Gericht | OLG Brandenburg Vergabesenat | Entscheidungsdatum | 16.08.2012 | |
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Aktenzeichen | Verg W 7/12 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Der Antrag der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde vom 24.7.2012 gegen den Beschluss der Vergabekammer des Landes Brandenburg vom 19.7.2012 - VK 20/12 - bis zur Entscheidung über die Beschwerde zu verlängern, wird zurückgewiesen.
Der Antragstellerin wird aufgegeben, sich binnen zwei Wochen zu erklären, ob die sofortige Beschwerde zurückgenommen wird.
I.
Die Auftraggeberin plant im Zusammenhang mit der Sanierung und Weiterentwicklung des A… Klinikums … den Neubau eines Bettenhauses und die Umstrukturierung der vorhandenen Altbaubereiche AK 5, 8 und 9. Im Rahmen der Gesamtbaumaßnahme schrieb sie im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union vom 5. Oktober 2011 als Los 10 Trockenbauarbeiten / Holztüren aus. In der Ausschreibung ist der Beginn der Auftragsausführung mit dem 1.3.2012 angegeben, das Ende mit dem 31.12.2014.
In der Angebotsaufforderung sind unter den Besonderen Vertragsbedingungen als verbindliche Fristen der Ausführungsbeginn am 16.1.2012 und das Ausführungsende am 24.12.2014 genannt. Verbindliche Einzelfristen werden dagegen nicht aufgeführt. Zur 278-seitigen Angebotsaufforderung gehören eine Vorhabenbeschreibung und zeitliche Angaben zum Bauablauf. Darin ist eine Planung für den Bauabschnitt Neubau AK 20 von ca. Anfang 2011 bis Mitte 2012 angegeben, für den Bauabschnitt AK 6 + 9 eine solche von Ende 2012 bis Anfang 2014 und für den Bauabschnitt AK 5 + 8 ein geplanter Zeitraum für Umbauarbeiten von ca. Anfang 2014 bis Ende 2014.
An dieser Ausschreibung beteiligte sich die Antragstellerin mit einem Angebot vom 15. November 2011 über einen Betrag in Höhe von 2.003.526,11 €. Die Auftraggeberin hob die Ausschreibung gemäß § 17 VOB/A aus schwerwiegenden Gründen mit Schreiben vom 17. Februar 2012 auf. Diese Aufhebung beanstandete die Antragstellerin in einem unter dem Aktenzeichen VK 6/12 vor der Vergabekammer des Landes Brandenburg geführten Nachprüfungsverfahren und begehrte die Fortsetzung des offenen Verfahrens. Die Vergabekammer gab dem Nachprüfungsantrag der Antragstellerin mit Beschluss vom 2. April 2012 statt und gab der Auftraggeberin auf, bei fortbestehender Beschaffungsabsicht die öffentliche Ausschreibung fortzusetzen und den Zuschlag unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu erteilen.
Mit E-Mail vom 23. April 2012 übersandte die Auftraggeberin der Antragstellerin als "Werkvertrag für die Trockenbauarbeiten S…" bezeichnete Dokumente, bestehend aus Vertragsbedingungen, Teile A und B. In Teil A ist vorgesehen, den Auftrag als Pauschalauftrag zum Festpreis von 2.045.000 € zu vergeben. Außerdem enthielt Ziff. 4 von Teil A Ausführungsfristen mit einem Arbeitsbeginn am 2. Mai 2012 und mit Fertigstellungsterminen für den Neubau AK 20 und Altbau AK 8 Nuklearmedizin noch im Sommer 2012, für den Altbau AK 9 bis zum 15.1.2014. Teil B sah bei Nichteinhaltung dieser Termine vom Auftragnehmer zu zahlende Vertragsstrafen vor. Die Antragstellerin wandte sich mit Schreiben vom gleichen Tage an die Auftraggeberin und rügte die Übersendung dieser Vertragsbedingungen. Darin ändere die Auftraggeberin in erheblichem Maße in unstatthafter Weise die bisherigen Angebotsbedingungen aus dem offenen Verfahren ab. Im Rahmen des offenen Verfahrens könne die Auftraggeberin keine weiteren einseitigen Bedingungen stellen, sondern nur den Zuschlag bedingungslos erteilen.
