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Datenschutzrecht/Ansprüche auf Akteneinsicht


Metadaten

Gericht VG Potsdam 9. Kammer Entscheidungsdatum 30.11.2016
Aktenzeichen VG 9 K 2210/15 ECLI ECLI:DE:VGPOTSD:2016:1130.9K2210.15.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 4 Abs 1 Nr 5 AktenE/InfZG BB, § 55 KomVerf BB, Art 21 Abs 4 Verf BB, § 29 VwVfG

Tenor

Der Beklagte wird unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 7. Juli 2015 verpflichtet, den Antrag des Klägers auf Akteneinsicht in den Vorgang zu der Entscheidung des Beklagten vom 4. Juni 2015 gemäß § 55 Abs. 1 S. 10 der Kommunalverfassung des Landes Brandenburg einschließlich der diesbezüglichen Stellungnahme des Ministeriums für Infrastruktur und Landesplanung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts ergänzend zu bescheiden.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu 2/3 und der Beklagte zu 1/3.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem jeweiligen Vollstreckungsschuldner wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger, d... streitet mit dem Beklagten um Akteneinsicht in Unterlagen im Zusammenhang mit einer Entscheidung der Kommunalaufsichtsbehörde gemäß § 55 Abs. 1 S. 10 der Kommunalverfassung des Landes Brandenburg.

A... fasste der Hauptausschuss der Stadtverordnetenversammlung der Landeshauptstadt Potsdam den Beschluss mit der N... betreffend die „Änderung der Spielplatzsatzung der Landeshauptstadt Potsdam“, welchen der Oberbürgermeister im Folgenden beanstandete, weil er rechtswidrig und darüber hinaus eine Zuständigkeit des Hauptausschusses nicht gegeben sei. Daraufhin fasste die Stadtverordnetenversammlung am 2...den inhaltsgleichen Beschluss. Diesen beanstandete der Oberbürgermeister mit Schreiben vom 1...; zugleich teilte er mit, nunmehr die Entscheidung der Kommunalaussichtsbehörde herbeizuführen. Mit an die Landeshauptstadt Potsdam adressiertem Bescheid vom 4... stellte der Beklagte als Kommunalaufsichtsbehörde fest, dass der Beschluss der Stadtverordnetenversammlung v... rechtswidrig sei. Der Beschluss, der dahin gehe, durch Satzungsregelung Kinderspielplätze auf privatem Gelände öffentlich zugänglich zu machen, greife erkennbar in den Schutzbereich von Art. 14 des Grundgesetzes ein. Allerdings könne dahinstehen, ob der Beschluss gegen Verfassungsrecht verstoße; nach dem Ergebnis der Prüfung des für Bauordnungsrecht fachlich zuständigen Ministeriums für Infrastruktur und Landesplanung, dessen fachliche Stellungnahme eingeholt worden sei, verstoße er gegen zwingende bauordnungsrechtliche Vorgaben und sei daher in materieller Hinsicht rechtswidrig.

M... der obersten Bauaufsicht zu übersenden und darüber hinaus Akteneinsicht in den Gesamtvorgang zu gewähren. Dies lehnte der Beklagte mit Bescheid v... unter Bezugnahme auf das Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz ab, weil hierdurch Inhalte von Akten offenbart würden, die der Aufsicht über eine andere Stelle dienten oder gedient hätten. Die Akten würden beim Beklagten im Rahmen seiner Aufgabe als zuständige oberste Kommunalaufsichtsbehörde geführt. Auch ein Anspruch auf der Grundlage von § 29 Abs. 1 S. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes bestehe nicht, da der Kläger als einzelner Stadtverordneter nicht Verfahrensbeteiligter sei.

