Gericht | LSG Berlin-Brandenburg 33. Senat | Entscheidungsdatum | 24.03.2011 | |
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Aktenzeichen | L 33 R 843/07 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 5 AAÜG |
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 25. April 2007 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitig ist die Anerkennung der Zeiten vom 1. Januar 1972 bis zum 31. Dezember 1980 und vom 15. November 1982 bis zum 31. Mai 1984, in denen der Kläger beim VEB Rationalisierung Konfektion (im Folgenden: VEB RAKO) beschäftigt war, als Zeiten der Zugehörigkeit zur Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) und Feststellung der während dieser Zeiten erzielten Arbeitsentgelte.
Am 21. Juni 2001 beantragte der 1935 geborene Kläger, der seit Juli 1995 Altersrente bezieht, die Anerkennung der Zeiten von Juli 1966 bis 30. Juni 1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zur AVItech. Dem Kläger war durch Urkunde der Ingenieurschule für B B vom 29. Juli 1966 die Berechtigung verliehen worden, die Berufsbezeichnung „Ingenieur“ zu führen Am 18. Juni 1979 erwarb der Kläger an der Technischen Universität D den akademischen Grad Diplomingenieurökonom. Mit Bescheid vom 29. Januar 2003 erkannte die Beklagte die Zeiten vom 1. Juli 1966 bis zum 31. Dezember 1971, in der der Kläger zunächst als wissenschaftlicher Mitarbeiter und später als Abteilungsleiter am W-T Z für B (im Folgenden: WTZ) beschäftigt war, vom 1. Januar 1981 bis zum 14. November 1982, in der er als Abteilungsleiter beim VEB D tätig war und vom 1. Januar 1985 bis zum 30. Juni 1990, in der er als Abteilungsleiter am Z für F und R des Kombinats O arbeitete, als Zeiten der Zugehörigkeit zur AVItech an und stellte die während dieser Zeiten erzielten Arbeitsentgelte fest.
Den hiergegen gerichteten Widerspruch, mit dem der Kläger auch die Anerkennung der Zeiten seiner Tätigkeit beim VEB RAKO als Zeiten der AVItech begehrte, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16. Juli 2003 zurück, weil zwar die persönliche und sachliche Voraussetzung, nicht jedoch die betriebliche Voraussetzung für eine Einbeziehung in die AVItech gegeben sei, denn der Kläger sei in einem Rationalisierungs- und Projektierungsbetrieb tätig gewesen, der nach der 2. Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die AVItech (2. DB) nicht zu den volkseigenen Produktionsbetrieben zähle.
Mit seiner am 21. August 2003 erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, dass eine Differenzierung zwischen seiner Tätigkeit beim WTZ und dem VEB RAKO nicht nachvollziehbar sei, weil der VEB RAKO der Rechtsnachfolger des WTZ gewesen sei. Auch nach der Umbenennung sei die Forschung und Entwicklung weiterhin unverändert zentralisiert für den gesamten Industriezweig in diesem Betrieb durchgeführt worden und profilbestimmende Haupttätigkeit des Betriebes geblieben. Ohne die Produktentwicklung durch den VEB RAKO hätte die Textilindustrie der DDR nicht produzieren können. Der Sache nach habe es sich bei der Tätigkeit des VEB RAKO um Produktentwicklung gehandelt. Rationalisierungsaufgaben seien in der Konfektionsbranche nur in eng begrenztem Umfang möglich und bestimmten daher nicht das Tätigkeitsprofil des Betriebes, sie seien vielmehr von untergeordneter Bedeutung gewesen. Maßgebend sei nicht, ob der VEB RAKO ein volkseigener Produktionsbetrieb gewesen sei, sondern inwieweit die Gleichstellung mit einem solchen Produktionsbetrieb - wie es für das WTZ von der Beklagten anerkannt worden sei – auch auf den VEB RAKO anzuwenden sei. Auch wenn der VEB RAKO in der Auflistung der gleichgestellten Einrichtungen nicht explizit genannt werde, sei die entstandene Ausgrenzung der Forschungseinrichtung der Bekleidungsindustrie ab 1. Januar 1972 unbegründet und nicht gerechtfertigt, denn sie führe zu einer offensichtlichen Benachteiligung gegenüber dem Forschungspersonal in anderen Industriezweigen und wissenschaftlichen Einrichtungen. Eine Unterstellung unter die VVB Konfektion sei – wie beim VEB RAKO – nur erfolgt, wenn der Betrieb unmittelbar der industriellen Massenproduktion gedient habe. Ab 1. Januar 1979 sei der VEB RAKO dem VEB Kombinat Oberbekleidung Berlin zugeordnet gewesen, einem Kombinat, dessen Aufgabe ausschließlich die industrielle Herstellung von Kleidung gewesen sei. Produktentwicklung und Produktinnovation seien unmittelbare Voraussetzungen der industriellen Massenproduktion.
Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 22. März 2006 anerkannt, dass die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (AAÜG) im Falle des Klägers erfüllt seien. Sie hat jedoch daran festgehalten, dass die Tätigkeit beim VEB RAKO nicht die betrieblichen Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 der 2. DB erfülle. Die Aufgaben des VEB RAKO seien in § 3 des Statuts vom 23. Dezember 1971 geregelt, aus dem sich nicht ergebe, dass die industrielle Massenproduktion von Sachgütern Gründungszweck des Betriebes gewesen sei oder ihm das Gepräge gegeben habe. Betriebe, deren Hauptaufgabe die Rationalisierung sei, könnten auch nicht als Forschungsinstitute angesehen werden. Die Systematik der Volkswirtschaftszweige der DDR bestätige die im Statut festgelegten Betriebsaufgaben mit der Einstufung als Ingenieurbüro für Rationalisierung.
Das Sozialgericht hat u. a. die Gründungsanweisung des WTZ vom 1. Dezember 1967 einschließlich des Statuts beigezogen und die Beklagte mit Urteil vom 25. April 2007 unter Änderung des Bescheides vom 29. Januar 2003 und Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 16. Juli 2003 verurteilt, die Zeiten vom 1. Januar 1972 bis zum 31. Dezember 1980 und vom 15. November 1982 bis zum 31. Dezember 1984 als Pflichtbeitragszeiten nach dem AAÜG und die in diesem Zeitraum tatsächlich erzielten Entgelte festzustellen. Die Tätigkeit des Klägers beim VEB RAKO erfülle die drei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) für eine Einbeziehung erforderlichen Voraussetzungen; insbesondere sei nach Auffassung der Kammer auch die betriebliche Voraussetzung gegeben. Die Zuordnung zu einer Wirtschaftsgruppe der Systematik der Volkswirtschaft der DDR – hier Wirtschaftsgruppe 62280 (Ingenieurbüros für Rationalisierung) - sei zwar eine Hilfstatsache, entscheidend sei aber, welchen Hauptzweck der Betrieb aufgrund der tatsächlich wahrgenommenen Aufgaben, der Organisation und der Mittelverwendung tatsächlich verfolgt habe. Es dürfte zwar zutreffen, dass der VEB RAKO kein Produktionsbetrieb im Sinne der Versorgungsordnung gewesen sei, dies gelte aber auch für seinen Rechtsvorgänger, den WTZ, der faktisch ebenfalls kein Produktionsbetrieb im Sinne des hier maßgeblichen fordistischen Produktionsmodells gewesen sei. Die Beklagte habe die Beschäftigung des Klägers im WTZ als eine in einem den Produktionsbetrieben gleichgestellten Betrieb – wohl einem Forschungsinstitut - ausgeübte Beschäftigung angesehen. Nach Überzeugung der Kammer gehörte auch der Rechtsnachfolger des WTZ, der VEB RAKO, zu den Forschungsinstituten im Sine der 2. DB, zumal der Betriebszweck mit der Umwandlung zum 1. Januar 1972 nicht entscheidend geändert worden sei. Beim Aufgabenkreis des Betriebes seien auch Aufgaben der Rationalisierung hinzu gekommen, so dass Hauptaufgaben Forschung, Entwicklung und Rationalisierung gewesen seien, wobei der Hauptzweck weiterhin auf dem Gebiet der Forschung und Entwicklung gelegen habe, wie bereits die Reihenfolge der Aufzählung verdeutliche und die Angaben des Klägers bestätigten.