Mit weiterem Schreiben der Antragstellerin vom 8. Mai 2012 stimmte diese einer Verlängerung der Zuschlagsfrist bis zum 22. Mai 2012 zu.
Mit E-Mail vom 8. Mai 2012 übersandte die Auftraggeberin einen "Vorabzug zum Auftragsschreiben". In dem Entwurf des Auftragsschreibens heißt es: "Es gelten die Ausführungsfristen und bestimmte Einzelfristen entsprechend der folgenden Terminplanung." In den folgenden Erläuterungen werden Einzelfristen für den Bauabschnitt AK 20 angegeben, wonach die Bauarbeiten ab dem 1.6.2012 beginnen und Ende September 2012 enden sollten. Die Antragstellerin rügte mit Schreiben vom 9. Mai 2012 eine darin liegende einseitige Vorgabe von Einzelfristen für den Bauabschnitt AK 20. Einzelfristen seien in den bisherigen Angebotsbedingungen nicht vereinbart worden. Die einzigen Termine aus den Angebotsunterlagen seien der Ausführungsbeginn 16. Januar 2012 und ein Ausführungsende 24. Dezember 2014, d. h. eine Bauzeit von 35 Monaten. Diese Bauzeit verschiebe sich ggf. durch die eingetretenen Verzögerungen im Rahmen des Vergabenachprüfungsverfahrens. Sie fordere die Auftraggeberin auf, den Beschluss der Vergabekammer umzusetzen und erwarte, dass die Auftraggeberin der Rüge bis zum 23. Mai 2012 abhelfe.
In einer weiteren E-Mail vom 21. Mai 2012 an die Antragstellerin bat die Auftraggeberin die Antragstellerin u. a. um Ergänzung ihrer Terminvorstellungen auf Grundlage der Terminentwürfe der Auftraggeberin bis zum 24. Mai 2012. Die Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin vertraten demgegenüber mit Schreiben vom 23. Mai 2012 die Auffassung, die Antragstellerin sei auch aufgrund der E-Mail der Auftraggeberin vom 21. Mai 2012 nicht zu weiteren Angaben verpflichtet. Vielmehr obliege es der Auftraggeberin, nunmehr bedingungslos das Angebot der Antragstellerin anzunehmen und den Zuschlag zu erteilen.
Mit Schreiben vom 11. Juni 2012 übersandte die Auftraggeberin "das Auftragsschreiben zum Los 10 - Trockenbauarbeiten/Holztüren". Es nimmt Bezug auf das Angebot der Antragstellerin vom 15. November 2011 unter Bezeichnung der Angebotsbestandteile.
Sodann finden sich folgende Passagen:
Es gelten die Ausführungsfristen und bestimmte Einzelfristen entsprechend der folgenden Terminplanung. Bei diesen Ausführungs- und Einzelfristen handelt es sich um verbindliche Vertragsfristen.
…
Erläuterungen:
Folgende Einzelfristen für den Bauabschnitt AK 20 werden vereinbart:
… (Es folgen Fristen vom 13.07.2012 bis zum 09.11.2012)
Alle weiteren Termine erfolgen nach gesondertem Terminplan.
Obige Termine und Fristen sind aus dem Balkenterminplan abgeleitet, so dass hiergegen keine Bedenken bestehen sollten. Falls Sie gleichwohl mit den Terminen und Fristen nicht einverstanden sind, teilen Sie uns dies bitte unter Angabe einer nachvollziehbaren Begründung und neuer Termine und Fristen mit.
-Ende der Erläuterungen-
Die Antragstellerin reagierte mit Schreiben vom 15. Juni 2012. Die Auftraggeberin habe mit ihrem Schreiben vom 11. Juni 2012 das Angebot der Antragstellerin nicht bedingungslos angenommen, sondern Änderungen vorgenommen. Gemäß § 150 Abs. 2 BGB gelte eine Annahme unter Erweiterungen, Einschränkungen oder sonstigen Änderungen als Ablehnung, verbunden mit einem neuen Antrag. Diesen neuen Antrag könne sie nicht annehmen. Der angekündigte Terminplan sei dem Schreiben vom 11.6.2012 nicht beigefügt gewesen. Im Weiteren verfolgte die Antragstellerin die Argumentation ihres Rügeschreibens vom 9. Mai 2012.
