Gericht | LSG Berlin-Brandenburg 23. Senat | Entscheidungsdatum | 12.04.2013 | |
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Aktenzeichen | L 23 SO 272/12 B | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 51 Abs 1 SGG |
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 13. September 2012 aufgehoben.
Der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist zulässig.
Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Die Beschwerde an das Bundessozialgericht wird nicht zugelassen.
I.
Der Kläger begehrt als Träger der Sozialhilfe von der Beklagten, einem Träger eines Pflegeheimes, die Erstattung überzahlter Heimpflegekosten in Höhe von 2.329,71 Euro zzgl. Zinsen, die er für einen ehemaligen Bewohner der Beklagten nach dessen Ableben aus Mitteln der Sozialhilfe weiterhin an die Beklagte geleistet hatte. Nachdem die Beklagte eine Begleichung der Forderung des Klägers abgelehnt hatte, hat der Kläger am 18. November 2011 Klage beim Sozialgericht Berlin erhoben.
Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 13. September 2012 den Rechtsstreit an das Amtsgericht Pankow/Weißensee in Berlin verwiesen.
Gegen den am 27. September 2012 zugestellten Beschluss richtet sich die am 24. Oktober 2012 beim Landessozialgericht eingegangene Beschwerde, mit der sinngemäß beantragt wird,
den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 13. September 2012 aufzuheben und festzustellen, dass der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit gegeben ist.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsvorgänge des Klägers Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Beratung und Entscheidungsfindung geworden sind.
II.
Die nach § 17a Abs. 2, Abs. 4 Satz 3 GVG statthafte und auch sonst zulässige, insbesondere fristgerecht erhobene Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 13. September 2012 (Verweisung an das Amtsgericht Pankow/Weißensee) hat Erfolg.
Für die vorliegende Streitigkeit ist der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit eröffnet.
Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit entscheiden nach § 51 Abs 1 Nr. 6a SGG über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten (u.a.) in Angelegenheiten der Sozialhilfe. Nach § 13 GVG (i.d.F. durch das FGG-Reformgesetz vom 17.12.2008, BGBl I 2586, m.W.v. 1.9.2009) gehören vor die ordentlichen Gerichte die bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, die Familiensachen und die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (Zivilsachen) sowie die Streitsachen, für die nicht entweder die Zuständigkeit von Verwaltungsbehörden oder Verwaltungsgerichten begründet ist oder aufgrund von Vorschriften des Bundesrechts besondere Gerichte bestellt oder zugelassen sind.
Ob ein Rechtstreit öffentlich-rechtlicher oder bürgerlichrechtlicher Natur ist, richtet sich, wenn eine ausdrückliche Rechtswegzuweisung des Gesetzgebers fehlt, nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird. Dieser Grundsatz bestimmt die Auslegung sowohl von § 13 GVG (Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten) als auch von § 51 Abs. 1 SGG (Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit). Öffentlich-rechtlich sind nicht nur Streitigkeiten, die aus einem hoheitlichen Verhältnis der Über- und Unterordnung entstehen. Eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit kann auch auf einem Gleichordnungsverhältnis beruhen. Entscheidend ist die wahre Natur des Anspruchs, wie er sich nach dem klägerischen Sachvortrag darstellt, und nicht, ob dieser sich auf eine zivilrechtliche oder eine öffentlich-rechtliche Anspruchsgrundlage beruft (Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 10. Juli 1989 - Az: GmS-OGB 1/88 - veröffentlicht in: Juris). Von einem öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnis ist daher dann auszugehen, wenn ein Träger öffentlicher Gewalt aufgrund eines ihm eingeräumten oder auferlegten Sonderrechts handelt (BSG vom 27. April 2010 - Az: B 8 SO 2/10 R - veröffentlicht in: Juris, m.w.N.).
Für die Rechtswegprüfung ist nicht erforderlich, dass sich die Streitigkeit als ausschließlich bürgerlich-rechtlich oder als ausschließlich öffentlich-rechtlich charakterisieren lässt. Für die Bejahung der Zulässigkeit des vom Kläger beschrittenen Rechtswegs reicht es vielmehr aus, wenn das Klagebegehren in einem Sachverhalt wurzelt, der jedenfalls kraft solcher Rechtsgrundlagen zu beurteilen ist, die in die (originäre) Rechtswegzuständigkeit des angerufenen Gerichts fallen. Trifft das zu, berührt es die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts nicht, dass das Klagebegehren auch unter Berücksichtigung von Anspruchsgrundlagen, die zu einem anderen Rechtsgebiet gehören, zu prüfen ist, (vgl. § 17 Abs 2 Satz 1 GVG i.d.F. Durch das Vierte Gesetz zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung vom 17.12.1990 - 4. VwGO-ÄndG -, BGBl I 2803; hierzu u.a. BSG SozR 3-1500 § 51 Nr. 15; BVerwG NVwZ 1993, 358; BGHZ 121, 367; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 51 Rn. 40).
