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Rechtsweg; personalvertretungsrechtliches Beschlussverfahren; Zuständigkeit und Rechtsstellung der Personalvertretung; Humboldt-Universität zu Berlin; Verfassung der -; Gesamtpersonalrat; Teilnahme an Sitzungen des Kuratoriums; Rede- und Antragsrecht; Ausschluss von der Sitzungsteilnahme; Personalangelegenheiten des Präsidiums; Verweisung; Beschwerde (erfolgreich)


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg Fachsenat für Personalvertretungssachen Entscheidungsdatum 03.05.2012
Aktenzeichen OVG 60 PV 3.12 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 17a Abs 4 GVG, § 91 Abs 1 Nr 3 PersVG BE, § 51 Abs 3 HSchulG BE, § 84 Abs 1 S 1 BPersVG

Leitsatz

Im Streit zwischen Kuratorium und Gesamtpersonalrat der Humboldt-Universität zu Berlin über das Recht eines Vertreters der Personalvertretung an den Sitzungen des Kuratoriums mit Rede- und Antragsrecht in Personalangelegenheiten von Mitgliedern des Präsidiums der Universität teilzunehmen, ist im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren zu entscheiden

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin - Fachkammer für Personalvertretungssachen des Landes Berlin - vom 21. Februar 2012 aufgehoben und der Rechtsweg des personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahrens vor den Verwaltungsgerichten für zulässig erklärt.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten aus Anlass des Ausschlusses des Vertreters des Antragstellers von der Teilnahme an einer Sitzung des Kuratoriums über die Zulässigkeit des Rechtswegs. Der Vertreter des Antragstellers war zu der Sitzung am 26. Mai 2011 zu drei Tagesordnungspunkten, die jeweils Personalangelegenheiten der Mitglieder des Präsidiums betrafen, nicht eingeladen worden. Während der Antragsteller sein in der Verfassung der Universität verbrieftes Teilnahmerecht einfordert, hält der Beteiligte zu 2 den Ausschluss des Personalvertreters bei Personalangelegenheiten nach dem Grundsatz der Inkompatibilität für geboten.

Der Antragsteller hat am 23. September 2011 beim Verwaltungsgericht Berlin beantragt,

im Beschlussverfahren festzustellen, dass eine Vertreterin oder ein Vertreter des Antragstellers im Sinne des § 2 Abs. 9 Satz 2 der Verfassung der Humboldt-Universität zu Berlin berechtigt ist, an allen Sitzungen des Beteiligten zu 2 und zu allen Tagesordnungspunkten mit vollem Rede- und Antragsrecht teilzunehmen.

Der Beteiligte zu 1 hat Zurückweisung beantragt und vorab Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit des Rechtswegs geäußert: Zwar sei es an den Fachkammern des Verwaltungsgerichts Berlin, über Zuständigkeit und Rechtsstellung der Personalvertretungen im Beschlussverfahren zu entscheiden. Dies gelte aber nur in Bezug auf Rechte und Pflichten, die sich aus dem Personalvertretungsgesetz selbst ergäben. Hier gehe es jedoch nicht um Rechte aus dem Berliner Personalvertretungsgesetz, nicht einmal um personalvertretungsrechtlich begründete Rechtspositionen, sondern um die Auslegung einer im Rahmen der körperschaftsrechtlichen Zuständigkeit erlassenen Norm aus dem Bereich der körperschaftlichen Selbstverwaltung. Hierfür sei der allgemeine Verwaltungsrechtsweg gegeben.

Die Fachkammer bei dem Verwaltungsgericht Berlin ist dieser Rechtsauffassung gefolgt, hat das personalvertretungsrechtliche Beschlussverfahren mit Beschluss vom 21. Februar 2012 für unzulässig erklärt und die Sache in den allgemeinen Verwaltungsrechtsweg beim Verwaltungsgericht Berlin verwiesen.

Gegen den am 29. Februar 2012 zugestellten Beschluss wendet sich der Antragsteller mit der am 13. März eingelegten sofortigen Beschwerde und beantragt,

den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 21. Februar 2012 zu ändern und den Rechtsweg des Beschlussverfahrens für zulässig zu erklären.

Die Beteiligten zu 1 und 2 beantragen Zurückweisung der Beschwerde und verteidigen den angefochtenen Beschluss.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Verfahrensbeteiligten nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die sofortige Beschwerde ist das statthafte Rechtsmittel gem. § 91 Abs. 2 PersVG Berlin i.V.m. § 48 Abs. 1 ArbGG i.V.m. § 17a Abs. 4 Satz 3 GVG i.V.m. § 567 ff. ZPO. Die Beschwerde ist form- und fristgerecht eingelegt. Sie ist auch begründet.

Der Streit zwischen den Verfahrensbeteiligten über das Recht eines Vertreters des Gesamtpersonalrats an den Sitzungen des Kuratoriums mit Rede- und Antragsrecht teilzunehmen, ist im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren zu entscheiden. Die Auffassung der Fachkammer, bei dem Rechtsstreit handele es sich um keine personalvertretungsrechtliche, sondern um eine hochschulrechtliche Angelegenheit, teilt der Senat nicht.

