Gericht | LSG Berlin-Brandenburg 16. Senat | Entscheidungsdatum | 28.06.2011 | |
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Aktenzeichen | L 16 R 1023/10 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 1 AAÜG |
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 29. Juli 2010 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitig ist noch, ob die Beklagte als Versorgungsträger für das Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) verpflichtet ist, für den Zeitraum vom 18. Januar 1966 bis 30. Juni 1990 Zeiten der Zugehörigkeit zur Zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVTI) sowie die entsprechenden Arbeitsentgelte festzustellen.
Der 1941 geborene Kläger erwarb nach Besuch der Bergingenieurschule in der Fachrichtung Tiefbohrtechnik die Berufsbezeichnung Ingenieur (Urkunde vom 18. Januar 1966). Der Kläger war vom 2. August 1965 bis 21. April 1968 als Bohringenieur bzw. Sachbearbeiter beim VEB Baugrund Berlin, vom 22. April 1968 bis 31. Dezember 1971 bei dem VE Autobahnkombinat Teilbetrieb Bohr- und Sprengtechnik Berlin als Gruppenleiter NT/Oberbauleiter bzw. „Ing. Neue Technik“, vom 1. Januar 1972 bis 31. März 1984 bei dem VEB Erdgas und Erdöl Mittenwalde als Bohrmeister/Vorhabenleiter/Leitingenieur beschäftigt. Nachdem er ab 1. April 1984 als Abteilungsleiter beim VEB Geophysik Leipzig tätig gewesen war, wechselte er zu dem zum 1. Juli 1984 gegründeten VEB Geothermie Neubrandenburg (VEB GN). Dort war er bis zum 30. Juni 1990 als Abteilungsleiter/Hauptabteilungsleiter beschäftigt. Der letztgenannte Betrieb war dem Ministerium für Geologie unterstellt und der Wirtschaftsgruppe 64410 (geologische Untersuchungen) zugeordnet. Nach den Eintragungen im Sozialversicherungsausweis war der Kläger seit 1. April 1984 bergbauversichert und seit 1. April 1985 Mitglied der Freiwilligen Zusatzrentenversicherung. Eine Versorgungszusage hatte er nicht erhalten.
Die Beklagte lehnte den Antrag des Klägers vom 13. September 2004, mit dem er die Überführung von Zusatzversorgungsanwartschaften für den Zeitraum „1966 – 30.6.1990“ aus dem Zusatzversorgungssystem „Techn. Intelligenz“ begehrte, mit Bescheid vom 17. September 2004, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 16. Dezember 2004, ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, Zeiten der Zugehörigkeit zueinem Zusatzversorgungssystem seien mangels Anwendbarkeit des AAÜG nicht festzustellen.
Im auf die Feststellung von Beschäftigungszeiten vom 2. August 1965 bis 30. Juni 1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zur AVTI und der Arbeitsentgelte aus dieser Beschäftigung gerichteten Klageverfahren hat der Kläger vorgetragen: Sämtliche Betriebe, in denen er beschäftigt gewesen sei, seien volkseigene Produktionsbetriebe im Industrie und Baubereich gewesen und hätten dem Ministerium für Bauwesen oder dem Ministerium für Geologie und Montanindustrie unterstanden. Dies treffe insbesondere auch für den VEB GN zu. Dessen Aufgabenbereich habe in der Planung und Errichtung kompletter Industrieanlagen, bestehend aus dem Untertageteil und dem Bau sowie der Ausrüstung der industriellen Anlagen bestanden. Der Betrieb sei darauf ausgerichtet gewesen, Erdwärmeanlagen zu planen, deren geothermische Voraussetzungen zu erkunden, die Anlagen in Eigenleistung komplett zu errichten und in Betrieb zu nehmen und somit die Wärmeversorgung für neu zu errichtende Wohngebiete sicherzustellen. Die Anlagen seien nach Fertigstellung an die späteren Nutzer, z.B. die Geothermische Heizzentrale (GHZ) Waren/Müritz, die GHZ Prenzlau und die GHZ Neubrandenburg übergeben worden. Zudem habe der Betrieb die Planung für die GHZ in Schwerin, Neustadt/Glewe und Rostock vorangetrieben. Neben diesen Anlagen sei im Kernkraftwerk G eine Entsorgungsanlage für schadhaltige Beizwässer aus dem Reaktorbau und Instandhaltungsprozessen errichtet worden. An diesen Projekten sei er als Abteilungsleiter, Hauptabteilungsleiter und stellvertretender Forschungsdirektor in erheblichem Umfang beteiligt gewesen. Es sei für die Zuordnung des Betriebs zur Produktion bzw dem Bauwesen auch unerheblich, dass der VEB GN während seines sechsjährigen Bestehens noch nicht den nach der Planung für 1995 vorgesehenen vollen Umfang seiner Produktion erreicht habe. Schließlich sei auf die „Bezeugung des Produktionsprofils des VEB GN“ vom 17. April 2007 durch den Geschäftsführer der im Wege eines management-buy-out aus dem VEB GN entstandenen Geothermie N GmbH, Dr. K, hinzuweisen. Daraus ergebe sich, dass der VEB GN besser der Wirtschaftsgruppe 63320 - Anlagenbaubetrieb (Bergwesen) - zuzuordnen sei.
Mit Urteil vom 29. Juli 2010 hat das Sozialgericht (SG) Potsdam die Klage abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Die Klage sei unbegründet. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Feststellung des geltend gemachten Zeitraums als Pflichtbeitragszeiten nach dem AAÜG. Er habe am 30. Juni 1990 keine Tätigkeit oder Beschäftigung ausgeübt, aufgrund der ihm nach Bundesrecht zwingend eine Versorgungszusage zu erteilen gewesen wäre, weswegen er keinen fiktiven bundesrechtlichen Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage gehabt hätte. Aus § 1 der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 17. August 1950 (GBl. I 844; AVTI-VO – iVm § 1 Abs. 1 und 2 der dazu ergangenen Zweiten Durchführungsbestimmung vom 24. Mai 1951 (GBl. I 487; 2. DB) folge, dass ein solcher Anspruch von drei (persönlichen, sachlichen und betrieblichen) Voraussetzungen abhänge. Generell sei das Zusatzversorgungssystem für Personen eingerichtet gewesen, die berechtigt gewesen seien, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen, die eine entsprechende Tätigkeit tatsächlich ausgeübt hätten und die zudem in einem volkseigenen Produktionsbetrieb oder einem gleichgestellten Betrieb gearbeitet hätten. Der Kläger habe zwar den Titel eines Ingenieurs gehabt, er sei aber zum maßgeblichen Zeitpunkt am 30. Juni 1990 nicht in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesen tätig gewesen. Das SG Cottbus habe in einem vom Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg bestätigten und rechtskräftigen Urteil vom 27. Oktober 2006 - S 3 RA 858/04 - festgestellt, dass der VEB GN kein volkseigener Betrieb der Industrie bzw des Bauwesens gewesen sei. Selbst wenn neben den in der DDR bereits errichteten zwei geothermischen Anlagen der Bau weiterer sechs geothermischer Anlagen geplant gewesen sei, habe es sich von der Größenordnung her nicht um eine der industriellen serienmäßigen wiederkehrenden Produktion von Sachgütern bzw Massenproduktion von Bauwerken in kompletter Serienfertigung vergleichbare Produktionstätigkeit im Sinne des Versorgungsrechts gehandelt. Der VEB GN sei auch kein nach § 1 Abs. 2 der 2. DB gleichgestellter Versorgungsbetrieb gewesen, denn sein ausschließlicher Zweck habe gerade nicht in der Übernahme von Versorgungsleistungen bestanden. Zu demselben Ergebnis sei auch das LSG Mecklenburg-Vorpommern (Urteil vom 29. Oktober 2009 - L 4 R 23/09 - ) gelangt. Der Einordnung eines volkseigenen Betriebs in die Systematik der