Gericht | LSG Berlin-Brandenburg 9. Senat | Entscheidungsdatum | 22.09.2010 | |
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Aktenzeichen | L 9 KR 232/07 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 7 SGB 4, § 79 SGB 8 |
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 24. Januar 2007 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Streitig sind die Feststellung von Versicherungspflicht und die Nachforderung von Beiträgen zur Sozialversicherung für eine Tätigkeit als Familienhelferin in der Zeit von Dezember 1995 bis Dezember 1999.
Die 1958 geborene Beigeladene zu 1) erwarb am 21. November 1986 einen Studienabschluss als Diplompädagogin und am 14. November 1995 den als Diplompsychologin. Sie ließ den Kläger im Juli 1995 einen „Helfervorgang“ über sich anlegen, in dem ihre persönlichen Daten auf einem „Personenblatt“, Nachweise über bisherige Ausbildung und Tätigkeiten, Lebenslauf und ein Führungszeugnis gesammelt wurden. Zu ihrem Einsatz als Familienhelferin kam es, wenn der Kläger auf Antrag eines Erziehungsberechtigten Leistungen nach den §§ 27, 31 des Sozialgesetzbuchs Achtes Buch (SGB VIII) bewilligt hatte. In diesen Fällen erstellte der Kläger durch einen Sozialarbeiter zunächst Hilfepläne, in denen der Einsatz eines Familienhelfers vorgesehen und Aufgaben und Ziele der Hilfen formuliert wurden. Die Bewilligung erfolgte gegenüber dem antragstellenden Erziehungsberechtigten und bezog sich auf die Übernahme der Kosten für den Einsatz eines Familienhelfers für bestimmte Zeiträume im Umfang der im Einzelnen bewilligten wöchentlichen Stunden. In den Bewilligungsbescheiden wurde der Name der Beigeladenen zu 1) genannt und darauf hingewiesen, dass mit ihr direkt abgerechnet werde. Die Beigeladene zu 1) erhielt Durchschriften der Bescheide, verbunden mit dem Hinweis, dass das Familienhelfergeld je Stunde 26,40 DM betrage. Für die Abrechnung hatte die Beigeladene zu 1) dem Kläger monatliche Stundenaufstellungen vorzulegen, die von ihr und den betreuten Familien zu unterschreiben waren. Der Kläger gewährte daneben auch Urlaubsabgeltung und einen Zuschuss zur freiwilligen Krankenversicherung in Höhe von 6,6 vom Hundert. Auf dieser Grundlage war die Beigeladene zu 1) in der Zeit von Juli 1995 bis Dezember 1999 als Familienhelferin tätig, wobei sich aus den Unterlagen des Klägers für diese Tätigkeit ein Umfang von 6 bis 14 Stunden wöchentlich ergibt. Ab dem 1. Januar 2000 war die Beigeladene zu 1) bis zum 31. Juli 2002 als angestellte Familienhelferin bei der Diakoniegemeinschaft B beschäftigt, die als freier Träger Leistungen der Familienhilfe für den Kläger erbrachte.
Mit Schreiben vom 25. Mai 1999 wandte sich die Beigeladene zu 1) an die Beklagte und beantragte zu prüfen, ob ihre Tätigkeit als Honorarkraft der Abgabepflicht zur Sozialversicherung unterfalle. Um Beitragspflichten und eine Festeinstellung zu umgehen, habe der Kläger den Einsatz so geregelt, dass sie offiziell bei der Familie eingestellt sei, tatsächlich empfange sie Weisungen und Honorar aber vom Jugendamt. Durch Bescheid vom 5. Juli 1999 teilte die Beklagte der Beigeladenen zu 1) gegenüber mit, dass sie nicht selbständig tätig, sondern sozialversicherungspflichtig sei. Gegenüber dem Kläger wiederholte sie mit Schreiben vom 13. Oktober 1999 diese Feststellung der Versicherungspflicht. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 6. Dezember 1999 zurück. Die in der sozialpädagogischen Familienhilfe nach § 31 SGB VIII von den Trägern der freien und den Trägern der öffentlichen Jugendhilfe eingesetzten Familienhelfer seien Arbeitnehmer und damit in dieser Beschäftigung versicherungspflichtig. Das gelte auch für die Beigeladene zu 1).
