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Anschlussbeitrag; persönliche Beitragspflicht; Einmaligkeit des Beitrags; Eigentumswechsel; Zwangsversteigerung; öffentliche Last; bestandskräftiger Beitragsbescheid; Aufhebungsbescheid; Bekanntgabe; kein nachbarrechtliches Gemeinschaftsverhältnis; Rubrumsberichtigung


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 9. Senat Entscheidungsdatum 12.02.2015
Aktenzeichen OVG 9 S 9.14 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 80 Abs 5 VwGO

Tenor

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) vom 17. Februar 2014 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Beschwerde trägt der Antragsgegner.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 868,62 EUR festgesetzt.

Gründe

Die Antragstellerin wendet sich gegen ihre Heranziehung zu einem Schmutzwasseranschlussbeitrag für ihr Grundstück.

Im Jahr 2000 gehörte das 1.302 m² große ursprüngliche Flurstück 1... der Flur 1... in der Gemarkung Fürstenwalde Herrn H...; möglicherweise war auch noch seine damalige Ehefrau B... Miteigentümerin. Mit Bescheid vom 20. November 2000 zog der Antragsgegner die Eheleute K... zu einem Abwasseranschlussbeitrag für das Flurstück 136/1 in Höhe von 10.416 DM (= 5.325,62 Euro) heran.

Herrn K... Widerspruch wies der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 22. Januar 2001 zurück; Klage wurde nicht eingelegt. Gegenüber Frau K... hob der Antragsgegner den Beitragsbescheid mit Bescheid vom 14. Oktober 2003 auf. Mit Herrn K... führte der Antragsgegner im Jahr 2005 Gespräche über monatliche Ratenzahlungen und die Eintragung einer Grundschuld.

Aus dem Flurstück 1... wurde eine 932 m² große Teilfläche herausgetrennt (...; dieses Grundstück wurde im April 2007 zwangsversteigert. Den Zuschlag erhielt die Antragstellerin; auf die vom Zweckverband geltend gemachte öffentliche Last entfiel bei der Verteilung des Versteigerungserlöses keine Quote, weil andere Rechte Vorrang hatten. Die Antragstellerin wurde als neue Eigentümerin im Grundbuch eingetragen.

Mit an Herrn K... gerichtetem („Abhilfe-“)Bescheid vom 14. Dezember 2014 hob der Antragsgegner den Beitragsbescheid vom 20. November 2000 auch ihm gegenüber auf.

Mit weiterem Bescheid vom 14. Dezember 2010 zog der Antragsgegner die Antragstellerin für ihr Grundstück zu einem Herstellungsbeitrag in Höhe von 3.474,50 Euro für die öffentliche Abwasserentsorgungsanlage heran. In einem „rechtlichen Hinweis“ vom 10. Februar 2011 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit, dass „der alte Beitragsbescheid vom 20.11.2000“ zurückgenommen worden sei. Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren gegen den Beitragsbescheid vom 14. Dezember 2010 hat die Klägerin Klage erhoben.

Auf Antrag der Antragstellerin hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 17. Februar 2014 die aufschiebende Wirkung ihrer Klage angeordnet, weil der vom Antragsgegner vorgenommene Austausch der persönlich Beitragspflichtigen unzulässig sei. Gegen den ihm am 26. Februar 2014 zugestellten Beschluss hat der Antragsgegner am 10. März 2014 Beschwerde eingelegt und diese am 26. März 2014 erstmalig begründet.

II.

Die Beschwerde, über die der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 1 und 6 VwGO im Rahmen der fristgerechten Darlegungen des Antragsgegners entscheidet, ist unbegründet. Das Beschwerdevorbringen gibt keinen Anlass zur Aufhebung oder Änderung des angegriffenen Beschlusses.

Das Verwaltungsgericht ist - unter Bezugnahme auf das Urteil des Senats vom 13. April 2011 (OVG 9 B 21.09, Juris) - davon ausgegangen, dass der gegenüber der Antragstellerin ergangene Beitragsbescheid rechtswidrig sei, weil der Antragsgegner keine persönliche Beitragspflicht der Antragstellerin habe begründen können, nachdem er insoweit bereits mit dem Bescheid vom 20. November 2000 den Voreigentümer des Grundstückes zum Beitrag herangezogen habe. Ein Austausch des persönlich Beitragspflichtigen sei ebenso wenig zulässig wie ein Nebeneinander von früherem und späterem Eigentümer für denselben Beitrag. Selbst wenn ein Austausch des persönlich Beitragspflichtigen überhaupt zulässig sein sollte, sei er hier jedenfalls nicht wirksam vorgenommen worden, weil die Heranziehung des Voreigentümers gegenüber der Antragstellerin nicht wirksam beseitigt worden sei. Der gegenüber Herrn K... ergangene „Abhilfebescheid“ sei der Antragstellerin nicht wirksam bekanntgegeben worden; sie müsse den Bescheid auch nicht als bekanntgegeben gegen sich gelten lassen. Der Antragsgegner könne sich nicht darauf berufen, dass sich die Antragstellerin nicht gegen diesen Bescheid gewandt habe, nachdem dem „Abhilfebescheid“ nicht einmal zu entnehmen sei, ob die Aufhebung rückwirkend ausgesprochen werde oder nicht und ob der Bescheid die Antragstellerin irgendetwas angehen solle.

Demgegenüber macht die Beschwerde geltend, die Antragstellerin habe ihren Antrag fälschlich gegen den Zweckverband gerichtet, obwohl sie den Antrag gemäß § 8 Abs. 2 BbgVwGG gegen den Verbandsvorsteher habe richten müssen; das Verwaltungsgericht habe das Rubrum ohne Erklärung der Antragstellerin nicht von Amts wegen berichtigen dürfen. Die Beschwerde macht weiter geltend, dass die Bezugnahme auf das Urteil des Senats vom 13. April 2011 nicht passe, weil es sich im Fall der Antragstellerin nicht um einen „gleich gelagerten“ Fall handele. Anders als im vom Senat entschiedenen Fall habe der Zweckverband den Schutz der öffentlichen Last nicht durch bloßes Nichtstun preisgegeben, sondern sei den besserrangigen Gläubigern unterlegen. Danach könne die Abwägung der Interessen des Beitragsgläubigers und des Beitragsschuldners wie auch des Erstehers des Grundstücks nicht einseitig zulasten des Beitragsgläubigers ausgehen. Bei dem ursprünglichen Herstellungsbeitragsbescheid habe es sich um einen Sonderfall gehandelt, in dem der angesetzte Beitragssatz überhöht gewesen sei, weil die Altanschließergrundstücke nicht für den Herstellungsbeitrag einkalkuliert gewesen seien, sondern separat zu einem eigenen niedrigeren Beitrag, einem vermeintlichen „Verbesserungsbeitrag“, veranlagt worden seien. Würdige man diese Umstände, stelle sich die Rücknahme des ersten Beitragsbescheides gegen Herrn K... anders dar, als vom Verwaltungsgericht angenommen. Der Antragsgegner sei nach dem Beschluss des Senats vom 20. März 2006 (OVG 9 S 81.05) und den Senatsurteilen vom 12. Dezember 2007 (OVG 9 B 44.06 und OVG 9 B 45.06) zur Vermeidung einer Doppelbelastung bzw. Aufwandsüberschreitung verpflichtet gewesen, einen Ausgleich für den überhöhten Beitragssatz zu schaffen; einen solchen Ausgleich habe er mit der Aufhebung des ersten Bescheides und dem Erlass des neuen Bescheides ermessensfehlerfrei vorgenommen. Derart motiviert habe der Antragsgegner keinen bloßen „Austausch“ der persönlich Beitragspflichtigen vorgenommen, nur um Einnahmen zu erzielen. Dem Antragsgegner sei es auch nicht nach Treu und Glauben verwehrt, sich gegenüber der Antragstellerin auf die Rücknahme des ersten Beitragsbescheides zu berufen; anders als im durch Senatsurteil vom 13. April 2011 entschiedenen Fall sei dem neuen Adressat die Rücknahmeentscheidung nicht nur als bloße Anlage eines Schriftsatzes mitgeteilt worden, sondern der Antragstellerin sei der Sachverhalt mit Hinweisschreiben vom 10. Februar 2011 geschlossen mitgeteilt und im Jahr 2013 Akteneinsicht gewährt worden. Dies habe es zugelassen und nahegelegt, dass die anwaltlich vertretene Antragstellerin Drittwiderspruch einlege. Dass sie dies nicht getan habe, gehe zu ihren Lasten. Jedenfalls bestünden insoweit schwierige Rechtsfragen, die nicht im summarischen Verfahren zu lösen seien, sondern zur Ablehnung des Eilantrags führen müssten.

Diese Einwendungen greifen indessen nicht durch.

Es ist nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht die von der Antragstellerin ursprünglich fehlerhaft verwendete Bezeichnung des Antragsgegners berichtigt hat. Dies gilt zumal vor dem Hintergrund, dass auch nach der Berichtigung des Passivrubrums der von der Entscheidung in der Sache betroffene Rechtsträger unverändert geblieben ist (vgl. OVG Brandenburg, Beschluss vom 6. Juli 1998 - 2 B 64/98 -, S. 5 des EA). Die Erklärungen der Antragstellerin sind - wie regelmäßig - darauf gerichtet, das Ziel gegenüber dem richtigen Antragsgegner zu erreichen; sie sind insoweit einer Auslegung bzw. Umdeutung hinsichtlich des Passivrubrums fähig; eine dem u.U. entgegenstehende Festlegung, dass als dieser Antragsgegner einzig der Rechtsträger Zweckverband in Betracht komme, nicht aber der Verbandsvorsteher des Zweckverbandes (§ 78 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 8 Abs. 2 Satz 1 BbgVwGG), ist dem Vorbringen der Antragstellerin nicht zu entnehmen.

Soweit die Beschwerde Unterschiede zu dem Fall anführt, über den der Senat durch Urteil vom 13. April 2011 (OVG 9 B 21.09, Juris) entschieden hat und auf den das Verwaltungsgericht in seiner Begründung Bezug genommen hat, ändert dies nichts daran, dass der gegenüber der Antragstellerin erlassene (zweite) Beitragsbescheid ernstlichen Zweifeln an seiner Rechtmäßigkeit unterliegt, nämlich dass er überwiegend wahrscheinlich rechtswidrig ist. Dem Urteil vom 13. April 2011 liegt der sogenannte Grundsatz der Einmaligkeit des Beitrags zugrunde. Danach entsteht nicht nur die sachliche Beitragspflicht in Bezug auf eine bestimmte beitragsfähige Maßnahme und ein bestimmtes Grundstück nur einmal, sondern grundsätzlich auch die persönliche Beitragspflicht. Die persönliche Beitragspflicht trifft den Grundstückseigentümer oder – an seiner Stelle – den Erbbauberechtigten oder qualifizierten Nutzer (§ 8 Abs. 2 Satz 2 bis 6 KAG). Regelt die Satzung die Entstehung der persönlichen Beitragspflicht dahin, dass es auf das Eigentum, Erbbaurecht etc. im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Beitragsbescheides ankommt, so wird die persönliche Beitragspflicht grundsätzlich mit der wirksamen Bekanntgabe des Beitragsbescheides endgültig festgelegt. Eine Ausnahme besteht nur für den Fall, dass der Beitragsbescheid nichtig ist oder auf einen Rechtsbehelf des Adressaten aufgehoben wird. Wird er hingegen bestandskräftig, so legt er auch die persönliche Beitragspflicht ein für allemal fest; auch durch eine spätere Aufhebung kann der Beitragsgläubiger diese Festlegung nicht mehr beseitigen, mit der Folge, nunmehr den Rechtsnachfolger des Eigentümers noch persönlich in Anspruch nehmen zu können (vgl. Driehaus in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rn. 72; vgl. hierzu weiter BVerwG, Urteil vom 14. Februar 2001 - 11 C 9.00 -, Juris, Rn. 32 f.). Die Regelungen über die Entstehung der persönlichen Beitragspflicht dienen erkennbar dem Ziel, insoweit Klarheit und Verlässlichkeit zu schaffen. Das spricht dagegen, dem Beitragsgläubiger die Möglichkeit zu geben, einen ersten Beitragsbescheid eigeninitiativ aufzuheben und dadurch den Rechtsnachfolger des Adressaten des ersten Beitragsbescheides noch auf den Beitrag in Anspruch nehmen zu können. Immerhin hat der Beitragsgläubiger schon allein infolge der Bestandskraft des ersten Beitragsbescheides die Möglichkeit gehabt, den Beitrag gegenüber dem Adressaten des ersten Beitragsbescheides einzutreiben; die Fruchtlosigkeit eines entsprechenden Bemühens gibt keinen hinreichenden Anlass, dem Beitragsgläubiger einen Austausch der persönlichen Beitragsschuldner zu ermöglichen. Soweit der Antragsgegner vorliegend geltend macht, die Aufhebung des ersten Beitragsbescheides sei nur erfolgt, um den ersten Beitragsschuldner vor einer überhöhten Beitragsforderung zu schützen, mutet das angesichts der gegenüber diesem unternommenen erfolglosen Vollstreckungsbemühungen befremdlich an; unbeschadet dessen hätte es zur Erreichung dieses Zwecks genügt, den ersten Beitragsbescheid nur zu reduzieren.

Auch greift die Beschwerde nicht, soweit sie sich gegen den weiteren selbständig tragenden Entscheidungsgrund des Verwaltungsgerichts wendet, nachdem es jedenfalls an einer wirksamen Bekanntgabe des Aufhebungsbescheides an die Antragstellerin fehle und die Antragstellerin die Kenntnisnahme auch nicht als Bekanntgabe gegen sich gelten lassen müsse. Weder die - im Schreiben vom 10. Februar 2011 in einem Klammerzusatz gegebene - Mitteilung, „der alte Beitragsbescheid vom 20.11.2000 wurde zurückgenommen“ noch die durch das Verwaltungsgericht im März 2013 gewährte Akteneinsicht, bei der auch der an Herrn K... gerichtete „Abhilfebescheid“ zur Kenntnis genommen werden konnte, stellen eine Bekanntgabe des Bescheides an die Antragstellerin im Sinne von § 12 Abs. 1 Nr. 3 Buchstabe b KAG i.V.m. § 122 AO dar. Dass im Verhältnis von Erwerber und Voreigentümer eines Grundstücks im Zusammenhang mit einer Beitragserhebung - anders als im baunachbarrechtlichen Gemeinschaftsverhältnis - kein derartiges Verhältnis bestehe, dass der Erwerber sich nach Kenntniserlangung so behandeln lassen müsse, als sei ihm der Aufhebungsbescheid wirksam bekannt gegeben worden, hat der Senat bereits im vom Verwaltungsgericht in Bezug genommenen Urteil vom 13. April 2011 (a.a.O., Juris Rn. 34) entschieden. Das Beschwerdevorbringen gibt keinen Anlass, von dieser Auffassung abzugehen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).