Gegen das der Beklagten am 27. Juni 2007zugestellte Urteil wendet sich diese mit ihrer am 29. Juni 2007 eingegangenen Berufung zu deren Begründung sie vorträgt, der VEB RAKO sei weder ein Produktionsbetrieb noch ein nach der 2. DB gleichgestellter Betrieb, es handele sich vielmehr um ein Ingenieurbüro, das im Wirtschaftssystem der DDR auch als solches angesehen worden sei. Dies ergebe sich bereits aus der Einreihung in die Wirtschaftsgruppe 62280 in der Systematik der Volkswirtschaftszweige, die ein geeignetes Indiz für die Feststellung des Hauptzwecks eines Betriebes im Wirtschaftssystem der DDR bilde. Das Sozialgericht habe zwar dargelegt, welche Einrichtungen nach der 2. DB als Forschungsinstitute anzusehen seien, berücksichtige aber nicht, dass der Betrieb nicht als Forschungsinstitut angesehen worden sei, das der Wirtschaftsgruppe 62210 zuzuordnen wäre, sondern als Ingenieurbüro. § 3 des Statuts definiere hingegen die Aufgaben eines Ingenieurbüros für Rationalisierung, nämlich die Schaffung von neuen Wirkprinzipien bei der Umsetzung in den Produktionsprozess und damit Rationalisierungsaufgaben. Die Beklagte hat sich zum Beweis hierfür auf die Aussage des Betriebsdirektors des VEB RAKO, des Zeugen W B, vom 21. Juni 2005 vor dem Sozialgericht Berlin in dem Verfahren S 9 RA 6328/03*16 bezogen
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 25. April 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend, die Berufungsbegründung deute daraufhin, dass sie nicht hinreichend auf den Einzelfall bezogen sei und lasse eine Auseinandersetzung mit dem erstinstanzlichen Urteil vermissen.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen WB, wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 24. März 2011 Bezug genommen.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den übrigen Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten (Geschz. ) verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet, denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung der Zugehörigkeit zur AVItech während der Zeiträume seiner Beschäftigung beim VEB RAKO und Feststellung der während dieser Zeiten tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte.
Die Beklagte hat für den Zeitraum vom 1. Januar 1972 bis zum 31. Dezember 1980 und vom 15. November 1982 bis zum 31. Mai 1984 nicht gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 und 2 sowie Abs. 2 und 3 AAÜG Zeiten gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 AAÜG festzustellen, dem zuständigen Rentenversicherungsträger mitzuteilen und dem Kläger hierüber einen Bescheid zu erteilen, weil die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Satz 1 AAÜG, der hier als Rechtsgrundlage in Betracht kommt, hinsichtlich des streitgegenständlichen Zeitraums nicht erfüllt sind. Die zuletzt genannte Vorschrift lautet:
Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem, in denen eine Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt worden ist, gelten als Pflichtbeitragszeiten der Rentenversicherung.
Die Feststellung von Pflichtbeitragszeiten scheitert allerdings nicht bereits daran, dass das AAÜG für den Kläger nicht anwendbar wäre. Die rechtmäßige Anwendung der §§ 5 bis 8 AAÜG setzt notwendig voraus, dass das Gesetz nach den Kriterien des § 1 Abs. 1 AAÜG überhaupt einschlägig ist (vgl. Urteil des BSG vom 18. Juni 2003, Az. B 4 RA 50/02 R, Rn. 12 dokumentiert in juris).