Die dagegen erhobene Klage wies das Sozialgericht Berlin durch Urteil vom 22. Juni 2001 – S 72 KR 1230/99 - ab. Die Beigeladene zu 1) habe in einem Beschäftigungsverhältnis zu dem Kläger gestanden. In dem anschließenden Berufungsverfahren hob die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG Berlin am 4. August 2004 die angefochtenen Bescheide auf, nachdem sie darauf hingewiesen worden war, dass der Bescheid vom 13. Oktober 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Dezember 1999 dem Bestimmtheitsgebot nicht entspreche, weil er keine Angaben über die Beschäftigungsdauer, den Umfang der Beschäftigung und das Arbeitsentgelt enthalte.
Nach Anhörung des Klägers mit Schreiben vom 22. November 2004 stellte die Beklagte durch Bescheid vom 27. Dezember 2004 fest, dass die Beigeladene zu 1) in ihrer Tätigkeit als Familienhelferin in der Zeit vom 1. Dezember 1995 bis 31. Dezember 1999 der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung unterlegen habe. Die Beigeladene zu 1) sei in diesem Zeitraum für mehrere Betreuungsfälle im Umfang von 4 bis zu 14 Stunden in der Woche eingesetzt gewesen. Es seien Beiträge nachzuberechnen für 1995 aus 2.956,80 DM, für 1996 aus 32.662,40 DM, für 1997 aus 34.772,40 DM, für 1998 aus 27.086,40 DM und für 1999 aus 22.598,40 DM. Umgerechnet sei der Betrag von 23.507,94 Euro zu zahlen. Da die Beigeladene zu 1) sich einverstanden erklärt habe, die von ihr gezahlten Beiträge zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 4.630,88 Euro darauf anrechnen zu lassen, ermäßige sich der Nachforderungsbetrag auf 18.877,06 Euro. Den vom Kläger erhobenen Widerspruch wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 14. März 2005 zurück. Entgegen der Auffassung des Klägers sei die Beigeladene zu 1) bei ihm abhängig beschäftigt gewesen. Die Beitragsforderung sei auch noch nicht verjährt.
Dagegen richtet sich die am 24. März 2005 bei dem Sozialgericht Berlin eingegangene Klage. Die Beigeladene zu 1) sei weder in die Betriebsorganisation des Klägers eingebunden noch weisungsabhängig gewesen sei. Der Hilfeplan habe keine arbeitsplatzbezogene, sondern eine auftragsbezogene Weisung dargestellt. Es habe weder eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit gegeben, noch habe die Beigeladene zu 1) einen Anwesenheitsnachweis führen müssen. Unerheblich sei, dass die Beigeladene zu 1) später als Familienhelferin in einem Angestelltenverhältnis tätig geworden sei. Es bestehe keine Verkehrsanschauung dazu, dass Einzelfallhelfer stets in abhängiger Beschäftigung tätig seien. Soweit Beiträge festgesetzt worden seien, werde die Einrede der Verjährung erhoben.
Das Sozialgericht hat die angefochtenen Bescheide nach Anhörung der Beigeladenen zu 1) durch Urteil v. 24. Januar 2007 aufgehoben. Die Beigeladene zu 1) habe nicht in einem Beschäftigungsverhältnis gestanden. Sie sei nicht in die Arbeitsorganisation des Klägers eingegliedert und auch nicht seinen Weisungen unterworfen gewesen. Der Kläger habe lediglich einen Hilfeplan erstellt, der eine Zielvorstellung enthalten habe. Das ergebe sich aus seinem Vortrag und dem der Beigeladenen zu 1). Vor dem Hintergrund, dass alle anderen Entscheidungen Sache der Beigeladenen zu 1) gewesen seien, falle auch der Umstand nicht entscheidend ins Gewicht, dass der Kläger ihr einen Zuschlag zu ihren Krankenversicherungsbeiträgen und Urlaubsgeld gezahlt habe.
