Gericht | VG Potsdam 6. Kammer | Entscheidungsdatum | 27.12.2011 | |
---|---|---|---|---|
Aktenzeichen | VG 6 L 811/11.A | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 23 AsylVfg |
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Der Antrag, mit dem der Antragsteller die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die Abschiebungsandrohung im Bescheid der Antragsgegnerin vom 4. November 2011 verfolgt, ist zulässig, aber nicht begründet.
Nach § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG darf die Aussetzung der Abschiebung nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen. Solche ernsthaften Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung im angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) bestehen vorliegend jedoch nicht.
Das Bundesamt hat insbesondere zu Recht den Asylantrag des Antragstellers als Folgeantrag gemäß § 71 AsylVfG beurteilt, da dieser zur Anhörung am 26. Juli 2011 nicht erschienen war (§ 23 Abs. 2 AsylVfG). Auf diese Rechtsfolge wurde der Antragsteller schriftlich und gegen Empfangsbestätigung hingewiesen. Der Antragsteller hat am 21. Juli 2011 zur Ladung für den ursprünglich anberaumten Anhörungstermin am 22. Juli 2011 die „Wichtige Mitteilung (Belehrung nach § 14 Abs. 1 und § 23 Abs. 2 AsylVfG)“ in deutscher Schriftsprache erhalten. Hierin wurde der Kläger ausdrücklich auf die Rechtsfolgen einer Terminsversäumung hingewiesen. Dies stellt der Antragsteller durch seine Verfahrensbevollmächtigte auch nicht in Abrede. Unschädlich ist insoweit, dass der Antragsteller diese Belehrung nur in der deutschen Sprache ausgehändigt bekam, ohne dass eine schriftliche Übersetzung in die ihm geläufige russische Sprache beigefügt war, denn dem Antragsteller wurde die Belehrung mündlich übersetzt. Er hat mit seiner Unterschrift bestätigt, den Inhalt verstanden zu haben.
Es ist nicht zu verlangen, dass Belehrungen, hinsichtlich derer das Asylverfahrensgesetz die schriftliche Erteilung vorsieht, auch stets in verschriftlicht übersetzter Form ausgehändigt werden.
Das Bundesverfassungsgericht fordert in ständiger Rechtsprechung (BVerfG BayVBl 1996, 727; BVerfG, Beschluss vom 8. Juli 1996, Az.: 2 BvR 96/95; BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 7. Juni 1994, Az.: 2 BvR 334/94 und 2 BvR 225/94), dass dem Asylbewerber durch eine erläuternde Belehrung mit der gebotenen Deutlichkeit vor Augen geführt werde, welche Obliegenheiten ihn im einzelnen treffen und welche Folgen bei deren Nichtbeachtung entstehen können. Der Hinweis könne sich deshalb zum einen nicht auf die jeweiligen Vorschriften beschränken, sondern müsse sich auf die hieraus folgenden Konsequenzen sowohl im behördlichen Verfahren als auch für die fristgerechte Erlangung gerichtlichen Rechtsschutzes erstrecken. Zum anderen reiche eine bloße Wiedergabe des Gesetzeswortlautes vor dem Hintergrund des Verständnishorizonts des Asylbewerbers nicht aus. Vielmehr bedürfe es einer verständlichen Umschreibung des Inhalts der gesetzlichen Bestimmungen. Diesem Gebot werde in aller Regel schon durch die in der ganz überwiegenden Anzahl der Fälle erforderliche Übersetzung der Vorschriften in eine dem Asylbewerber geläufige Sprache genügt, weil sich dabei allein aus Gründen der Praktikabilität eine sinngemäße, nicht strikt an juristischen Begrifflichkeiten orientierte Übertragung anböte. Insoweit reiche es allerdings aus, dem Asylbewerber, sofern er des Lesens kundig sei, die erforderlichen Hinweise in schriftlicher Form zugänglich zu machen.
Dem genügt die im vorliegenden Fall erfolgte Belehrung. Sie beschränkt sich nicht auf die bloße Wiedergabe von Normen, sondern umschreibt die möglichen Rechtsfolgen laienverständlich. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist gerade nicht die Aushändigung einer schriftlichen Übersetzung der Belehrung verlangt. Diese wird durch das Bundesverfassungsgericht als „ausreichend“, nicht aber als „erforderlich“ bezeichnet (so im Ergebnis auch OVG Hamburg, Beschluss vom 28. September 1994, Az.: Bs V 126/94; a. A. VGH Kassel AuAS 1995, 70). Die Aushändigung einer schriftlichen Übersetzung ist demnach nur eine von mehreren Möglichkeiten, wie die vorgesehenen schriftlichen Hinweise einem des Deutschen unkundigen Asylbewerber zur Kenntnis gebracht werden können. Entsprechend hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung DVBl 1996, 1252 nicht gerügt, dass die dortige Übersetzung der Belehrung ebenfalls nur mündlich erfolgte, sondern sich in seiner Entscheidung darauf gestützt, dass nicht ersichtlich war, ob die mündlich übersetzte Belehrung inhaltlich hinreichend umfassend war. Der Formulierung des Bundesverfassungsgerichts in dieser Entscheidung: „Zwar hat das Verwaltungsgericht festgestellt, die Beschwerdeführer seien vom Dolmetscher (…) darauf hingewiesen worden, daß…“ ist zu entnehmen, dass es keine Bedenken dagegen hatte, dass die Übersetzung nur mündlich vorgenommen worden war.