Mit der am 7... erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er stützt sich auf alle in Frage kommenden Rechtsgrundlagen und meint, der Beklagte halte ihm zu Unrecht den Versagungsgrund für Aufsichtsakten entgegen. Zum einen sei das in Rede stehende Verfahren abgeschlossen. Zum anderen verkenne der Beklagte, dass es sich bei ihm, dem Kläger, nicht um eine andere Stelle im Sinne dieses Versagungsgrundes handle. Vielmehr sei er „in seiner Eigenschaft als Stadtverordneter gleichzeitig rechtlich eigenständig handelndes Subjekt der Aufsicht über den Bescheidempfänger“ (den Oberbürgermeister) und „organischer Bestandteil dieser Stelle“. Durch die Verwehrung der Akteneinsicht werde er an der verfassungsgemäßen Ausübung seines Mandats gehindert. Entgegen der Auffassung des Beklagten sei er als Mitglied der Stadtverordnetenversammlung überdies Verfahrensbeteiligter im verwaltungsverfahrensrechtlichen Sinne. Das verwaltungsverfahrensrechtliche Recht auf Akteneinsicht sei ein Individualrecht, das nicht „durch Beschluss einer Organschaft hergestellt bzw. aberkannt“ werden könne.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides v... zu verpflichten, ihm Akteneinsicht zu gewähren in den Vorgang zu der Entscheidung des Beklagten vom 4... gemäß § 55 Abs. 1 S. 10 der Kommunalverfassung des Landes Brandenburg zu dem Beschluss der Stadtverordnetenversammlung der Landeshauptstadt Potsdam v... mit der N... einschließlich der diesbezüglichen Stellungnahme des Ministeriums für Infrastruktur und Landesplanung.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verteidigt den ablehnenden Bescheid. Auf den in der mündlichen Verhandlung gegebenen Hinweis des Gerichts, dass vertreten werde, dass nach pflichtgemäßem Ermessen auch dann Akteneinsicht gewährt werden könne, wenn die Voraussetzungen des § 29 des Verwaltungsverfahrensgesetzes nicht vorliegen, hat der Beklagte ausgeführt, dass hierdurch gegebenenfalls ein Präzedenzfall geschaffen werden könne; dies solle jedenfalls vermieden werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Verfahrensakte Bezug genommen, die Gegenstand der Beratung und Entscheidung des Gerichts war.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, aber nur zum Teil begründet.

Der Bescheid des Beklagten vom 7... ist insoweit rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, als Ansprüche des Klägers sowohl auf der Grundlage des Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetzes (AIG) als auch nach § 1 Abs. 1 Satz 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Brandenburg (VwVfGBbg) i.V.m. § 29 Abs. 1 Satz 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) abgelehnt wurden; der Kläger hat nach diesen Regelungen keinen Anspruch auf Akteneinsicht in den Vorgang zu der Entscheidung des Beklagten vom 4... einschließlich der diesbezüglichen Stellungnahme des Ministeriums für Infrastruktur und Landesplanung. Insoweit hat der angefochtene Bescheid Bestand. Soweit der Bescheid sich nicht dazu verhält, ob dem Kläger die begehrte Akteneinsicht nach pflichtgemäßem Ermessen gewährt wird, ist er rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten; insoweit steht dem Kläger allerdings nur ein Anspruch auf ergänzende Bescheidung seines Antrags auf Gewährung von Akteneinsicht unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu, vgl. § 113 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Zu Recht hat der Beklagte einen Anspruch auf der Grundlage des für Jedermann geltenden Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetzes abgelehnt. Das in § 1 AIG geregelte Recht auf Einsicht in Akten reicht nur soweit, als nicht überwiegende öffentliche oder private Interessen nach den §§ 4 und 5 AIG entgegenstehen oder andere Rechtsvorschriften bereichsspezifische Regelungen für einen unbeschränkten Personenkreis enthalten. Gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 5 letzte Variante AIG ist der Antrag auf Akteneinsicht abzulehnen, wenn durch die Gewährung von Akteneinsicht Inhalte von Akten offenbart würden, die der Aufsicht über eine andere Stelle dienen oder gedient haben. Dies ist bei den in Rede stehenden Unterlagen zu dem Verfahren zu der in Rede stehenden Entscheidung gemäß § 55 Abs. 1 S. 10 der Kommunalverfassung des Landes Brandenburg (BbgKVerf) einschließlich der hierzu eingeholten Stellungnahme der Fall;

die Rechtsfrage noch offen lassend Beschluss der Kammer gemäß § 161 Abs. 2 VwGO vom 17. Februar 2016 – VG 9 K 4134/15 –.

