Gericht | LSG Berlin-Brandenburg 14. Senat | Entscheidungsdatum | 27.01.2011 | |
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Aktenzeichen | L 14 AL 373/10 B ER | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 44 SGB 10 |
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 27. Oktober 2010 wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Der Antrag des Antragstellers, ihm für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen und den Rechtsanwalt Dr. M N beizuordnen, wird abgelehnt.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
Dem Erlass der vom Antragsteller begehrten einstweiligen Anordnung, durch die die Antragsgegnerin verpflichtet werden soll, ihm vorläufig Berufsausbildungsbeihilfe zu erbringen, steht entgegen, dass die Ablehnung des vom Antragsteller am 8. Oktober 2010 gestellten Antrags durch den Bescheid vom 18. Oktober 2010 bestandskräftig geworden ist, nachdem der Antragsteller dagegen keinen Widerspruch erhoben hat. Der vom Antragsteller bereits am 12. Oktober 2010 vor Erlass und Bekanntgabe dieses Bescheids beim Sozialgericht gestellte Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung kann unter diesen Umständen nicht als Widerspruch gegen den dem Antragsteller noch gar nicht zur Kenntnis gelangten Bescheid gewertet werden.
Zu keinem anderen Ergebnis führt, dass der Antragsteller inzwischen einen Zugunstenantrag nach § 44 Abs. 1 des Zehnten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB X) gestellt hat. Denn grundsätzlich hebt ein derartiger Antrag die Bestandskraft (§ 77 SGG) des Ursprungsbescheids solange nicht auf, bis ihm ganz oder teilweise entsprochen wird (so auch LSG für das Land Nordrhein-Westfalen – L 12 B 117/09 AS –). Zwar eröffnet ein derartiger Antrag danach ein Verwaltungsverfahren erneut, so dass der Erlass einer einstweiligen Anordnung auch ausnahmsweise denkbar ist. Dann allerdings muss auch glaubhaft gemacht sein, dass sich bei Überprüfung der ablehnenden Entscheidung ergeben werde, dass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweisen werde. Dafür könnte hier sprechen, dass trotz abgeschlossener erster Ausbildung nicht nur die bisherigen Bewerbungen des Antragstellers erfolglos waren, sondern ihm auch weder von der Antragsgegnerin (als Mit-Trägerin des den Antragsteller bislang fördernden und fordernden JobCenters B) noch von den eingeschalteten (privaten) Vermittlern eine Beschäftigung vermittelt werden konnte. Dies deutet darauf hin, dass ungeachtet der ersten Ausbildung und der von der Antragsgegnerin angegebenen Zahl offener Stellen in diesem Beruf eine berufliche Eingliederung des Antragstellers dauerhaft ohne eine weitere Förderung nicht erreicht werden kann. Es ist jedenfalls bislang nicht erkennbar, dass die Antragsgegnerin näher geprüft hätte, auf welche Umstände die erfolglos gebliebenen Bewerbungen und Vermittlungsbemühungen zurückzuführen sind.
Dies muss andererseits nicht bedeuten, dass ausschließlich die vom Antragsteller begonnene zweite Berufsausbildung (deren Förderung zudem nach § 60 Abs. 2 Satz 2 des Dritten Buchs des Sozialgesetzbuchs [SGB III] im Ermessen der Antragsgegnerin stünde) zu seiner dauerhaften beruflichen Eingliederung führen würde. Denkbar ist vielmehr, dass eine dauerhafte berufliche Eingliederung auch durch eine auf dem vom Antragsteller erworbenen Berufsabschluss aufbauende berufliche Weiterbildung (bspw. eine wegen verwertbarer Vorkenntnisse verkürzten Berufsausbildung) erreicht werden kann. Die Teilnahme an einer solchen – allerdings nicht nach den §§ 60 bis 62 des Dritten Buchs des Sozialgesetzbuchs förderungsfähigen – Weiterbildungsmaßnahme würde im Übrigen nicht zum Ausschluss von Leistungen der Grundsicherung nach § 7 Abs. 5 Satz 1 des Zweiten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB II) führen (BSG, Urteil vom 30. August 2010 – B 4 AS 97/09 R –).
Unter diesen Umständen ist der Ausgang des vom Antragsteller eingeleiteten Zugunstenverfahrens als offen anzusehen und eine für ihn günstige Entscheidung zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, aber nicht überwiegend wahrscheinlich (und damit nicht glaubhaft gemacht).
Hinzukommt, dass anders nicht abwendbare Nachteile, die eine vorläufige Anordnung vor Abschluss des Hauptsacheverfahrens und sogar vor einer Entscheidung der Antragsgegnerin im Zugunstenverfahren nötig erscheinen lassen (sog. Anordnungsgrund; § 86b Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]), nicht mehr zu besorgen sind, nachdem der Antragsteller, dem offenbar bis Ende November 2010 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende erbracht wurden (Mitteilung des JobCenters B vom 2. November 2011), (rückwirkend ab November 2010) Wohngeld bewilligt worden ist und gewährt wird. Von seiner Ausbildungsvergütung in Höhe von 491,20 Euro (brutto) monatlich dürften ihm nach Abzug der Beitragsanteile zur Sozialversicherung und zur Antragsgegnerin 420,80 Euro (netto) monatlich verbleiben. Unter Berücksichtigung des Wohngeld in Höhe von 192 Euro monatlich stehen ihm damit nach Abzug seiner Aufwendungen für Unterkunft und Heizung (302,97 Euro monatlich) zwar nur etwas mehr als 300 Euro monatlich zur Deckung seiner Aufwendungen für den allgemeinen Lebensbedarf zur Verfügung. Dies ist knapp und liegt unter der für die Grundsicherung für Arbeitsuchende derzeit noch bestimmten Regelleistung (359 Euro monatlich). Im Hinblick darauf, dass bei einer Anordnung, vorläufig Leistungen zu erbringen, ein Abschlag zulässig ist (BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05 –), hält der Senat dies allerdings für noch hinnehmbar, zumal die begründete Aussicht auf eine weitere Unterstützung durch eine Lehrlingsförderung der Industrie- und Handelskammer besteht.
Der Antrag des Antragstellers, ihm für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen und den Rechtsanwalt Dr. M N beizuordnen, ist mangels hinreichender Aussicht auf Erfolg der beabsichtigten Rechtsverfolgung abzulehnen (§ 114 Satz 1 der Zivilprozessordnung [ZPO] i.V.m. § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG). Entgegen der Auffassung des Klägers war die durch den Bescheid vom 18. Oktober 2010 bekanntgegebene ablehnende Entscheidung der Antragsgegnerin bei Einlegung der Beschwerde – erst – am 29. November 2010 bereits bestandskräftig geworden.
Die Entscheidung über die Kostenerstattung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 Abs. 1 SGG.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177 SGG).