Volkswirtschaft der DDR komme eine besondere Indizwirkung zu, denn sie beinhalte ein von subjektiven Elementen weitgehend freies, aus dem Wirtschaftssystem der DDR selbst stammendes Indiz für die Beurteilung der Frage, was Hauptzweck eines VEB gewesen sei. Soweit der VEB GN auch Anlagen, insbesondere die GHZ und Rohrleitungssysteme hergestellt habe, sei dies nicht Hauptzweck gewesen. Auch sei die Herstellung dieser Anlagen schon wegen der Forschungs- und Erprobungsanteile nicht in der sogenannten fordistischen Methode erfolgt, sondern mit dem Ziel, quasi Prototypen herzustellen. Der VEB GN sei auch kein gleichgestellter Betrieb iSd § 1 Abs. 2 der 2. DB gewesen. Insbesondere habe es sich nicht um ein „Forschungsinstitut“ oder einen „Versorgungsbetrieb“ gehandelt. Bereits die Herstellung von Anlagen zur Fernwärmeversorgung und der Betrieb derselben zeige, dass der VEB GN zwar relativ neue Technologien verwendet und entwickelt habe und dabei auch eine Reihe von Forschungsergebnissen erzielt habe, die Forschung aber nicht der Hauptzweck der Produktion gewesen sei. Ebenso wie die Anlagenherstellung erscheine auch die Versorgung als Reflex der eigentlichen Aufgabe, nämlich der Erforschung und Erkundung der Nutzbarmachung von Erdwärme nebst Herstellung entsprechender Anlagen und Ausrüstungen. Die Kammer schließe sich der dargestellten einheitlichen Auffassung der genannten Gerichte zur Problematik des Produktionsbetriebs oder eines gleichgestellten Versorgungsbetriebs an.
Mit der Berufung vertieft der Kläger sein bisheriges Vorbringen und trägt unter Bezugnahme auf ein Schreiben des Dr. K vom 11. April 2011 sowie den Aufsatz von Herbert Schneider, Geothermie in Ostdeutschland (1977 bis 1990), in: Schriftenreihe für Geowissenschaften 2007, 269 ff. ergänzend vor: Hauptzweck des VEB GN sei die Errichtung von geothermischen Einrichtungsanlagen gewesen. Entgegen der Auffassung des SG habe der VEB GN diese Anlagen auch in Serie produziert. Neben realisierten Großanlagen in Neubrandenburg und Prenzlau sei konkret mit der Errichtung weiterer Anlagen entsprechender Größenordnung in Schwerin, Stralsund, Karlshagen, Neustadt-Glewe, Neuruppin, Waren-Zentrum, Pritzwalk, Velten und Berlin-Wartenberg begonnen worden. So sei 1989 zB der Untertagebereich für Anlagen in Schwerin, Stralsund, Karlshagen, Neustadt-Glewe und Neuruppin bereits komplett errichtet gewesen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 29. Juli 2010 zu ändern und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 17. September 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16. Dezember 2004 zu verpflichten, die Zeit vom 18. Januar 1966 bis zum 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zum Versorgungssystem der Zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz sowie die in diesem Zeitraum tatsächlich erzielten Arbeitentgelte festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und trägt ergänzend vor: Der VEB GN sei kein volkeigener Produktionsbetrieb im Sinne der Versorgungsordnung gewesen, denn er sei nicht einem Industrie(- oder Bau-)ministerium unterstellt gewesen. Außerdem habe er als der Wirtschaftgruppe 64410 zugeordneter geologischer Erkundungsbetrieb weder Sachgüter in industrieller Fertigung produziert noch sich der Massenproduktion von Bauwerken gewidmet. Hauptzweck dieses Betriebes sei vielmehr die Erbringung geologischer Erkundungsdienste gewesen.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Die Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Die Berufung des Klägers ist nicht begründet.
