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Thailand; Beschwerde; eheunabhängige Aufenthaltserlaubnis; Verlängerung; Sicherung des Lebensunterhalts; Verpflichtungserklärung eines Dritten; wirtschaftliche Leistungsfähigkeit; Pfändungsgrenzen; pfändungsfreies Einkommen; atypischer Fall (verneint); Arbeitsunfähigkeit; Verlöbnis


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 2. Senat Entscheidungsdatum 26.05.2010
Aktenzeichen OVG 2 S 100.09 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 80 Abs 5 VwGO, § 2 Abs 3 AufenthG, § 5 Abs 1 Nr 1 AufenthG, § 31 Abs 4 S 2 AufenthG, § 68 AufenthG, Art 6 GG

Tenor

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 24. November 2009 wird mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung geändert.

Der Antrag der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung der Klage – VG 22 K 243.09 – gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 12. August 2009 anzuordnen, wird abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge trägt die Antragstellerin.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 2.500 EUR festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde des Antragsgegners ist begründet. Das Beschwerdevorbringen, das nach § 146 Abs. 4 VwGO den Umfang der Überprüfung durch das Oberverwaltungsgericht bestimmt, rechtfertigt eine Änderung des erstinstanzlichen Beschlusses.

Der angegriffene sofort vollziehbare Bescheid, mit dem der Antragsgegner den Antrag auf Verlängerung der der Antragstellerin erstmals am 26. Juni 2008 für ein Jahr erteilten eheunabhängigen Aufenthaltserlaubnis nach § 31 Abs. 4 Satz 2 AufenthG abgelehnt und ihr die Abschiebung angedroht hat, ist bei der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren allein gebotenen summarischen Prüfung nicht zu beanstanden.

Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts fehlt es bereits an der für die begehrte Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis erforderlichen Erfüllung der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG i.V.m. § 2 Abs. 3 AufenthG (vgl. hierzu u.a. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28. Februar 2006 - OVG 11 S 13.06 -, InfAuslR 2006, 277). Dass die - unstreitig nicht erwerbstätige - Antragstellerin ausweislich der im Beschwerdeverfahren vorgelegten Bescheinigung des Job-Center vom 18. August 2009 keine Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II (Arbeitslosengeld II) bezieht, steht dem nicht entgegen, weil der Lebensunterhalt nicht gesichert ist, wenn ein Anspruch auf (aufstockende) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II besteht (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. August 2008 - 1 C 32.07 -, BVerwGE 131, 370). Der Einwand, die Antragstellerin wohne mit ihrem Verlobten, Herrn R.S., seit August 2009 in einer Haushalts- und Bedarfsgemeinschaft, so dass ein Leistungsbezug nicht in Betracht komme, greift bereits nicht durch, da es sich bei diesem Vorbringen um eine in keiner Weise glaubhaft gemachte Behauptung handelt.

Die im erstinstanzlichen Verfahren eingereichte Verpflichtungserklärung des Herrn R.S. vom 4. September 2009 gegenüber dem Antragsgegner rechtfertigt ebenfalls keine andere Beurteilung. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin handelt es sich hierbei nicht um eine Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites bzw. Zwölftes Buch vorgehende, ihr gegenüber bestehende Leistungspflicht (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 19. November 1993 - 6 S 2371/93 -, InfAuslR 1994, 109; Bayerischer VGH, Beschluss vom 23. Februar 1994 – 12 CE 94.101 -, InfAuslR 1996, 23, jeweils zu § 84 AuslG 1990). Auch macht der Antragsgegner zu Recht geltend, dass der Verpflichtende nicht über ausreichende Mittel verfügt.

