Gericht | LSG Berlin-Brandenburg 9. Senat | Entscheidungsdatum | 15.02.2012 | |
---|---|---|---|---|
Aktenzeichen | L 9 KR 52/09 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 7 SGB 4, § 7a SGB 4, § 28 SGB 4, § 1 SGB 6 |
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 18. November 2008 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin im Betrieb des Beigeladenen zu 4), ihres Ehe-mannes, sozialversicherungspflichtig beschäftigt war.
Die 1965 geborene Klägerin ist ausgebildete Augenoptikerin; sie ist seit 1992 mit dem Beigeladenen zu 4) verheiratet. Aus der Ehe sind vier Kinder hervorgegangen. Die Klägerin schloss am 17. April 1997 mit dem Beigeladenen zu 4) einen „Arbeitsvertrag für gewerbliche Arbeitnehmer“. Danach wurde sie zum 1. Mai 1997 als Augenoptikerin im Betrieb des Beigeladenen zu 4) mit einer vertraglichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden wöchentlich gegen ein bargeldlos zu zahlendes Arbeitsentgelt von 3.500,00 DM brutto monatlich angestellt. In dem Arbeitsvertrag vereinbarten die Klägerin und der Beigeladene zu 4) u.a. außerdem eine Probezeit, trafen Regelungen über eine Kündigungsfrist, eine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und legten einen Jahresurlaub von 36 Arbeitstagen im Jahr fest. Nach dem Arbeitsvertrag bestanden die Aufgaben der Klägerin im Betrieb des Beigeladenen zu 4) vorrangig darin, alle Bereiche der Buchhaltung und des Personalwesens zu erledigen. Der Beigeladene zu 4) schloss u.a. für die Klägerin einen Vertrag über eine betriebliche Altersversorgung in Form einer Direktversicherung ab. Außerdem meldete er die Klägerin als Beschäftigte bei der Beklagten, deren Mitglied die Klägerin bis zum 31. Dezember 2009 war, und führte für sie Sozialversicherungsbeiträge und Lohnsteuer ab. Bei einer Betriebsprüfung durch die Beklagte 2001 sowie einer Lohnsteueraußenprüfung beim Beigeladenen zu 4) durch das zuständige Finanzamt 2002 legte der Beigeladene zu 4) den Prüfern Unterlagen vor, aus denen diese auf das Bestehen eines Ehegatten-Beschäftigungsverhältnisses schlossen. Weder der Beigeladene zu 4) noch die Klägerin haben dieses Ergebnis beanstandet. Auf ihren Antrag erhielt die Klägerin von der Beklagten 2000 und 2004 Mutterschaftsgeld.
Im Februar 2005 beantragten die Klägerin und der Beigeladene zu 4) bei der Beklagten die Überprüfung des sozialversicherungsrechtlichen Status der Klägerin. In einem „Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung eines Beschäftigungsverhältnisses zwischen Angehörigen (im folgenden: Feststellungsbogen)“ gaben die Klägerin und der Beigeladene zu 4) übereinstimmend an: Die Klägerin arbeite im Betrieb des Beigeladenen zu 4) als Buchhalterin an 6 Tagen mit einer Arbeitszeit von 50 Stunden auf Grund einer arbeitsvertraglichen Vereinbarung. Sie erhalte hierfür ein Arbeitsentgelt von 1.329,36 €, das dem tariflichen bzw. ortsüblichen Entgelt entspreche und ihr auf eine privates Bankkonto überwiesen werde; das Entgelt werde als Betriebsausgabe gebucht und hierfür Lohnsteuer entrichtet. Zu den Aufgaben der Klägerin gehöre die „Buchhaltung mit Bankvollmacht und Weisungsbefugnis und Personalwesen“. Sie sei in den Betrieb wie eine fremde Arbeitskraft eingegliedert; ohne ihre Mitarbeit müsste eine fremde Arbeitskraft eingestellte werden. An Weisungen des Betriebsinhabers sei sie nicht gebunden und könne ihre Tätigkeit aufgrund ihrer Fachkenntnisse frei bestimmen und gestalten. Die Mitarbeit sei aufgrund familienhafter Mitarbeit durch ein gleichberechtigtes Nebeneinander zum Betriebsinhaber geprägt. Ihr stehe ein Anspruch auf Urlaub von 30 Arbeitstagen und ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für mindestens sechs Wochen zu. Der Betrieb des Beigeladenen zu 4) werde als „Personengesellschaft/Einzelunternehmen“ geführt, an dem die Klägerin nicht beteiligt sei. Sie habe allerdings für den Betrieb eine Bürgschaft übernommen. Die Betriebsstätte sei gemietet, Mieter sei der Beigeladene zu 4). Die Klägerin und der Beigeladene zu 4) vertraten aufgrund dieser Tatsachen die Auffassung, dass die Klägerin im Betreib des Beigeladenen zu 4) nicht abhängig beschäftigt sei; ihre eigenständige und weisungsfreie Tätigkeit im Betrieb des Beigeladenen zu 4), die durch die Führung des Unternehmens im kaufmännischen Bereich geprägt worden sei, belege eine typische Unternehmereigenschaft. Die ihr durch den Arbeitsvertrag eingeräumten Arbeitnehmerrechte habe sie im Wesentlichen nicht in Anspruch genommen. Deshalb komme es auf den Arbeitsvertrag nicht an, der nie „gelebt“ worden sei.