Das AAÜG ist auf den Kläger anwendbar, weil er die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 AAÜG erfüllt. Nach dieser Vorschrift gilt das AAÜG für Ansprüche und Anwartschaften, die auf Grund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen (Versorgungssysteme) im Beitrittsgebiet (§ 18 Abs. 3 Sozialgesetzbuch IV) erworben sind. Nach der Rechtsprechung des BSG ist § 1 Abs. 1 AAÜG verfassungskonform ausdehnend so auszulegen, dass eine Versorgungsanwartschaft auch bei Nicht-Einbezogenen in Betracht kommt, jedoch nur dann, wenn aufgrund der am 30. Juni 1990 gegebenen Sachlage ein fiktiver „Anspruch auf Versorgungszusage“ rückschauend nach den zu Bundesrecht gewordenen Regelungen der Versorgungssysteme bestand. Dies ist dann der Fall, wenn am 30. Juni 1990 eine Beschäftigung ausgeübt wurde, aufgrund welcher nach Bundesrecht zwingend eine Versorgungszusage zu erteilen gewesen ist, die dann - aus bundesrechtlicher Sicht rückschauend - keine rechtsbegründende, sondern nur noch rechtsfeststellende Bedeutung hat (vgl. z.B. Urteil vom 9. April 2002, Az.: B 4 RA 41/01 R; Urteil vom 18. Dezember 2003, Az.: B 4 RA 20/03 R). Sind diese Voraussetzungen erfüllt, bestand - fiktiv - eine Versorgungsanwartschaft aus einem Zusatzversorgungssystem. Ob dies der Fall und damit das AAÜG gegebenenfalls für einen Versicherten anwendbar ist, ist vom Versorgungsträger oder durch rechtskräftiges Urteil festzustellen - so genannte Status-Feststellung - (vgl. Urteile des BSG vom 29. Oktober 2002, Az. B 4 RA 27/02 R, Rn. 19, 20 dokumentiert in juris, = SozR 3-2600 § 307 b Nr. 10, und vom 18. Juni 2003, Az. B 4 RA 50/02 R, Rn. 13, dokumentiert in juris).
Für den Kläger liegt eine positive Status-Feststellung vor. Die Beklagte hat mit Schreiben vom 22. März 2006 anerkannt, dass die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 AAÜG im Falle des Klägers erfüllt sind, so dass der Senat nicht mehr eigenständig zu prüfen hat, ob dies tatsächlich der Fall ist. Für die Beschäftigungszeiten vom 1. Januar 1972 bis zum 31. Dezember 1980 und vom 15. November 1982 bis zum 31. Mai 1984 sind dennoch keine Zugehörigkeitszeiten gemäß § 5 Abs. 1 AAÜG festzustellen.
Ob eine Zugehörigkeitszeit nach § 5 Abs. 1 AAÜG vorliegt, ist ausschließlich nach objektiver Auslegung des Bundesrechts unter Beachtung des Gleichheitssatzes zu ermitteln. Es kommt mithin weder auf die Auslegung der Versorgungsordnungen durch die Staatsorgane der DDR an noch auf deren Verwaltungspraxis. Nur in faktischer Anknüpfung an die (von der DDR erlassenen) Versorgungsordnungen ist zu klären, ob in der Zeit, für die die Feststellung begehrt wird, eine nach den jeweiligen Kriterien der Versorgungsordnungen in Verbindung mit den Durchführungsbestimmungen sowie den sonstigen, diese ergänzenden bzw. ausfüllenden abstrakt-generellen Regelungen eine in der Versorgungsordnung genannte Beschäftigung oder Tätigkeit individuell und konkret ausgeübt worden ist und ob die in der Versorgungsordnung als zwingende Voraussetzung für eine Einbeziehung (d. h. für die Pflicht auf Erteilung einer Versorgungszusage) genannte notwendige berufliche Qualifikation zur Ausübung dieser (konkreten) Beschäftigung bei der entsprechenden „Arbeitsstelle“ vorgelegen hat (vgl. Urteile des BSG vom 4. August 1998 – B 4 RA 63/97 R – mwN; Urteil vom 30. Juni 1998 – B 4 RA 11/98 R; Urteil vom 9. April 2002 – B 4 RA 25/01 R).
Für die Zeit der Beschäftigung beim VEB RAKO kommt allein eine Zugehörigkeit zum Versorgungssystem der technischen Intelligenz (System Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG) in Betracht. Nach den Regelungen des zuletzt genannten Versorgungssystems, nämlich der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 17. August 1950 (Gesetzblatt der DDR I Nr. 93 Seite 844 – im Folgenden: VO AVItech) und der 2. Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 24. Mai 1951 (Gesetzblatt der DDR Nr. 62 Seite 487) – im Folgenden: 2. DB – hängt ein Anspruch auf Feststellung von Zusatzversorgungszeiten von drei (persönlichen, sachlichen und betrieblichen) Voraussetzungen ab, und zwar, dass
1. die Berechtigung besteht, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung) und
2. die entsprechende Tätigkeit tatsächlich ausgeübt wurde (sachliche Voraussetzung) und zwar
3. in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens im Sinne von § 1 Abs. 1 der 2. DB oder in einem durch § 1 Abs. 2 der 2. DB gleichgestellten Betrieb (betriebliche Voraussetzung).