Die Teilnahme an einem Termin zur Anlaufberatung lehnte die Antragstellerin mit Schreiben vom 18. Juni 2012 u. a. mit der Begründung des fehlenden Vertragsschlusses ab.
Die Auftraggeberin reagierte mit Schreiben vom 18. Juni 2012. Der Bauvertrag sei durch ihr Zuschlagsschreiben vom 11. Juni 2012 zustande gekommen. Soweit sie Ausführungsfristen vorgegeben und Gelegenheit für Gegenvorschläge eingeräumt habe, diene dieses Vorgehen dem beiderseitigen Interesse, den Bauablauf zu ordnen, da die Arbeiten parallel zum laufenden Krankenhausbetrieb sowie in räumlicher und zeitlicher Überschneidung zu anderen Gewerken ausgeführt würden. Sie gehe davon aus, die Ausführungsfristen auf der Grundlage des beigefügten Balkenterminplans nach sachgerechtem Ermessen unter Berücksichtigung der verschobenen Bauzeit ordnen zu dürfen. Unabhängig davon verschließe sie sich unter dem Gesichtspunkt der bauvertraglichen Kooperationspflicht nicht dem etwaigen Wunsch der Antragstellerin, die Ausführungsfristen neu zu vereinbaren, soweit dies sachlich begründbar sei. Aufgefordert werde die Antragstellerin, am 25. Juni 2012, hilfsweise am 2. Juli 2012, mit den Arbeiten zu beginnen.
Dieses Schreiben ließ die Antragstellerin unbeantwortet.
Mit weiterem Schreiben vom 25. Juni 2012 wiederholte die Auftraggeberin ihre Aufforderung, spätestens am 2. Juli 2012 mit den Bauarbeiten zu beginnen. Für den Fall, dass sie diese nicht spätestens bis zum 4. Juli 2012, 9.00 Uhr MEZ, ernsthaft aufgenommen und/oder bis zu diesem Zeitpunkt Ausführungsfristen bzw. alternative Fristen vorgeschlagen habe, werde die Auftraggeberin den Bauvertrag aus wichtigem Grund kündigen.
Die Antragstellerin stellte in ihrem nachfolgenden Schreiben vom 26. Juni 2012 fest, dass weder ein Kauf- noch ein Werkvertrag zustande gekommen sei.
Die Auftraggeberin erklärte mit Schreiben vom 5.7.2012 die Kündigung des mit der Antragstellerin geschlossenen Vertrages.
Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 26. Juni 2012 hat die Antragstellerin einen Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer des Landes Brandenburg gestellt und diesen mit dem Vorbringen ihrer Rügeschreiben begründet.
Die Antragstellerin hat beantragt,
die Auftraggeberin zu verpflichten, die Rechtmäßigkeit des Verfahrens wieder herzustellen und den Zuschlag der Antragstellerin ohne Abänderungen und Bedingungen zu erteilen.
Die Auftraggeberin hat beantragt,
den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen.
Die Auftraggeberin hat gemeint, sie habe das Angebot der Antragstellerin vorbehaltlos und unverändert angenommen, verbunden mit dem Vorschlag einer Einigung über eine neue Bauzeit. Eine Einigung auf eine neue Bauzeit sei notwendig gewesen. Zwecks Klärung dieses Themas habe die Auftraggeberin die Initiative ergriffen, ohne der Antragstellerin die Möglichkeit eigener Gegenvorschläge abzuschneiden. Sämtlichen Schreiben der Auftraggeberin sei zu entnehmen, dass die Antragstellerin aufgefordert werde, eigene Terminvorschläge zu unterbreiten, soweit kein Einverständnis mit den Vorschlägen der Auftraggeberin bestehe.
Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin mit Beschluss vom 19.7.2012 als unzulässig verworfen, weil das Vergabeverfahren durch wirksamen Zuschlag der Auftraggeberin vom 11.6.2012 beendet worden sei. Ein nachfolgendes Nachprüfungsverfahren sei deshalb nicht mehr statthaft.
