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Berufsunfähig - Schlosser - Leitplankenmonteur


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 27. Senat Entscheidungsdatum 04.12.2013
Aktenzeichen L 27 R 3/12 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 240 SGB 6

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 21. November 2011 aufgehoben.

Die Beklagte wird unter Aufhebung ihres Bescheides vom 16. Oktober 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Juni 2010 verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 1. April 2010 bis zum 31. März 2013 und vom 1. April 2013 bis zum 31. März 2016 Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu gewähren.

Die Beklagte hat dem Kläger dessen notwendige außergerichtliche Kosten des gesamten Verfahrens in vollem Umfang zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.

Der im Jahre 1958 geborene Kläger absolvierte in der DDR eine zweijährige Schlosserlehre und schloss diese mit der Prüfung zum Fahrzeugschlosser ab. Er war sodann durchgängig als Schlosser beschäftigt und zuletzt als Kolonnenführer bei der Montage von Schutzplanken eingesetzt.

Am 3. September 2009 beantragte er bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Mit Bescheid vom 16. Oktober 2009 und Widerspruchsbescheid vom 11. Juni 2010 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, der Kläger könne noch vollschichtig erwerbstätig sein.

Mit seiner zu dem Sozialgericht Cottbus erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiter verfolgt. Das Sozialgericht hat eine Arbeitgeberauskunft des letzten Arbeitgebers des Klägers eingeholt. Aufgrund richterlicher Beweisanordnung hat am 9. Mai 2011 der Facharzt für Orthopädie Dr. E ein medizinisches Sachverständigengutachten erstattet. Darin ist er zu der Einschätzung gelangt, der Kläger könne körperlich leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten mit weiteren qualitativen Einschränkungen vollschichtig verrichten. Aufgrund der degenerativen Veränderungen an den Händen und an der Wirbelsäule könne er aber seine Tätigkeiten als Betriebsschlosser oder als Leitplankenmonteur nicht mehr ausüben.

Mit Urteil vom 21. November 2011 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen: Zwar habe der Kläger einen Lehrberuf erlernt, aber er habe sich von diesem Lehrberuf gelöst. Der zuletzt ausgeübte Beruf des Leitplankenmonteurs oder Kolonnenführers bei der Leitplankenmontage sei ein Anlernberuf, weshalb der Kläger auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen werden könne. Hier sei er vollschichtig einsetzbar.

Gegen dieses ihm am 29. November 2011 zugestellte Urteil hat der Kläger am 16. Dezember 2011 Berufung eingelegt. Er macht geltend, er habe sich niemals von seinem Lehrberuf gelöst. Er sei weiterhin als Facharbeiter einzustufen, die bisherige Tätigkeit könne er nicht mehr ausüben, weshalb er als berufsunfähig anzusehen sei.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 21. November 2011 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 16. Oktober 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Juni 2010 zu verurteilen, dem Kläger ab dem 1. April 2010 Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Der Kläger habe seinen Berufsschutz als Facharbeiter verloren, weil er sich von seinem erlernten Beruf gelöst habe. Hilfsweise könne er jedenfalls auf die Berufe eines Kontrolleurs in der Metall- und Elektroindustrie oder eines Lagerfacharbeiters verwiesen werden.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Verwaltungsakten der Beklagten, welche im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die Berufung des Klägers ist zulässig, insbesondere statthaft gemäß §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG), sie ist in der Sache auch begründet. Das angefochtene Urteil und die angefochtenen Bescheide waren aufzuheben, denn dem Kläger steht die beantragte Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß § 240 Sozialgesetzbuch/Sechstes Buch (SGB VI) zu. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach § 240 Absatz 1 SGB VI sind erfüllt und befinden sich auch nicht im Streit. Zur Überzeugung des Senats nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens, § 128 Absatz 1 Satz 1 SGG, ist der Kläger auch berufsunfähig im Sinne des § 240 Absatz 2 SGB VI.