Hierfür spricht schon der Wortlaut des § 55 Abs. 1 Sätze 10 ff. BbgKVerf. Der Beklagte wird danach ausdrücklich als Kommunalaufsichtsbehörde angerufen, um einen Beschluss der Gemeindevertretung bzw. Stadtverordnetenversammlung auf seine Rechtmäßigkeit zu überprüfen und das Ergebnis festzustellen. Auch Sinn und Zweck des § 4 Abs. 1 Nr. 5 AIG gebieten es, die streitbefangenen Unterlagen hierunter zu fassen. Soweit aus kommunalrechtlicher Sicht zwischen Maßnahmen nach § 55 BbgKVerf als innergemeindlicher Kontrolle und Akten der Kommunalaufsicht gemäß §§ 108 ff. BbgKVerf unterschieden wird,

vgl. hierzu Grünewald, in: Muth, Potsdamer Kommentar, 60. Lief., Oktober 2016, § 55 BbgKVerf, Rn. 1 ff.; Woellner, ebenda, § 113 BbgKVerf, Rn. 5; Schumacher, in: ders. u.a., Kommunalverfassungsrecht Brandenburg, 35. Nachlief., Juli 2016, § 55 BbgKVerf, Ziff. 10 m.w.N.; Begründung zum Gesetzentwurf der Landesregierung zum Kommunalrechtsreformgesetz, Landtags-Drucksache 4/5056, S. 226,

führt dies – jedenfalls aus dem insoweit maßgeblichen Blickwinkel des brandenburgischen Informationsfreiheitsrechts – nicht dazu, das Verfahren gemäß § 55 Abs. 1 Sätze 10 ff. BbgKVerf aus dem Schutz der Aufsicht im Sinne von § 4 Abs. 1 Nr. 5 AIG auszuklammern. Indem der Kommunalaufsichtsbehörde die Überprüfung der Rechtmäßigkeit einer kommunalen Entscheidung in einem speziellen Verfahren aufgegeben wird, wird zum einen das gemeindeinterne Beanstandungsverfahren durch den Hauptverwaltungsbeamten gemäß § 55 Abs. 1 Sätze 1 bis 9 BbgKVerf zumindest insofern überschritten, als der Streit einer anderen – und zwar der gemäß § 110 BbgKVerf als Kommunalaufsichtsbehörde berufenen – Stelle im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 AIG zugeführt wird. Zum anderen ist diese Stelle zur Prüfung der Rechtmäßigkeit und entsprechender Streitentscheidung berufen; gemäß § 55 Abs. 1 Satz 12 BbgKVerf kann sie in ihrer Entscheidung die Rechtsfolgen der Rechtswidrigkeit beziehungsweise Rechtmäßigkeit des Beschlusses feststellen. Adressat der Feststellung ist nicht das betroffene Gemeindeorgan, sondern die Gemeinde. Insoweit soll es sich um einen feststellenden Verwaltungsakt handeln,

so die Begründung zum Gesetzentwurf der Landesregierung, a.a.O.; ferner Grünewald, a.a.O., Rn. 58 f.; Schumacher, a.a.O.,

also um eine Maßnahme mit Außenwirkung im Sinne von § 35 Satz 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG). Dem entspricht es, dassdie Gemeinde gegen die Entscheidung der Kommunalaufsichtsbehörde nach Auffassung des Gesetzgebers direkt ohne Vorverfahren über § 119 BbgKVerf vorgehen können soll;

Begründung zum Gesetzentwurf der Landesregierung, a.a.O.

