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Mitbestimmung; Arbeitszeit; Beginn und Ende der -; Betreten und Verlassen des Dienstgebäudes; Dienstvereinbarung über die flexible Arbeitszeit; schwebend unwirksam; Tarifvorbehalt (verneint)


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 60. Fachsenat für Personalvertretungssachen (Land) Entscheidungsdatum 20.02.2014
Aktenzeichen OVG 60 PV 3.13 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 74 Abs 1 PersVG BE, § 75 PersVG BE, § 85 Abs 1 S 1 Nr 1 PersVG BE, § 15 Abs 7 BAT, § 6 Abs 1 TV-L

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 19. Dezember 2012 geändert.

Es wird festgestellt, dass die Regelung in § 4 der Dienstvereinbarung vom 14. März 2008 über die flexible Arbeitszeit, soweit sie Angestellte betrifft, wirksam ist und weiterhin Anwendung findet.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Verfahrensbeteiligten schlossen am 14. März 2008 eine Dienstvereinbarung über die flexible Arbeitszeit (DV Flex), die am 1. April 2008 in Kraft getreten ist. Nach § 3 DV Flex können die teilnehmenden Mitarbeiter Beginn und Ende der täglichen Anwesenheitszeit innerhalb einer werktäglichen Rahmenzeit von 6.00 bis 19.30 Uhr unter Beachtung von §§ 4 und 5 der Dienstvereinbarung selbst wählen. Nach § 4 Satz 1 und 2 DV Flex beginnt (zu ergänzen: …und endet) die Anwesenheitszeit (Arbeitszeit) für Beamte und Angestellte mit dem Betreten bzw. Verlassen des Dienstgebäudes; für Arbeiter beginnt und endet die Anwesenheitszeit (Arbeitszeit) am vorgeschriebenen Arbeitsplatz, bei wechselnden Arbeitsplätzen an dem jeweils vorgeschriebenen Arbeits- oder Sammelplatz.

Unter dem 30. März 2012 wandte sich der Beteiligte mit einer „Regelung zum Beginn und Ende der Arbeitszeit“ an die Tarifbeschäftigten des Bezirksamts:

„Liebe Kolleginnen und Kollegen Tarifbeschäftigte,

am 1.11.2010 ist der Tarifvertrag der Länder in Kraft getreten. Über die sich daraus ergebenden Änderungen wurden Sie bereits umfangreich informiert. Es hat sich jedoch eine weitere Änderung ergeben, die bisher in der Praxis noch nicht umgesetzt wurde. Es handelt sich hierbei um den Beginn und das Ende Ihrer Arbeitszeit! Anders als bisher in § 15 Abs. 7 BAT bzw. den für ehemalige Arbeiter anzuwenden tarifvertraglichen Regelungen sieht der § 6 des TV-L kein Beginn und Ende der Arbeitszeit mehr vor. Aus diesem Grund kann auch nicht mehr auf die Arbeitsstelle i.S. des § 15 Abs. 7 BAT als den Ort abgestellt werden, an dem die Arbeit beginnt und endet. Maßgebend sind nunmehr die organisatorischen Verhältnisse im Einzelfall. Die damalige Senatsverwaltung für Inneres und Sport hat hierzu Hinweise in Ihrem Arbeitsmaterial ausgegeben. Danach „ist Arbeitszeit die tarifvertraglich oder arbeitsvertraglich vereinbarte Zeit, in welcher Beschäftigte zu arbeiten haben“. Damit beginnt und endet die Arbeitszeit somit i.d.R. am jeweiligen Arbeitsplatz (und nicht mehr beim Betreten bzw. Verlassen des Dienstgebäudes) und nur bei Vorliegen besonderer Umstände an einem anderen Ort. Arbeitsplatz ist der Platz, an dem der Beschäftigte seine Arbeitsleistung zu erbringen hat. Wegezeiten - auch vom Betreten des Hauses bis zum Erreichen des Arbeitsplatzes rechnen grundsätzlich nicht als Arbeitszeit. Ich habe mich im Interesse aller Tarifbeschäftigten an die Senatsverwaltung für Inneres und Sport gewandt, um in dieser Angelegenheit eine außertarifliche Regelung zu erwirken und das bisherige Verfahren beibehalten zu können. Bedauerlicherweise hat die Innenverwaltung meinem diesbezüglichen Wunsch nicht entsprochen. Als Begründung wird u.a. angeführt, dass die von mir gewünschte Regelung nicht dem Willen der Tarifparteien entsprechen würde, die die bisherige BAT-Regelung gerade nicht in den TV-L übernommen haben. Ich bitte Sie daher, ab sofort Ihre Eintragungen im Zeiterfassungsbogen unter Berücksichtigung der geänderten Rechtslage vorzunehmen. Die Regelung zum Beginn und Ende der Arbeitszeit für Tarifbeschäftigte in der im März 2008 geschlossenen Dienstvereinbarung über die flexible Arbeitszeit ist überholt und nicht mehr anzuwenden, da sie gegen geltendes Tarifrecht verstößt!“