Die von dem Kläger erhobene Klage ist auch noch nach dem 1. Januar 2008 weiterhin als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage iS des § 54 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig (s.h. dazu BSG, Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 7/06 R - juris). Ein - ggf. zur Unzulässigkeit der Klagen führendes - gerichtliches Rentenstreitverfahren gegen die Beklagte als Rentenversicherungsträger ist nicht anhängig.
Die Klage ist indes nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch gemäß § 8 Abs. 3 Satz 1 iVm Abs. 1 AAÜG auf Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG sowie der entsprechenden Arbeitsentgelte gemäß § 8 Abs. 2 AAÜG für den Zeitraum vom 18. Januar 1966 bis 30. Juni 1990. Das AAÜG ist auf den Kläger schon deshalb nicht anwendbar, weil er am 1. August 1991, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des AAÜG, keinen Versorgungsanspruch im Sinne von § 1 Satz 1 AAÜG hatte. Denn der Versorgungsfall (des Alters oder der Invalidität) war bis zu diesem Zeitpunkt nicht eingetreten. Der Kläger war aber auch am 1. August 1991 nicht Inhaber einer Versorgungsanwartschaft im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG. Denn er hatte bis zum 30. Juni 1990 eine Versorgungszusage in der DDR nicht erhalten und ihm war auch nicht im Rahmen einer Einzelentscheidung eine Versorgung zugesagt worden. Die Beklagte hat zudem weder in den angefochtenen Bescheiden noch mit einem sonstigen Verwaltungsakt eine positive Statusentscheidung über die Anwendbarkeit des AAÜG getroffen. Eine solche Einbeziehung hat der Kläger auch nicht nachträglich durch Rehabilitierung nach Maßgabe des beruflichen Rehabilitierungsgesetzes erlangt.
§ 1 Abs. 1 AAÜG ist zwar im Wege verfassungskonformer Auslegung dahin auszulegen, dass den tatsächlich einbezogenen Personen diejenigen gleichzustellen sind, die aus bundesrechtlicher Sicht aufgrund der am 30. Juni 1990 gegebenen Sachlage am 1. August 1991 einen (fingierten) Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage gehabt hätten (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG -: vgl z.B. Urteile vom 9. April 2002 - B 4 RA 31/01 R = SozR 3-8570 § 1 Nr. 2 und - B 4 RA 3/02 R = SozR 3-8570 § 1 Nr. 7 sowie vom 10. April 2002 - B 4 RA 18/01 R = SozR 3-8570 § 1 Nr. 8). Ein derartiger fiktiver Anspruch ist aber nur dann zu bejahen, wenn am Stichtag (30. Juni 1990) eine Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt worden ist, wegen der ihrer Art nach eine zusätzliche Altersversorgung in dem betreffenden Versorgungssystem vorgesehen war (ständige Rechtsprechung: vgl z.B. BSG, Urteil vom 18. Dezember 2003 - B 4 RA 18/03 R = SozR 4-8570 § 1 Nr. 1; BSG, Urteil vom 26. Oktober 2004 - B 4 RA 23/04 R = SozR 4-8570 § 1 Nr. 6). Allein maßgebend sind insoweit die Texte der AVTI-VO vom 17. August 1950 (GBl. S. 844) und § 1 Abs. 1 der 2. DB, soweit diese am 30. Oktober 1990 zu sekundärem Bundesrecht geworden sind. Die genannten Vorschriften der DDR sind dabei unabhängig von deren Verwaltungs- und Auslegungspraxis allein nach bundesrechtlichen Kriterien auszulegen (vgl BSG SozR 3-8570 § 1 Nr. 3 S. 22; BSG, Urteil vom 27. Juli 2004 - B 4 RA 11/04 R - juris). Von diesen Grundsätzen ausgehend liegt ein fingierter Anspruch im Bereich der AVTI nur vor, wenn der Betreffende zum Stichtag am 30. Juni 1990 drei Voraussetzungen erfüllt: Er muss 1. die Berechtigung gehabt haben, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung), 2. eine der Berufsbezeichnung entsprechende Tätigkeit oder Beschäftigung verrichtet haben (sachliche Voraussetzung) und 3. die Beschäftigung oder die Tätigkeit in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens oder einem diesen Betrieben gleichgestellten Betrieb ausgeübt haben (betriebliche Voraussetzung: vgl hierzu BSG SozR 3-8570 § 1 Nr. 6; SozR 3-8570 § 1 Nr. 3).
Der Kläger war zwar am 30. Juni 1990 berechtigt, die ihm mit der Ingenieururkunde der Bergingenieurschule vom 18. Januar 1966 zuerkannte Berufsbezeichnung „Ingenieur“ zu führen.
Ein fingierter Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage scheitert jedoch daran, dass der Kläger nicht die betriebliche Voraussetzung erfüllt. Er war am 30. Juni 1990 weder in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens (§ 1 Abs. 1 der 2. DB) noch in einem gleichgestellten Betrieb (§ 1 Abs. 2 der 2. DB) beschäftigt.
Ob die betriebliche Voraussetzung erfüllt ist, bestimmt sich danach, wer am maßgeblichen Stichtag Arbeitgeber im rechtlichen Sinne war (vgl BSG, Urteil vom 18. Dezember 2003 - B 4 RA 20/03 R = SozR 4-8570 § 5 Nr. 3). Ausschlaggebend hierfür sind die tatsächlichen Gegebenheiten am 30. Juni 1990. Arbeitgeber des Klägers im vorgenannten Sinne war am Stichtag der VEB GN. Bei diesem Beschäftigungsbetrieb des Klägers handelte es sich nicht um einen volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens. Denn der Hauptzweck des Beschäftigungsbetriebs des Klägers, auf den abzustellen ist, bestand nicht in der regelmäßig wiederkehrenden, serienmäßigen Massenproduktion von Sachgütern oder Bauleistungen (zu diesem Erfordernis vgl z.B. BSG, Urteil vom 8. Juni 2004 - B 4 RA 57/03 R = SozR 4-8570 § 1 Nr 3). Im Hinblick auf die in der Präambel zur AVTI-VO zum Ausdruck gekommene Zielsetzung des Versorgungssystems war allein die Beschäftigung in einem Betrieb, der die Massenproduktion von Gütern zum Gegenstand hatte, von Bedeutung für die Einbeziehung in die Versorgung. Dem lag das so genannte fordistische Produktionsmodell zu Grunde, das auf stark standardisierter Massenproduktion und Konstruktion von Gütern mit Hilfe spezialisierter, monofunktionaler Maschinen beruhte. Der Massenausstoß standardisierter Produkte sollte hohe Produktionsgewinne nach den Bedingungen der Planwirtschaft ermöglichen (vgl hierzu BSG, Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 3/06 R = SozR 4-8570 § 1 Nr. 16).
Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens war indes der Hauptzweck der betrieblichen Tätigkeit des VEB GN nicht die Massenproduktion von Sachgütern oder Bauleistungen im vorgenannten Sinn. Es kann dabei offen bleiben, ob zum hier maßgeblichen Zeitpunkt (30. Juni 1990) die Einrichtung und Durchführung geologischer Erkundungsarbeiten - wie vom SG festgestellt - dem VEB GN (noch) das (alleinige) Gepräge gegeben hat. Jedenfalls steht nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens fest, dass der VEB GN am Stichtag kein VEB der Industrie oder des Bauwesens war.
Dem VEB GN war allerdings schon bei seiner Gründung in Jahr 1984 ua die Aufgabe der Errichtung von Objekten und Anlagen zur Nutzung geothermischer Energie sowie unterirdischer Deponien übertragen worden (vgl Beschluss des LSG Mecklenburg-Vorpommern vom 6. Oktober 2010 - L 7 R 278/09 -). In Ausführung dieser Aufgabe hatte er die GHZ in Prenzlau und Neubrandenburg errichtet. Im Jahr 1989 waren die etwa 800 Beschäftigten dieses Betriebes u.a. in den Bereichen Forschung, Geologie, Bohrtechnik, Anlagenbau und Werkstätten tätig (vgl Schneider, a.a.O., S.272). Der Betrieb hatte im Jahr 1990 für sechs weitere Standorte die Eignung für die Errichtung von GHZ mit mindestens zwei Tiefbohrungen und für vier Objekte auf der Grundlage einer Tiefenbohrung einen geothermischen Nutzhorizont nachgewiesen (vgl Schneider, a.a.O., S. 273). Diese Umstände sprechen sämtlich dafür, dass der VEB GN zum Stichtag am 30. Juni 1990 sich nicht mehr vorwiegend der Erkundung von Erdwärmevorkommen gewidmet hatte, sondern schon zu einem wesentlichen Teil oder gar überwiegend mit der Errichtung von GHZ befasst war.
Selbst wenn damit nicht nur die Erkundung der Nutzbarkeitmachung von Erdwärme, sondern auch die Errichtung von GHZ zum Stichtag 30. Juni 1990 zu einem Hauptzweck dieses Betriebes geworden war, folgt hieraus aber keineswegs, dass der VEB GN zu diesem Zeitpunkt - etwa wie die Bau- und Montagekombinate (vgl BSG, Urteil vom 8. Juni 2004 - B 4 RA 57/03 - juris -) „fordistisch“ produzierte. So stand schon bei der Errichtung von GHZ nicht die Herstellung von Sachgütern bzw das Erbringen einer Bauleistung im Vordergrund. Dabei kann wiederum dahinstehen, ob - entsprechend dem Vorbringen des Klägers - die geothermische Dublette als das zentrale Element einer GHZ sowie das sie umgebende Bauwerk vom VEB GN selbst produziert bzw errichtet wurde, oder ob insoweit auf andere Betriebe als Zulieferer zurückgegriffen wurde und insoweit lediglich Anpassungsarbeiten vorgenommen und auch beim Bau der GHZ „Subunternehmer“ eingesetzt wurden. Möglicherweise oblag dem VEB GN lediglich die „Koordinierung“ der Errichtung des technischen Übertageteiles von Wärmeversorgungsanlagen (vgl Schneider, a.a.O., S. 272). Selbst wenn aber davon ausgegangen wird, dass dieser Betrieb die geothermischen Dubletten selbst hergestellt und die Bauwerke in eigener Verantwortung errichtet hatte, bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass diese Leistungen gegenüber den vom VEB GN durchgeführten Projektierungs-, Planungs-, Koordinierungs- und Erkundungsleistungen (vgl dazu die Aufzählung von Dr. Kabus im Schreiben vom 11. April 2011) dominierten.
Aber auch wenn entgegen den vorstehenden Ausführungen die Herstellung technischer Anlagen bzw. die Errichtung der dazugehörenden Bauwerke Tätigkeitsschwerpunkt des VEB GN gewesen wäre, hätte es sich jedenfalls nicht um eine „fordistische“ Produktion iSd angeführten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) gehandelt. Angesichts des Umstandes, dass bis zum 30. Juni 1990 in der DDR lediglich drei GHZ errichtet worden waren, fehlt es für eine „Massenproduktion“ bereits an der erforderlichen Stückzahl der errichteten Anlagen. Dem lässt sich angesichts der noch nicht eingetretenen Standardisierung auch nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass weitere Anlagen in Planung bzw im Bau waren.