Das Gebot des § 23 Abs. 2 AsylVfG, den Hinweis auf die Rechtsfolge schriftlich und gegen Empfangsbekenntnis zu erteilen, entfaltet eine Warnfunktion. Dem Asylbewerber wird auf diese Weise verdeutlicht, dass er nun nicht nur „ein Formblatt unter vielen“ erhält. Dieser Warnfunktion wird auch Genüge getan, wenn die Belehrung in deutscher Sprache geschrieben ist. Dem Asylbewerber wird durch das Procedere die Bedeutung des Vorganges und damit die Notwendigkeit, der Übersetzung besondere Aufmerksamkeit zu widmen, bewusst. Sofern der Asylbewerber dies wünscht, wäre er im Übrigen auch nicht gehindert, sich selbst zur Unterstützung seiner Gedächtnisleistung Notizen zu fertigen oder den Dolmetscher um verschriftlichte Stichpunkte zu bitten. So sieht es der Gesetzgeber auch im Rahmen noterieller Beurkundungen mit nicht deutschsprachigen Beteiligten als ausreichend an, wenn die Verschriftlichung (Beurkundung) nur in deutscher Sprache (§ 5 Abs. 1 BeurkG) verbunden mit einer mündlichen Übersetzung (§ 16 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 BeurkG), erfolgt.
Dem Begehren des Antragstellers verhilft auch nicht zum Erfolg, dass die Belehrung nur bei der Ladung für den 22. Juli 2011 erfolgte, nicht aber nochmals bei der erneuten Ladung für den 26. Juli 2011. Jedenfalls wenn der Zweittermin in unmittelbarer zeitlicher Nähe zu der bereits erfolgten Belehrung liegt, genügt es, den Antragsteller einmal auf die entsprechenden Rechtsfolgen hinzuweisen. Zwischen der Belehrung und dem neuen Termin lagen gerade fünf Tage, so dass nicht damit zu rechnen war, dem Antragsteller sei die Belehrung nicht mehr erinnerlich gewesen. Dem Antragsteller war aufgrund der am 21. Juli 2011 erteilten Hinweise am 22. Juli 2011 die Bedeutung des Anhörungstermins bewusst, so dass sich ihm auch die identische Bedeutung des Ausweichtermins nachgerade aufdrängen musste.
Die Terminsversäumung durch den Antragsteller war von grober Fahrlässigkeit, wenn nicht gar von bedingtem Vorsatz getragen. Dem Antragsteller war der Termin vom 26. Juli 2011 bekannt. Er hatte eine Ladung ausgehändigt bekommen, in der der neue Termin nach Datum und Uhrzeit in numerischer Schreibweise bezeichnet war. Diese Schreibweise ist auch im russischen Sprachraum üblich. Es konnte für den Antragsteller nicht zweifelhaft sein, dass dieser Termin der Ersatztermin für den just in diesem Moment ausgefallenen Anhörungstermin sein sollte, auf den sich die bereits erteilte Belehrung bezog. Indem der Antragsteller gleichwohl unmittelbar vor seinem Anhörungstermin nach Potsdam fuhr, ohne sicherzustellen, dass er zuverlässig und rechtzeitig zurück sein würde, hat er die ihm obliegende Sorgfalt in besonders schwerem Maße (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 67. Aufl., § 276 Rn. 14) verletzt. Er hat außer Acht gelassen, was jedem in seiner Situation unmittelbar hätte einleuchten müssen. Entweder fuhr er nach Potsdam, ohne die nötige Barschaft für die Rückreise bei sich zu führen oder er führte diese bei sich, hat sie aber ausgegeben, ohne sich um das Erfordernis der Rückreise zu kümmern. Beides stellte einen besonders groben Sorgfaltsverstoß dar, wenn nicht sogar davon auszugehen ist, dass der Antragsteller billigend in Kauf genommen hat, zum Anhörungstermin nicht zurückreisen zu können.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO und § 83 bAsylVfG.
Der Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylVfG.