Gericht | VG Potsdam 6. Kammer | Entscheidungsdatum | 19.11.2013 | |
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Aktenzeichen | VG 6 K 2704/12.A | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | Art 9 EURL 95/2011, Art 10 EUGrdRCh |
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens; Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Der Kläger, geboren am 5. Mai 1970 in ... /Iran, reiste nach seinen Angaben am 31. Mai 2011 mit einem PKW vom Iran aus in die Türkei und einen Tag später weiter nach Griechenland auf dem Landweg. Er ist am 3. Juni 2011 in einer ihm unbekannten Stadt in Griechenland angekommen und am 7. Juni 2011 mit einem Flugzeug von Thessaloniki aus über Berlin mittels eines gefälschten tschechischen Reisepasses in die Bundesrepublik Deutschland eingereist.
Vor der Bundespolizeidirektion Berlin gab er nach seinem Aufgriff auf dem Flughafen Schönefeld am 7. Juni 2011 an, er sei von den iranischen Behörden verfolgt worden. Er habe mit der grünen Bewegung sympathisiert und gehöre ihr an. Deswegen sei er verfolgt worden und wolle einen Asylantrag in Deutschland stellen. In seiner Heimat habe er einen Laden gehabt und seinen Lebensunterhalt verdienen können.
Er stellte am 21. Juni 2011 einen Asylantrag gegenüber dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im folgenden Bundesamt). Bei seiner vorbereitenden Befragung am selben Tag gab er an, seine Ehefrau und seine beiden Kinder seien in ... geblieben. In seiner Heimat habe er selbstständig als Goldhändler gearbeitet und monatlich 2 bis 3 Millionen Tuman verdient.
Bei seiner Anhörung am 12. September 2012 vor dem Bundesamt in Eisenhüttenstadt gab der Kläger zu Protokoll, neben der Goldverarbeitung und dem Goldhandel habe er zusammen mit einem Partner eine milchverarbeitende Fabrik eröffnen wollen. Er habe hierfür die Genehmigung im Jahr 2003 erhalten. Er habe staatliche Kredite für den Bau der Fabrik aufgenommen. Man habe ihm aber nur zwei Kredite gegeben, obwohl er noch mehr benötigt habe. Er habe einen Widerspruch an die Banken und an die Genehmigungsbehörde gerichtet, aber keine vernünftige Antwort erhalten. Die Fabrik sei schließlich zu 80 % fertig gewesen, als sie den Bau hätten einstellen müssen. Schon ein Jahr nach der Kreditvergabe hätte die Rückzahlung beginnen sollen, aber das habe er nicht erfüllen können, da das Geschäft noch nicht angelaufen sei. Er habe sich gegen die Entscheidung gewehrt, aber das werde im Iran als politischer Akt gewertet. Er habe mit anderen auf Versammlungen dagegen demonstriert, weil infolge der fehlenden Mittelvergabe über 4000 Fabriken geschlossen werden mussten. Zuletzt habe er im April/Mai 2011 vor dem Industrieministerium demonstriert. Es sei für ihn schwer gewesen, weil er viel Zeit und Energie in die Fabrik gesteckt und dafür sogar sein Haus verkauft habe. Sein Leben sei nicht mehr sicher gewesen. Nach Rücksprache mit seiner Familie und engen Freunden seien sie zu dem Schluss gekommen, dass er fliehen müsse. Er stelle den Asylantrag, weil er sich sicher sei, dass er wegen seiner Teilnahme an den Protesten gegen die Regierungspolitik von Sicherheitskräften verfolgt werden würde. Im Übrigen sei er nicht im Iran politisch tätig und auch nicht Mitglied einer Partei oder Organisation gewesen.
Mit Bescheid vom 26. November 2012 lehnte das Bundesamt seinen Asylantrag sowie den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 AufenthG ab. Es könne ihm kein Asylrecht zuerkannt werden, weil er keiner politischen Verfolgung ausgesetzt gewesen sei. Die möglicherweise staatlich verfehlte Kreditvergabe sei kein zielgerichtetes staatliches Handeln gegenüber dem Kläger gewesen, um ihn aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit auszugrenzen. Sie habe an kein asylrelevantes Merkmal des Klägers angeknüpft. Eine Verfolgung wegen seiner Teilnahme an dagegen gerichtete Proteste drohe ihm ebenfalls nicht, da er nicht in herausgehobener Position aufgetreten sei und daher nicht von einer beachtlichen Verfolgungswahrscheinlichkeit ausgegangen werden könne. Es bestehe ebenfalls kein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 AufenthG. Auch eine Gefahr der Todesstrafe oder Folter, sowie andere Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG seien in der Person des Klägers nicht zu besorgen. Zugleich forderte es den Kläger auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen; im Falle der Klageerhebung ende die Ausreisefrist 30 Tage nach dem unanfechtbaren Beschluss des Asylverfahrens. Für den Fall, dass er nicht binnen der gesetzten Frist ausreise, wurde ihm eine Abschiebung in den Iran angedroht.
Der Kläger hat 7. Dezember 2012 Klage erhoben und vor allem auf die ihm im Iran drohende Bestrafung wegen seines zwischenzeitlich erfolgten Glaubenswechsels zum Christentum hingewiesen. Zum Beleg dafür legt er pfarramtliche Bescheinigungen der Evangelisch-Lutherischen Gemeinde St. Marien in ... vom 16. Januar, 31. März und 13. November 2013 sowie auf eine Taufurkunde vom 17. Februar 2013 vor.
Der Kläger beantragt,
1. den Bescheid der Beklagten vom 26. November 2012 aufzuheben,
2. die Beklagte zu verpflichten, den Kläger als Asylberechtigten im Sinne des Artikel 16a Abs. 1 GG anzuerkennen,
3. die Beklagte zu verpflichten, anzuerkennen, dass in der Person des Klägers die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen,
hilfsweise
die Beklagte zu verpflichten anzuerkennen, dass hinsichtlich des Klägers Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG bezüglich der Islamischen Republik Iran vorliegen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist zur Begründung auf den angefochtenen Bescheid vom 26. November 2012.
Die Kammer hat den Rechtstreit mit Beschluss vom 28. Januar 2013 dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen. Einem Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe ist mit Beschluss vom 27. Februar 2013 stattgegeben geworden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgänge des Bundesamtes zum Kläger verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren. Zu der religiösen Überzeugung und Betätigung des Klägers ist ein präsenter Zeuge vernommen worden.
Der Rechtstreit konnte in Abwesenheit der Beklagten nach § 102 Abs. 2 VwGO entschieden werden, da sie zuvor in der Ladung zur mündlichen Verhandlung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist.
Die Klage ist unbegründet, denn der Asylantrag des Klägers ist ebenso wie die Verpflichtungsanträge auf Feststellung der Abschiebungsverbote nach § 60 AufenthG zu Recht mit Bescheid vom 26. November 2012 abgelehnt worden, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Infolgedessen ist die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
1.
Soweit die Beklagte die Asylanerkennung unter Bezugnahme auf die asylrechtliche Unbeachtlichkeit der angeblichen Verfolgungsmaßnahme abgelehnt hat, folgt das Gericht der gegebenen Begründung nach § 77 Abs. 2 AsylVfG. Aus ähnlichen Gründen besteht auch keine Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen. Nach § 3 Abs. 3 und Abs. 4 AsylVfG i. V. m. § 60 Abs. 1 AufenthG ist einem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, wenn seine Furcht begründet ist, dass er in seinem Herkunftsland Bedrohungen seines Lebens, seiner Freiheit oder anderer in Art. 9 Abs. 1 Richtlinie 2012/95/EU - im Folgenden: Richtlinie - geschützter Rechtsgüter wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit, seiner bestimmten Sozialgruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung ausgesetzt ist. Die Furcht vor Verfolgung ist begründet, wenn dem Ausländer die vorgenannten Gefahren aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage tatsächlich, d. h. mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen. Hierfür sind nach § 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG Art. 4 Abs. 4 sowie Artikel 7 bis 10 der Richtlinie ergänzend anzuwenden. Nach Art. 9 Abs. 3 der Richtlinie muss eine Verknüpfung zwischen den in Artikel 10 genannten Gründen und den in Absatz 1 als Verfolgung eingestuften Handlungen bestehen. Vorliegend ist schon nicht erkennbar, dass dem Kläger eine beachtliche Verletzung eines Rechtsguts, sei es Leben, Leib oder Freiheit oder ähnliches infolge seiner Teilnahme an Versammlungen vor dem Industrieministerium drohen würde. Es fehlt aber im Übrigen auch an einer flüchtlingsrelevanten Verknüpfung, denn sollte eine staatliche Maßnahme drohen, dann wäre es nicht erkennbar, dass sie an eine politische Überzeugung des Klägers anknüpfen würde. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass die von ihm gegenüber der Bundespolizei am 7. Juni 2011 angegebene Zugehörigkeit zu der grünen Bewegung nicht glaubhaft ist. Er hat diesen Vortrag nachher nicht mehr wiederholt, so dass von einer Falschangabe auszugehen ist.
2.
Auch wegen der zwischenzeitlichen Hinwendung zum Christentum ist ihm nicht die Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 AufenthG zuzuerkennen.
Nach Art. 9 Abs. 1 a der Richtlinie gelten als Verfolgung im Sinne des Art. 1 A der Genfer Flüchtlingskonvention solche Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrecht darstellen, insbesondere der Rechte, von denen gem. Art. 15 Abs. 2 EMRK keine Abweichung zulässig ist. Nach Art. 9 Abs. 1 b der Richtlinie kann eine Verfolgungshandlung auch in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte bestehen, die so gravieren ist, dass eine Person davon in ähnlicher, wie der unter Art. 9 Abs. 1 a der Richtlinie beschriebenen Weise betroffen ist. In dem in Art. 10 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GR-Charta) verankerten Recht auf Religionsfreiheit ist ein solches Rechtsgut nach Art. 9 EMRK zu sehen. Ein Eingriff in dieses Recht kann so gravierend sein, dass er einem der in Art. 15 Abs. 2 EMRK genannten Fälle gleichgesetzt werden kann, auf die Art. 9 Abs. 1 a der Richtlinie für die Feststellung verweist, welche Handlungen insbesondere als Verfolgung gelten. Es muss sich hierbei aber um eine Verletzung der Freiheit handeln, die nicht durch gesetzlich vorgesehene Einschränkungen der Grundrechtsausübung im Sinne von Art. 52 Abs. 1 GR-Charta gedeckt ist und so schwerwiegend, dass sie den Betroffenen erheblich beeinträchtigen. Dazu gehören nicht nur gravierende Eingriffe in die Freiheit, seinen Glauben im privaten Rahmen zu praktizieren, sondern auch in seine Freiheit, diesen Glauben öffentlich zu leben. Ferner muss der Asylbewerber aufgrund der Ausübung dieser Freiheit in seinem Herkunftsland tatsächlich Gefahr laufen, durch einen der in Art. 6 der Richtlinie genannten Akteure strafrechtlich verfolgt oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden. Das ist allerdings bei der Verletzung von Leib und Leben, sowie der physischen Freiheit regelmäßig gegeben. Eine Verfolgung kann schon in dem Verbot der Religionsangehörigkeit oder Teilnahme und Ausübung als solchem liegen, so dass es auf das tatsächliche künftige Verhalten des Asylbewerbers und der daran anknüpfenden Eingriffe in andere Rechtsgüter des Betroffenen letztlich nicht ankommen (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 10 C 23.12 - zitiert nach juris, Rz. 26). Allerdings kann die Erstreckung des Eingriffs in das Grundrecht der Religionsfreiheit durch erzwungenen Verzicht nur dann angenommen werden, wenn eine Verfolgungshandlung im konkreten Fall sowohl nach objektiven, wie auch nach subjektiven Gesichtspunkten bejaht werden kann. Objektive Gesichtspunkte der Gefährdungslage sind die Schwere der dem Ausländer bei Ausübung seiner Religion drohenden Verletzung anderer Rechtsgüter. Subjektiver Gesichtspunkt für die Schwere der drohenden Verletzung der Religionsfreiheit ist, dass für den Betroffenen die Befolgung einer bestimmten gefahrträchtigen religiösen Praxis in der Öffentlichkeit zur Wahrung eben seiner religiösen Identität besonders wichtig ist (vgl. EuGH, Urteil vom 5. September 2012 - Rs. C-71/11 und C-99/11 - zit. nach juris, Rz. 70). Denn der Schutzbereich der Religion erfasst sowohl die von der Glaubenslehre vorgeschriebenen Verhaltensweisen, als auch diejenigen, die der einzelne Gläubige für sich selbst als unverzichtbar empfindet. Maßgeblich ist, wie der einzelne