Erklärt ein gegenüber dem Ausländer nicht zum Unterhalt verpflichteter Dritter, dass er für den Lebensunterhalt des Ausländers im Bundesgebiet aufkommen werde (§ 68 AufenthG), so setzt dies voraus, dass der Erklärende in wirtschaftlicher Hinsicht leistungsfähig ist (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 21. April 2009 - 3 B 8.07 -, juris). Bezieht der Erklärende ein Arbeitseinkommen, so dient als Anhaltspunkt für seine Leistungsfähigkeit - jedenfalls bei dem hier begehrten Daueraufenthalt - die Pfändungsfreigrenze des § 850 c ZPO (vgl. für eine Verpflichtungsdauer von fünf Jahren OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 8. September 2009 - 12 M 47.09 -, juris, m.w.N.). Ein Rückgriff auf die Pfändungsfreigrenze ist sachgerecht, weil durch die Verpflichtungserklärung gemäß § 68 AufenthG keine unmittelbaren Ansprüche des Ausländers gegen den Verpflichteten begründet werden, so dass die öffentliche Mittel (vor-)leistende Behörde gehalten ist, einen auf § 68 AufenthG gestützten Erstattungsanspruch gegenüber dem Verpflichtungsgeber geltend zu machen. Verweigert dieser die Zahlung und kommt es zur Vollstreckung nach dem Verwaltungsvollstreckungsgesetz (§ 68 Abs. 2 Satz 2 AufenthG), so kann sein Arbeitseinkommen nur in dem gesetzlich zulässigen Maße gepfändet werden (§ 5 Abs. 1 VwVG, § 319 AO, § 850 c ZPO bzw. die entsprechenden Vorschriften in den Verwaltungsvollstreckungsgesetzen der Länder, s. dazu Engelhardt/App, VwVG, 8. Aufl., § 5 Rn. 6 ff.). Nach alledem kann die Bonitätsprüfung des Verpflichtungsgebers nur dann zu seinen Gunsten ausgehen, wenn er über pfändungsfreies Einkommen in ausreichender Höhe verfügt (vgl. zum Vorstehenden OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 8. September 2009 - 12 M 47.09 -, a.a.O.). Gegenteiliges lässt sich auch den Allgemeinen Verwaltungsvorschriften des Bundesministeriums des Innern zum AufenthG vom 26. Oktober 2009 nicht entnehmen. Diese weisen unter Ziffer 68.2.2 ebenfalls darauf hin, dass Forderungen aus Verpflichtungserklärungen nach Maßgabe des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes vollstreckbar sind mit der Folge, dass - wie oben dargestellt – die Pfändungsgrenzen zu beachten sind. Soweit die Beschwerde eine „sklavische“ Prüfung der Leistungsfähigkeit anhand der Pfändungstabelle moniert und sich zur Begründung auf die genannten Allgemeinen Verwaltungsvorschriften beruft, handelt es sich bei den von ihr in Bezug genommenen Textstellen um weitere bzw. zusätzliche Anforderungen an die Bonitätsprüfung, die sich teilweise auf besondere - hier nicht gegebene - Fallgestaltungen beziehen.

Vorliegend fehlt es an pfändungsfreien Bezügen in ausreichender Höhe. Zutreffend weist der Antragsgegner darauf hin, dass bei der Ermittlung des pfändbaren Einkommens vorliegend zunächst die unpfändbaren Gehaltsbestandteile i.S.v. § 850 a ZPO zu berücksichtigen sind, da aus den von der Antragstellerin eingereichten Gehaltsbescheinigungen des Herrn R.S. hervorgeht, dass er Aufwandsentschädigungen, Auslösungsgelder und sonstige soziale Zulagen für auswärtige Beschäftigungen i.S.v. § 850 a Nr. 3 ZPO bezieht. Wegen der erheblichen monatlichen Einkommensschwankungen, die ausweislich der im Beschwerdeverfahren vorgelegten Bescheinigungen für April 2009 sowie für die Monate Juni bis November 2009 bis zu 1.200,00 Euro betragen, ist der Berechnung ein durchschnittlicher Nettoverdienst in Höhe von 1.502,04 Euro zugrunde zu legen. Dabei hat der Senat gemäß § 850 a Nr. 3 ZPO lediglich die mit „Auslösung steuerfrei“ und „Fahrtkosten steuerfrei“ bezeichneten Beträge von dem ausgewiesenen Nettolohn abgezogen, ohne die Abzugsfähigkeit etwaiger weiterer in Betracht kommender Positionen zu prüfen. Bei Beachtung der in § 850 c ZPO i.V.m. der Bekanntmachung zu § 850 c ZPO vom 22. Januar 2007 (BGBl I S. 64) festgelegten Pfändungsgrenzen verbleibt danach selbst ohne Berücksichtigung einer etwaigen Unterhaltspflicht des Herrn R.S. gegenüber seiner - ggf. zwischenzeitlich geschiedenen - Ehefrau ein pfändbarer Betrag in Höhe von 360,40 Euro, der zwar knapp über dem Regelbedarf der Antragstellerin liegt, aber nicht einmal ausreicht, die laut eingereichter Bescheinigung der Barmer Ersatzkasse anfallenden Kranken- und Pflegeversicherungskosten von 210,79 Euro sowie Mietkosten zu decken. Dass Herr R.S. - wie behauptet - keine Unterhaltszahlungen zu leisten hat, ist bisher nicht in der gebotenen Form glaubhaft gemacht, so dass sich der pfändbare Betrag bei Berücksichtigung einer unterhaltsberechtigten Person auf 72,05 Euro reduzieren würde. Bei dieser Sachlage kommt es auf die unzureichende Form der Verpflichtungserklärung nicht an.

