Gericht | OLG Brandenburg 7. Zivilsenat | Entscheidungsdatum | 13.07.2011 | |
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Aktenzeichen | 7 U 164/10 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 23. Juli 2010 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 10. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, sofern die Beklagten nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Die Revision wird zugelassen.
I.
Der Kläger ist Verwalter in dem am 13.06.2005 über das Vermögen des Ar… R… (demnächst: Schuldner) eröffneten Insolvenzverfahren (Bl. 10, 11 d.A.). Den Eröffnungsantrag stellte der Schuldner am 06.05.2005 (Bl. 46 - 48 d.A.).
Der Schuldner betrieb seit Mitte des Jahres 1991 ein einzelkaufmännisches Unternehmen auf dem Gebiet des Garten- und Landschaftsbaus mit bis zu 10 Arbeitnehmern.
Mit notariellem Schenkungsvertrag vom 22.04.1996 (Bl. 68 – 73 d.A.) übertrug der Schuldner sein mit einem Einfamilienhaus bebautes Grundstück, verzeichnet im Grundbuch von W… Blatt 770 Flur 3 Flurstück 29/1, auf seine Kinder, die Beklagten. Die Beklagten wurden am 10.10.1996 im Grundbuch als Eigentümer eingetragen (Bl. 52 d.A.).
Am 27.05.1998 war bereits das Gesamtvollstreckungsverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet worden. Dieses Verfahren wurde durch Beschluss vom 18.12.2003 nach Verteilung des Erlöses eingestellt.
Der Kläger nimmt die Beklagten wegen der Grundstücksübertragung auf insolvenzrechtliche Rückgewähr unter dem Gesichtspunkt der Vorsatzanfechtung (§ 133 Abs. 1 InsO) in Anspruch.
Der Kläger hat beantragt,
1. die Beklagte zu 1. zu verurteilen, ihren Miteigentumsanteil von ½ an dem Grundstück Gemarkung W…, Flur 3, Flurstück 29/1, eingetragen im Grundbuch von W… Blatt 770, an ihn aufzulassen und die Eintragung des Ar.. R…, geb. ….06.1953, als Eigentümer im Grundbuch zu bewilligen;
2. den Beklagten zu 2. zu verurteilen,
a) seinen Miteigentumsanteil von ½ an dem Grundstück Gemarkung W…, Flur 3, Flurstück 29/1, eingetragen im Grundbuch von W… Blatt 770 frei von Belastungen in Abteilung III
- lfd. Nr. 3: 61.692,40 DM Sicherungshypothek für das Land Brandenburg gemäß Ersuchen des Finanzamtes … vom 14.02.2000 (Aktenzeichen: 047/264/01824-VoI), eingetragen am 21.01.2000,
- lfd. Nr. 4: 2.179,71 DM Sicherungshypothek mit 11 % Zinsen seit dem 05.11.1999 aus 1.233,75 DM sowie 4 % Zinsen seit dem 28.12.1999 aus 269,30 DM für die M… GmbH, Z…, gemäß Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Hagen vom 06.01.2000 (Aktenzeichen: 99-6698306-0-9), eingetragen am 18.07.2001,
- lfd. Nr. 5: 10.742,08 DM Sicherungshypothek mit 8 % Zinsen seit dem 18.05.2000 aus 8.843,06 DM, sowie 4 % Zinsen seit dem 12.07.2000 aus 960,00 DM für die T… GmbH, M…, gemäß Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts München vom 05.07.2000 (Aktenzeichen: Beklagte065628/00), eingetragen am 18.07.2001,
- lfd. Nr. 6: 14.729,21 DM Sicherungshypothek mit 9 % Zinsen seit dem 27.09.2001 aus 10.806,98 DM sowie 4 % Zinsen seit dem 27.09.2001 aus 2.173,36 DM für die D… GmbH, D… gemäß Versäumnisurteil vom 07.12.2000 und Kostenfestsetzungsbeschluss vom 11.04.2001 des Landgerichts Hannover (Aktenzeichen: 3 O 4159/00-226), eingetragen am 04.10.2001,
- lfd. Nr. 7: 3.946,03 € Zwangssicherungshypothek für das Land Brandenburg gemäß Ersuchen der Landesjustizkasse bei dem Brandenburgischen Oberlandesgericht vom 18.06.2003 (Aktenzeichen: 9821810008083 u.a.), eingetragen am 01.07.2003 an ihn aufzulassen und die Eintragung des Ar… R…, geb. ….06.1953, im Grundbuch zu bewilligen,
b) hilfsweise Wertersatz in Höhe von 92.032,54 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an ihn zur Masse zu zahlen.
Die Beklagten haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben.
Das Urteil des Landgerichts ist den Beklagten am 30.07.2010 zugestellt worden. Die Beklagten haben am 27.08.2010 beantragt, ihnen Prozesskostenhilfe für den zweiten Rechtszug zu bewilligen. Der Senat hat den Beklagten durch ihnen am 19.11.2010 zugestellten Beschluss Prozesskostenhilfe gewährt. Die Beklagten haben am 22.11.2010 Wiedereinsetzung beantragt und zugleich Berufung eingelegt, wie auch diese begründet.