Maßgeblich hierfür ist das Sprachverständnis der DDR am 2. Oktober 1990 (vgl. BSG in SozR 3-8570 § 1 Nr. 2).
Der Kläger erfüllt zwar die persönliche und die sachliche Voraussetzung, denn er war nach der Urkunde der Ingenieurschule für Bekleidungstechnik Berlin vom 29. Juli 1966 gemäß § 1 Abs. 1 c der Verordnung über die Führung der Berufsbezeichnung „Ingenieur“ vom 12. April 1962 (GBl. II Nr. 29, S. 278) berechtigt, den Titel Ingenieur zu führen und war in seiner Eigenschaft als Abteilungsleiter auch dieser Ausbildung entsprechend beim VEB RAKO tätig.
Es fehlt jedoch an der betrieblichen Voraussetzung. Einigkeit besteht zwischen den Beteiligten, dass es sich bei dem VEB RAKO nicht um einen volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens gehandelt hat. Der Hauptzweck des VEB RAKO bestand nicht in der industriellen (serienmäßig wiederkehrenden) Fertigung, Herstellung, Anfertigung, Fabrikation bzw. Produktion (fordistisches Produktionsmodell) von Sachgütern oder der Massenproduktion von baulichen Anlagen (vgl. Urteile des BSG vom 10. April 2002 – B 4 RA 10/02 R = SozR 3-8570 § 1 Nr. 5 -, vom 18. Dezember 2003 – B 4 RA 14/03 R -, vom 6. Mai 2004 – B 4 RA 44/03 R – und vom 27. Juli 2004 – B 4 RA 11/04, jeweils dokumentiert in juris). Wenn auch die Produktion von Sachgütern in den mechanischen Werkstätten zum Aufgabenbereich des VEB RAKO gehörte, lag jedoch der Hauptzweck des Betriebes sowohl nach dem Statut als auch nach den Angaben des Zeugen B, des ehemaligen Betriebsdirektors, nicht in der industriellen Fertigung von Sachgütern, sondern in der Erbringung von Dienstleistungen (Betriebsanalysen, Entwicklung und Verkauf von Lösungsvorschlägen, Transportlösungen, Mitarbeitertraining, Arbeitsplatzoptimierung etc.).
Der VEB RAKO ist auch kein den volkseigenen Produktionsbetrieben gleichgestellter Betrieb im Sinne des § 1 VO-AVItech. Maßgeblich hierfür ist die in § 1 Abs. 2 der 2. DB getroffene Festlegung, der zufolge den VEB folgende – abschließend aufgezählte – Einrichtungen gleichgestellt waren: Wissenschaftliche Institute; Forschungsinstitute; Versuchsstationen; Laboratorien; Konstruktionsbüros; technische Hochschulen; technische Schulen; Bauakademie und Bauschulen; Bergakademie und Bergbauschulen; Schulen, Institute und Baubetriebe der Eisenbahn, Schifffahrt sowie des Post- und Fernmeldewesens; Maschinen-Ausleih-Stationen und volkseigene Güter, Versorgungsbetriebe (Gas, Wasser, Energie); Vereinigungen volkseigener Betriebe, Hauptverwaltungen und Ministerien.