Gegen diesen Beschluss, ihr zugestellt am 19.7.2012, hat die Antragstellerin durch beim Oberlandesgericht am 24.7.2012 eingegangenen Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt und beantragt, die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde bis zur Entscheidung über das Rechtsmittel zu verlängern.
Sie begehrt weiterhin eine Verpflichtung der Vergabestelle, ihr den Zuschlag zu erteilen. Sie meint, das Vergabeverfahren sei noch nicht beendet, weil der Auftraggeber ihr den Zuschlag nicht "ohne Wenn und Aber" erteilt habe.
Die Auftraggeberin habe versucht, die Antragstellerin zu einer Verkürzung der Bauzeit bei gleichen Baupreisen zu zwingen. Sie, die Antragstellerin, könne ohne Kenntnis der detaillierten Gesamtbauzeitenplanung, insbesondere der anderen Gewerke, keine eigenen Vorschläge unterbreiten. Das Schreiben vom 11.6.2012 enthalte wesentliche Modifizierungen des Angebots und nicht lediglich einen unverbindlichen Änderungsvorschlag. Die Antragstellerin wäre danach verpflichtet gewesen, die wesentlichen Leistungen statt bis zum Jahre 2014 bereits im Jahre 2012 zu erbringen. Über veränderte Bauzeiten und auch über deshalb geänderte Baupreis hätten die Vertragsparteien insgesamt nachträglich zu verhandeln.
Der Auftraggeber tritt der sofortigen Beschwerde und dem Antrag auf Verlängerung ihrer aufschiebenden Wirkung entgegen.
II.
Der Antrag der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde gemäß § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB bis zur Entscheidung über das Rechtsmittel zu verlängern, war zurückzuweisen. Die Beschwerde hat keine Erfolgsaussichten, § 118 Abs. 2 GWB.
Zu Recht hat die Vergabekammer den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin als unzulässig verworfen. Die Auftraggeberin hat der Antragstellerin mit Schreiben vom 11.6.2012 wirksam den Zuschlag erteilt. Damit war das streitgegenständliche Vergabeverfahren beendet. Das nach diesem Zuschlag von der Antragstellerin mit dem Ziel der Erlangung des Zuschlags am 26.6.2012 eingeleitete Nachprüfungsverfahren ist nicht zulässig, weil Primärrechtsschutz nach Auftragserteilung nicht mehr gewährt werden kann.
A. Grundsätzlich ist ein Nachprüfungsverfahren zulässig, das vom für den Zuschlag vorgesehenen Bieter eingeleitet wird, der sich auf den Standpunkt stellt, der ihm selbst erteilte Zuschlag sei wegen Abänderung der Vertragsbedingungen durch den Auftraggeber unwirksam, es bedürfe noch einer weiteren Erklärung des Auftraggebers, dass er sein Angebot - unverändert - annehme. Denn in dem Vorwurf, der Auftraggeber weigere sich, das Vergabeverfahren ordnungsgemäß zum Abschluss zu bringen, liegt – wenn er zutrifft - ein Verstoß gegen Vergabevorschriften, auf deren Einhaltung die Bieter nach § 97 Abs. 7 GWB Anspruch haben.
B. Im vorliegenden Fall scheitert die Zulässigkeit des Nachprüfungsantrag jedoch an dem Umstand, dass die Auftraggeberin den Zuschlag wirksam auf das Angebot der Antragstellerin vom 15.11.2011 erteilt hat.
Ein Zuschlag ist wirksam erteilt, wenn der Auftrag an einen Bieter erteilt wird und dieser Beauftragung das Angebot des Bieters in unveränderter Form zugrunde liegt. Dies ist hier der Fall.
1.) Die Antragstellerin war bis zum Zuschlag an ihr Angebot gebunden, auch wenn sie die Bindefrist ausdrücklich nur bis zum 22.5.2012 verlängert hat. Denn sie hat mit ihren Schreiben vom 9.5.2012 den "Vorabzug" des Auftragsschreibens als eine geänderte Annahme gerügt und Abhilfe bis zum 23.5.2012 begehrt. Damit hat sie die Bindefrist jedenfalls bis zu diesem Tag verlängert. Nach Ablauf des 23.5.2012 hat die Antragstellerin zwar keine ausdrückliche Bindefristverlängerungserklärung abgegeben.
Jedoch hat die Antragstellerin durch ihre Schreiben vom 15.6.2012 und vom 18.6.2012 sinngemäß einen bedingungslosen Zuschlag gefordert und auch im vorliegenden Nachprüfungsverfahren ausdrücklich beantragt, die Auftraggeberin zu verpflichten, den Zuschlag auf ihr Angebot zu erteilen. Damit hat sie sich konkludent für die Dauer des Nachprüfungs- und Beschwerdeverfahrens weiter an ihr Angebot gebunden erklärt. So lange ist die Bindefrist verlängert (so auch OLG Schleswig, Beschluss vom 8.5.2007, 1 Verg 2/07, IBR 2007, 388, zitiert nach Juris Rn 20).
2.) Dieses Angebot der Antragstellerin hat die Auftraggeberin mit ihrem Schreiben vom 11.6.2012 angenommen.
a.) In dem ausdrücklich als solches bezeichneten Auftragsschreiben vom 11.6.2012 heißt es dementsprechend, dass die Antragstellerin auf Grund ihres detailliert bezeichneten Angebots den Auftrag zur Ausführung der ausgeschriebenen Leistungen erhält.
Zwar heißt es in dem Schreiben weiter, dass die Ausführungsfristen und bestimmte Einzelfristen entsprechend der im einzelnen erläuterten Terminplanung gälten und dass es sich dabei um verbindliche Vertragsfristen handele. Jedoch formuliert die Auftraggeberin am Ende des Schreibens hierzu, dass die Termine und Fristen aus dem anliegenden Balkenterminplan abgeleitet seien, so dass "hiergegen keine Bedenken bestehen sollten". Die Auftraggeberin erklärt darüber hinaus, dass die Antragstellerin, falls sie nicht mit den Terminen und Fristen einverstanden sein sollte, dies mitteilen solle unter Angabe einer nachvollziehbaren Begründung und neuer Termine und Fristen. Dies hindert jedoch nicht die Annahme eines bedingungslosen Zuschlags.
Bei der Auslegung des Auftragsschreibens sind die tatsächlichen Umstände und insbesondere der vorherige Schriftverkehr der Parteien heranzuziehen.
Zum einen ist zu berücksichtigen, dass sich die Ausführung des ausgeschriebenen Auftrages durch das am 6.3.2012 eingeleitete vorangegangene Nachprüfungsverfahren bis zur Entscheidung der Vergabekammer am 2.4.2012 verzögert hatte. Am 2.4.2012 war der in den Besonderen Vertragsbedingungen genannte Zeitpunkt für den Baubeginn – 16.1.2012 - bereits verstrichen. Da der ausgeschriebene Bauauftrag Teil eines größeren Bauvorhabens war, hatte die Auftraggeberin ein erkennbares Interesse daran, sich mit der Antragstellerin wegen der Ausführungstermine in Verbindung zu setzen.
Zum anderen ist bei der Auslegung des Schreibens vom 11.6.2012 zu berücksichtigen, dass die Auftraggeberin die Antragstellerin mehrfach wegen der Auftragserteilung kontaktiert hatte. So hat die Auftraggeberin der Antragstellerin bereits am 23.4.2012 einen "Werkvertrag" per E-Mail übersandt, dem die Antragstellerin mit Schreiben vom selben Tag mit der Begründung entgegentrat, dieser Vertrag enthalte einseitige Änderungen, hiermit sei sie - die Antragstellerin - nicht einverstanden. Die Antragstellerin forderte die Auftraggeberin auf, den Zuschlag bedingungslos zu erteilen. Auf den von der Auftraggeberin am 8.5.2012 per E-Mail übersandten "Vorabzug zum Auftragsschreiben" äußerte sich die Antragstellerin dahingehend, dass sie mit einer einseitigen Vorgabe eines Terminsplans und von Einzelfristen nicht einverstanden sei. Diese Position bekräftigte sie noch einmal durch das Schreiben ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 23.5.2012.
Vor diesem Hintergrund ist das Auftragsschreiben der Auftraggeberin vom 11.6.2012 als vorbehaltlose und unveränderte Annahme des Angebots der Antragstellerin zu verstehen, verbunden mit dem Vorschlag einer Einigung über eine neue Bauzeit. Es handelt sich dagegen nicht um eine Ablehnung des Angebots der Antragstellerin verbunden mit einem neuen Angebot gemäß § 150 Abs. 2 BGB.
Denn die Auftraggeberin hat zum einen zum Ausdruck gebracht, dass maßgeblich das von der Antragstellerin eingereichte Angebot und die dort angebotenen (Einheits-)Preise sind. Zum anderen hat sie zwar im Angebot nicht vorgesehene Einzelfristen als "verbindliche Vertragsfristen" für den Bauabschnitt AK 20 angegeben, allerdings durch den letzten Absatz des Schreibens zum Ausdruck gebracht, dass sie diese Termine und Fristen als solche ansieht, die die Antragstellerin akzeptieren könne oder auch nicht. Damit hat sie erklärt, dass der Auftrag erteilt werden solle, dass sie - die Auftraggeberin – es jedoch es für möglich halte, dass kein Einverständnis der Antragstellerin mit den Terminen und Fristen bestehe. Für diesen Fall hat sie um einen Gegenvorschlag gebeten. Sie hat damit die Fristen und deren von ihr geforderte Verbindlichkeit zur Disposition gestellt.
Bei einer derartigen Sachlage ist das Auftragsschreiben der Auftraggeberin als Zuschlagserteilung, verbunden mit der dringenden Aufforderung an die Antragstellerin zu sehen, an der Erarbeitung eines Terminsplans mitzuwirken bzw. einem Terminplan zuzustimmen, den die Auftraggeberin für zumutbar hält.
Eine solche Verknüpfung der Auftragserteilung mit der Aufforderung, einem vorgeschlagenen Terminplan zuzustimmen, ist als bedingungsloser Zuschlag zu sehen (so auch BGH, Urteil vom 22.7.2010, VII ZR 213/08, ZfBR 2010, 814; BGH, Urteil vom 25.11.2010, VII ZR 201/08, ZfBR 2011, 235; jeweils zitiert nach Juris).
Dabei ist der Antragstellerin zuzugeben, dass die beiden vorherigen "Zuschlagsangebote" der Auftraggeberin möglicherweise keine bedingungslose Annahme ihres Angebotes vom 15.11.2011 darstellten. Da die Antragstellerin die Auftraggeberin mehrfach darauf hingewiesen hatte, dass ihr Angebot unverändert anzunehmen sei, konnte das - gegenüber den vorherigen Entwürfen veränderte - Auftragsschreiben vom 11.6.2012 von der Antragstellerin allerdings nunmehr dahingehend verstanden werden, dass die Auftraggeberin mit seiner Abfassung dem Verlangen der Antragstellerin nach einem bedingungslosen Zuschlag nachkam und, weil die Antragstellerin bisher die Terminfrage nicht mit ihr verhandeln wollte, durch ein konkretes und an den weiteren Zeitablauf wiederum angepasstes Terminsangebot schnell zu einer Auftragsdurchführung kommen wollte.
Dafür, dass die Auftraggeberin sich nunmehr - ohne jeden Vorbehalt - binden wollte, spricht im Übrigen auch, dass sie dieses Schreiben nicht – wie die bisherigen – Entwürfe – als E-Mail versandt hat, sondern in Papierform per Einschreiben mit der Post. Auch ist das Auftragsschreiben – anders als die E-Mail-Entwürfe, von der Auftraggeberin rechtsverbindlich unterschrieben.