Eine industrielle Serienproduktion von GHZ lag ferner deshalb nicht vor, weil angesichts der noch nicht ausgereiften Technologie der geothermischen Anlagen keine Serienreife gegeben war. So weist Dr. K in seiner Stellungnahme vom 11. April 2011 darauf hin, dass es sich bei sämtlichen bereits errichteten GHZ (noch) um „Pilotanlagen“ gehandelt habe. Diese Ausführungen stehen in Einklang mit der Charakterisierung der errichteten GHZ im Aufsatz von Schneider (a.a.O., S. 273). Dieser Autor weist (S. 276) weiterhin darauf hin, dass der Grad der Nutzung mit den bis 1990 ausgeführten Pilotanlagen „noch nicht den Möglichkeiten“ entsprochen habe. Dass entgegen den Ausführungen des Klägers mit der Errichtung und in Betriebnahme der GHZ in Neubrandenburg und Prenzlau in den Jahren 1987 bis 1989 im Jahr 1990 noch keine Serienreife erreicht war, ergibt sich ferner aus den technischen Mängeln dieser Anlagen, die im Fall der GHZ Prenzlau 1990 (Schneider, a.a.O., S. 273) zur Stilllegung der Anlage führten. Auch in Neubrandenburg konnte die GHZ nur eingeschränkt (zu 49,1, %) genutzt werden (vgl Schneider, a.a.O., S. 276).
Soweit der Kläger schließlich der Auffassung ist, dass der VEB GN nicht der Wirtschaftsgruppe 64410, sondern der Wirtschaftsgruppe 63320 zuzuordnen sei, ergäbe sich aus einer derartigen Zuordnung auch keine Einordnung als Produktionsbetrieb der Industrie und des Bauwesens. Der VEB wäre dann als ebenfalls nicht unter die Versorgungsordnung fallender Bergbaubetrieb zu qualifizieren.
Der VEB GN war auch kein gleichgestellter Betrieb im Sinne des § 1 Abs. 2 der 2. DB. Es handelte sich bei insbesondere nicht um ein Forschungsinstitut oder einen Versorgungsbetrieb im Sinne dieser Vorschrift.
Das BSG, dessen Rechtsprechung der Senat seiner Entscheidung zugrunde legt, hat sich mit der Frage der Begriffsbestimmung des "Forschungsinstituts“ i.S.v. § 1 Abs. 2 der 2. DB bereits in seinem Urteil vom 26. Oktober 2004 (- B 4 RA 40/04 R = SozR 4-8570 § 5 Nr. 5) befasst. Dort hat es u.a. ausgeführt, dass der Begriff des Forschungsinstituts i.S.v. § 1 Abs. 2 der 2. DB anders zu verstehen ist als der in § 6 der Verordnung über die Altersversorgung der Intelligenz an wissenschaftlichen, künstlerischen, pädagogischen und medizinischen Einrichtungen der DDR (AVI-VO). Während zu den Forschungsinstituten i.S.v. § 6 AVI-VO nur jeweils "selbstständige staatliche" (wissenschaftliche) Einrichtungen zählten und nicht volkseigene Betriebe, auch wenn sie über wissenschaftliche Forschungseinrichtungen bzw. Abteilungen verfügten, sind Forschungsinstitute i.S.v. § 1 Abs. 2 der 2. DB, die durch diese Bestimmung volkseigenen Produktionsbetrieben im Bereich der Industrie oder des Bauwesens gleichgestellt sind, Forschung betreibende selbstständige Einrichtungen der Wirtschaft, deren Hauptzweck die zweck- und betriebsbezogene wissenschaftliche Forschung und Entwicklung ist. Diese Auslegung ergibt sich auch aus der Präambel der AVTI-VO. In dieses Versorgungssystem sollten grundsätzlich nur solche Personen einbezogen werden, die für die Entwicklung der wissenschaftlichen Forschungsarbeit und der Technik zuständig waren, also diejenigen, die mit ihrer "technischen" Qualifikation aktiv den Produktionsprozess, sei es in der Forschung oder bei der Produktion, förderten. Zu den durch § 1 Abs. 2 der 2. DB den volkseigenen Produktionsbetrieben im Bereich der Industrie oder des Bauwesens als Forschungsinstitute gleichgestellten Betrieben gehören demnach vor allem volkseigene (Kombinats-)Betriebe, die nicht Produktionsbetriebe waren, aber deren Aufgabe die Forschung und Entwicklung war. Das BSG hat in seiner Entscheidung vom 26. Oktober 2004 (a.a.O.) schließlich noch darauf hingewiesen, dass betriebliche Forschungseinrichtungen nicht nur dann zu den Forschungsinstituten (und wissenschaftlichen Instituten) zählten, wenn es sich um solche der Post, der Eisenbahn und der Schifffahrt gehandelt habe, weil sich für die gegenteilige Auffassung im Wortlaut des § 1 Abs. 2 der 2. DB keine Stütze findet. Denn in der durch Semikolon jeweils getrennten Aufzählung der gleichgestellten Betriebe sind neben den ohne Zusatz genannten "Forschungsinstituten“ nur "Schulen, Institute und Betriebe der Eisenbahn, Schifffahrt sowie des Post- und Fernmeldewesens“ aufgeführt. Insgesamt ist damit geklärt, dass jedenfalls eine Einrichtung,, dessen zweck- und betriebsbezogene wissenschaftliche Forschung und Entwicklung sich weder auf die Bereiche der Industrie oder des Bauwesens oder die in § 1 Abs. 2 der 2. DB aufgezählten Bereiche/Kategorien bezogen hat, nicht zu den gleichgestellten Betrieben ins dieser Bestimmung gehört (vgl. auch BSG, Beschluss vom 5. Mai 2009 - B 13 RS 1/09 B - juris).
Ausgehend davon zählt der VEB GN nicht zu den maßgeblichen Forschungsinstituten des § 1 Abs. 2 der 2. DB. Soweit er im Rahmen der ihm obliegenden Aufgaben der Erkundung von Standorten zur Nutzung geothermischer Energie und der Errichtung von GHZ auch Forschungsarbeiten durchgeführt hat, fehlt es an der notwendigen Anknüpfung zur industriellen (serienmäßigen wiederkehrenden) Fertigung von Sachgütern oder an der Massenproduktion von baulichen Anlagen. Abgesehen davon war die vom VEB GN, der im Übrigen auch nicht als „Institut“ firmierte, betriebene Forschungstätigkeit anders als die Erkundungstätigkeit und u.U. der Anlagenbau nur von untergeordneter Bedeutung und hat mithin dem Betrieb nicht das Gepräge gegeben.
Der VEB GN war schließlich auch kein Versorgungsbetrieb iSv § 1 Abs. 2 der 2. DB. Zwar hat Dr. K im vorliegenden Verfahren mit Schreiben vom 17. April 2007 pauschal die „Versorgung der Bevölkerung und der Industrie mit Energie aus heimischen Energiequellen („Erdwärme“) als „Produktionsprofil“ des VEB GN benannt. Aus dem Schreiben ergibt sich jedoch nicht, dass der VEB GN die GHZ Waren und/oder die GHZ Neubrandenburg (die GHZ Prenzlau war 1990 ohnehin schon stillgelegt) über das „Inbetriebsetzen der Anlagen“ hinaus in dem Sinne betrieben hat, dass er die Fernwärme in der Art eines „Stadtwerkes“ oder eines Energieversorgungskombinats an die Verbraucher geliefert hat. Im Berufungsverfahren hat sich Dr. K mit seiner ergänzenden Stellungnahme vom 11. April 2011 nur noch auf die seiner Auffassung nach vorliegende „industrielle Serienproduktion“ des VEB GN Bezug genommen, an deren Ende die „Inbetriebnahme (der GHZ) und Übergabe“ gestanden habe. Damit ist klargestellt, dass der VEB GN nicht als Energieversorgungsbetrieb iSd § 1 Abs. 2 der 2. DB tätig geworden ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.