Der Kläger genießt den Berufsschutz eines Facharbeiters, denn er hat sich von seinem erlernten Beruf eines Schlossers nicht gelöst. Die zweijährige Lehrausbildung als Schlosser während des Bestehens der DDR steht insoweit einer dreijährigen Lehrausbildung gleich. Auch wenn der Facharbeiter-Brief des Klägers auf die Bezeichnung Fahrzeugschlosser lautet, schließt dies die allgemeine Qualifikation als gelernter Schlosser insgesamt ein.

Zur Überzeugung des Senats hat sich der Kläger auch zu keinem Zeitpunkt von diesem erlernten Beruf gelöst. So hat er zunächst während des größten Teils seines Berufslebens als Schlosser gearbeitet. Auch die zuletzt ausgeübte berufliche Tätigkeit als Leitplankenmonteur oder Vorabeiter bei der Leitplankenmontage stellt keine Loslösung vom Beruf eines Schlossers dar. Zwar ist die Leitplankenmontage für sich genommen eine Tätigkeit, die auch von angelernten Kräften wahrgenommen werden kann und wird. Indessen stellt sie weiterhin einen Teilbereich all der Tätigkeiten dar, die zum Berufsbild des Schlossers insgesamt zählen. Das Berufsbild des Schlossers wird insoweit nicht verlassen, sondern lediglich in Form einer berufsinternen Spezialisierung wahrgenommen.

Der Kläger kann auch nicht in sozial zumutbarer Weise auf andere berufliche Tätigkeiten verwiesen werden. Zuletzt hat die Beklagte den Kläger auf zwei gesonderte Berufe verwiesen, zugleich aber auch deutlich gemacht, weitere Verweisungsberufe könnten nicht benannt werden. Indessen kommen die benannten Berufe eines Kontrolleurs in der Metall- und Elektroindustrie und eines Lagerfacharbeiters aus jeweils unterschiedlichen Gründen für den Kläger nicht in Betracht:

Der Beruf eines Kontrolleurs in der Metall- und Elektroindustrie kann vom Kläger nicht innerhalb einer zumutbaren Anlernzeit erlernt werden, weil der Kläger über keine Vorkenntnisse oder Erfahrungen auf dem Gebiet der elektronischen Datenverarbeitung verfügt, die er für einen Anlernvorgang zu diesem Beruf benötigen würde. Im Hinblick auf die Tätigkeit eines Lagerfacharbeiters fehlen dem Kläger einige der körperlichen Voraussetzungen. Insbesondere nach den fachärztlichen Feststellungen des Orthopäden Dr. E in dessen vom Sozialgericht eingeholten Sachverständigengutachten sind Arbeiten mit Anforderungen an die grobe Kraft der Hände rechts deutlich eingeschränkt, ebenso Arbeiten mit Anforderungen an die Halte- und Greiffunktion. Dies zeigt deutlich, dass die von einem Lagerfacharbeiter geforderte Fähigkeit zur Durchführung von Be-, Ent- und Verladevorgängen vom Kläger in wesentlichen Bereichen nicht geleistet werden kann, weil insbesondere seine rechte Hand hierzu nicht mehr die geforderte Leistungsfähigkeit besitzt.

Weitere Verweisungsberufe sind auch von Amts wegen nicht ersichtlich. Soweit die Beklagte Tätigkeitsbeschreibungen auch für Lagerverwalter sowie Lagerverwalter für Prüf- und Messwerkzeuge zu den Akten gereicht hat, hat sie bereits selbst auf eine diesbezügliche Verweisung verzichtet, weil der Kläger die hierfür erforderlichen Mindestvorkenntnisse auf dem Gebiet der elektronischen Datenverarbeitung nicht besitzt.

Der aus dem Tenor ersichtliche Rentenbeginn beruht auf § 101 Absatz 2 SGB VI, die Befristungen waren auszusprechen gemäß § 102 Absatz 2 Satz 2 SGB VI.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und trägt der Tatsache Rechnung, dass der Kläger dem Grunde nach obsiegt hat.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe gemäß § 160 Absatz 2 SGG nicht ersichtlich sind.