All dies zeigt, dass die der Kommunalaufsichtsbehörde gemäß § 55 Abs. 1 Sätze 10 ff. BbgKVerf zugewiesene Aufgabe – auch wenn sie nicht zu den kommunalaufsichtsrechtlichen Maßnahmen nach §§ 108 ff. BbgKVerf gezählt wird, worüber hier nicht zu entscheiden ist – der Sache nach der Rechtsaufsicht zumindest vergleichbar ist,

vgl. im Übrigen Urteil der 1. Kammer des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 13. Juni 2013 – VG 1 K 154/13 –; ferner Schumacher, a.a.O., Ziff. 3 m.w.N., der bereits hinsichtlich der Beanstandung von „körperschaftsinterner Rechtsaufsicht“ und „vorgelagerten Kommunalaufsicht“ spricht,

weshalb die bei diesem Vorgang entstehenden Akten als Aufsichtsakten im Sinne des Ablehnungsgrundes gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 5 AIG zu bewerten sind.

Mit der Argumentation, er sei keine andere Stelle im Sinne dieses Ablehnungsgrundes, vermag der Kläger nicht durchzudringen. Dabei kann dahinstehen, ob es für das Tatbestandsmerkmal der Aufsicht über eine andere Stelle schon ausreicht, dass es sich bei der aufsichtsführenden und der beaufsichtigten Stelle um unterschiedliche Stellen handelt. Denn dem Ansatz des Klägers ist auch dann nicht zu folgen, wenn es sich bei der anderen Stelle um eine solche handeln muss, die mit dem um Akteneinsicht Nachsuchenden nicht identisch ist. Entgegen der Vorstellung des Klägers ist nicht er die andere Stelle im Sinne von § 4 Abs. 1 Nr. 5 BbgKVerf, sondern die Stadtverordnetenversammlung als Organ, das den für rechtswidrig erkannten Beschluss gefasst hat, oder die Landeshauptstadt, an die die Feststellungsentscheidung des Beklagten adressiert ist. Dass der Kläger Mitglied der Stadtverordnetenversammlung ist, ändert hieran nichts. Die Entscheidung des Beklagten gemäß § 55 Abs. 1 Satz 10 BbgKVerf betrifft einen Beschluss der Stadtverordnetenversammlung und nicht des Klägers. Der Kläger hat zwar das Recht, an Beschlüssen der Stadtverordnetenversammlung durch Stimmabgabe gemäß § 30 Abs. 3 Satz 1 BbgKVerf mitzuwirken. Mit dem Organ Stadtverordnetenversammlung gleichzusetzen ist er deshalb jedoch nicht.

Schließlich ist auch der weitere Einwand des Klägers, dass das in Rede stehende Verfahren abgeschlossen sei, unerheblich. § 4 Abs. 1 Nr. 5 letzte Variante AIG bezieht sich nicht nur auf laufende Verfahren der Aufsicht; seit der entsprechenden Gesetzesänderung vom 15. Oktober 2013 (GVBl. I Nr. 30) erfasst die Formulierung auch ausdrücklich Akten, die der Aufsicht über eine andere Stelle dienen oder gedient haben.

Dies steht auch im Einklang mit Art. 21 Abs. 4 der Verfassung des Landes Brandenburg, denn das (Jedermanns-)Recht auf Akteneinsicht wird danach nur nach Maßgabe des Gesetzes gewährt; insoweit räumt die Verfassung dem Gesetzgeber einen weitreichenden Ausgestaltungs- bzw. Regelungsvorbehalt ein, der es weitgehend ihm überlässt, Inhalt und Reichweite des Akteneinsichtsrechts zu bestimmen;

siehe etwa Urteil der Kammer vom 24. September 2014 – VG 9 K 2044/13 -, Juris Rn. 17 f. m.w.N.; vgl. im Übrigen zur Bedeutung und Einordnung des Maßgabevorbehalts Iwers, in: Lieber u.a., Verfassung des Landes Brandenburg, 2012, Art. 21 Ziff. 5.1. m.w.N.; Winterhager, a.a.O., S. 65 ff.; zur Entstehungsgeschichte Iwers, Entstehung, Bindungen und Ziele der materiellen Bestimmungen der Landesverfassung Brandenburg II, 1998, S. 421.