Gläubige seinen Glauben lebt und ob die verfolgungsträchtige Glaubensbetätigung für ihn persönlich nach seinem Glaubensverständnis unverzichtbar ist. Für diese subjektive Komponente reicht es nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts (a. a. O., Rz. 30) nicht aus, dass der Asylbewerber eine enge Verbundenheit mit seinem Glauben hat, wenn er diesen Glauben nicht in einer Weise lebt, die ihm im Herkunftsstaat der Gefahr der Verfolgung aussetzen würde. Maßgeblich für die Schwere der Verletzung der religiösen Identität ist vielmehr die Intensität des Drucks auf die Willensentscheidung des Betroffenen, seinen Glauben in einer für ihn als verpflichtend empfundenen Weise auszuüben oder hierauf wegen der drohenden Sanktionen zu verzichten. Diese Tatsache, dass er die unterdrückte religiöse Betätigung seines Glaubens für sich selbst als verpflichtend empfindet, um seine religiöse Identität zu wahren, muss der Asylbewerber zur vollen Überzeugung des Gerichts nachweisen (BVerwG, a. a. O.).
Nach Maßgabe dieser Vorgaben, die sich das erkennende Gericht zu eigen macht, kann dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt werden. Zwar lässt sich der objektive Gesichtspunkt einer relevanten Verfolgung im Falle einer ernsthaften Konversion eines iranischen Staatsangehörigen zum Christentum durchaus feststellen. Bei Bekanntwerden des Abfalls vom islamischen Glauben und einer Konversion zum christlichen Glauben kann ein Mensch nach Scharia-Recht wegen Apostasie mit einer Strafe bis hin zu einer Todesstrafe belegt werden (vgl. BAMF, Lage der Religionsgemeinschaften in ausgewählten islamischen Ländern, August 2011, S. 40; Auswärtiges Amt, Lagebericht Iran vom 8. Oktober 2012, S. 22; D-A-CH, Iran-Basisinformationen, Stand 30. Januar 2013, S. 9). Es ist von Fällen berichtet worden, in denen es zu harten Strafen und anderweitigen Verfolgungshandlungen gegenüber Christen gekommen ist (vgl. U.S. State Departement, International Religious Freedom Report - Iran 2011 - vom 30. 7. 2012). Allerdings betreffen diese Maßnahmen häufig Personen in herausgehobenen oder in missionarischen Funktionen in einer Religionsgemeinschaft, aber nicht nur diese, sondern auch schlichte Teilnehmer an Hauskirchen sind willkürlichen Übergriffen ausgesetzt (s. Auswärtiges Amt, a. a. O.; D-A-CH, a. a. O. S. 11; ACCORD, Anfragebeantwortung, Iran: Situation von Konvertiten vom Islam zum Christentum, missionarische Tätigkeit (ACC-IRN-7809) vom 18. November 2011, S. 2). Insofern spricht viel dafür, dass muslimische Konvertiten, die einer evangelikalen oder freikirchlichen Gruppierung angehören, spätestens dann einer konkreten Gefahr für Leib, Leben und Freiheit ausgesetzt sind, wenn sie sich im Iran zu ihrem christlichen Glauben bekennen und Kontakt zu einer solchen Gruppierung aufnehmen. Für muslimische Konvertiten, die einer solchen Gruppierung angehören, ist im Iran eine religiöse Betätigung selbst im häuslich-privaten oder nachbarschaftlich-kommunikativen Bereich nicht gefahrlos möglich (VGH Kassel, Urteil vom 18. November 2009 - 6 A 2105/08.A -, zit. nach juris sowie Beschluss vom 11. Februar 2013 - 6 A 2279/12.Z.A). Im Ergebnis kann daher bereits das Verbot der Konversion und die drohende Sanktion der Apostasie für sich allein eine beachtliche Verfolgungsmaßnahme darstellen, ohne dass es eines weiteren Zutuns seitens des gläubigen Christen bedürfte.