Gegen das ihr am 12. Februar 2007 zugestellte Urteil richtet sich die am 12. März 2007 bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingegangene Berufung der Beklagten. Sie verweist darauf, dass das SG Berlin mit Urteil v. 22. Januar 2001 – S 72 KR 1230/99 – eine sozialversicherungsrechtliche Beschäftigung der Beigeladenen zu 1) bereits bestätigt habe. Der im anschließenden Berufungsverfahren zuständig gewesene Senat des Landessozialgerichts Berlin habe sich zur Frage einer abhängigen Beschäftigung nicht geäußert. Von einer freien Gestaltung der Tätigkeit könne nicht ausgegangen werden, wenn der öffentliche Träger die Gesamtverantwortung trage. Auch habe die Arbeitszeit nur in gewissen Grenzen frei bestimmt werden können, die Stundenzahl sei durch den Bewilligungsbescheid vorgegeben worden. Das Mitspracherecht der Beigeladenen zu 1) folge aus der Natur der Sache, da es kontraproduktiv gewesen wäre, wenn die Chemie zwischen betreuter Familie und Familienhelfer nicht gestimmt hätte. Es könne daher nicht als Indiz für eine weisungsfreie Tätigkeit herangezogen werden. Der Mangel der Unbestimmtheit, an dem der frühere in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG Berlin am 4. August 2004 aufgehobene Bescheid gelitten habe, sei durch den Bescheid vom 27. Dezember 2004 behoben worden. Der Senat des LSG habe damals auf die Möglichkeit des Erlasses eines neuen Bescheides, nicht aber auf eine mögliche Verjährung hingewiesen. Zumindest vom Erlass des Beitragsbescheides vom 13. Oktober 1999 an bis zum Tag der mündlichen Verhandlung vor dem LSG Berlin am 4. August 2004 sei die Verjährung gehemmt gewesen. Falls doch Verjährung anzunehmen sei, würde sich die Beitragsforderung auf 352,51 Euro ermäßigen. Der Kläger sei aber spätestens sei Dezember 1999 nicht mehr gutgläubig gewesen, so dass eine 30jährige Verjährungsfrist greife. Überdies sei die Beigeladene zu 1), nachdem der Beklagte die Tätigkeit an die Diakonie abgegeben habe, dort als Arbeitnehmerin mit gleichem Aufgabengebiet beschäftigt worden.
Die Beklagte beantragt (nach dem Sinn ihres Vorbringens),
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 24. Januar 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt (nach dem Sinn seines Vorbringens),
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend. Die frühere gegenteilige Entscheidung des Sozialgerichts sei nicht rechtskräftig geworden. Zudem werde ausdrücklich die Einrede der Verjährung erhoben. Von einer 30jährigen Verjährungsfrist könne nicht ausgegangen werden, da für die Beigeladene zu 1) bislang nicht bestandskräftig eine Versicherungspflicht festgestellt worden sei. Die Hemmungswirkung des ersten von der Beklagten erlassenen Bescheides sei durch dessen Aufhebung rückwirkend entfallen. Überdies sei in ihm nur ein Status festgestellt und keine Beitragsforderung erhoben worden.
Die Beigeladenen haben sich zum Verfahren nicht geäußert und keine Anträge gestellt.
Der Senat hat durch die damalige Berichterstatterin am 31. Januar 2008 einen Erörterungstermin durchgeführt. Er hat auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) hingewiesen, wonach die aus dem Gesetz folgende Gesamtverantwortung des Jugendhilfeträgers für die Arbeitnehmereigenschaft ohne Bedeutung sei (Urt. v. 20. Mai 2005 – 5 AZR 347/05-).
Die Beteiligten haben sich sämtlich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakten des Klägers, der Beklagten und der Beigeladenen zu 2) verwiesen, die sämtlich vorgelegen haben und Gegenstand der Beratung gewesen sind.
Nach §§ 124 Abs. 2, 153 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG - konnte der Senat ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
Die Berufung hat keinen Erfolg. Mit Recht hat das Sozialgericht die angefochtenen Bescheide aufgehoben. Der Bescheid vom 27. Dezember 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. März 2005 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Die Beigeladene zu 1) unterlag aufgrund der von ihr für den Kläger in der Zeit vom 12. Dezember 1995 bis 31. Dezember 1999 ausgeübten Beschäftigung als Familienhelferin nicht der Versicherungspflicht in der Renten-, Kranken, Pflege- und Arbeitslosenversicherung.
Der Eintritt von Versicherungspflicht in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung und der Arbeitsförderung bestimmt sich nach § 25 Abs.1 Satz 1 SGB III (bzw. bis 31. Dezember 1997 § 168 AFG), § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, § 1 Nr. 1 SGB VI und § 20 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI. Diese die Arbeitslosenversicherung sowie die Kranken-, Renten- und soziale Pflegeversicherung betreffenden Vorschriften, die nach der hier vorliegenden Sachverhaltsgestaltung einzig in Betracht kommen, setzen für den Eintritt von Versicherungspflicht jeweils eine abhängige Beschäftigung gegen Entgelt voraus. Beschäftigung ist nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis.