Hieran gemessen ist die Regelung des § 4 Abs. 1 Nr. 5 letzte Variante AIG nicht zu beanstanden. Der Anwendungsbereich des Akteneinsichtsrechts wird durch die Ausklammerung der staatlichen Aufsicht nicht in einer Weise beschränkt, die dem Sinn und Zweck der Verfassungsnorm grundlegend zuwiderläuft; der Kern des Akteneinsichtsrechts als Jedermannsrecht zur politischen Mitgestaltung bleibt unangetastet. Insoweit ist zunächst zu berücksichtigen, dass nach den Bestimmungen des Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetzes grundsätzlich zumindest Einsicht in die Akten der beaufsichtigten Stelle genommen werden kann, sofern diese in den Anwendungsbereich des Gesetzes fällt und insoweit keine Versagungsgründe entgegenstehen. Der Zielsetzung der politischen Mitgestaltung wird damit schon in weiten Teilen Rechnung getragen. Vor allem im Hinblick darauf, dass es eines besonderen Grundes oder Interesses für die Geltendmachung des Akteneinsichtsrechtsanspruchs nach § 1 AIG nicht bedarf, Akteneinsicht insoweit von jedermann grundsätzlich bedingungslos beansprucht werden kann, ist es daher nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber den Bereich der staatlichen Aufsicht besonders schützt, indem er ihn vom Akteneinsichtsrechtsanspruch ausklammert;

vgl. Urteil der Kammer vom 8. Juni 2011 – 9 K 116/08 –, Juris Rn. 27 ff.

Einem besonderen Informationsinteresse von Kommunalvertretern – wie dem Kläger – muss der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des für jedermann geltenden allgemeinen Akteneinsichtsrechts nicht Rechnung tragen.

Ebenfalls zu Recht hat der Beklagte einen Anspruch auf der Grundlage des nach § 1 Abs. 1 Satz 1 VwVfGBbg geltenden § 29 VwVfG abgelehnt. § 29 Abs. 1 VwVfG berechtigt lediglich Verfahrensbeteiligte zur Akteneinsicht bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens. An dem in Rede stehenden Verfahren gemäß § 55 Abs. 1 Sätze 10 ff. BbgKVerf war der Kläger aber nicht beteiligt. Beteiligte am Verwaltungsverfahren sind gemäß § 13 Abs. 1 VwVfG unter anderem Antragsteller und Antragsgegner, diejenigen, an die die Behörde den Verwaltungsakt richten will oder gerichtet hat, sowie diejenigen, die von der Behörde zu einem Verfahren hinzugezogen worden sind. Im Rahmen eines kommunalaufsichtsrechtlichen Beanstandungsverfahren im Fall einer kreisfreien Stadt sind nach dem

Urteil der 1. Kammer des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 13. Juni 2013 – VG 1 K 154/13 –, S. 4 f. EA,

lediglich beteiligt die Stadt, deren Stadtverordnetenversammlung und deren Oberbürgermeister und das Ministerium des Innern und für Kommunales, also nicht Stadtverordnete wie der Kläger.

Zu Recht verhält sich der Beklagte nicht zu der kommunalrechtlichen Anspruchsgrundlage des § 29 Abs. 1 Satz 1 BbgKVerf, wonach jeder Gemeindevertreter im Rahmen seiner Aufgabenerfüllung vom Hauptverwaltungsbeamten Auskunft und Akteneinsicht verlangen kann, denn der danach vermittelte Anspruch richtet sich gegen den Bürgermeister als Hauptverwaltungsbeamten (§ 53 Abs. 1 Satz 1 BbgKVerfG) und nicht gegen die Kommunalaufsichtsbehörde.