Der VEB RAKO ist weder als wissenschaftliches Institut noch als Forschungsinstitut im Sinne von § 1 Abs. 2 der 2. DB einzustufen. Forschungsinstitute im Sinne dieser Vorschrift, die volkseigenen Produktionsbetrieben der Industrie oder des Bauwesens gleichgestellt waren, waren allein selbständige Einrichtungen der Wirtschaft, deren Hauptzweck die zweck- und betriebsbezogene (wissenschaftliche) Forschung und Entwicklung war (hierzu BSG, Urteile vom 18. Dezember 2003 – B 4 RA 18/03 R = SozR 4-8570 § 1 Nr. 18 -, vom 6. Mai 2004 – B 4 RA 52/03 R, nach juris, Rdnr. 27 ff – und vom 8. Juni 2004 – B 4 RA 57/03 R dokumentiert in juris). Diese Auslegung ergibt sich auch aus der Präambel der AVItech, wonach in das Versorgungssystem grundsätzlich nur solche Personen einbezogen werden sollten, die für die Entwicklung der wissenschaftlichen Forschungsarbeit und der Technik zuständig waren, also diejenigen, die mit ihrer „technischen“ Qualifikation aktiv den Produktionsprozess, sei es in der Forschung oder bei der Produktion, förderten (vgl. BSG, Urteil vom 31. März 2004 – B 4 RA 31/03 R, nach juris). Zu den durch § 1 Abs. 2 der 2. DB als Forschungsinstitute gleichgestellten Betrieben gehörten demnach vor allem volkseigene (Kombinats-)Betriebe, die nicht Produktionsbetriebe waren, aber deren (Haupt-) Aufgabe die Forschung und Entwicklung war.
Der VEB RAKO war zwar auch im Bereich der Forschung und Entwicklung in der Konfektionsindustrie der DDR aktiv und hat u. a. Verfahren und Maschinen sowie neuartige Herstellungsprinzipien entwickelt, die zweck- und betriebsbezogene Forschung bildete aber nach § 3 des Statuts nur einen Teilbereich der Aufgaben (Nrn. 1 „Entwicklung neuartiger Herstellungsprinzipien, insbesondere zur Schaffung des notwendigen wissenschaftlich-technischen Vorlaufs“ und 5 „Vorbereitung und Lösung von Aufgaben auf dem Gebiet der internationalen Kooperation von Forschung und Entwicklung“), während der überwiegende Teil der in § 3 des Statuts genannten Aufgaben der Rationalisierung oder allgemeinen Dienstleistung zuzuordnen ist (Nrn. 2 bis 4 und 6 bis 9). Dies entspricht auch der Aussage des Zeugen B, der bei seiner Vernehmung durch das Sozialgericht Berlin am 21. Juni 2005 angegeben hatte, dass die Forschung nicht Hauptaufgabe des VEB RAKO gewesen sei. Die Forschung habe anfangs etwa 20 % ausgemacht, dieser Anteil sei später aber noch zurückgegangen. Hauptaufgabe sei gewesen, Transportlösungen zu erbringen, die Mitarbeiter zu trainieren und den Arbeitsplatz zu verändern, was teilweise durch den Bau von Geräten realisiert worden sei. Der Zweck des Betriebes sei die Reduzierung der Fertigungszeiten gewesen. Diese Angaben verdeutlichen, dass vor allem das Bestreben nach Rationalisierung der Arbeitsprozesse im Vordergrund der Tätigkeit des VEB RAKO gestanden hat und die Forschung und Entwicklung demgegenüber lediglich eine untergeordnete Bedeutung hatten.
Bei seiner Vernehmung durch den Senat am 24. März 2011 hat der Zeuge B bestätigt, dass Hauptzweck VEB RAKO gewesen sei, die Arbeitsabläufe effektiver und billiger zu gestalten. Er hat angegeben, dass es im VEB RAKO insgesamt sechs Abteilungen gegeben habe, nämlich neben der Verwaltung die mechanischen Werkstätten, das Materiallager, die Forschungsabteilung sowie die Abteilungen Erzeugnisentwicklung und Rationalisierung. Die Forschungsabteilung habe neue Produktionsabläufe oder Verfahren entwickelt, beispielsweise die Umstellung von Nähen auf Kleben, in der Erzeugnisentwicklung seien von anderen Betrieben, insbesondere Webereien, gelieferte neue Materialien erprobt worden. Die im Betrieb betriebene Forschung hat der Zeuge als Koordinierung verschiedener Partner wie chemischer Industrie, Textilindustrie und Handel geschildert, Grundlagenforschung sei hingegen nicht betrieben worden. Insbesondere das Ziel der zentral gesteuerten Effizienzsteigerung belegt nach Überzeugung des Senats, dass Hauptaufgabe des VEB RAKO die Rationalisierung der Produktionsabläufe in den Kombinatsbetrieben und die Koordination der an der Entwicklung neuer Produkte Beteiligte war, während die eigenständige Forschung eher dienenden und dem Hauptziel der Effizienzsteigerung untergeordneten Charakter hatte. Dies wird auch durch die Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 23. September 2010 bestätigt, in der er angegeben hatte, dass die Forschungsabteilung anthropometrische Untersuchungen mit dem Ziel der Entwicklung neuer einheitlicher Bekleidungsgrößen durchgeführt habe, die das Ziel hatten, passgenauere Kleidung zu produzieren.