Dem gefährdeten Kreis zuzurechnen sind allerdings nur solche Personen, die sich ernsthaft dem neuen Glauben zugewandt haben und bei einer erzwungenen Rückkehr in den Iran zu ihrem christlichen Glauben bekennen und versuchen würden, Kontakt zu einer evangelikalen oder freikirchlichen Gemeinde aufzunehmen. Diese Gefahrenlage würde sich daher in der Person des Klägers voraussichtlich nicht niederschlagen. Aus der Notwendigkeit der gerichtlichen Überzeugungsbildung über eine geltend gemachte religiöse Verfolgungsgefährdung ist nämlich eine Prüfung der inneren, religiös-persönlichkeitsprägenden Beweggründe für einen vorgenommenen Glaubenswechsel erforderlich. Nur wenn verlässlich festgestellt werden kann, dass die Konversion auf einer glaubhaften Zuwendung zum christlichen Glauben im Sinne einer ernsthaften Gewissensentscheidung, auf einem ernst gemeinten religiösen Einstellungswandel mit einer identitätsprägenden festen Überzeugung und nicht lediglich auf bloßen Opportunitätsgründen beruht, kann davon ausgegangen werden, dass ein Verschweigen, Verleugnen oder die Aufgabe der neuen Glaubenszugehörigkeit zur Vermeidung staatlicher oder nichtstaatlicher Repressionen im Heimatland den Betroffenen grundsätzlich und in aller Regel unter Verletzung seiner Menschenwürde existentiell und in seiner sittlichen Person treffen würde und ihm deshalb eine Rückkehr nicht zugemutet werden kann.
Es steht aus Sicht des Gerichts nicht zweifelsfrei fest, dass der Kläger durch diese Sanktionen in seiner religiösen Identität nachhaltig verletzt werden würde.
Der Kläger hatte seinen eigenen Angaben zufolge bereits nach seiner Einreise und Unterbringung in der Zentralen Aufnahmeeinrichtung ab Juni 2011 begonnen, Gottesdienste zu besuchen. Freilich waren diese Besuche ebenso wenig religiös motiviert wie die nachfolgenden Besuche einer Kirchengemeinde in ..., wie er freimütig einräumte. Vielmehr war Grund dieser Besuche ein gewisses Interesse an den Riten und der Gemeinschaft mit anderen Asylbewerbern und Kirchenmitgliedern. Selbst den Taufunterricht hatte er nach seinen Angaben eher interessehalber begonnen und sich erst nach und nach dem Glauben genähert. Der pfarramtlichen Bescheinigung der Evangelisch-Lutherischen Gemeinde St. Marien in ... vom 16. Januar lässt sich hierzu entnehmen, dass der Kläger seit dem November 2012 am Taufunterricht und den Gottesdiensten der Gemeinde teilnimmt. Die Bescheinigung vom 31. März 2013 präzisierte den Beginn der Teilnahme am Taufunterricht dahin, dass sich der Kläger Anfang Dezember 2012 in der Gemeinde gemeldet und um den Empfang der Heiligen Taufe gebeten habe. Dies ist auffällig und lässt einen unabweisbaren Zweifel an der Ernsthaftigkeit und dem identitätsprägenden Charakter seiner Konversion aufkommen.
Am 28. November 2012 hatte der Kläger nämlich den angefochtenen Bescheid vom 26. November 2012 erhalten und in der Klageschrift vom 7. Dezember 2012 ausführen lassen, dass er im Dezember 2012 offiziell getauft werde, die Bibel studiert habe, sich mit dem Glauben auseinandergesetzt und die Entscheidung getroffen habe, einen Glaubensübertritt vorzunehmen. Ferner heißt es vollmundig in der Klageschrift, dass der Kläger ernsthaft und unwiderruflich vom Islam abgefallen und zum christlichen Glauben übergetreten sei. Er werde bei einer Rückkehr in den Iran darauf bestehen, seinen christlichen Glauben öffentlich zu praktizieren und auch nicht davor zurückschrecken mit Personen über seine Religion zu sprechen.