Da mit dem Schreiben vom 11.6.2012 der Vertrag zustande gekommen war, kommt es nicht darauf an, dass der Balkenterminplan nach dem Vortrag der Antragstellerin dem Zuschlagsschreiben nicht beigefügt war. Er sollte nach dem erklärten Willen der Auftraggeberin - noch - nicht Vertragsinhalt werden, so dass sein etwaiges Fehlen unschädlich ist.
b.) Selbst wenn man mit der Antragstellerin annehmen wollte, dass die Passage im Auftragsschreiben, wonach die angegebenen Ausführungs- und Einzelfristen verbindliche Vertragsfristen sein sollen, der unzulässige Versuch der Auftraggeberin war, die im Angebot vorgesehenen verbindlichen Fristen nach § 5 VOB/B zu ändern bzw. die im Schreiben vom 11.6.2012 angegebenen Einzelfristen in Abänderung des Angebots durch Vereinbarung zu Vertragsfristen zu machen, wäre der Zuschlag jedenfalls durch das noch vor Einleitung des Nachprüfungsverfahrens verfasste Schreiben der Auftraggeberin vom 15.6.2012 als erteilt anzusehen. Damit wären etwa verbliebene Zweifel daran, ob die Auftraggeberin einen bedingungslosen Zuschlag erteilen wollte, behoben.
Denn die Auftraggeberin teilt darin mit, dass nach ihrer Auffassung ein Bauvertrag zustande gekommen sei. Sie erklärt weiter ausdrücklich, dass – nur – die festgelegten Anfangs- und Endfristen für die vertragliche Gesamtleistung verbindliche Vertragsfristen sind. Weiterhin erklärt sie ausdrücklich, dass es sich bei den weiteren Einzelfristen um keine verbindlichen Einzelfristen handele. Spätestens damit war klargestellt, dass die Auftraggeberin damit keine Änderungen der in den Besonderen Vertragsbedingungen genannten Ausführungsfristen nach § 5 VOB/B vereinbaren will.
Die Erklärungen der Auftraggeberin, der Auftrag sei erteilt, die Ausführungsfristen seien nur wie im Angebot angegeben verbindlich, die vorgeschlagenen Einzelfristen dagegen nicht, musste die Antragstellerin als bedingungslosen Zuschlag verstehen.
c.) Die im Schreiben vom 11.6.2012 genannten Ausführungsfristen weichen außerdem inhaltlich nicht so erheblich vom Angebot ab, dass es sich verbietet, das Schreiben der Auftraggeberin vom 11.6.2012 als bedingungslosen Zuschlag zu verstehen. Soweit die Antragstellerin dies geltend machen will, kann sie damit keinen Erfolg haben.
Denn in der Angebotsaufforderung, die Teil des Angebotes ist, sind eine Vorhabenbeschreibung und Angaben zum Bauablauf enthalten. In der Rubrik „Bauablauf“ heißt es, dass die Planung für den Bauabschnitt AK 20 einen Zeitraum von ca. Anfang 2011 bis Mitte 2012 vorsehe. Bei einer solchen Angabe musste die Antragstellerin davon ausgehen, dass für die Ausführung des Bauabschnittes AK 20 keine Bauzeit von 35 Monaten zur Verfügung stehen würde, sondern ein deutlich kürzerer Zeitraum. Wäre sie wie geplant bis zum 16.1.2012 beauftragt worden, hätte sie sich auf einen Abschluss der Bauarbeiten in diesem Bauabschnitt innerhalb von rund fünfeinhalb Monaten einstellen müssen. Die von der Auftraggeberin im Schreiben vom 11.6.2012 vorgeschlagenen Fristen sehen ein Ende der Bauzeit am 9.11.2012 vor. Zwischen Auftragserteilung und geplantem Bauzeitende liegen nahezu fünf Monate. Diese Terminplanung liegt innerhalb des im Angebot vorgesehenen ungefähren Bauablaufs.
2.) Ansonsten hat es keine Auswirkung auf die Wirksamkeit des Zuschlags, dass nach Auffassung der Antragstellerin die Terminplanung der Auftraggeberin nicht mit den Vertragsunterlagen in Einklang zu bringen ist.
Ist der Vertrag zustande gekommen, liegt es an den Parteien bei - wie hier - teilweise bereits verstrichenen Vertragslaufzeiten eine Vertragsanpassung herbeizuführen. Können sie sich hierbei nicht einigen, sind Streitigkeiten zivilrechtlich zu lösen.
C. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Sie ergeht zusammen mit der Hauptsacheentscheidung.