Der Antragsteller, der das Schreiben „nachrichtlich“ erhalten hatte, widersprach mit Schreiben vom 5. April 2012 der Rechtsauffassung des Beteiligten und verweigerte vorsorglich die aus seiner Sicht für die getroffene Maßnahme notwendige Zustimmung. Der Beteiligte erwiderte mit Schreiben vom 27. April 2012, er habe mit seinem Schreiben die tarifrechtliche Situation zu Beginn und Ende der Arbeitszeit verdeutlicht. Da es lediglich um den Vollzug gesetzlicher Regelungen gehe, scheide ein Mitbestimmungsrecht des Personalrates aus.

Am 4. Juli 2012 hat der Antragsteller das personalvertretungsrechtliche Beschlussverfahren eingeleitet und vorgetragen, die in dem Schreiben des Beteiligten vom 30. März 2012 geäußerte Rechtsansicht treffe nicht zu. Der geltende Tarifvertrag regle gerade nicht, wann die Arbeitszeit beginne und ende. Gleiches gelte für das Arbeitszeitgesetz. Mithin stehe dem Antragsteller und dem Beteiligten weiterhin die Definitionskompetenz hinsichtlich der genannten Begriffe zu, von der sie mit der weiterhin gültigen Dienstvereinbarung vom 14. März 2008 Gebrauch gemacht hätten.

Der Antragsteller hat beantragt,

festzustellen, dass der Beteiligte durch sein „Schreiben“ vom 30. März 2012 zur Regelung zum Beginn und Ende der Arbeitszeit ohne vorherige Zustimmung des Antragstellers dessen Mitbestimmungsrecht verletzt hat,

hilfsweise festzustellen, dass die Regelung in § 4 der Dienstvereinbarung vom 14. März 2008 über die flexible Arbeitszeit, soweit sie Angestellte betrifft, wirksam ist und weiterhin Anwendung findet.

Der Beteiligte hat zur Begründung seines Zurückweisungsantrags das Vorbringen aus seinen Schreiben vom 30. März 2012 und vom 27. April 2012 vertieft. Ergänzend hat er vorgetragen, es sei kein Mitbestimmungsrecht nach § 85 Abs. 1 Nr. 1 PersVG Berlin gegeben, weil er Beginn und Ende der Arbeitszeit nicht konkret zeitlich festgelegt habe.