Sehr unterschiedliche und teilweise widersprüchliche Angaben hat der Zeuge am 24. März 2011 zu den Mitarbeiterzahlen der Forschungsabteilung gemacht; während er zunächst angegeben hatte, dass der VEB RAKO bei seinem Eintritt in den Betrieb 1979 etwa 70 Mitarbeiter gehabt habe, von denen etwa 40 im Bereich Forschung tätig gewesen seien und 30 in den Abteilungen Erzeugnisentwicklung und Rationalisierung, sagte er später aus, dass 1983/84 etwa 30 Mitarbeiter in der Rationalisierung und ca. 50 Mitarbeiter in der Forschung tätig gewesen seien und gab schließlich an, von den 1972 beschäftigten 60 bis 70 Mitarbeitern seien 20 bis 30 in der Forschung tätig gewesen, wobei diese Mitarbeiterstärke bis 1984 etwa gleich geblieben sei. Außerdem hat er angegeben, die wirtschaftlich wichtigste Abteilung seien die später hinzugekommenen mechanischen Werkstätten mit 70 bis 80 Mitarbeitern gewesen, weil diese Abteilung maßgeblich zum Umsatz des VEB RAKO beigetragen hätte, zusammen mit dem Lager hätten diese Abteilungen 100 Mitarbeiter umfasst. Bereits hieraus ergibt sich, dass selbst wenn man die für den Kläger günstigsten Zahlenverhältnisse zugrunde legt, die Forschung dem VEB RAKO jedenfalls nicht das Gepräge gegeben hat, sondern nur eine von mehreren – allenfalls – gleichberechtigten Aufgaben war. Dafür, dass vor allem die Abteilung Rationalisierung von prägender Bedeutung gewesen sein dürfte, lässt sich das vom Zeugen B bei seiner Vernehmung am 24. März 2011 spontan genannte Beispiel von Arbeitsaufgaben – nämlich in welcher Reihenfolge und Anordnung die einzelnen Schnittteile der Bekleidungsstücke zusammenzunähen waren – schließen. In Bezug darauf, dass die Abteilung mechanische Werkstätten später hinzugekommen sei, dürfte es sich um einen Irrtum des Zeugen handeln, denn der VEB Mechanische Werkstätten O war neben dem VEB WTZ und dem Ingenieurbüro für Rationalisierung des VVB Konfektion nach § 1 Abs. 1 der Anweisung vom 23. Dezember 1971 einer der Gründungsbetriebe des VEB RAKO.
Dass der Kläger als Abteilungsleiter Forschung und Entwicklung schwerpunktmäßig forschend tätig gewesen sein mag, ist demgegenüber nicht von Belang, weil es entscheidungserheblich nicht auf die von dem einzelnen Arbeitnehmer ausgeübte Tätigkeit ankommt, sondern darauf, welche der im Betrieb ausgeführten Arbeiten dem Betrieb das Gepräge gegeben hat. Nach den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung am 23. September 2010 waren in der Abteilung Forschung und Entwicklung ungefähr 25 Arbeitnehmer beschäftigt. Insofern decken sich seine Angaben mit den Angaben des Zeugen B, dass bis 1984 20 bis 30 Mitarbeiter in der Abteilung Forschung beschäftigt gewesen seien. Bereits bei Berücksichtigung des zahlenmäßigen Verhältnisses zur Gesamtzahl der Arbeitnehmer des Betriebes ergibt sich somit, dass die Forschung und Entwicklung nicht Hauptaufgabe des VEB RAKO war, zumal die übrigen Abteilungen nicht der Forschungsabteilung zugearbeitet haben, sondern eigene Aufgaben verfolgten, die nicht in unmittelbarer Beziehung zur Forschungsabteilung standen. Als Beispiele seien hier die Abteilung Rationalisierung und die mechanischen Werkstätten genannt.