Darüber hinaus ist jedoch anerkannt, dass grundsätzlich auch außerhalb des verwaltungsverfahrensrechtlichen Akteneinsichtsanspruchs Personen, die an einem Verfahren nicht beteiligt sind, Akteneinsicht nach pflichtgemäßem Ermessen gewährt werden kann. Ein Anspruch auf pflichtgemäße Ermessensausübung besteht allerdings grundsätzlich nur, sofern ein berechtigtes Interesse substantiiert geltend gemacht wird;

vgl. Beschluss der 2. Kammer des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 16. November 1998 – 2 L 873/98 –, Juris Rn. 35; Kallerhoff, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 8. Auflage 2014, § 29 Rn. 18; Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, 16. Auflage 2015, § 29 Rn. 10; Troidl, Akteneinsicht im Verwaltungsrecht, 2013, Rn. 959 ff.

Zwar ist hierbei auch den Wertungen und Vorgaben der Informationsfreiheitsgesetze, hier des Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetzes, Rechnung zu tragen. Hieraus schließt die Kammer jedoch nicht, dass ein Anspruch auf pflichtgemäße Ermessensentscheidung im Fall des Vorliegens zwingender Ablehnungsgründe nach dem Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz unter allen Umständen ausgeschlossen wäre;

gegen die Anerkennung eines solchen Anspruchs jedoch 3. Kammer des Verwaltungsgerichts Potsdam, Urteil vom 13. November 2001– 3 K 3376/00 –, Juris Rn. 28; im Anwendungsbereich der Informationsfreiheitsgesetze Schoch, Informationsfreiheitsgesetz, 2. Auflage 2016, Einl. Rn. 38; zweifelnd auch OLG Frankfurt, Beschluss vom 15. September 2014 - WpÜG 3/11 –, Juris Rn. 26.

Zumindest in Fällen, deren Regelung der Gesetzgeber bei der Schaffung des Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetzes ersichtlich nicht bezweckte, kann von einer entsprechenden Sperrwirkung nicht ausgegangen werden.So liegt es im Fall des Akteneinsichtsbegehrens eines Gemeindevertreters bzw. Stadtverordneten in Akten zur Feststellung der Rechtswidrigkeit eines Beschlusses der Gemeindevertretung bzw. Stadtverordnetenversammlung gemäß § 55 Abs. 1 Sätze 10 ff. BbgKVerf. Der Kläger befindet sich aufgrund seines Stadtverordnetenmandats grundsätzlich nicht in der für das Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz typischen Jedermanns-Position. Als Stadtverordnetem kommt ihm das Recht und die Pflicht zu, eigenverantwortlich an den Aufgaben mitzuwirken, die die Gemeindevertretung zu erfüllen hat. Hierbei ist er angesichts der Vielzahl und Komplexität der zu beurteilenden Gegenstände auf Informationen aus dem Bereich der Verwaltung grundsätzlich angewiesen;

vgl. Philipsen, in: Muth, Potsdamer Kommentar, 60. Lief., Oktober 2016, § 29 BbgKVerf, Rn. 3.

Hieran gemessen ist ein berechtigtes Interesse des Klägers an der Einsicht in die in Rede stehenden Akten des Beklagten zu der Entscheidung gemäß § 55 Abs. 1 Satz 10 BbgKVerf anzuerkennen. Der Kläger wirkt an Beschlüssen der Stadtverordnetenversammlung durch Stimmabgabe gemäß § 30 Abs. 3 Satz 1 BbgKVerf mit. Insofern hat er in der mündlichen Verhandlung mitgeteilt, dass er ein besonderes Interesse daran habe, sämtliche maßgeblichen Gesichtspunkte für die rechtliche Beurteilung des in Rede stehenden Beschlusses zu kennen, um diese bei seiner kommunalpolitischen Tätigkeit berücksichtigen zu können. Dies ist nachvollziehbar. Gründe, welche die grundsätzliche Berechtigung dieses Interesses in Frage stellen, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