Die Diskrepanz zwischen seinem Vortrag in der mündlichen Verhandlung und den eigenen, offenkundig verfahrensangepassten Einlassungen in der Klageschrift lässt nur den Schluss zu, dass sich der Kläger angesichts der ablehnenden Bescheidung mit anwaltlicher Hilfe eine neue Begründung seines Bleiberechts einfallen lassen musste und schlagartig die Konversion zu einem asylbegründenden Umstand ertüchtigen wollte. Hierzu passt auch, dass er sich ausweislich der Bestätigung vom 31. März 2013 noch in einen begonnenen Taufkursus der Gemeinde St. Marien aufnehmen ließ, obwohl er die Gemeinde erst kurz zuvor kennengelernt hatte. Im Ergebnis spricht nach allen vorgelegten Belegen, seinen eigenen Aussagen und dem Zeugnis des Pfarrers Dr. ... viel dafür, dass der vordem religiös unauffällige Kläger sein Interesse am christlichen Glauben erst aufgrund seiner drohenden Abschiebung entdeckt hat. Hierzu passt auch, dass er bereits die allererste Version seiner Fluchtgeschichte, nämlich im Iran wegen seiner Sympathie und Zugehörigkeit zur grünen Bewegung verfolgt zu werden, aufgegeben hatte und eine gänzliche andere Begründung - die drohende Verfolgung wegen Protesten gegen die Nichtvergabe von Baukrediten - auswechselte.
Dabei soll nicht verkannt werden, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung durchaus glaubhaft seinen Glauben artikulieren konnte und nach dem glaubhaften Zeugnis des Pfarrers wohl auch von einer ernsthaften Hinwendung zum evangelisch-lutherischen Glauben ausgegangen werden kann. Jedoch ist das allein nicht entscheidend: Wie oben ausgeführt, muss das Gericht die volle Überzeugung davon haben, dass der Kläger bei seiner Rückkehr in den Iran die unterdrückte religiöse Betätigung seines Glaubens für sich selbst als verpflichtend empfindet, um seine religiöse Identität zu wahren. Angesichts seines durch den islamischen Kulturkreis über 40 Jahre geprägten Vorlebens als Goldhändler und Geschäftsmann und seiner erst knapp 10 Monaten zurückliegenden Taufe vermag das Gericht die oben begründeten unabweisbaren Zweifel an der Motivation des Klägers, sich dem christlichen Glauben zu nähern, nicht zum Schweigen zu bringen. Dies mag sich durch eine langfristige und nachhaltige belegte Glaubenspraxis ändern, ist indessen im Zeitpunkt dieser Entscheidung nicht absehbar gewesen.
3.
Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG liegen gleichfalls nicht vor. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird zu diesem Punkt nach § 77 Abs. 2 AsylVfG auf die überzeugende Begründung des angefochtenen Bescheides vom 26. November 2012 verwiesen. Ergänzend ist zu § 60 Abs. 2 und 3 AufenthG darauf hinzuweisen, dass sich der Kläger bei einer Rückkehr in seine Heimat nicht der konkreten Gefahr aussetzen würde, wegen Apostasie zum Tode oder einer Folterstrafe verurteilt zu werden. Zum einen wird er voraussichtlich solches weder öffentlich offenbaren noch ist derlei im Inland bekannt. Zum anderen erfolgt eine Verurteilung wegen Apostasie im Iran nur unter engen prozessualen Voraussetzungen (vgl. D-A-CH, a. a. O., S. 9 f.), die vorliegend nicht gegeben wären.
Die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung ist ebenfalls rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 VwGO. Sie stützen sich auf § 34 Abs. 1 Satz 1 und § 38 Abs. 1 AsylVfG.
Die Entscheidung zu den Kosten folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Gerichtskostenfreiheit aus § 83 b AsylVfG.