Mit Beschluss vom 19. Dezember 2012 hat das Verwaltungsgericht Berlin den Antrag zurückgewiesen. Der Hauptantrag sei unbegründet. Eine Verletzung des Mitbestimmungsrechts des Antragstellers scheide schon deswegen aus, weil es sich bei dem Schreiben des Beteiligten vom 30. März 2012 nicht um eine Maßnahme im Sinne des § 79 PersVG Berlin gegenüber den Beschäftigten der Dienststelle handele. Das Schreiben bringe lediglich eine bestimmte Rechtsansicht zum Inhalt des TV-L und dessen Auswirkungen auf den Fortbestand der Dienstvereinbarung vom 14. März 2008 zum Ausdruck. Es sei nicht darum gegangen, die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten zu ändern, sondern vielmehr darum, geltendes Tarifrecht zu vollziehen. Das Bestehen auf der Einhaltung geltender gesetzlicher oder tarifrechtlicher Vorschriften stelle selbst dann keine Maßnahme dar, wenn die von der Behördenleitung vertretene Rechtsansicht möglicherweise fehlerhaft sei. Der Hilfsantrag sei zulässig, insbesondere habe der Antragsteller das erforderliche Feststellungsinteresse, weil der Beteiligte die Anwendbarkeit von § 4 DV Flex weiterhin unter Hinweis auf die neuen Vorschriften des TV-L bestreite. Allerdings sei auch dieser Antrag unbegründet. Denn die streitgegenständliche Vorschrift der Dienstvereinbarung verstoße seit ihrem Inkrafttreten gegen den in § 75 PersVG Berlin normierten Tarifvorbehalt. § 75 Satz 1 PersVG Berlin werde hier nicht durch § 85 Abs. 1 Nr. 1 PersVG Berlin verdrängt. Von diesem Mitbestimmungstatbestand werde nämlich nur eine Regelung erfasst, die Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit gestalte, also Zeitpunkte fixiere. Derartige Zeitpunkte, also ab wann bzw. bis wann gearbeitet werden müsse bzw. dürfe, würden hier nicht geregelt. Es werde nur festgelegt, dass ein entsprechender, anderweitig geregelter Zeitpunkt mit Betreten bzw. Verlassen des Dienstgebäudes eingehalten werde.Der Tarifvorbehalt besage, dass Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt seien oder üblicherweise geregelt würden, nicht Gegenstand einer Dienstvereinbarung sein könnten. Soweit es hier auf einen Verstoß gegen § 15 Abs. 7 BAT ankomme, werde zur Begründung auf den den Beteiligten bekannten Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. März 2012 Bezug genommen. Seit Inkrafttreten des TV-L gelte nichts anderes. Denn der TV-L regele, auch wenn eine § 15 Abs. 7 BAT vergleichbare Vorschrift fehle, ebenfalls die Frage, was zur Arbeitszeit rechne und was nicht, und sperre damit die streitgegenständliche Regelung der Dienstvereinbarung. Dies folge aus § 6 TV-L, der die Dauer der regelmäßigen Arbeitszeit regle und in synallagmatischem Verhältnis zu den tarifvertraglichen Vergütungsregelungen stehe. Die Dauer der geschuldeten Arbeitszeit und die dafür im Gegenzug zu bezahlende Vergütung definierten die arbeitsvertraglichen Essentialia abschließend, andernfalls der Tarifvertrag die von den Vertragsparteien gewollte kartellrechtliche Wirkung nicht entfalten könne. In seinem Geltungsbereich solle er nämlich den Wettbewerb der um die freien Stellen konkurrierenden Arbeitskräfte nach unten, also das sich gegenseitige Unterbieten durch immer niedrigere Löhne verhindern. Diese Wirkung würde verfehlt, würde man den