So liegt der Fall hier. Das vom Kläger geltend gemachte Klagebegehren (Rückforderung überzahlter Sozialhilfe (Hilfe zur Pflege) bei Heimunterbringung in einem Pflegefall wurzelt in einem Sachverhalt, der nach den Vorschriften des 7. Kapitels des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) zu beurteilen ist, die in die (originäre) Rechtswegzuständigkeit des angerufenen Gerichts fallen.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts erklärt der Sozialhilfeträger im Dreiecksverhältnis zwischen Hilfeempfänger, Sozialhilfeträger und Leistungserbringer mit der Übernahme der Kosten - hier für Pflegeleistungen - im Bewilligungsbescheid (hier Bescheid vom 6. Juni 2011) den Schuldbeitritt zur Zahlungsverpflichtung des Hilfebedürftigen gegenüber dem Leistungserbringer; "Übernahme" bedeutet in diesem Zusammenhang Schuldbeitritt durch Verwaltungsakt mit Drittwirkung vgl. grundsätzlich: BSG Urteile vom 02. Februar 2010 - B 8 SO 20/08 R – Juris - und vom 28. Oktober 2008 - B 8 SO 22/07 R - BSGE 102, 1 ff Rn. 25 ff; vgl. bereits BVerwG, Urteilvom19. Mai 1994 - 5 C 33/91 - Juris .
Auch wenn es sich bei der zu Grunde liegenden Schuld des Hilfeempfängers, wie hier, gegenüber dem Leistungserbringer um eine zivilrechtliche Verpflichtung handelt, wurzelt die streitentscheidende (Vor-)frage, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der Sozialhilfeträger der zivilrechtlichen Schuld des Hilfeempfängers beigetreten ist, im öffentlichen Recht.
Denn ein solcher Schuldbeitritt gilt nur für die Dauer der Hilfebedürftigkeit des Leistungsempfängers und wird zugleich durch den sozialhilferechtlich anzuerkennenden Umfang dieser Hilfebedürftigkeit der Höhe nach begrenzt. Diese Übernahmeerklärung des Sozialhilfeträgers steht deshalb von vornherein unter dem Vorbehalt, dass ein sozialhilferechtlicher Bedarf besteht (§ 9 Abs. 1 SGB XII), den der Hilfesuchende weder selbst noch mit Hilfe anderer decken kann (§ 2 Abs. 1 SGB XII). Der Sozialhilfeanspruch des Hilfesuchenden und die Selbstverpflichtung des Sozialhilfeträgers gegenüber dem Leistungserbringer – hier der beklagte Träger der Pflegeeinrichtung - stehen somit in einem untrennbaren rechtlichen Zusammenhang(ebenso SG Dortmund, Urteil vom 21. August 2012 – S 41 SO 583/11). Bereits das Bundesverwaltungsgericht hat für den Fall der vom Sozialhilfeträger gegenüber dem Vermieter erklärten Übernahme der Miete eines Hilfebedürftigen entschieden, dass diese Akzessorietät in aller Regel die Annahme rechtfertigt, dass der Sozialhilfeträger mit der (behaupteten) Selbstverpflichtung die Handlungsebene des öffentlichen Rechts nicht hat verlassen wollen und für seine Erklärung die Form eines öffentlich-rechtlichen, einseitigen oder vertraglichen Leistungsversprechens gewählt hat (BVerwG, Urteil vom 19. Mai 1994 - 5 C 33/91 – Juris). Dies kann jedoch für die vorliegend zu entscheidende Frage der Rechtswegzuständigkeit dahin stehen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der Kläger klagt nicht als Versicherter, Leistungsempfänger etc. im Sinne des § 183 SGG. In Verfahren über eine Rechtswegbeschwerde hat grundsätzlich eine Kostenentscheidung zu ergehen. Die Regelung des § 17b Abs. 2 GVG, wonach im Falle der Verweisung des Rechtstreits an ein anderes Gericht die im Verfahren vor dem angegangenen Gericht entstandenen Kosten als Teil der Kosten im Verfahren vor dem aufnehmenden Gericht behandelt werden und deshalb in dem Verweisungsbeschluss keine eigenständige Kostenentscheidung zu treffen ist, beschränkt sich auf die Kosten des ersten Rechtszugs. Sie findet - unabhängig vom Inhalt der Entscheidung - keine Anwendung auf das Beschwerdeverfahren bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs (vgl. BSG vom 01. April 2009 - Az: B 14 SF 1/08 R; BVerwG vom 18. Mai 2010 - Az: 1 B 1/10 - veröffentlicht in: Juris).
Die Verpflichtung der Beklagten, die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen, ist darin begründet, dass sie sich mit seiner Auffassung (Schriftsatz vom 19. Juli 2012), die Gerichte der ordentlichen Gerichtsbarkeit seien für den vorliegenden Rechtsstreit zuständig, nicht durchgesetzt hat (§ 154 Abs. 1 VwGO).
Der Festsetzung eines Streitwerts für das Beschwerdeverfahren bedarf es nicht, da zum einen außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten sind und zum anderen für Beschwerden der vorliegenden Art Gerichtskosten nach Nr. 7504 der Anlage 1 zum GKG entweder gar nicht oder in Höhe einer Festgebühr anfallen (BVerwG vom 18. Mai 2010 - Az: 1 B 1/10 - veröffentlicht in: Juris; OVG Nordrhein-Westfalen vom 02. April 2009 - Az: 11 E 469/08 - veröffentlicht in: Juris).
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar. Die Voraussetzungen für die Zulassung der weiteren Beschwerde an das Bundessozialgericht liegen nicht vor (§ 17a Abs. 4 GVG).