Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 6. Senat | Entscheidungsdatum | 27.11.2019 | |
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Aktenzeichen | OVG 6 A 8.18 | ECLI | ECLI:DE:OVGBEBB:2019:1127.6A8.18.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 15 KitaG BB, § 2 Abs 1 Buchst o KitaG§16Abs2uaV BB, § 16 KitaG BB |
Zur Rechtmäßigkeit einer Kita-Gebührensatzung
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Antragsteller können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Antragsgegnerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Die insgesamt 30 Antragsteller wenden sich gegen die Satzung der Gemeinde S... für die Inanspruchnahme von kommunalen Kinderbetreuungsleistungen in Kindertagesstätten und anderen Angeboten sowie über die Erhebung von Elternbeiträgen in der Fassung der 1. Änderungssatzung vom 13. Dezember 2017 (Amtsblatt für die Gemeinde S... Nummer 13/17 vom 20. Dezember 2017, S. 2), die am 1. Januar 2018 in Kraft getreten ist.
Mit dieser Satzung wurde die Satzung der Gemeinde für die Inanspruchnahme von kommunalen Kinderbetreuungsleistungen in Kindertagesstätten, Tagespflegestellen und anderen Angeboten sowie über die Erhebung von Elternbeiträgen vom 14. September 2016 (Amtsblatt für die Gemeinde S..., Nr. 07/16 vom 6. Oktober 2016), die am 1. Januar 2017 Kraft getreten war, geändert. Dabei blieben die Regelungen zur Kindertagesbetreuung unverändert, eine erneute Kalkulation der Elternbeiträge wurde nicht vorgenommen. Mit den beschlossenen Änderungen wurden die in der Vorgängerfassung enthaltenen Regelungen über Tagespflegestellen gestrichen, nachdem der Landkreis D... als insoweit zuständiger örtlicher Träger der öffentlichen Jugendhilfe durch Satzung vom 18. Oktober 2017 eigene Regelungen über die Inanspruchnahme von Tagespflegestellen getroffen hatte.
Zur Begründung des am 28. November 2018 bei Gericht eingegangenen Normenkontrollantrags tragen die Antragsteller vor: Die Änderungssatzung hätte einer erneuten Kalkulation der Elternbeiträge bedurft. Es ergebe sich eine Kostenüberdeckung, da von 251,80 Euro durchschnittlichen Kosten pro Platz auszugehen sei, die Elternbeiträge aber bis zu 320 Euro monatlich betragen würden. Bei den zugrunde gelegten Personalkosten seien die Zuwendungen des Landkreises nicht berücksichtigt worden. Bei der Kalkulation seien Kosten für Miete/Pacht/AfA für Gebäude i.H.v. 244.663,45 Euro, für technisches Personal (Hausmeister- und Reinigungskosten) i.H.v. 641.872,17 Euro und für allgemeine Verwaltungskosten i.H.v. 563.642,99 Euro, insgesamt 1.450.178,61 Euro, nicht nachvollziehbar belegt. Die Kalkulation verstoße wegen der Zusammenfassung der Kosten für Krippe-, Kita- und Hortgebühren gegen das Typisierungsverbot. Die Kosten hätten für die einzelnen Einrichtungen aufgeschlüsselt nach Betreuungsart differenziert kalkuliert werden müssen. Soweit Kosten für Grundstück und Gebäude und deren Bewirtschaftung eingestellt worden seien, gebe es hierfür keine Rechtsgrundlage. Nach § 16 Abs. 3 KitaG Bbg sei die Gemeinde verpflichtet, diese Kosten zu tragen. Hierzu zählten auch die Kosten für Gebäudereinigung, Gartenpflege und Hausmeistertätigkeiten. Unklar bleibe auch, wie die Abgrenzung der Gebäudekosten in den Einrichtungen erfolgt sei, die auch für andere Zwecke genutzt würden. Die Einstellung von allgemein Verwaltungskosten i.H.v. 10 % der Kosten des pädagogischen Personals sei unzulässig. Fiktive Kosten dürften nicht in Ansatz gebracht werden. Einsatzfähig seien zudem allenfalls Verwaltungskosten, die in einem konkreten Zusammenhang mit der Kinderbetreuung stünden. Die Antragsgegnerin bringe auch Personalkosten in Ansatz, für die es keine Rechtsgrundlage gebe. Außerdem müsse dem Grundsatz der Belastungsgleichheit der Abgabepflichtigen Rechnung getragen werden. Dieser Grundsatz schließe eine Pflicht zur nachvollziehbaren Kalkulation ein.