Dienststellen die Definitionskompetenz überlassen, was zur Arbeitszeit rechne und was nicht. Denkbar wären dann nämlich nicht nur Regelungen, wie die hier streitgegenständliche, wonach das Betreten des Dienstgebäudes schon das Dienstleistungsversprechen des Angestellten erfülle, sondern beispielsweise auch Regelungen, wonach dieses schon ab Verlassen der Wohnung erfüllt werde oder erst ab der zweiten Stunde Anwesenheit in der Dienststelle. Maßgeblich für die Frage, ob der Angestellte sein Arbeitszeitversprechen erfülle, müsse vielmehr stets sein, ob er sich in einer Situation befinde, in der er den Weisungen seines Arbeitgebers vollumfänglich unterworfen sei oder nicht. Nur wenn man dem Arbeitszeitbegriff des § 6 TV-L diese Kontur gebe, könne der Tarifvertrag seine gewollte kartellrechtliche Wirkung entfalten und gleiche Löhne für gleiche Arbeit in seinem Anwendungsbereich garantieren. Habe § 6 TV-L aber diesen Inhalt, könne nicht zweifelhaft sein, dass er über § 75 Satz 1 PersVG Berlin abweichende Regelungen durch Dienstvereinbarung sperre.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers, die er wie folgt begründet: Entgegen der Auffassung der Fachkammer handele es sich bei dem Schreiben vom 30. März 2012 um eine Maßnahme, nämlich um eine Regelung zum Beginn und Ende der Arbeitszeit, wie bereits die Überschrift ausweise. Auch dem Inhalt nach werde das Beschäftigungsverhältnis geändert und nicht nur eine Rechtsansicht wiedergegeben. Das Rechtsverständnis des Verwaltungsgerichts, für den Mitbestimmungstatbestand des § 85 Abs. 1 Nr. 1 PersVG Berlin müsse eine Uhrzeit für Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit festgelegt sein, sei zu eng. Es sei gerade der Sinn einer Regelung über flexible Arbeitszeiten, keine Uhrzeiten festzulegen, sondern die Lage der täglichen Arbeitszeit weitgehend den Beschäftigten zu überlassen. Dies geschehe wie im vorliegenden Fall dadurch, dass ein bestimmter Ort bzw. eine bestimmte Handlung festgelegt werde, der bzw. die Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit bestimme. Jedenfalls aber sei der Hilfsantrag begründet. § 6 TV-L enthalte ausdrücklich keine Regelung mehr zu Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit für Angestellte, wie der Vergleich zu § 15 Abs. 7 BAT zeige. Die Tarifvertragsparteien hätten hierzu offensichtlich bewusst keine Regelung mehr treffen, sondern allein den Umfang der geschuldeten Wochenarbeitszeit in einem Vollzeitarbeitsverhältnis regeln wollen. Wie weit inhaltlich die Regelungsmacht der Dienststellenparteien gehe, ergebe sich unter Berücksichtigung des Arbeitszeitgesetzes sowie aus Sinn und Zweck der allgemeinen Regelungen zum Dienstverhältnis als Austauschverhältnis. Das Arbeitszeitgesetz enthalte keine ausdrückliche Regelung zu Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit. Richtig sei zwar der Ansatz des Verwaltungsgerichts, wonach Sinn und Zweck des Arbeitsverhältnisses es im Regelfall erforderten, dass sich der Angestellte bereits im räumlichen Weisungsbereich seines Arbeitgebers aufhalten müsse. Dem widerspreche indes § 4 DV Flex nicht. Mit dem Betreten des Dienstgebäudes befinde sich der Beschäftigte selbstverständlich im örtlich vollumfänglichen Weisungsbereich des Dienstherrn.