Bei dieser Sachlage hat der Kläger gegenüber dem Beklagten einen Anspruch darauf, dass dieser nach pflichtgemäßem Ermessen darüber entscheidet, ob und gegebenenfalls inwieweit bzw. unter welchen Modalitäten ihm Einsicht in die in Rede stehenden Akten gewährt wird. D... . Für Ersteres spricht, dass sich der Bescheid vom 7... hierzu überhaupt nicht verhalten. Zwar hat der Kläger sich in seinem Antrag vom 2... nicht ausdrücklich auf das Recht auf pflichtgemäße Ermessensausübung gestützt und insbesondere auch zu dem insoweit erforderlichen berechtigten Interesse nichts vorgetragen. Jedoch hat er den Beklagten schon mit E... ausdrücklich auf sein Stadtverordnetenmandat hingewiesen, was unter den gegebenen Umständen für die Geltendmachung des Rechts auf pflichtgemäße Ermessensausübung und für die Darlegung eines berechtigten Interesses ausreichte. Im Übrigen hat er im gerichtlichen Verfahren auf Nachfrage mitgeteilt, dass er sich auf alle in Frage kommenden Rechtsgrundlagen stütze. Soweit der Beklagte erkannte, dass er über das Akteneinsichtsbegehren des Klägers auch nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden hat, und auch insoweit eine ablehnende Entscheidung traf, fehlt es jedenfalls an einer entsprechenden Begründung in dem Bescheid vom 7. Juli 2015. Gemäß § 39 Abs. 1 VwVfG ist ein schriftlicher Verwaltungsakt mit einer Begründung zu versehen. In der Begründung sind die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben. Die Begründung von Ermessensentscheidungen soll auch die Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist. Im Übrigen würde die Ermessensentscheidung des Beklagten auch insoweit an einem Fehler leiden, als er sich – wie sich aus der mündlichen Verhandlung ergeben hat – offensichtlich allein davon leiten ließ, einen Präzedenzfall zu vermeiden. Eine solche Erwägung läuft darauf hinaus, Akteneinsicht ungeachtet bzw. ohne Würdigung des geltend gemachten Interesses und der gegebenenfalls entgegenstehenden Gründe unter allen Umständen zu vermeiden. Dies wird dem berechtigten Interesse des Klägers nicht gerecht.

Die Sache ist aber noch nicht spruchreif (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Zum einen kann – nach dem Kenntnisstand der Kammer – nicht davon ausgegangen werden, dass das Ermessen des Beklagten zugunsten des Klägers dahin reduziert wäre, dass ihm zwingend Akteneinsicht zu gewähren wäre. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass der Kläger auf die Informationen aus den in Rede stehenden Akten zwingend angewiesen wäre, um sein Amt als Stadtverordneter bzw. seine Rechte als Stadtverordneter wahrnehmen zu können. Ebenso wenig ist davon auszugehen, dass die Akteneinsicht zwingend zu versagen wäre. In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte hierfür sprechende Gründe – ungeachtet der Regelung gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 5 letzte Variante AIG – jedenfalls nicht vorgebracht. Zum anderen ist das Gericht nicht berufen, das Ermessen der Behörde an sich zu ziehen und an deren Stelle eine eigene Ermessensentscheidung zu treffen. Bei dieser Sachlage ist der Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 7. Juli 2015 gemäß § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO zu verpflichten, den Antrag des Klägers auf Akteneinsicht in den Vorgang zu der Entscheidung des Beklagten vom 4. Juni 2015 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts ergänzend zu bescheiden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO und entspricht anteilig dem Obsiegen und Unterliegen der Beteiligten. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.

Gemäß §§ 124 Abs. 2 Nr. 3, 124a Abs. 1 VwGO ist die Berufung zuzulassen, weil der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zukommt.

B E S C H L U S S

Der Streitwert wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe:

Die Streitwertfestsetzung entspricht dem gesetzlichen Auffangstreitwert (§ 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes).