Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 6. Senat | Entscheidungsdatum | 28.01.2014 | |
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Aktenzeichen | OVG 6 N 87.11 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 124 Abs 2 Nr 1 VwGO, § 124 Abs 2 Nr 3 VwGO, § 124 Abs 2 Nr 4 VwGO, § 20 Abs 1 S 1 Nr 3 BAföG, § 21 BAföG, § 9a Abs 1a EStG, § 12 Nr 5 EStG |
Studienaufwendungen können grundsätzlich nicht als Werbungskosten für während des Studiums erzielte Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit berücksichtigt werden. Hierfür fehlt es regelmäßig an dem nach der finanzgerichtlichen Rechtsprechung insoweit erforderlichen (vgl. etwa BFH, Urteil vom 28. Juli 2011 - VI R 5/10 -, BFHE 234, 262, Rn. 18 bei juris) hinreichend konkreten Veranlassungszusammenhang.
Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 27. September 2011 wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
I.
Mit der Anfechtungsklage wendet sich die Klägerin gegen die Aufhebung und Rückforderung von ihr nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz - BAföG - gewährten Leistungen in Höhe von insgesamt 759 Euro.
Während ihres Studiums der Veterinärmedizin erzielte sie Einkünfte aus einer selbstständigen Tätigkeit, die dem Grunde nach auf ihren Anspruch auf Ausbildungsförderung anrechenbar waren. Für die Berechnung der Höhe dieser Einkünfte setzte der Beklagte einen Werbungskostenpauschbetrag von 920 Euro jährlich ab. Die Klägerin macht geltend, dass darüber hinaus ihre Aufwendungen für das Studium, also der aus BAföG-Mitteln geförderten Ausbildung, als Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben von ihrem erzielten Einkommen abzusetzen seien. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen.
II.
Der auf die Zulassungsgründe ernstlicher Richtigkeitszweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO sowie Divergenz im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO gestützte Antrag auf Zulassung der Berufung der Klägerin gegen dieses Urteil ist zulässig, aber unbegründet.
1. Ernstliche Richtigkeitszweifel liegen nicht vor. Das Verwaltungsgericht hat vielmehr zu Recht entschieden, dass der angefochtene Bescheid rechtmäßig ist und die Kläger daher nicht in ihren Rechten verletzt. Dabei ist es zutreffend davon ausgegangen, dass Rechtsgrundlage der teilweisen Aufhebung des vorangegangenen Bewilligungsbescheids und der Rückforderung § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BAföG ist, weil die Klägerin im fraglichen Bewilligungszeitraum (1. Oktober 2005 bis 30. September 2006) Einkommen im Sinne des § 21 BAföG erzielt hat, das bei der Bewilligung der Ausbildungsförderung nicht berücksichtigt worden war. Die Klägerin hat im streitgegenständlichen Bewilligungszeitraum Einnahmen aus nichtselbstständiger Tätigkeit als studentische Hilfskraft in Höhe von monatlich 439,20 Euro erzielt. Hiervon hat der Beklagte den einkommensteuerrechtlichen Regelungen (vgl. § 9a Abs. 1a Einkommensteuergesetz - EStG -) entsprechend einen Werbungskostenpauschbetrag in Höhe von damals 77 Euro monatlich (920 Euro ./. 12 Monate = 76,67 Euro) abgezogen. Die Klägerin kann nicht verlangen, dass darüber hinaus die Aufwendungen, die sie im Bewilligungszeitraum für ihr Studium getätigt hat, als Werbungskosten berücksichtigt werden.
§ 21 BAföG, in dem für den gesamten Bereich des Bundesausbildungsförderungsgesetzes der Einkommensbegriff definiert wird, verweist in Absatz 1 Satz 1 auf das Einkommensteuerrecht, indem er festsetzt, dass vorbehaltlich mehrerer, im vorliegenden Zusammenhang nicht interessierender Regelungen in den nachfolgenden Bestimmungen, das EStG gilt. Der Berücksichtigung der Studienaufwendungen der Klägerin als Werbungskosten für ihre Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit im streitigen Bewilligungszeitraum steht § 12 Nr. 5 EStG entgegen. Nach dieser Vorschrift dürfen bei dem Steuerpflichtigen weder bei den einzelnen Einkunftsarten noch vom Gesamtbetrag der Einkünfte Aufwendungen abgezogen werden für seine erstmalige Berufsausbildung oder für ein Erststudium, das zugleich eine Erstausbildung vermittelt, wenn diese Berufsausbildung oder dieses Erststudium nicht im Rahmen eines Dienstverhältnisses stattfinden. Die Voraussetzungen dieser Regelung liegen vor.
Das Studium der Veterinärmedizin war ein Erststudium der Klägerin, das zugleich eine Erstausbildung vermittelt. Ihre zuvor begonnene Ausbildung zur Krankenschwester steht dieser Annahme nicht entgegen, weil sie diese abgebrochen hat. Als Erstausbildung gilt eine Ausbildung nur, wenn sie abgeschlossen wurde (vgl. FG Niedersachsen, Urteil vom 3. November 2011 - 11 K 467/09 -, EFG 2012, 305 ff., Rn. 28 bei juris m.w.N.). Das Studium der Veterinärmedizin fand auch nicht im Rahmen eines Dienstverhältnisses statt.