Die Antragsteller beantragen,
die Satzung der Antragsgegnerin für die Inanspruchnahme von kommunalen Kinderbetreuungsleistungen in Kindertagesstätten und anderen Angeboten sowie über die Erhebung von Elternbeiträgen vom 13. Dezember 2017 für unwirksam zu erklären.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angegriffene Satzung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Streitakte sowie der Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
I. Der Normenkontrollantrag hat keinen Erfolg. Dabei kann dahinstehen, ob er hinsichtlich aller 30 Antragsteller zulässig ist, weil nicht dargelegt ist, dass die Kinder sämtlicher Antragsteller Tagesbetreuungseinrichtungen der Antragsgegnerin besuchen bzw. insoweit offene Gebührenstreitigkeiten bestehen. Der Senat hat keine Zweifel, dass ein Teil der Antragsteller ein oder mehrere Kinder in solchen Einrichtungen betreuen lässt.
Der Antrag ist jedenfalls unbegründet. Die Satzung ist mit höherrangigem Recht vereinbar. Die Antragsteller vermögen mit ihren Einwendungen nicht durchzudringen.
1. Ohne Erfolg machen sie geltend, die Satzung sei nichtig, weil die Elternbeiträge nicht neu kalkuliert worden seien.
Weder das SGB VIII noch das KitaG enthält Vorgaben hinsichtlich des Referenzzeitraums, der zur Kalkulation der Elternbeiträge zugrunde zu legen ist. Es steht daher grundsätzlich im Ermessen der Gemeinde, den entsprechenden Referenzzeitraum festzulegen. Dass die Antragsgegnerin dieses Ermessen fehlerhaft ausgeübt hätte, ist weder ersichtlich noch geltend gemacht.
Die Antragsgegnerin hat für die ab 1. Januar 2018 geltende Änderung der Satzung die Elternbeiträge nicht neu kalkuliert, sondern auf den Zeitraum abgestellt, der für die ab 1. Januar 2017 geltende Vorgängerfassung der Satzung zugrunde lag. Das sind die Ausgaben des Jahres 2016. Es ist nicht ersichtlich oder geltend gemacht, weshalb sie gehalten gewesen sein sollte, einen anderen Referenzzeitraum als Grundlage der Kalkulation zu wählen. Dies gilt auch deshalb, weil die ursprüngliche, am 1. Januar 2017 in Kraft getretene Fassung der Satzung hinsichtlich der hier allein interessierenden Regelungen zur Kindertagesbetreuung gänzlich unverändert geblieben ist und die Regelungen jener Satzung zeitlich unbefristet erlassen worden waren, also ohne die erfolgte Streichung der Regelungen zur Kindertagespflege in der ursprünglichen Form weitergegolten hätten. Im Übrigen war die ursprüngliche Fassung Gegenstand einer Normenkontrolle durch den erkennenden Senat, der sie unbeanstandet gelassen hat (Urteil vom 15. Mai 2018 - OVG 6 A 2.17 -).
2. Ein Verstoß gegen das Kostenüberdeckungsverbot liegt entgegen dem Vortrag der Antragsteller nicht vor. Dabei kommt es nicht darauf an, dass der Senat im zitierten Urteil vom 15. Mai 2018 versehentlich von öffentlichen Platzkosten i.H.v. 1.005,63 Euro ausgegangen ist (a.a.O., Rn. 42 bei juris), da dies vom damaligen Standpunkt des Senats ohne Einfluss auf das Entscheidungsergebnis geblieben ist (BVerwG, Beschluss vom 29. März 2019 - 5 BN 1.18 -, Rn. 17 bei juris). Ein Verstoß gegen das Kostenüberdeckungsverbot lässt sich auch nach erneuter Überprüfung nicht feststellen.
