Gericht | LArbG Berlin-Brandenburg 26. Kammer | Entscheidungsdatum | 10.02.2012 | |
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Aktenzeichen | 26 Ta 45/12 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 11a ArbGG, § 114 ZPO, § 115 ZPO |
1. Über eine Beiordnung nach § 11 a Abs. 1 Satz 1 ArbGG ist zu entscheiden, wenn die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt worden ist, aber nur die Voraussetzungen für eine Beiordnung vorliegen.
2. Besondere Gründe im Sinne von § 11 a Abs. 2 ArbGG, aus denen ausnahmsweise eine Beiordnung unterbleiben kann, liegen nur vor, wenn die Partei aufgrund ihrer persönlichen Kenntnisse und Fähigkeiten unter Berücksichtigung der tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten des Verfahrens in der Lage ist, den Prozess auch ohne Beiordnung eines Anwalts sachgerecht zu führen, oder wenn auf den ersten Blick ohne nähere Prüfung erkennbar ist, dass die Rechtsverfolgung erfolglos sein muss (vgl. LAG Berlin-Brandenburg 11. Juni 2007 - 15 Ta 1077/07 - LAGE § 114 ZPO 2002 Nr. 7, zu II der Gründe). Nur in besonders klar liegenden Fällen aussichtsloser Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung kann der Beiordnungsantrag zurückgewiesen werden (vgl. LAG Hamm 7. Februar 2011 - 14 Ta 510/10, Rn. 22).
3. Diese Ausnahmen sind regelmäßig nicht erfüllt, wenn sich die Rechtsfolgen nicht aus dem Gesetz, sondern erst aus den durch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entwickelten Grundsätze ergeben, hier aus der zu den Anforderungen an die Wirksamkeit der Kündigung eines nicht unter den Schutzbereich des Kündigungsschutzgesetzes fallenden Arbeitsverhältnisses.
1. Die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Brandenburg an der Havel vom 30. September 2011 – 2 Ca 786/11 – wird zurückgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
I.
Die Parteien stritten über die Wirksamkeit einer Kündigung im Kleinbetrieb. Die Beschwerdeführerin berief sich auf die Treuwidrigkeit und auf einen Verstoß gegen das AGG, da es ihrem Arbeitgeber nur darum gegangen sei, sie gegen eine jüngere Mitarbeiterin auszutauschen. Das Arbeitsgericht hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe mangels Erfolgsaussichten der Klage mit Beschluss vom 30. September 2011 abgelehnt. Dieser Beschluss ist der Beschwerdeführerin am 10. Oktober 2011 zugestellt worden. Die Beschwerdeführerin hat gegen ihn mit einem beim Arbeitsgericht am 10. November 2011 eingegangenen Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt und diese zugleich begründet. Mit Beschluss vom 22. Dezember 2011 half das Arbeitsgericht der Beschwerde nicht ab und legte die Sache dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung über die Beschwerde vor. Mit Schriftsatz vom 30. Januar 2012 beschränkte die Beschwerdeführerin ihren Antrag auf eine Beiordnung nach § 11 a Abs. 1 Satz 1 ArbGG. Die Gegenseite war anwaltlich vertreten. Zugleich legte sie einen Bescheid der Bundesagentur für Arbeit zur Darstellung ihrer Einkommensverhältnisse vor. Auf den weiteren Hinweis des Gerichts, ihren Angaben zu den Vermögensverhältnissen sei ein Bausparguthaben in Höhe von 11.000 Euro zu entnehmen, ging die Beschwerdeführerin nicht ein. Insbesondere erläuterte sie ungeachtet des Hinweises des Gerichts ihren eigenen Zusatz „Nur noch Auszahlung“ weder innerhalb der gesetzten Frist noch nach weiterem Zuwarten nicht.
II.
1) Die nach § 11a Abs. 3 ArbGG iVm. § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO statthafte sofortige Beschwerde ist form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 78 Satz 1 ArbGG iVm. §§ 127 Abs. 2 Satz 3, 569 ZPO).