Der Antragsteller beantragt,

den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 19. Dezember 2012 zu ändern und festzustellen, dass der Beteiligte durch sein „Schreiben“ vom 30. März 2012 zur Regelung zum Beginn und Ende der Arbeitszeit ohne vorherige Zustimmung des Antragstellers dessen Mitbestimmungsrecht verletzt hat,

hilfsweise festzustellen, dass die Regelung in § 4 der Dienstvereinbarung vom 14. März 2008 über die flexible Arbeitszeit, soweit sie Angestellte betrifft, wirksam ist und weiterhin Anwendung findet.

Der Beteiligte verteidigt den angefochtenen Beschluss und beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Verfahrensbeteiligten einschließlich Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde des Beteiligten ist teilweise begründet. Das Verwaltungsgericht hat den Hauptantrag zu Recht, den Hilfsantrag aber zu Unrecht zurückgewiesen.

Der Beteiligte hat durch sein Schreiben vom 30. März 2012 Mitbestimmungsrechte des Antragstellers nicht verletzt. Als verletzt in Betracht kommt nur § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 PersVG Berlin. Danach bestimmt die Personalvertretung, soweit keine Regelung durch Rechtsvorschrift oder Tarifvertrag besteht, gegebenenfalls durch Abschluss von Dienstvereinbarungen mit über Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit und der Pausen sowie die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage. Das Schreiben des Beteiligten vom 30. März 2012 stellt aber entgegen seiner Überschrift keine Regelung zum „Beginn und Ende der Arbeitszeit“ dar.

Zweifelhaft ist bereits, ob die „Arbeitszeit“ betroffen ist. Unter Arbeitszeit sind diejenigen Zeiträume zu verstehen, in denen der Beschäftigte die ihm obliegende Dienstleistung erbringen muss. Ob die Wege vom Eingang des Dienstgebäudes bis zum Arbeitsplatz und umgekehrt als Arbeit zu werten sind und deshalb in die Arbeitszeit einzurechnen sind oder nicht, dürfte in erster Linie den Inhalt der Arbeit und nicht die Arbeitszeit betreffen. Das mag hier indes dahinstehen. Denn jedenfalls enthält das Schreiben keine Regelung zu „Beginn und Ende“ der Arbeitszeit im Sinne von § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 PersVG Berlin. Denn dieser Mitbestimmungstatbestand ist nur erfüllt, wenn durch die fragliche Regelung derjenige Zeitraum, in welchem der Beschäftigte seine Verpflichtung zur Dienstleistung zu erfüllen hat, nach Wochentag, Dauer und Uhrzeit fixiert wird (vgl. Beschlüsse des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. August 2002 - BVerwG 6 P 17.01 - juris Rn. 13, vom 30. Juni 2005 - BVerwG 6 P 9.04 - juris Rn. 22, und vom 23. August 2007 - BVerwG 6 P 7.06 -, juris Rn. 31). Hier aber fehlt es an der danach der erforderlichen Fixierung von Zeitpunkten.

Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht im Beschluss vom 9. März 2012 - BVerwG 6 P 27.10 -, juris Rn. 23, offen gelassen, ob die vorstehend zitierte Rechtsprechung im Hinblick auf den Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 10. November 2009 - 1 ABR 54/08 -, juris Rn. 13 ff., der Fortentwicklung bedürfe. Darin hat das Bundesarbeitsgericht eine arbeitgeberseitig angewiesene Nichtanrechnung von Umkleidezeiten auf die Arbeitszeit dem parallelen Mitbestimmungstatbestand des § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG (Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit) zugeordnet. Der Hinweis auf diese Entscheidung dürfte indes durch das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 19. September 2012 - 5 AZR 678/11 -, juris Rn. 25, überholt sein, wonach die Festlegung einer Pauschale von 15 Minuten für Umkleide- und innerbetriebliche Wegezeiten als Arbeitszeit in einer Dienstvereinbarung nicht als Regelung über Beginn und Ende der Arbeitszeit, sondern als eine solche über die Dauer der Arbeitszeit zu werten sei. Weitergehend lässt sich sagen, dass die Festlegung von Beginn und Ende der Arbeitszeit etwas anderes ist als die hier in Rede stehende Bestimmung, wo bzw. mit welcher Handlung die Arbeit beginnt und wo bzw. mit welcher Handlung sie endet.

Der Hilfsantrag ist begründet. Die Regelung in § 4 DV Flex über die Anwesenheitszeit ist, soweit sie Angestellte betrifft, wirksam und findet weiterhin Anwendung.