Mit Bescheid vom 14. Dezember 2005, bestätigt durch den Widerspruchsbescheid vom 10. August 2006, stellte die Beklagte fest, dass die von der Klägerin im Betrieb des Beigeladenen zu 4) verrichtete Arbeit im Rahmen abhängiger Beschäftigung ausgeübt werde und deshalb der Versicherungspflicht zur Kranken-, Pflege-, und Rentenversicherung sowie der Beitrags- bzw. Versicherungspflicht zur Arbeitslosenversicherung unterliege. Die dagegen erhobene Klage hat das Sozialgericht Potsdam nach Anhörung der Klägerin sowie der Vernehmung von zwei ehemaligen und zwei gegenwärtigen Beschäftigten des Betriebes des Beigeladnen zu 4) als Zeugen mit Urteil vom 18. November 2008 abgewiesen.
Gegen das ihr am 12. Januar 2009 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 12. Februar 2009 Berufung eingelegt. Zur Begründung macht sie unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens geltend: Die Klägerin sei unternehmerisch tätig und nicht weisungsgebunden. Sie habe schon allein durch die Bürgschaftsübernahme persönliche Risiken übernommen. Außerdem sei sie nicht in den Betrieb des Beigeladenen zu 4) wie eine fremde Arbeitskraft eingegliedert. Sie erhalte keine Weisungen vom Beigeladenen zu 4): Dieser lege weder die zu erledigenden Arbeiten, noch den Ort, den Beginn bzw. das Ende der Arbeiten fest, die die Klägerin nicht in den Betriebsräumen, sondern von zu Hause aus verrichte. Die Klägerin treffe insbesondere alle Personalentscheidungen für die Firma des Beigeladenen zu 4) selbständig. Für die Einstellung und Kündigung von Mitarbeitern sei sie ausschließlich zuständig. Hierzu hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 15. Februar 2012 Arbeitsverträge mit den Angestellten Lütge und Schulz vorgelegt, die sie auf der Arbeitgeberseite unterschrieben hat und die als Arbeitgeber den Beigeladenen zu 4) nennen. Auf den zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 4) geschlossenen Arbeitsvertrag komme es schließlich nicht an. Diesen hätten die Eheleute nur auf Anraten des Steuerberaters geschlossen und in der Praxis nicht umgesetzt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 18. November 2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 14. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. August 2006 zu ändern und festzustellen, dass sie seit dem 1. Mai 1997 bis zum 31. Dezember 2009 bei dem Beigeladenen zu 4) nicht versicherungspflichtig beschäftigt gewesen ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen; sie hält das sozialgerichtliche Urteil für zutreffend.
Die übrigen Beteiligten haben sich zur Sache nicht geäußert und keine Anträge gestellt.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen sowie wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden.
Die Berufung der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet. Das Urteil des Sozialgerichts ist zutreffend. Der angefochtene Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Denn die Beklagte hat in diesem Bescheid rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die Klägerin in der Zeit vom 1. Mai 1997 bis zum 31. Dezember 2009 bei dem Beigeladenen zu 4) versicherungspflichtig beschäftigt gewesen ist.