2) Die sofortige Beschwerde ist aber unbegründet.
a) Zu befinden war noch über den Antrag auf Beiordnung einer Prozessbevollmächtigten nach § 11 a Abs. 1 ArbGG. Insoweit ist eine Entscheidung durch das Arbeitsgericht nicht erfolgt.
aa) Es ist umstritten, ob in einem unbegründeten Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe als Minus ein Beiordnungsantrag enthalten ist. Die ganz überwiegende Ansicht in Literatur und Rechtsprechung bejaht das wohl mit Recht (so zB. ArbGG/Wolmerath § 11 a Rn. 2 mwN.; Schwab/Weth/Vollstädt § 11 a Rn. 19; GK-ArbGG/Bader § 11 Rn. 179; LAG Köln 5. Juni 2009 - 4 Ta 135/09 - AGS 2009, 553, Rn. 1; LAG Sachsen-Anhalt 6. März 2009 - 2 Ta 6/09, Rn. 27; LAG Berlin-Brandenburg 11. Juni 2007 - 15 Ta 1077/07 – LAGE § 114 ZPO 2002 Nr. 7, Rn. 8; LAG Hamm 30. Januar 2006 - 4 Ta 36/05, Rn. 13; LAG Bremen 26. Februar 1986 - 4 Ta 65/85 - LAGE § 11a ArbGG 1979 Nr. 3; LAG Düsseldorf 29. Oktober 1986 - 14 Ta 245/86 - LAGE § 11 a ArbGG 1979 Nr. 4; LAG Sachsen-Anhalt 11. Juni 1997 - 2 Ta 42/97 - LAGE § 11 a ArbGG 1979 Nr. 6, Rn. 6; aA. GMPM-G/Germelmann § 11a Rn. 1). Wegen der „Ähnlichkeit“ der Wirkungen von Prozesskostenhilfe und Beiordnung nach § 11 a ArbGG und der teilweisen Übereinstimmung in den Voraussetzungen sowie der Tatsache, dass die Beiordnung letztlich ebenso wie die Prozesskostenhilfe als Teil der Sozialhilfe angesehen werden muss, wäre in dem Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe aber jedenfalls auch ein (hilfsweise gestellten) Antrag auf Beiordnung nach § 11 a ArbGG zu sehen (GMPM-G/Germelmann § 11a Rn. 1). Germelmann weist zutreffend darauf hin, dass es der antragstellenden Partei darauf ankommt, zumindest eine finanzielle Erleichterung bei der beabsichtigten Rechtsverfolgung zu erreichen. Unabhängig davon trifft das Gericht nach § 11 a Abs. 1 Satz 2 ArbGG auch eine Hinweispflicht. Nach allen dargestellten Auffassungen ist über eine Beiordnung nach § 11 a Abs. 1 Satz 1 ArbGG zu entscheiden, wenn die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt worden ist, aber nur die Voraussetzungen für eine Beiordnung vorliegen.
bb) Die Voraussetzungen des § 11 a Abs. 1 Satz 1 ArbGG lagen hier insoweit vor, als die Beklagte anwaltlich vertreten war. Auch war die Rechtsverfolgung zwar – worauf das Arbeitsgericht zutreffend hingewiesen hat – wenig erfolgversprechend. Eine Beiordnung hatte aber nicht nach § 11 a Abs. 2 ArbGG zu unterbleiben.
(1) Letzteres ist möglich, wenn die Beiordnung aus besonderen Gründen nicht erforderlich ist oder wenn die Rechtsverfolgung offensichtlich mutwillig ist. Besondere Gründe im Sinne von § 11 a Abs. 2 ArbGG können vorliegen, wenn ein Rechtsstreit in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht sehr einfach gelagert ist. Die den Antrag stellende Partei darf offensichtlich keine Schwierigkeiten haben, ihre Interessen im Prozess ohne die Mitwirkung eines Rechtsanwalts sinnvoll wahrzunehmen. Entscheidend ist, ob die Partei aufgrund ihrer persönlichen Kenntnisse und Fähigkeiten sowie der tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten des Verfahrens in der Lage ist, den Prozess auch ohne Beiordnung eines Anwalts sachgerecht zu führen (GMPM-G/Germelmann, § 11 a Rn. 67). Offensichtliche Mutwilligkeit im Sinne des § 11 a Abs. 2 ArbGG ist nicht gleichzusetzen mit der Mutwilligkeit im Sinne des § 114 S. 1 ZPO, diese reicht nicht aus (vgl. GMPM-G/Germelmann, § 11 a Rn. 69). Offensichtlich mutwillig ist eine Rechtsverfolgung dann, wenn auf den ersten Blick ohne nähere Prüfung erkennbar ist, dass sie erfolglos sein muss (vgl. LAG Berlin-Brandenburg 11. Juni 2007 - 15 Ta 1077/07 - LAGE § 114 ZPO 2002 Nr. 7, zu II der Gründe). Nur in besonders klar liegenden Fällen aussichtsloser Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung kann der Beiordnungsantrag zurückgewiesen werden (vgl. LAG Hamm 7. Februar 2011 - 14 Ta 510/10, Rn. 22).
