Zweifel dürfte daran bestehen, dass durch diese Regelung die privaten Krankenversicherungen nicht zu gesetzlichen Krankenkassen geworden sind.

Im Lichte von Art. 10 VO EWG Nr. 1408/71 (ABl. L 149 vom 5.7.1971, S. 2), auf welchen das Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedsstaaten andererseits über die Freizügigkeit verweist, darf die obligatorische Krankenversicherung in der Schweiz daher nicht als Pflichtversicherung im Sinne von § 106 Abs. 1 S. 2 SGB VI angesehen werden. Denn nach § 106 Abs. 1 S. 2 SGB VI ist zwar ein Zuschuss ausgeschlossen, wenn Rentenbezieher gleichzeitig in einer in- oder ausländischen Krankenversicherung pflichtversichert sind, in diesem Fall greift jedoch die Pflicht zur hälftigen Beitragstragung durch den Träger der Rentenversicherung nach § 249 a SGB V ein. Bei der Anwendung von § 106 SGB VI in den Fällen von Rentenbeziehern, die ihren Wohnsitz in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union oder einem insoweit gleichgestellten Staat haben, ist zu beachten, dass das Krankenversicherungssystem in anderen Ländern unter Umständen von der in der Bundesrepublik Deutschland üblichen Teilung in die Pflichtversicherung bei einer gesetzlichen Krankenkasse, die freiwillige Versicherung bei einer gesetzlichen Krankenkasse und die Krankenversicherung bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen abweicht. Solche Eigenheiten des Krankenversicherungssystems der jeweiligen Mitgliedsstaaten dürfen jedoch nicht den Anspruch eines Rentenbeziehers auf einen Zuschuss zu der Krankenversicherung nach § 106 SGB VI ausschließen, da anderenfalls die Exportierbarkeit eines Teiles der Rentenleistung in Mitgliedstaaten der Europäischen Union bzw. der Schweiz als insoweit gleichgestellten Staat verhindert würde. Der Kläger hat zu Recht darauf hingewiesen, dass ihm sein Anspruch auf Leistungen zur Krankenversicherung, sei es als Pflicht, die Beiträge hälftig zu tragen nach § 249 a SGB V, sei es als Zuschuss nach § 106 SGB VI, ersatzlos genommen werde, nur weil er seinen Wohnsitz verlagert habe.

Die Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger ab dem 1. Januar 2006 einen Zuschuss zu den Aufwendungen seiner obligatorischen Krankenversicherung gemäß § 106 SGB VI zu zahlen. Entgegen ihrer Auffassung darf sie bei Anwendung von § 106 Abs. 3 S. 2 SGB VI, wonach der monatliche Zuschuss auf die Hälfte der tatsächlichen Aufwendungen für die Krankenversicherung begrenzt wird, nicht allein diejenigen Beträge zugrunde legen, welche der Kläger für die freiwilligen Zusatzversicherungen gezahlt hat, sondern muss auch den Beitrag für die obligatorische Krankenversicherung berücksichtigen.

Soweit die Beklagte die Bewilligung für den Zeitraum vom 1. Januar 2007 bis zum 30. April 2009 durch den Bescheid vom 5. Mai 2009 aufgehoben und einen Betrag in Höhe von 659,96 EUR zurückgefordert hat, ist dies rechtswidrig und der Bescheid insoweit aufzuheben. Der Umstand, dass der Kläger die freiwillige Zusatzversicherung für die Zahnbehandlung zum Ende des Jahres 2006 gekündigt hat, stellt keine wesentliche Änderung der Tatsachen, die bei Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung zugrunde lagen, dar. Denn auch nach der Kündigung war die Beklagte verpflichtet, dem Kläger einen höheren als den durch Bescheid vom 18. August 2006 bewilligten Zuschuss zu den Aufwendungen seiner Krankenpflegeversicherung zu zahlen. Die Beklagte musste nämlich nach dem oben Gesagten bei der Berechnung bzw. Begrenzung des Zuschusses nach § 106 Abs. 3 S. 2 SGB VI in jedem Fall die Beiträge zur obligatorischen Krankenpflegeversicherung berücksichtigen. Der Kläger hat mit seinem Schriftsatz vom 3. März 2009 Beiträge für die obligatorische Krankenpflegeversicherung nachgewiesen, welche mehr als doppelt so hoch waren wie der Zuschuss in Höhe von 23,57 EUR, den die Beklagte ihm in diesem Zeitraum für die Aufwendungen zu seiner Zahnbehandlungsversicherung gewährt hat. Da die Beklagte insoweit nicht berechtigt gewesen ist, die Bewilligung des Zuschusses nach § 48 SGB X aufzuheben, durfte sie auch nicht nach § 50 SGB X die Erstattung dieser Zuschüsse fordern.

Soweit der Kläger erstmals vor dem Landessozialgericht neben dem Zuschuss zu seiner Krankenversicherung noch Zinsen geltend macht, ist die Klage bereits nicht zulässig. Als Anspruchsgrundlage kommt ausschließlich § 44 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) in Betracht. Hiernach sind Ansprüche auf Geldleistungen nach Ablauf eines Kalendermonats nach dem Eintritt ihrer Fälligkeit bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung mit vier vom Hundert zu verzinsen. Insoweit fehlt es jedoch bereits an der zwingend vor dem sozialgerichtlichen Verfahren erforderlichen Entscheidung der Beklagten sowie dem Widerspruchsverfahren.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 S. 1 SGG und folgt der Entscheidung in der Sache.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.