Selbst unter Abzug der institutionellen Förderung durch den Landkreis nach § 16 Abs. 2 KitaG, also der Zuschüsse zu den Kosten des notwendigen pädagogischen Personals, bleiben die kalkulierten Platzkosten hinter den Elternbeiträgen zurück.
Nach der vorgelegten Kalkulation belaufen sich die Platzkosten für Krippenkinder bei einer Betreuungszeit von unter sechs Stunden auf 296,19 Euro, der Höchstsatz der Elternbeiträge beträgt 296 Euro. Bei einer Betreuungszeit von über sechs Stunden geht die Antragsgegnerin von Platzkosten von 320,51 Euro aus, der Höchstsatz der Elternbeiträge beträgt 320 Euro. Analog verhält es sich bei den übrigen Betreuungsarten und -zeiten. Der Senat hat erst jüngst eine insoweit vergleichbare Regelung unbeanstandet gelassen und mit Senatsurteil vom 10. Oktober 2019 - OVG 6 A 2.19 – (Rn. 32 bei juris), auf das die Verfahrensbeteiligten in der mündlichen Verhandlung hingewiesen worden sind, ausgeführt:
„Da bei lebensnaher Betrachtung unterstellt werden kann, dass nur ein geringer Teil der Eltern den Höchstbeitrag zahlt, kann von einer Kostenunterdeckung und einem Eigenanteil des Antragsgegners ausgegangen werden, zumal bei Berechnung der Platzkosten die Zuschüsse nach § 16 Abs. 2 KitaG zu den Kosten des pädagogischen Personals kalkulatorisch in Abzug gebracht worden sind. Damit steht zugleich fest, dass keine Eltern, die Höchstbeiträge zahlen, die Kindertagesbetreuung anderer Kinder quer finanzieren.“
Es ist nicht ersichtlich oder geltend gemacht, weshalb dies im vorliegenden Fall anders zu sehen sein sollte.
Soweit die Antragsteller von durchschnittlichen monatlichen Platzkosten von 251,80 Euro ausgehen, lassen sie die unterschiedlichen Betreuungsarten und den unterschiedlichen zeitlichen Umfang der Betreuung unberücksichtigt. Nach der im einzelnen aufgeschlüsselten Kalkulation der Antragsgegnerin decken die durchschnittlichen monatlichen Platzkosten eine Spannbreite von 225,77 Euro für Hortkinder mit einer Betreuungszeit von weniger als vier Stunden täglich bis 320,51 Euro für Krippenkinder mit einer Betreuungszeit von mehr als sechs Stunden täglich ab.
3. Soweit die Antragsteller die der Kalkulation der Antragsgegnerin zugrunde liegenden Kosten für „Miete/Pacht/AfA für Gebäude“ i.H.v. 244.663,45 Euro, für das technische Personal (Hausmeister- und Reinigungskosten) i.H.v. 641.820,17 Euro sowie allgemeine Verwaltungskosten i.H.v. 563.642,99 Euro, insgesamt 1.450.178,61 Euro, beanstanden, rechtfertigt dies keine andere Einschätzung.
Der Senat hatte in seiner Entscheidung vom 15. Mai 2018 (a.a.O., Rn. 22 ff. bei juris) ausgeführt, dass der Satzungsgeber einer Kita-Gebührensatzung bei Zugrundelegung zutreffender Parameter lediglich eine im Ergebnis richtige Satzung schulde. Selbst wenn man mit den Antragstellern davon ausgehe, dass diese Kosten nicht nachvollziehbar dargelegt seien und man weiter diese dem Grunde nach berücksichtigungsfähigen Kosten zugunsten der Antragsteller in voller Höhe kalkulatorisch unberücksichtigt ließe, käme es nicht zu einer Kostenüberdeckung. Denn nach der vorgelegten Kalkulation betrage der von der Gemeinde getragene Eigenanteil an den Kosten der Kindertagesbetreuung 1.873.574,97 Euro. Dieser Eigenanteil werde selbst bei einer Addition der beanstandeten Posten nicht aufgezehrt. Er beliefe sich dann noch immer auf 423.396,36 Euro. Hieran ist auch nach erneuter Überprüfung festzuhalten.