(2) Danach war die Beiordnung weder aus besonderen Gründen nicht erforderlich noch offensichtlich mutwillig. Es waren die sich nicht aus dem Gesetz, sondern erst aus der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ergebenden Grundsätze zu den Anforderungen an die Wirksamkeit der Kündigung eines nicht unter den Schutzbereich des Kündigungsschutzgesetzes fallenden Arbeitsverhältnisses zu berücksichtigen. In einer solchen Konstellation, in der die Erfolgsaussichten zudem von der Einlassung des Arbeitgebers abhängen, kann von einer auf den ersten Blick ohne nähere Prüfung erkennbaren Erfolglosigkeit nicht die Rede sein. Die persönlichen Kenntnisse der Beschwerdeführerin waren ersichtlich nicht ausreichend, um einen solchen Prozess allein führen zu können.
b) Die sofortige Beschwerde hat dennoch in der Sache keinen Erfolg. Die Beschwerdeführerin verfügt über ausreichendes Vermögen, um die Prozesskosten selbst tragen zu können. Nach § 11 a Abs. 3 ArbGG gelten die Vorschriften der ZPO über die Prozesskostenhilfe in Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen entsprechend. Nach § 115 Abs. 3 Satz 1 ZPO hat die Partei ihr Vermögen einzusetzen, soweit dies zumutbar ist. § 115 Abs. 2 Satz 2 ZPO verweist auf § 90 SGB XII, der im Rahmen des § 115 Abs. 3 ZPO entsprechende Anwendung findet.
Auch das Bausparguthaben eines noch nicht zuteilungsreifen Bausparvertrags zählt zum Vermögen. Es handelt sich um gespartes Geld, das in angemessener Zeitspanne durch Kündigung, gegebenenfalls auch durch Beleihung in liquide Mittel umgesetzt werden kann (vgl. BAG 26. April 2006 - 3 AZB 54/04 - AP Nr. 5 zu § 115 ZPO = NZA 2007, 646 = EzA § 115 ZPO 2002 Nr. 3, Rn 8). Davon, dass die Beschwerdeführerin über ein solches Guthaben verfügt, musste ausgegangen werden. In der Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse gab sie ein solches in Höhe von 11.000 Euro an. Den Zusatz „Nur noch Abzahlung“ erläuterte sie ungeachtet des Hinweises des Gerichts - auch zu den Folgen - nicht. Da das Bausparguthaben der Beschwerdeführerin die ihr zu belassenden Freibeträge nach § 115 Abs. 3 ZPO, § 90 Absatz 2 Nr. 9 SGB XII iVm. mit der Durchführungsverordnung beträchtlich übersteigt und der überschießende Betrag zur Begleichung der Prozesskosten ausreicht, ist das Bausparguthaben der Beschwerdeführerin auch nicht als Schonvermögen iSd. § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII von der Verwertung auszunehmen. Es musste auch davon ausgegangen werden, dass der Einsatz des Vermögens der Beschwerdeführerin zumutbar ist. Insoweit ist die Frage der Zuteilungsreife eines Bausparvertrags zwar nicht für die Vermögensqualität des Bausparguthabens ausschlaggebend. Die fehlende Zuteilungsreife gehört aber zu dem Problemkreis, ob der Beschwerdeführerin der Einsatz dieses Vermögensteils zumutbar ist, § 115 Abs. 3 ZPO. Da die Beschwerdeführerin zu dem Bausparguthaben ungeachtet der Hinweise des Gerichts keine Angaben gemacht hat, konnte bereits nicht vom Fehlen der Zuteilungsreife ausgegangen werden.
III.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Eine Gebühr ist angefallen.
IV.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.