Nach § 74 Abs. 1 PersVG Berlin können Dienstvereinbarungen auch über nicht beteiligungspflichtige Gegenstände geschlossen werden, soweit keine Rechtsvorschriften entgegenstehen. Allerdings gilt in diesem Fall der Tarifvorbehalt gem. § 75 PersVG Berlin. Danach können Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrags geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, nicht Gegenstand einer Dienstvereinbarung sein, es sei denn, der Tarifvertrag lässt den Abschluss ergänzender Dienstvereinbarungen ausdrücklich zu.

Die Vereinbarung in § 4 DV Flex betrifft unzweifelhaft eine Arbeitsbedingung im Sinne von § 75 Satz 1 PersVG Berlin. Jedoch ist diese weder durch Tarifvertrag geregelt noch wird sie üblicherweise durch Tarifvertrag geregelt.

Eine tarifliche Regelung im Sinne von § 75 Satz 1 PersVG Berlin liegt vor, wenn der Tarifvertrag eine positive Sachregelung enthält. Der Umfang einer tariflichen Regelung und ihre Sperrwirkung sind durch Auslegung zu ermitteln. Dabei ist insbesondere der Gesetzeszweck von § 75 Satz 1 PersVG Berlin zu berücksichtigen, der darin besteht, zu verhindern, dass Gegenstände, derer sich die Tarifvertragsparteien angenommen haben, konkurrierend durch Dienstvereinbarung geregelt werden. Deshalb besteht ein Tarifvorrang dann, wenn die Tarifvertragsparteien mit der tariflichen Regelung erkennbar das Ziel verfolgt haben, die betreffende Angelegenheit abschließend zu regeln (vgl. Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 12. März 2008 - 4 AZR 616/06 -, juris Rn. 28).

Es bedarf hier keiner Entscheidung, ob § 4 DV Flex bei seinem Inkrafttreten am 1. April 2008 gegen den Tarifvorrang nach § 75 Satz 1 PersVG Berlin verstieß, wie die Fachkammer angenommen hat. Denn selbst wenn man zugunsten des Beteiligten einen solchen Verstoß unterstellt, führte dieser nur zur schwebenden Unwirksamkeit der Regelung in § 4 DV Flex (vgl. Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. März 2012 - BVerwG 6 P 27.10 -, juris Rn. 34 m.w.N.). Mit Abschluss des Angleichungstarifvertrages vom 14. Oktober 2010, gültig ab 1. November 2010, der die Anwendung des TV-L in Berlin - unter hier nicht einschlägigen Maßgaben - vorschreibt und die bis dahin gültigen, unterschiedlichen Tarifverträge für Angestellte (BAT und BAT/O) und Arbeiter (BMT-G II) abgelöst hat, endete jedenfalls die Sperrwirkung nach § 75 Satz 1 PersVG Berlin.

Der TV-L enthält keine Regelungen zu Beginn und Ende der Arbeitszeit. Er regelt auch nicht, an welchem Ort bzw. mit welcher Handlung die Arbeit beginnt und endet. § 6 Abs. 1 TV-L legt nur die durchschnittliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit ausschließlich der Pausen fest. Was tarifliche Arbeitszeit ist, definieren die Tarifvertragsparteien weder dort noch an anderer Stelle des Tarifvertrages.

Dass dies als eine bewusste Nichtregelung gewollt ist, ergibt sich aus einem Vergleich mit den abgelösten Tarifbestimmungen: Gem. § 15 Abs. 7 BAT beginnt und endet die Arbeitszeit an der Arbeitsstelle, nach § 15 Abs. 7 BAT-O am Arbeitsplatz. Nach der zugehörigen Protokollnotiz ist der Begriff der Arbeitsstelle weiter als der Begriff des Arbeitsplatzes. Er umfasst z.B. den Verwaltungs-/Betriebsbe-reich in dem Gebäude/Gebäudeteil, in dem der Angestellte arbeitet. Gem. § 15 Abs. 1 BMT-G II beginnt und endet die Arbeitszeit für Arbeiter an dem vorgeschriebenen Arbeitsplatz, bei wechselnden Arbeitsplätzen an dem jeweils vorgeschriebenen Arbeits- oder Sammelplatz.