Maßgeblich für die Beurteilung der streitigen Fragen sind im vorliegenden Fall § 5 Abs. 1 Nr. 1 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches hinsichtlich der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung, § 20 Abs. 1 des Elften Buches des Sozialgesetzbuches hinsichtlich der Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung, § 1 Satz 1 Nr. 1 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches hinsichtlich der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und § 168 Abs. 1 Arbeitsförderungsgesetz bzw. §§ 24 Abs. 1, 25 Abs. 1 des Dritten Buches des Sozialgesetzbuches hinsichtlich der Beitrags- und Versicherungspflicht nach dem Recht der Arbeitsförderung. Diese Vorschriften setzen jeweils ein Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 des Vierten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB IV) voraus. Hiernach ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind gemäß Satz 2 dieser Vorschrift die Tätigkeit nach Weisungen und die Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.
1) Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitsgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand anhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung.
Das Gesamtbild bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine "Beschäftigung" vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine – formlose – Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist (BSG, ständige Rechtsprechung seit dem Urteil vom 25. Januar 2006, B 12 KR 30/04 R, veröffentlicht in juris).
Abgrenzungskriterien zwischen abhängiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit bei Familienangehörigen sind nach der Rechtsprechung darüber hinaus u.a. die Eingliederung in den Betrieb, das (ggf. abgeschwächte) Weisungsrecht des Unternehmers und ein Unternehmerrisiko, das sowohl Gewinnchancen als auch Verlustrisiken umfasst. Darüber hinaus ist zu prüfen, ob das gezahlte Entgelt der Lohnsteuerpflicht unterliegt, als Betreibsausgabe verbucht und dem Angehörigen zur freien Verfügung ausgezahlt wird und schließlich, ob der Angehörige eine fremde Arbeitskraft ersetzt.
2) Hieran gemessen erweist sich die Tätigkeit der Klägerin für den Beigeladenen zu 4) als abhängige Beschäftigung.
a) Ausgangspunkt ist zunächst das Vertragsverhältnis zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 4). Diese haben einen schriftlichen Arbeitsvertrag geschlossen, der alle Elemente zur Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses enthält (Arbeitsentgelt, Arbeitszeit, Probezeit, Urlaubsanspruch, Kündigungsfrist, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für 6 Wochen). Die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses wird auch durch die von dem Beigeladenen zu 4) zugunsten der Klägerin abgeschlossenen Direktversicherung belegt. Direktversicherungen i.S.v. § 1b Abs. 2 des Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (BetrAVG) werden typischerweise vom Arbeitgeber für seine Arbeitnehmer abgeschlossen. Nach dem Vorbringen der Eheleute hat die Klägerin die nach dem Arbeitsvertrag geschuldeten Arbeitsleistungen erbracht und dafür nach den Feststellungen der Beklagten und den Angaben der Eheleute ein Arbeitsentgelt erhalten, das zwischen 3.941,67 DM im Jahr 1999 und 1.329,36 € im Februar 2005 lag. Bezogen auf eine geschuldete Arbeitszeit von 38,5 Stunden entspricht dieses Gehalt etwa dem, das an die Angestellten des Betriebs des Beigeladenen zu 4) gezahlt wurde, weshalb die Eheleute dieses Entgelt im Feststellungsbogen auch selbst als tariflich bzw. ortsüblich bezeichnete haben. b) Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin zu Beginn ihrer Tätigkeit als versicherungspflichtig Beschäftigte zur Sozialversicherung angemeldet, aus dem ihr gezahlten Entgelt seither durchgängig nicht nur Sozialversicherungsbeiträge, sondern auch Lohnsteuer entrichtet und darüber hinaus dieses Entgelt durch den Beigeladenen zu 4) auch als Betriebsausgabe verbucht wurde. Diese Umstände wie die Geltendmachung von Mutterschaftsgeld für zwei Kinder lassen nur den Schluss zu, dass die Klägerin und der Beigeladene zu 4) nicht nur bei Aufnahme der Tätigkeit im Jahre 1997, sondern auch noch danach, eine abhängige und somit sozialversicherungspflichtige Beschäftigung wollten. Gerade die Verbuchung der Vergütung und die Entrichtung von Lohnsteuer stellen bei der Arbeits-/Dienstleistung unter Familienangehörigen ein starkes Indiz für eine abhängige Beschäftigung dar. Werden die Bezüge nicht – wie für den Unternehmerlohn typisch – als Privatentnahmen, sondern als Betriebsausgaben verbucht und versteuert, so haben die Vertragspartner damit für den Bereich des Steuerrechts eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass der zur Dienstleistung Verpflichtete als Arbeitnehmer tätig sein soll. Wird steuerlich von einem Arbeitsverhältnis ausgegangen, so wird regelmäßig auch für den Bereich der Sozialversicherung von einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis ausgegangen werden können.