Beide Parteien wiederholen und vertiefen ihr erstinstanzliches Vorbringen.
Die Beklagten beantragen,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Akteninhalt ergänzend Bezug genommen. Die Akten des Amtsgerichts Potsdam 35 N 221/98 (GesO-Verfahren) waren zur Information Gegenstand der mündlichen Verhandlung vor dem Senat.
II.
Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie hat auch in der Sache Erfolg.
Die Klage erweist sich als unbegründet. Der Kläger kann den Klageanspruch nicht mehr geltend machen, weil der Anfechtungsanspruch als solcher im zuvor eingeleiteten Gesamtvollstreckungsverfahren nach Ablauf der zweijährigen Ausübungsfrist (Ausschlussfrist) des § 10 Abs. 2 GesO erloschen ist.
An sich könnte dem Kläger der auf Rückauflassung gerichtete Klageanspruch unter dem Gesichtspunkt der insolvenzrechtlichen Rückgewähr (§§ 129, 133 Abs. 1, 143 InsO) zustehen. Auf den Anfechtungstatbestand der Schenkungsanfechtung (§ 134 InsO) lässt sich die Anfechtung nicht stützen, da die vierjährige Anfechtungsfrist im Hinblick auf die im Jahre 1996 erfolgte Grundstücksübertragung längst verstrichen ist.
1.
Die Vorschriften der Insolvenzordnung sind grundsätzlich auf das am 06.05.2005 beantragte Insolvenzverfahren anzuwenden (Art. 104 EGInsO).
Allerdings ist für die Anfechtung die Überleitungsvorschrift des Art. 106 EGInsO zu beachten. Danach sind die Vorschriften der Insolvenzordnung über die Anfechtung von Rechtshandlungen nur insoweit anwendbar, als die Rechtshandlungen nicht nach dem bisherigen Recht der Anfechtung entzogen oder in geringerem Umfang unterworfen sind.
a)
Der Kläger kann die Anfechtung allein aus dem Anfechtungstatbestand der Vorsatzanfechtung (§ 133 Abs. 1 InsO) herleiten. Die übrigen Anfechtungstatbestände kommen schon aus zeitlichen Gründen nicht in Betracht.
Auch im bisherigen Recht der Gesamtvollstreckungsordnung war die Absichtsanfechtung vorgesehen, nämlich in § 10 Abs. 1 Nr. 1 GesO. In materiellrechtlicher Hinsicht bleibt die Regelung des § 133 Abs. 1 InsO hinter § 10 GesO zurück, enthält also keine Verschärfung der Anfechtungsvoraussetzungen (Haarmeyer/Wutzke/Förster, GesO, 4. Aufl., § 10 GesO, Rdnrn. 2 und 3).
Soweit es die Ausübung des Anfechtungsrechts betrifft, unterscheidet sich das bisherige Recht der Gesamtvollstreckungsordnung von der Insolvenzordnung. Die Regelung in § 10 Abs. 2 GesO sah vor, dass die Anfechtung nur innerhalb von zwei Jahren seit Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens erfolgen konnte. Bei der Zwei-Jahresfrist des § 10 Abs. 2 GesO handelte es sich wie bei § 41 KO um eine Ausschlussfrist (Kilger/K. Schmidt, KO, 16. Aufl., § 10 GesO, Anm. 3; BGHZ 122, 23, 24). Demgegenüber ist die in § 146 InsO geregelte Frist von zwei Jahren zur Ausübung des Anfechtungsrechts als Verjährungsfrist ausgestaltet (siehe hierzu: Kreft in: HK-InsO, 5. Aufl, § 146 InsO, Rdnr. 6).
Der Unterschied zwischen einer Ausschlussfrist und einer – bloßen – Verjährungsfrist ist ein grundlegender. Der Ablauf einer Ausschlussfrist hat den Untergang des Rechts zur Folge; der Ablauf einer Verjährungsfrist führt dagegen nur zu einer bloßen Einredebefugnis gegenüber einem fortbestehenden Recht (BGH NJW 2006, 903, 904; Kirchhof in: MünchKomm, InsO, 2. Aufl., § 129 InsO, Rdnr. 225).
b)
Der BGH hat im Urteil vom 16.11.2006 – IX ZR 239/04, ZIP, 2007, 33 zur Problematik der Verjährung des Anfechtungsanspruchs nach § 146 InsO für die Übergangsfälle, in denen die rechtlichen Wirkungen der Anfechtung vor Inkrafttreten der Insolvenzordnung eingetreten sind, Stellung genommen.
In dem vom BGH entschiedenen Fall hatte das Berufungsgericht als Vorinstanz die Auffassung vertreten, die Anfechtung sei verspätet erfolgt, weil nach der Übergangsvorschrift des Art. 106 EGInsO die kürzere Anfechtungsfrist des § 41 KO und nicht die Verjährungsfrist des § 146 Abs. 1 InsO maßgeblich sei. Der BGH hat dies anders gesehen.