Gem. § 91 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 PersVG Berlin entscheiden die Verwaltungsgerichte im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren u.a. über Zuständigkeit, Geschäftsführung und Rechtsstellung der Personalvertretungen. Im Ansatz zutreffend geht die Kammer davon aus, dass diese Vorschrift generalklauselartig alle Streitigkeiten über Art, Umfang, Abgrenzung und Durchführung der den Personalvertretungen übertragenen Aufgaben und Befugnisse erfasst. Um eine solche Streitigkeit handelt es sich hier.

Nach § 2 Abs. 9 Satz 3 der zur Erprobung neuer Modelle der Leitung, Organisation und Finanzierung erlassenen Verfassung der Humboldt-Universität zu Berlin - VerfHUB - in der Fassung vom 28. Juni 2011 (Amtl. Mitteilungsblatt Nr. 16/2011) nimmt an Sitzungen des Kuratoriums neben den Mitgliedern u.a. auch ein Vertreter des Gesamtpersonalrats mit Rede- und Antragsrecht teil (vgl. §§ 7a Satz 1, 51 Abs. 3 BerlHG). Das Kuratorium als besonderes zentrales Organ des Zusammenwirkens von Hochschule, Staat und Gesellschaft (vgl. § 51 Abs. 2 BerlHG) ist u.a. oberste Dienstbehörde, Dienstbehörde und Personalstelle für die Mitglieder des Präsidiums der Universität (vgl. § 3 Abs. 6 Satz 1 VerfHUB).

Das Recht zur Sitzungsteilnahme begründet eine Zuständigkeit und eine Rechtsstellung der Personalvertretung im Sinne von § 91 Abs. 1 Nr. 3 PersVG Berlin ungeachtet der Tatsache, dass das Teilnahmerecht außerhalb des Berliner Personalvertretungsgesetzes geregelt ist. Eine Einschränkung dahin, dass die Verwaltungsgerichte im Beschlussverfahren nur über die Zuständigkeit und Rechtsstellung der Personalvertretungen „nach diesem Gesetz“ zu entscheiden haben, findet sich im Personalvertretungsgesetz des Landes Berlin - anders als z.B. in § 84 Abs. 1 Satz 1 BPersVG („Für die nach diesem Gesetz zu treffenden Entscheidungen…“, vgl. dazu Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. Juli 1978 - BVerwG 6 P 1.78 -, PersV 1979, 337) - nicht. Deshalb hat der zuständige Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts Berlin in seinen Beschlüssen vom 9. Juni 1976 - OVG PV Bln. 3.76 -, OVGE 13, 233, und vom 14. September 1999 - OVG 60 PV 11.99 -, PersR 2000, 122, die Auffassung vertreten, dass für die Klärung von Teilnahmerechten der Personalvertretung an den Sitzungen des Kuratoriums und seiner Personalkommission das Beschlussverfahren nach dem Personalvertretungsrecht und nicht das Urteilsverfahren nach der Verwaltungsgerichtsordnung gegeben ist.

In der letztgenannten Entscheidung ist zur weiteren Begründung ausgeführt:

„Rechtsvorschriften über Rechte und Pflichten des Personalrates und der Dienststelle finden sich nicht nur im Personalvertretungsgesetz, sondern auch in zahlreichen Vorschriften außerhalb dieses Gesetzes, so insbesondere in arbeitsrechtlichen Gesetzten, wie beispielsweise in § 15 KSchG, § 14 AÜG, § 23 SchwbG. Auch Streitigkeiten über diese Rechte und Pflichten sind Angelegenheiten aus dem Personalvertretungsrecht, über die im Beschlussverfahren zu entscheiden ist. Für das hier fragliche Teilnahmerecht der Personalvertretung an den Sitzungen des Kuratoriums kann nichts anderes gelten. Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass es sich um eine Beteiligung der Personalvertretung an der Leitung der Verwaltung handelt. Dies ändert nichts daran, dass ein Recht der Personalvertretung im Streit ist. Mit dem Beschlussverfahren sollte eine für das Personalvertretungsrecht besonders geeignete Verfahrensart eingerichtet werden. Deshalb liegt es nahe anzunehmen, dass mit der Zuständigkeitsregelung in § 91 Abs. 1 Nr. 3 PersVG sämtliche Streitigkeiten aus dem Personalvertretungsrecht schlechthin erfasst werden sollten, unabhängig davon, ob die Rechte und Pflichten im Personalvertretungsgesetz selbst oder in Vorschriften außerhalb dieses Gesetzes geregelt sind.

Auch im Betriebsverfassungsgesetz wird die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte im Beschlussverfahren umfassend verstanden. Auch wenn § 2 Abs. 1 Nr. 1 ArbGG von Angelegenheiten aus dem Betriebsverfassungsgesetz spricht, wird angenommen, dass sich die Zuständigkeit des Arbeitsgerichts im Beschlussverfahren nicht auf Streitigkeiten beschränkt, die unmittelbar auf Vorschriften aus dem Betriebsverfassungsgesetz gestützt werden können, sondern sich auf alle Streitigkeiten aus der Betriebsverfassung bezieht (…).“

An dieser Auffassung hält der zuständige Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg fest. Auch er versteht die Zuständigkeitsregelung in § 91 Abs. 1 Nr. 3 PersVG Berlin als umfassend.

Die im Berliner Personalvertretungsgesetz nicht vorgesehene Beschränkung der Zuständigkeit der Fachkammern und des Fachsenats auf die in diesem Gesetz vorgesehenen Rechte lässt sich nicht über den Umweg einer Forderung herbeiführen, wonach es einer personalvertretungsrechtlichen Aufgabenwahrnehmung „nach dem Konzept des insofern maßgeblichen PersVG“ bedürfe, um zum personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren zu gelangen.

Richtig ist, dass das Beschlussverfahren eine personalvertretungsrechtliche Aufgabenwahrnehmung voraussetzt. An der personalvertretungsrechtlichen Zweckrichtung der Teilnahme eines Vertreters des Gesamtpersonalrats an Kuratoriumssitzungen kann indes kein Zweifel bestehen, auch wenn diese Form der Personalvertretung im Personalvertretungsgesetz Berlin keine Entsprechung findet. Maßgeblich ist allein, dass die Sitzungsteilnahme des Personalvertreters mit Rede- und Antragsrecht dem Interesse der Beschäftigten der Hochschule zu dienen bestimmt ist. So liegt es hier: Das Teilnahmerecht dient jedenfalls auch dem Interesse der Beschäftigten, bei grundsätzlichen Entscheidungen auf der Leitungs- und Planungsebene frühzeitig gehört zu werden.

Die vom Verwaltungsgericht angesprochenen Fragen, ob es sich bei dem Teilnahmerecht um einen bloßen Rechtsreflex handelt, ob die mit der Teilnahme verbundenen Aufgaben im Innenverhältnis gegenüber dem Dienststellenleiter wahrgenommen werden, ob der Interessenwahrnehmung in Form der Sitzungsteilnahme nur marginale Bedeutung zukommt, ob die Sitzungsteilnahme vorrangig dazu dient, dem im Wesentlichen aus hochschulexternen Mitgliedern bestehenden Kuratorium hochschulinterne Erkenntnisse und Sichtweisen hochschulinterner Institutionen in seiner Willensbildung vorzugeben und wem innerhalb des Gesamtpersonalrats die Teilnahme an der Sitzung obliegt, können sämtlich offen bleiben. Denn sie sind nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut des Gesetzes für die Frage des Rechtswegs ohne Belang. Es genügt die personalvertretungsrechtliche Aufgabenzuweisung.

Das allein entspricht auch dem Sinn und Zweck der § 91 Abs. 1 Nr. 3 PersVG Berlin, personalvertretungsrechtliche Streitfragen besonderen, fachkundigen Spruchkörpern zu überantworten. Dass es hier um eine solche personalvertretungsrechtliche und nicht um eine hochschul(gremien)rechtliche Streitfrage geht, zeigt gerade der vorliegende Fall: Die Funktion des Kuratoriums als Dienstbehörde einerseits und die Funktion des Gesamtpersonalrats als Vertreter der Interessen der Beschäftigten andererseits, die der Beteiligte zu 2 als teilweise mit den Grundsätzen der Inkompatibilität für miteinander unvereinbar hält, hat seinen Ursprung nicht in der Hochschulverfassung, sondern im Modell der paritätischen Mitbestimmung, soweit es auf rechtsfähige Körperschaften des öffentlichen Rechts übertragbar ist (vgl. zur paritätische Besetzung von Aufsichtsräten § 10 Abs. 1 Nr. 3 BerlBG).

Die mögliche Folge dieser Zuständigkeitsregelung, dass nämlich die Entscheidung über Rechte von Sitzungsteilnehmern je nach der Funktion des Betroffenen verschiedenen Spruchkörpern innerhalb der Verwaltungsgerichtsbarkeit zugewiesen ist, hat der Gesetzgeber in Kauf genommen.

Der von den Beteiligten zu 1 und 2 herangezogene Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. Januar 1968 (- BVerwG VII P 10.66 -, juris Rn. 17 ff.) ist nicht geeignet, ihre Rechtsposition zu stützen. Dort war die Frage der Zuständigkeit der Behörden der Deutschen Bundesbank für die Versetzung von Bankbeamten des höheren Dienstes im Streit, über die nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts nicht im Beschlussverfahren entschieden werden konnte. Diese Streitfrage ist mit der hier zur Entscheidung gestellten Frage nicht vergleichbar. Zudem war im zitierten Beschluss nicht nach dem Berliner Personalvertretungsgesetz zu entscheiden, sondern auf der Grundlage des Bundespersonalvertretungsgesetzes 1955, dessen maßgebliche Regelungen in §§ 76 Abs. 1 und 77 Abs. 1 inhaltsgleich mit den derzeit geltenden Regelungen in §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 BPersVG sind.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 17a Abs. 4 Satz 4 GVG).