Daraus hat das Bundesverwaltungsgericht für den dem TV-L insoweit vergleichbaren TV-Charité den Schluss gezogen, dass der neue Tarifvertrag zur Frage des Beginns der Arbeitszeitmessung keine Regelung trifft und damit die Tarifvertragsparteien bindend zum Ausdruck gebracht haben, dass der Regelung dieser Frage auf Ebene der Dienststelle fortan keine kollektivrechtlichen Hindernisse entgegenstehen sollten, und damit die Sperrwirkung entfallen ist (vgl. Beschluss vom 9. März 2012 - BVerwG 6 P 27.10 -, juris Rn. 24, 30 und Rn. 33).

Für § 6 Abs. 1 TV-L kann nichts anderes gelten. Aus dem Schweigen der Tarifvertragsparteien zu der Frage, wann und wo die Arbeit beginnt und endet, kann schwerlich der Schluss gezogen werden, dieses Schweigen entfalte eine Sperrwirkung für Dienstvereinbarungen. Das Schweigen der Tarifvertragsparteien ist darüber hinaus auch beredt, indem die alten Tarifvertragsbestimmungen nicht mehr enthalten sind und der TV-L damit die Regelungsprärogative der Tarifvertragsparteien bewusst aufgegeben hat.

Dabei kann offen bleiben, ob der Begriff der Arbeitszeit in § 6 Abs. 1 TV-L in Anlehnung an § 2 Abs. 1 ArbZG ausgelegt werden und ob der Weg vom Eingang des Dienstgebäudes bis zum Arbeitsplatz danach - vergütungsrechtlich - zur Arbeitszeit gezählt werden könnte oder nicht (vgl. dazu Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 19. September 2012 - 5 AZR 678/11 -, juris Rn. 21 ff.). Denn die Frage denkbarer Auslegungen einer Tarifvertragsbestimmung ist von der hier interessierenden Frage zu trennen, ob die Tarifvertragsparteien bewusst eine abschließende Regelung getroffen haben, die eine andere Vereinbarung in der Dienststelle ausschließt. Es kann aber - wie ausgeführt - nicht angenommen werden, dass die Tarifvertragsparteien durch Schweigen den Begriff der Arbeit im Hinblick auf den Weg vom Eingang des Dienstgebäudes bis zum Arbeitsplatz und umgekehrt mit einer Dienstvereinbarungen ausschließenden Wirkung definiert haben. Es spricht vielmehr alles dafür, dass in dem Schweigen zu dieser Frage in Abkehr von dem bis zum Inkrafttreten des TV-L geltenden Tarifrecht eine ausdrückliche Nichtregelung zu erblicken ist, die zugleich die Annahme einer Tarifüblichkeit einer solchen Regelung ausschließt. Es bleibt den Dienststellen mithin unbenommen, Dienstvereinbarungen darüber abzuschließen, wo bzw. mit welcher Handlung die Arbeit beginnt und endet, einschließlich der Vereinbarungen über das Anlegen einer bestimmten Kleidung und das Umkleiden im Betrieb, der Vereinbarungen über die Nutzung eines elektronischen Zeiterfassungsterminals an den Zugängen zum Dienstgebäude oder der schlichten Anrechnung des Wegs vom Zugang zum Dienstgebäude bis zum Arbeitsplatz. Eröffnet der TV-L den Dienststellen diese Möglichkeit, ist die Regelung in § 4 der Dienstvereinbarung vom 14. März 2008 über die flexible Arbeitszeit, soweit sie Angestellte betrifft, über den 1. November 2010 hinaus wirksam (geworden) und findet weiterhin Anwendung.

Die Rechtsbeschwerde war mangels Zulassungsgrundes nicht zu eröffnen.