Zu Recht macht der Antragsgegner weiter geltend, dass Gründe, die ausnahmsweise ein Absehen von der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG erlauben, weder vorgetragen noch ersichtlich sind. Ein solcher Ausnahmefall ist dadurch gekennzeichnet, dass ein atypischer Sachverhalt gegeben ist, der sich von der Menge gleich liegender Fälle durch besondere Umstände unterscheidet, die so bedeutsam sind, dass sie das sonst ausschlaggebende Gewicht des der Regelerteilungsvoraussetzung zu Grunde liegenden öffentlichen Interesses beseitigen (vgl. Beschluss des Senats vom 19. März 2010 - 2 N 97.08 - m.w.N.). Diese Voraussetzungen liegen nach dem Vorbringen der Antragstellerin nicht vor. Dabei kommt es nicht darauf an, ob sie – wie geltend gemacht – ihre ursprünglich ausgeübte Tätigkeit als Masseurin nicht mehr ausüben kann, da dieser Umstand die Annahme eines Ausnahmefalles nicht rechtfertigen würde. Es ist jedenfalls nicht belegt, dass die Antragstellerin wegen der Spätfolgen eines Unfalles nicht in der Lage gewesen sei, sich während der Geltungsdauer der ihr gemäß § 31 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG erteilten eheunabhängigen Aufenthaltserlaubnis (Juni 2008 bis Juni 2009) durch eigene Arbeit in die wirtschaftlichen Verhältnisse der Bundesrepublik Deutschland zu integrieren. Das Gleiche gilt für eine generelle Erwerbs- oder Arbeitsunfähigkeit. Den eingereichten Unterlagen ist lediglich zu entnehmen, dass die Antragstellerin vom 17. bis 19. Dezember 2008 zur - problemlos verlaufenen - Materialentfernung bei konsolidierter Unterarmschaftfraktur in stationärer Behandlung (Bescheinigung vom 17. Dezember 2008) und zumindest im Jahre 2009 während eines unbekannten Zeitraumes in ambulanter fachorthopädischer Behandlung (Attest des Dr. med. W. vom 31. August 2009) gewesen ist sowie im Oktober und Dezember 2009 in einer Praxis für Physiotherapie Behandlungstermine wahrgenommen hat (Heilmittelverordnungen vom 8. September, 5. Oktober und 1. Dezember 2009; Bescheinigungen der Praxis für Physiotherapie). Entsprechende Belege beizubringen, obliegt der Antragstellerin.

Entgegen der Ansicht der Antragstellerin ist schließlich auch nicht wegen ihres Verlöbnisses mit Blick auf Art. 6 GG von einem gesicherten Lebensunterhalt ausgehen. Dies scheitert schon daran, dass eine aufenthaltsrechtliche „Vorwirkung“ des durch Art. 6 Abs. 1 GG gewährleisteten Schutzes der Eheschließungsfreiheit voraussetzt, dass die Eheschließung unmittelbar bevorsteht, was regelmäßig durch einen zeitnahen Heiratstermin zu belegen ist (vgl. Beschluss des Senats vom 11. Januar 2010 – OVG 2 M 18.09 – m.w.N.). Bereits hieran fehlt es vorliegend.

Angesichts der vorstehend dargelegten Sach- und Rechtslage bedarf es keiner Entscheidung, ob der Antragsgegner das ihm zustehende Ermessen fehlerfrei ausgeübt hat, da schon die Tatbestandsvoraussetzungen des § 31 Abs. 4 Satz 2 AufenthG in Verbindung mit § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG nicht erfüllt sind.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).