4. Soweit die Antragsteller meinen, die Elternbeiträge hätten für die einzelnen Betreuungsarten unterschiedlich kalkuliert werden müssen, da sie anderenfalls eine unzulässige Typisierung darstellten, ist dies nicht nachvollziehbar. Die Kalkulation der Kosten ist nach Betreuungsart und Betreuungsumfang aufgeschlüsselt und insoweit differenziert. Eine einrichtungsscharfe Ermittlung der monatlichen Platzkosten ist nicht erforderlich.
Dass die Antragsgegnerin bei den Sachkosten nicht zwischen Betreuungsarten und zeitlichem Betreuungsumfang differenziert hat, sondern die gesamten Sachkosten auf die durchschnittliche Anzahl der betreuten Kinder umgerechnet hat, ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Die Antragsgegnerin hat hierzu in der mündlichen Verhandlung zutreffend darauf hingewiesen, dass die Sachkosten im Wesentlichen in der Unterhaltung der Gebäude und dem hierfür erforderlichen Personalbedarf bestehen und unabhängig von der jeweiligen Anzahl der betreuten Kinder und der Betreuungsart anfallen.
5. Ohne Erfolg wenden die Antragsteller weiter ein, die grundstücks- und gebäudebezogenen Kosten seien entsprechend dem in § 16 Abs. 3 Satz 1 KitaG zum Ausdruck kommenden Rechtsgedanken von der Gemeinde zu tragen und dürften deshalb nicht (nochmals) in die Berechnung der Elternbeiträge einfließen. Dem ist aus den Gründen des Senatsurteils vom 10. Oktober 2019 - OVG 6 A 2.19 - (Rn. 22 ff. bei juris), auf die verwiesen wird, nicht zu folgen.
6. Soweit die Antragsteller sich gegen die Berücksichtigung allgemeiner Verwaltungskosten i.H.v. 563.642,99 Euro wenden, ist dies aus den unter 3. dargelegten Gründen vorliegend nicht relevant für das Ergebnis der Entscheidung. Dessen ungeachtet bestehen keine Bedenken, die allgemeinen Personalkosten in die Kalkulation einzubeziehen.
Gemäß § 2 Abs. 1 Buchst. o) KitaBKNV zählen zu den Sachkosten die zur Führung einer Kindertagesstätte sonstigen notwendigen Verwaltungskosten des Trägers. Diese umfassen auch die Sachkosten der allgemeinen Verwaltung, die anteilig auf die Verwaltung der Betreuungseinrichtung entfallen (vgl. Senatsurteile vom 6. Oktober 2017 - OVG 6 A 15.15 -, Rn. 32 bei juris, und vom 22. Mai 2019 - OVG 6 A 6.17 -, Rn. 43 bei juris). Hinsichtlich der Personalkosten gilt nichts Anderes. Auch insoweit erweist sich die allgemeine Kita-Verwaltung als notwendig. Es ist weder substanziiert vorgetragen noch ersichtlich, dass die in der Beitragskalkulation von der Antragsgegnerin zugrunde gelegten Verwaltungskosten unzutreffend sein könnten. Dass diese Kosten nicht im Einzelnen ermittelt, sondern als Pauschale i.H.v. 10 % des notwendigen pädagogischen Personals kalkuliert wurden, hält der Senat im Rahmen des dem Satzungsgeber grundsätzlich zustehenden Ermessensspielraums für zulässig.
7. Ohne Erfolg bleibt auch der Einwand der Antragsteller, die Kalkulation sei nicht nachvollziehbar und verletze deshalb den Grundsatz der Belastungsgleichheit der Abgabepflichtigen.
Die Antragsteller weisen in diesem Zusammenhang auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 19. März 2003 - 2 BvL 9/98 - (BVerfGE 108, 1 ff.) zur Rechtmäßigkeit der an den Universitäten Baden-Württembergs eingeführten Rückmeldegebühr hin. Der Senat hat bereits in dem mehrfach zitierten Urteil vom 15. Mai 2018 zur vorherigen Fassung der hier streitigen Satzung ausgeführt, dass sich aus dieser Entscheidung keine Rückschlüsse zugunsten der Antragsteller ziehen lassen (a.a.O., Rn. 21 bei juris). Hieran hält er fest.
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10, § 711 der Zivilprozessordnung.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.