Das Merkmal der Beschäftigung ist bei einer Tätigkeit in persönlicher Abhängigkeit gegeben. Eine abhängige Tätigkeit für einen fremden Betrieb liegt vor, wenn der Beschäftigte hinsichtlicht Zeit, Dauer, Art und Ort der Arbeitsleistung einem Weisungsrecht unterliegt. Dagegen ist eine selbständige Tätigkeit durch ein eigenes Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen freie Gestaltung von Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Entscheidend ist das Gesamtbild der Verhältnisse. Weicht die tatsächliche Ausgestaltung der Arbeitsleistung von den getroffenen Vereinbarungen ab, so ist die erstere maßgebend (BSG, Urt. v. 25. Januar 2001 – B 12 KR 17/00 R -, Urt. d. erkennenden Senats v. 24. März 2010 – L 9 KR 13/08 -).
Die vertraglichen Vereinbarungen zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1) deuten auf eine selbständige Tätigkeit in Form der sog. Freien Mitarbeit hin. In den der Beigeladenen zu 1) erteilten „Aufträgen“ wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Tätigkeit als Familienhelferin keinerlei Rechtsbeziehungen zum Land Berlin begründe. Vorgaben über die Ausgestaltung der tatsächlichen oder rechtlichen Beziehungen zwischen der Familienhelferin und dem Land Berlin sind in ihnen nicht zu finden. Die Feststellung, dass keinerlei Rechtsbeziehungen bestünden, erscheint zwar befremdlich, weil die Beigeladene zu 1) für den Kläger Leistungen der Jugendhilfe erbrachte und dafür von ihm eine Vergütung erhielt. Die gänzliche Ablehnung einer vertraglichen Beziehung spricht aber deutlich dagegen, dass die beiderseitigen Rechte und Pflichten gerade in Form der besonders intensiven Rechtsbeziehung eines Arbeitsverhältnisses ausgestaltet werden sollten. Maßgeblich ist indessen ohnehin nicht die von den Beteiligten gewählte Bezeichnung, auch wenn sich die steuer- und sozialversicherungsrechtliche Behandlung einer Tätigkeit zunächst an dieser orientiert, entscheidend kommt es auf die tatsächliche Ausgestaltung der Verhältnisse an, unter denen die Arbeitsleistung erbracht wurde.
Gegen eine Selbständigkeit spricht hier zwar, dass die Beigeladene zu 1) im Hinblick auf ihre Tätigkeit für den Kläger kein Unternehmerrisiko trug. Angesichts des auf der Basis der den Familien bewilligten Stunden zu zahlenden Honorars, dessen Höhe der Kläger vorgab, trug die Beigeladene zu 1) nicht das Risiko, dass sie ihre Arbeitskraft ohne Ertrag aufwenden würde. Vielmehr sollte sie ihre Vergütung stundenweise und ohne Rücksicht auf das Ergebnis der Arbeitsleistung erhalten. Weitere Indizien, die auf eine abhängige Beschäftigung der Beigeladenen zu 1) hindeuten, sind die Gewährung eines Zuschusses zur Krankenversicherung und die Abgeltung von Urlaub durch den Kläger. Solche Verhaltensweisen sind nämlich nur von einem Arbeitgeber gegenüber seinen Arbeitnehmern üblich.