Dass diese ursprünglichen, auf ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis abzielenden schriftlichen Vereinbarungen von den Eheleuten in der Folgzeit in rechtlich erheblicher Weise geändert wurden, ist schon ihrem Vorbringen nicht zu entnehmen, für den Senat aber auch im Übrigen nicht erkennbar. Insbesondere haben sie, obwohl dies nach ihrem Vorbringen nahe gelegen hätte, offensichtlich keinen – auch in mündlicher Form möglichen – Gesellschaftsvertrag geschlossen. Denn hätten sie dies ernsthaft gewollt, hätten sie konsequenterweise die Klägerin als abhängig Beschäftigte abgemeldet und ihre Arbeits-/Dienstleistung auch steuerlich anders gehandhabt. Die Weiterführung des anfänglich beabsichtigten abhängigen Beschäftigungsverhältnisses belegt vielmehr, dass eine (Mit-)Unternehmerstellung der Klägerin gerade nicht gewollt war; dementsprechend haben die Eheleute den Betrieb des Beigeladenen zu 4) im Feststellungsbogen auch als Einzelunternehmen bezeichnet und angegeben, dass die Klägerin an dem Betrieb nicht beteiligt sei. Dass die Klägerin und der Beigeladene zu 4) ein Beschäftigungsverhältnis zur Erbringung der Ehegattenarbeitsleistung nur auf Anraten des Steuerberaters gewählt haben, ist dagegen ohne Bedeutung. Denn die Eheleute haben sich an die Empfehlung des Steuerberaters gehalten, gerade weil sie Alternativen für die Gestaltung ihrer rechtlichen Beziehungen nach ihrem Vorbringen nicht gesehen haben.c) Diese rechtliche Würdigung wird durch zahlreiche weitere Aspekte gestützt.
aa) So unterlag die Klägerin dem (eingeschränkten) Weisungsrecht ihres Ehemannes. Zwar haben die Klägerin und der Beigeladene zu 4) vorgetragen, dass sie alle betrieblichen Entscheidungen gemeinsam getroffen haben. Auch wurden der Klägerin die eigenverantwortliche Führung des kaufmännischen Bereichs des Betriebes, einschließlich der Bankgeschäfte und vor allem der Entscheidungen im Personalwesen übertragen. Ferner konnte sie – dies unterstellt der Senat ohne nähere Prüfung aufgrund des Vorbringens der Klägerin – ihre Tätigkeit hinsichtlich Zeit, Ort und Art frei gestalten. Allerdings ist bei der Übernahme von Leitungsaufgaben sowie zwischen Ehegatten die Abhängigkeit im Allgemeinen weniger stark ausgeprägt, sodass das Weisungsrecht regelmäßig nur mit gewissen Einschränkungen ausgeübt wird (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2002, B 7 AL 34/02 R, veröffentlicht in juris), ohne dass dies der Annahme einer abhängigen Beschäftigung entgegenstünde. Darüber hinaus war die Klägerin bei den zu treffenden Personalentscheidungen von den Informationen und Hinweisen ihres Ehemannes abhängig und konnte sich deshalb einer Kontrolle der Erledigung dieser Aufgaben durch ihn niemals vollständig entziehen, weil sie nicht in der Betriebsstätte, sondern zu Hause arbeitete. Die von ihr abgeschlossenen Arbeitsverträge nennen außerdem nur ihren Ehemann als Arbeitgeber und Vertragspartner, so dass ihre Stellung im Hinblick auf diese Entscheidungen nicht der einer Mitunternehmerin, sondern eines (leitenden) kaufmännischen Angestellten oder Prokuristen entspricht. Schließlich haben Einschränkungen des Weisungsrechts zwischen Eheleuten im Regelfall lediglich in „ruhigen Zeiten“ Bestand. Wenn infolge eines Zerwürfnisses oder anderer Konflikte die familiären Rücksichtsnahmen ihr Ende haben, ist der Betriebsinhaber nicht gehindert, die bereits übertragen Betriebsbereiche wieder an sich zu ziehen. Er kann von dem ihm zustehenden Weisungs- und Kündigungsrecht wieder Gebrauch machen. Dass eine solche Befugnis des Beigeladenen zu 4) ausgeschlossen sein und der Klägerin dadurch eine nicht entziehbare Rechtsmacht über das Schicksal des Betriebes eingeräumt werden sollte, ist ihrem Vorbringen nicht zu entnehmen. Es ist daher folgerichtig, eine von Anfang an latent vorhandene Rechtsmacht auch dann für eine abhängige Beschäftigung ausschlaggebend sein zu lassen, wenn von ihr konkret noch kein Gebrauch gemacht worden ist (Hessisches LSG, Urteil vom 27. Oktober 2011, L 8 KR 175/09, veröffentlicht in Juris).
bb) Darüber hinaus trug die Klägerin kein Unternehmensrisiko für den Betrieb ihres Ehemannes. Sie war daran nicht beteiligt, sodass sie unmittelbar weder für Verluste haften musste, noch unmittelbar vom Gewinn des Betriebs profitierte. Vielmehr erhielt sie für ihre Tätigkeit ein regelmäßiges, monatliches Arbeitsentgelt.
An der Beurteilung des Unternehmensrisikos ändert auch die Tatsache nichts, dass die Klägerin für Darlehen ihres Ehemannes Bürgschaften übernommen hat. Denn diese Bürgschaften beruhen auf der Geschäftspraxis der Banken, den Ehegatten eines Darlehensnehmers neben diesem in Anspruch nehmen zu können, um u.a. leichter auf Vermögen zurückgreifen zu können, das die Eheleute gemeinschaftlich erworben haben. Die Übernahme einer Bürgschaft ist deshalb kein Beleg einer Mitunternehmerstellung, sondern Ausdruck familienhafter Unterstützung des Ehegatten des Betriebsinhabers, zumal sie regelmäßig auch ohne Mitarbeit des Ehegatten von den Banken verlangt wird. Das gilt auch für die Übernahme einer Vertrauensstellung im Betrieb mit der Übernahme damit im Zusammenhang stehender Aufgaben, der häufigen Überschreitung des zeitlichen Umfangs der geschuldeten Arbeitsleistung und der Differenz zwischen dem geschuldeten zum tatsächlich gezahlten Arbeitsentgelt, wie sie auch von der Klägerin vorgetragen werden. Diese Elemente familienhafter Mithilfe wirken zwar in das Beschäftigungsverhältnis der Eheleute hinein, ohne jedoch als Rechtsgrund der Arbeitsleistungen im Rahmen unterhaltsrechtlicher Hilfs- und Unterstützungsleistungen ausschlaggebend zu werden. Dies schließt schon die Höhe des an die Klägerin gezahlten Entgelts aus, das über ein Taschengeld oder eine bare Unterhaltsleistung für kleinere Anschaffungen weit hinausgeht. Vor allem prägen die oben dargestellten Elemente des Beschäftigungsverhältnisses die Rechtsbeziehungen der Eheleute im Rahmen der vom Senat vorzunehmenden Gesamtbetrachtung. Denn die Tatsache, dass die Klägerin nach ihrem Vorbringen Ansprüche aus dem zwischen den Eheleuten geschlossenen Arbeitsvertrag zwar längere Zeit möglicherweise nicht geltend gemacht hat, bedeutet nicht, dass sie auf diese Ansprüche auch endgültig verzichtet hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Revision ist nicht zugelassen worden, weil die Zulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.