Dass es sich bei dem VEB RAKO um den Rechtsnachfolger des WTZ handelt, rechtfertigt nicht die vom Sozialgericht vorgenommene Gleichstellung beider Betriebe in Bezug auf deren Einordnung nach § 1 Abs. 2 der 2. DB. Dies ergibt sich bereits daraus, dass dem Statut des WTZ vom 1. Dezember 1967 gegenüber demjenigen des VEB RAKO völlig verschiedene Aufgaben zu entnehmen sind, so dass von der Rechtsnachfolge nicht ohne Weiteres darauf geschlossen werden kann, dass es sich um eine Fortsetzung der bisherigen Tätigkeit unter geändertem Namen gehandelt habe. Dies ist gerade nicht der Fall, denn die Hauptaufgaben des WTZ lagen – anders als beim VEB RAKO – fast ausschließlich im Bereich der Forschung und Entwicklung. Dies hat auch der Zeuge B gegenüber dem Sozialgericht bestätigt, der angegeben hat, dass es zunächst das WTZ gegeben habe, das geforscht habe und in die Betriebe gegangen sei, um diese zu modernisieren. Da man aber dann zu der Erkenntnis gelangt sei, dass dies keine gute Lösung sei, sei 1972 der VEB RAKO geschaffen worden, der die Produktionsabläufe in den Betrieben analysiert, nach Optimierungsmöglichkeiten gesucht und die entwickelten Lösungen dann in Form von „Know how“ und Geräten mit dem Ziel einer optimalen Arbeitsplatzgestaltung verkauft habe. Dies zeigt, dass es sich bei der Tätigkeit des VEB RAKO um eine anwenderorientierte Dienstleistung gehandelt hat, während das WTZ – offenbar ohne wirtschaftlichen Druck – reine Forschungstätigkeit betrieben hat.
Außerdem ergibt sich aus § 3 Abs. 1 der Anweisung vom 23. Dezember 1971, dass der VEB RAKO Rechtsnachfolger der gemäß § 1 Abs. 1 dieser Anweisung aufgelösten Betriebe wird - nämlich des VEB WTZ Berlin und des VEB Mechanische Werkstätten O – und nach § 1 Abs. 4 dieser Anweisung aus dem ehemaligen VEB WTZ Berlin, dem ehemaligen VEB Mechanische Werkstätten O sowie dem Ingenieurbüro für Rationalisierung der VVB Konfektion und dem WTZ der Erzeugnisgruppe Dienstbekleidung, Außenstelle Halle, gemäß § 48 der VO über die Aufgaben, Rechte und Pflichten des volkseigenen Produktionsbetriebes vom 9. Februar 1967 (GBl. II 67/21/121) mit Wirkung vom 1. Januar 1972 durch Zusammenlegung ein neuer Betrieb gebildet wird, der nach § 2 Abs. 1 der Anweisung den Namen VEB RAKO erhält. Der VEB RAKO hat somit nicht die Tätigkeit des WTZ in unveränderter Form fortgesetzt, sondern die Aufgaben mehrerer Betriebe übernommen und damit sein Tätigkeitsspektrum deutlich erweitert (so auch LSG Berlin-Brandenburg – L 3 R 150/06 - Urteil vom 17. März 2009, Rdn. 40 dokumentiert in juris).
Da der Kläger in der Zeit vom 1. Januar 1972 bis 31. Dezember 1980 und vom 15. November 1982 bis zum 31. Mai 1984 somit auch nicht in einem den volkseigenen Produktionsbetrieben gleichgestellten Betrieb im Sinne des § 1 Abs. 2 der 2. DB beschäftigt war, erfüllt er in diesen Zeiträumen nicht die Voraussetzungen für eine Einbeziehung in die AVItech.
Die Entscheidung über die Kosten ergibt sich aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben (§ 160 Abs. 2 SGG).