Andere Gesichtspunkte sind dagegen neutral oder sprechen gegen eine abhängige Beschäftigung. Die zeitliche Beanspruchung der Beigeladenen zu 1) durch ihre Tätigkeit als Familienhelferin für den Kläger war nicht so groß, dass ihr daneben keine andere Erwerbsarbeit möglich gewesen wäre. Nach den Akten des Klägers hat die Beigeladene zu 1) im einzelnen Betreuungsfall nie mehr als 14 Stunden wöchentlich als Familienhelferin gearbeitet, überwiegend weniger, nämlich 4, 6, 8 und 10 Stunden wöchentlich. Davon geht auch die Beklagte aus, wie sich der Aufstellung der Betreuungsfälle entnehmen lässt, die Bestandteil der angefochtenen Bescheide ist. Zwar haben sich einzelne Betreuungsfälle überschnitten, so dass die Beigeladene zu 1) häufig zwei oder mehrere Familien in derselben Woche betreute. Gleichwohl erreichte die Zahl der Stunden nie ein Ausmaß, das auf Dauer wesentlich über eine Teilzeitbeschäftigung hinausgegangen wäre. Dem entsprechen die Angaben der Beigeladenen zu 1) vor dem Sozialgericht, dass sie versucht habe, 25 bis 28 Stunden in der Woche zu arbeiten, um damit auf der einen Seite ihren Lebensunterhalt zu sichern, auf der anderen Seite aber gleichzeitig auch ihre Weiterbildung zur Verhaltenstherapeutin betreiben zu können, was neben einer Vollzeitbeschäftigung nicht möglich gewesen wäre. Dass einem Familienhelfer neben dieser Tätigkeit noch die tatsächliche Möglichkeit verbleibt, seine Arbeitskraft im wesentlichen Umfang auch für andere Erwerbsmöglichkeiten einsetzen zu können, spricht eher für seine Selbständigkeit (vgl. Bayerisches LSG, Urt. v. 21. Mai 2010 – L 4 KR 68/08 – zit. nach juris, Rdnr. 27). Entsprechendes gilt für die Beigeladene zu 1). An dem Bestehen dieser Möglichkeit ändert nichts, dass sie tatsächlich nicht anderweitig arbeitete, sondern ihre Weiterbildung betrieb.
Neutral in dem Sinne, dass daraus weder eindeutig eine abhängige Beschäftigung noch eine selbständige Tätigkeit abzuleiten ist, beurteilt der Senat die Frage einer Weisungsgebundenheit der Beigeladenen zu 1). Zwar wurden der Beigeladenen zu 1) – nach ihren eigenen Angaben vor dem Sozialgericht – Familien nicht einseitig vom Kläger „zugeteilt“, sondern sie musste sich im jeweiligen Einzelfall mit der Übernahme der Betreuung einverstanden erklären, was nicht immer erfolgt sei. Trotz des durch Führung einer Personalakte dokumentierten Rahmenverhältnisses verblieb der Beigeladenen zu 1) damit die Möglichkeit, im Einzelfall die Übernahme eines Auftrages abzulehnen. Entscheidend ist aber weniger, ob die Übernahme eines Falles abgelehnt werden konnte, sondern mehr, wie sich die Ausführung der Familienhilfe nach Übernahme der Betreuung gestaltete. Denn auch ein Arbeitsverhältnis kann nur freiwillig begründet werden.
Folgende Erwägungen dagegen sind maßgeblich für das Fehlen einer abhängigen Beschäftigung: Den Angaben der Beteiligten und den vorliegenden Akten lässt sich nicht entnehmen, dass der Kläger gegenüber der Beigeladenen zu 1) ein ins Einzelne gehendes Weisungsrecht in Hinblick auf die Art und Weise der Ausführung der Tätigkeit als Familienhelferin ausgeübt hat. Er hat mit den von ihm erstellten Hilfeplänen inhaltliche Zielvorgaben für den Einsatz als Familienhelferin gemacht und – wie die Beigeladene zu 1) vor dem Sozialgericht bestätigt hat - Rücksprache über das Fortbestehen der Hilfebedürftigkeit gehalten. In den Akten des Klägers ist auch ein Bericht der Beigeladenen zu 1) über ihre Tätigkeit dokumentiert. Das widerlegt das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit aber nicht, weil auch bei selbständigen Dienstleistern üblich ist, dass sie entsprechend den Interessen und Wünschen ihrer Auftraggeber handeln, in diesem Rahmen fremden Vorstellungen folgen und sich absprechen. Was die konkrete Art und Weise der Ausgestaltung der Tätigkeit als Familienhelferin angeht, sind keine Weisungen dokumentiert. Diese weitgehende Freiheit von arbeitsbezogenen Weisungen belegt aber auch nicht die Selbständigkeit. Schon die Ausbildung der Beigeladenen zu 1) als Diplompädagogin und Diplompsychologin zeigt nämlich, dass es sich bei ihrer Tätigkeit als Familienhelfer um Dienste höherer Art gehandelt hat, bei denen der Umfang der auch in einem Angestelltenverhältnis zu erwartenden fachlichen Weisungen ohnehin eingeschränkt war, weil für solche Dienste üblicherweise Kenntnisse und Fähigkeiten vorausgesetzt werden, die eine selbständige Arbeitsweise gerade ermöglichen. Insoweit kann aus der konkreten Verrichtung keine Einordnung als abhängige Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit abgeleitet werden. Deswegen sagt der Umstand, dass die Beigeladene zu 1) ihre Tätigkeit als Familienhelferin ab dem 1. Januar 2000 als abhängig Beschäftigte fortführte, nichts darüber aus, ob bereits vorher ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis bestand, auch wenn sich an der Art der konkreten Arbeit mit der betreuten Familie nichts geändert haben sollte.
Zudem war die Beigeladene zu 1) bei ihrer Tätigkeit im Auftrag des Klägers nicht in dessen für sie fremde Arbeitsorganisation eingegliedert. Der Senat ist in diesem Zusammenhang nicht der Auffassung, dass von einer Eingliederung der Beigeladenen zu 1) bereits deswegen ausgegangen werden müsste, weil der Kläger die inhaltliche Verantwortung für die Ausgestaltung der Familienhilfe trug, da es sich bei dieser um eine von ihm nach dem SGB VIII zu gewährende Leistung der Jugendhilfe handelte. Zwar statuiert § 79 Abs. 1 SGB VIII eine Gesamtverantwortung des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe für die im SGB VIII vorgesehenen und von ihm zu erbringenden Leistungen. Das lässt aber keine Rückschlüsse auf die Arbeitnehmereigenschaft der bei der Jugendhilfe eingesetzten Kräfte zu (BAG, Urt. v. 20. Mai 2005 – 5 AZR 347/05 - unter ausdrücklicher Aufgabe von BAG, Urt. v. 6. Mai 1998 – 5 AZR 347/04 -, anderer Ansicht noch LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 15. Oktober 2004 – S 11 RJ 2748/00 -). Denn das Gesetz überlässt dem Träger der Jugendhilfe die Wahl, wie er die ihm übertragene Verantwortung wahrnimmt. Er kann die Jugendhilfeleistungen durch angestellte Kräfte erbringen, sich freier Träger bedienen oder aber auch auf freie Mitarbeiter zurückgreifen (Bayerisches LSG, Urt. v. 21. Mai 2010 – L 4 KR 68/08 -, Revision zugelassen und unter dem Az. B 12 KR 14/10 R anhängig). Maßgeblich ist nicht die Aufgabe als solche, sondern die konkrete Ausgestaltung der Verhältnisse.
Bezogen auf die tatsächlichen Umstände kann der Senat sich indessen nicht die Überzeugung bilden, dass die Beigeladene zu 1) in einer Art und Weise in den Betrieb des Klägers eingegliedert war, die auf eine abhängige Beschäftigung hindeutet. Der Kläger führte zwar Personalunterlagen. Ihre eigentliche Tätigkeit übte die Beigeladene zu 1) aber nicht in den Betriebsräumen des Klägers, sondern bei den einzelnen Familien aus. Bereits aus der Natur der Tätigkeit als Familienhelferin folgt, dass eine Einbindung in die betriebliche Organisation des Klägers nur in geringem Umfang möglich war. Die Beigeladene zu 1) hat dazu ausgeführt, dass es nur bei der erstmaligen Übernahme eines Einsatzes der Familienhilfe sowie bei eventuellen Gesprächen über den Stand der Hilfe überhaupt zu einem Kontakt mit den Mitarbeitern des Klägers gekommen sei. Im Wesentlichen hat die Beigeladene zu 1) daher Ort, Zeit und inhaltliche Ausgestaltung ihrer Arbeitsleistung unabhängig von den Vorgaben des Klägers bestimmen können. Wohl musste sie auf Wünsche und Verhältnisse der von ihr betreuten Familien eingehen. Das betraf aber nicht ihre Stellung gegenüber dem Kläger. Dass Leistungen nicht zur Unzeit erbracht werden können, ohne ihren Erfolg zu gefährden, ist auch für selbständig erbrachte Dienstleistungen nicht untypisch.
Danach überwiegen die auf eine selbständige Tätigkeit hindeutenden Gesichtspunkte, so dass die Annahme einer abhängigen Beschäftigung und entsprechend auch das Vorliegen von Versicherungspflicht nicht bestätigt werden kann. Auf die Frage, ob die von der Beklagten festgesetzten und geforderten Beiträge zur Sozial- und Arbeitslosenversicherung schon verjährt wären, kommt es demnach nicht an.
Nach alledem war die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergeht nach § 197a SGG iVm §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO.
Die Revision ist nach § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, nachdem bereits ein vergleichbarer Sachverhalt mit entsprechender Fragestellung beim BSG unter dem Az. B 12 KR 14/10 R anhängig ist.