Der BGH hat darauf abgestellt, dass der Anfechtungsgegner für eine vor dem 01.01.1999 vorgenommene Rechtshandlung auf die kürzere Anfechtungsfrist des § 41 KO nicht vertrauen könne, weil sich das Vertrauen nur darauf beziehen könne, dass eine bestimmte Rechtshandlung nicht die Voraussetzungen eines Anfechtungstatbestandes erfülle; bei einer anfechtbaren Rechtshandlung könne sich der Anfechtungsgegner nicht darauf verlassen, dass ein Antrag auf Eröffnung eines Konkurs- oder Insolvenzverfahrens überhaupt nicht oder allenfalls zu einem ihm günstigen Zeitpunkt gestellt werde und zur Eröffnung führe. Dabei hat der BGH als weiteren Umstand angeführt, dass es in dem von ihm entschiedenen Fall „an einem Anknüpfungspunkt vor dem 1. Januar 1999“ (ZIP 2007, 33, 34) fehle.
c)
Der Streitfall liegt in einem entscheidenden Punkt anders als der Fall, mit dem sich der BGH im Urteil vom 16.11.2006 zu befassen hatte.
Im Streitfall war bereits auf den am 02.03.1998 eingegangenen Antrag der B…kasse (Bl. 1 Beiakte – 35 N 221/98 AG Potsdam) am 27.05.1998 das Gesamtvollstreckungsverfahren eröffnet und Rechtsanwalt W… F… zum Verwalter bestellt worden (Bl. 33 a.a.O). Der Gesamtvollstreckungsverwalter hätte in diesem Verfahren die aufgrund des notariellen Schenkungsvertrages vom 22.04.1996 (Bl. 68 – 73 d.A.) auf die Beklagten erfolgte Grundstücksübertragung gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1 GesO anfechten können; also anders ausgedrückt: den entsprechenden Anfechtungsanspruch gerichtlich geltend machen können, insoweit waren die Beklagten bereits im Gesamtvollstreckungsverfahren der Anfechtung ausgesetzt.
d)
Das Anfechtungsrecht entsteht mit der Vollendung des Anfechtungstatbestandes, allerdings nicht vor, sondern frühestens mit und deshalb nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (Kreft in: HK-InsO, 5. Aufl., § 129 InsO, Rdnr. 82; BGH ZIP 2007, 33, 34). Das hat auch für die Anfechtung im Anwendungsbereich der Gesamtvollstreckungsordnung zu gelten. Denn auch dort setzt die Geltendmachung eines Anfechtungsanspruchs die Eröffnung des Verfahrens sowie die Voraussetzungen des jeweiligen Anfechtungstatbestandes voraus (Haarmeyer/ Wutzke/Förster, GesO, 4. Aufl., § 10 GesO, Rdnr. 11).
Für den Streitfall bedeutet dies: Der Anfechtungsanspruch als solcher ist mit der Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens am 27.05.1998 entstanden. Von diesem Zeitpunkt an unterlag er der zweijährigen Ausübungsfrist des § 10 Abs. 2 GesO, die allerdings als Ausschlussfrist ausgestaltet war, mit der Folge, dass der Anfechtungsanspruch nach Ablauf der zweijährigen Frist Ende Mai 1998 erloschen ist. Bei dem von dem Kläger verfolgten Anfechtungsanspruch liegt derselbe Lebenssachverhalt zugrunde, wie er bereits sich für den Anfechtungsanspruch ergab, der im Gesamtvollstreckungsverfahren entstanden und nach Ablauf der Frist des § 10 Abs. 2 GesO erloschen ist. Somit ist der Kläger gehindert, den Anfechtungsanspruch (erneut) zu erheben.
e)
Die Entscheidung des BGH vom 16.11.2006 (ZIP 2007, 33) steht dem nicht entgegen. Der vom BGH angesprochene „Anknüpfungspunkt vor dem 1. Januar 1999“ ist in dem bereits im Mai 1998 eröffneten Gesamtvollstreckungsverfahren zu sehen. Anders als in dem BGH-Fall kann den Beklagten als Anfechtungsgegnern nicht entgegengehalten werden, sie hätten sich darauf verlassen, es werde ein Antrag auf Eröffnung eines Gesamtvollstreckungs- oder Insolvenzverfahrens überhaupt nicht gestellt. Vielmehr waren die Beklagten mit der Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens tatsächlich der Anfechtung ausgesetzt, allerdings nur innerhalb der zweijährigen Ausschlussfrist des § 10 Abs. 2 GesO. Mit einer späteren (weiteren) Inanspruchnahme mussten sie nicht rechnen. Die Überleitungsvorschrift des Art. 106 EGInsO ist nicht geeignet, einen bereits erloschenen Anfechtungsanspruch erneut, nach Eröffnung eines (weiteren) Insolvenzverfahrens der Anfechtung zu unterwerfen.
III.
Die Revision wird zu der Frage zugelassen, ob nach Ablauf der Ausschlussfrist des § 10 Abs. 2 GesO eine Anfechtung der nämlichen Rechtshandlung(en) in einem späteren Insolvenzverfahren noch möglich ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gemäß §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Streitwert im Berufungsverfahren: 184.065,08 €.