Ohne Erfolg hält dem die Klägerin entgegen, dass nach der finanzgerichtlichen Rechtsprechung auch Studienaufwendungen als berufliche Ausgaben zu berücksichtigen seien. Zwar trifft es zu, dass nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs Aufwendungen einer erstmaligen Berufsausbildung als vorab entstandene Werbungskosten anzuerkennen sein können, weil § 12 Nr. 5 EStG den Vorrang des Werbungskosten- und Betriebsausgabenabzugs in bestimmten Fällen unberührt lässt. Die Klägerin übersieht jedoch, dass diese Rechtsprechung sich nur auf Fälle bezieht, in denen der Steuerpflichtige nach Abschluss der Berufsausbildung und Aufnahme der Berufstätigkeit einen Verlustabzug nach § 10d EStG für die zuvor getätigten Aufwendungen für die Ausbildung steuerrechtlich geltend macht. Die Geltendmachung dieser Aufwendungen als Werbungskosten oder Betriebsausgaben setzt nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs nämlich voraus, dass die Erstausbildung und die dafür getätigten Aufwendungen „in einem hinreichend konkreten Veranlassungszusammenhang mit der späteren der Einkünfteerzielung dienenden Berufstätigkeit stehen“ (BFH, Urteil vom 28. Juli 2011 - VI R 5/10 -, BFHE 234, 262, Rn. 18 ff. bei juris). An diesem erforderlichen Veranlassungszusammenhang zwischen den Einkünften, die die Klägerin als studentische Hilfskraft erzielt hat, und ihren Aufwendungen für das Studium fehlt es vorliegend. Ein solcher Zusammenhang ließe sich allenfalls hinsichtlich der fraglichen Aufwendungen und der späteren Berufsausübung als Tierärztin annehmen. Die Klägerin mag daher ggf. in den sich an die Ausbildung anschließenden Berufsjahren als Veterinärmedizinerin die Studienaufwendungen als Verlustabzug nach § 10d EStG geltend machen können. Die Berücksichtigung dieser Aufwendungen als Werbungskosten für ihre Tätigkeit als studentische Hilfskraft während des Studiums kann sie jedoch nicht verlangen. Das käme nur dann in Betracht, wenn die Studienaufwendungen notwendige Werbungskosten für die Ausübung der Tätigkeit als studentische Hilfskraft gewesen wären. Das behauptet die Klägerin indessen selbst nicht.
Stellen somit die Studienaufwendungen keine Werbungskosten oder Betriebsausgaben für die fraglichen Einkünfte dar, kommt es auf die Frage, ob dem begehrten Abzug dieser Ausgaben von den Einnahmen der Klägerin darüber hinaus § 21 Abs. 1 Satz 2 BAföG entgegensteht, wonach ein Ausgleich mit Verlusten aus anderen Einkommensarten nicht zulässig ist, nicht mehr entscheidungserheblich an.
2. Entscheidungserhebliche Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wirft der Fall ebenfalls nicht auf. Die von der Klägerin für grundsätzlich bedeutsam erachtete Frage, ob das Verlustverrechnungsverbot nach § 21 Abs. 1 Satz 2 BAföG auch auf Kinder und deren Einkommen und nicht nur auf deren Eltern Anwendung findet, ist aus den unter 1. dargelegten Gründen jedenfalls nicht entscheidungserheblich. Dasselbe gilt für die ebenfalls im Zusammenhang des „Verlustverrechnungsverbots“ von der Klägerin aufgeworfene Frage, „ob das Recht der Ausbildungsförderung nur Arbeitnehmer fördern darf oder gar soll, nicht hingegen Selbstständige“. Die hier entscheidende Frage, ob die Aufwendungen für das Studium als Werbungskosten für die während des Studiums erzielten Einkünfte anzusehen sind, gilt für Selbstständige wie für Arbeitnehmer gleichermaßen.
3. Divergenz im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO ist - ungeachtet der insoweit geltenden Darlegungsanforderungen - schon deshalb nicht anzunehmen, weil das erstinstanzliche Urteil jedenfalls im Ergebnis nicht von den Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Mai 1993 - 11 C 9/92 - (BVerwGE 92, 272 ff.) und vom 9. Juli 1992 - 5 B 113/92 - (Buchholz 436.36 § 21 BAföG Nr. 18) abweicht. Danach knüpft der Einkommensbegriff im ausbildungsförderungsrechtlichen Sinne an den steuerrechtlichen Einkommensbegriff an. Wie die Ausführungen unter 1. verdeutlichen, ist gerade unter Zugrundelegung des steuerrechtlichen Einkommensbegriffs eine Anerkennung der Studienaufwendungen als Werbungskosten oder Betriebsausgaben für die währenddessen erzielten Einkünfte ausgeschlossen.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Das Verfahren ist gemäß § 188 Satz 2 VwGO gerichtkostenfrei.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).