Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 5. Senat | Entscheidungsdatum | 21.05.2014 | |
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Aktenzeichen | OVG 5 N 34.11 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 86 Abs 1 VwGO, § 86 Abs 2 VwGO, § 124 Abs 2 Nr 1 VwGO, § 124 Abs 2 Nr 2 VwGO, § 124 Abs 2 Nr 3 VwGO, § 124 Abs 2 Nr 5 VwGO, § 124a Abs 4 S 4 VwGO, § 11 Abs 1 S 1 LFGB, § 11 Abs 1 S 2 Nr 1 LFGB, § 15 Abs 1 LFGB, Art 2 Abs 1 Buchst a EGRL 13/2000 |
Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 20. Oktober 2011 wird abgelehnt.
Die Kosten des Zulassungsverfahrens trägt die Klägerin.
Der Streitwert wird für die zweite Rechtsstufe auf 15 000,00 EUR festgesetzt.
I.
Die Klägerin ist Herstellerin eines Fleischerzeugnisses, das sie unter der Bezeichnung „Schweinebraten“ über den Lebensmittelhandel in den Verkehr bringt. Bei der Herstellung dieses Erzeugnisses werden als Rohmaterial walnussgroße Schinkenstücke verwendet, denen eine Kochsalzlake injiziert wird und die anschließend einem sogenannten Tumbelvorgang unterzogen werden. Die so vorbehandelten Stücke werden in Dosen abgefüllt und gegart, wobei die einzelnen Stücke durch die Koagulation des Eiweißes miteinander verbunden werden. Schließlich wird das Erzeugnis entnommen und in Scheiben aufgeschnitten.
Das Erzeugnis der Klägerin wurde in den Jahren 2007, 2008 und 2009 lebensmittelfachlich untersucht. Dabei wurde jeweils beanstandet, dass es sich um ein Formfleischerzeugnis handele, das der Verbraucher ohne entsprechende Kennzeichnung nicht erwarte. Auf Grund dieser Beanstandungen erstattete das Bezirksamt Reinickendorf von Berlin Strafanzeige bei der Amtsanwaltschaft Berlin.
Mit ihrer Klage hat die Klägerin die Feststellung begehrt, dass die Bezeichnung ihres Fleischerzeugnisses nicht gegen das Irreführungsverbot des § 11 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 2 Nr. 1 LFGB verstoße. Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 20. Oktober 2011 als unbegründet abgewiesen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung.
II.
Der auf die Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1, 2, 3 und 5 VwGO gestützte Antrag hat keinen Erfolg. Das Vorbringen der Klägerin, das den Prüfungsumfang für das Oberverwaltungsgericht bestimmt, rechtfertigt die Zulassung der Berufung nicht. Maßgebend sind dabei allein die innerhalb der gesetzlichen Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegten Gründe.
1. Auf der Grundlage der Darlegungen der Klägerin sind ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) nicht gegeben. Mit dem Zulassungsantrag werden schlüssige Gegenargumente, die einen tragenden Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung der angegriffenen Entscheidung in Frage stellen würden, nicht vorgetragen (hierzu vgl. etwa Beschluss des Senats vom 31. August 2012 - OVG 5 N 1.10 -, juris Rn. 7, BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2000 - 1 BvR 830/00 -, juris Rn. 15).
Das Verwaltungsgericht hat die Auffassung vertreten, dass die von der Klägerin für ihr Fleischerzeugnis gewählte Bezeichnung gegen das Irreführungsverbot des § 11 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 2 Nr.1 LFGB verstoße. Bei der Beurteilung, ob diese geeignet sei, den Käufer unter Verstoß gegen § 11 Abs. 1 Satz 1 LFGB und gegen die dieser Norm zu Grunde liegende gemeinschaftsrechtliche Bestimmung in Art. 2 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2000/13/EG - der sog. Etikettierungsrichtlinie - irrezuführen, sei darauf abzustellen, wie ein durchschnittlich informierter, aufmerksamer und verständiger Durchschnittsverbraucher die Bezeichnung wahrscheinlich auffassen werde (vgl. Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Oktober 2000 - BVerwG 1 B 45.00 -, juris Rn. 4, EuGH, Urteil vom 16. Juli 1998 - C-210/96 -, juris Rn. 37). Eine wichtige Hilfe zur Feststellung der Verkehrsauffassung über ein bestimmtes Lebensmittel seien die Leitsätze des Deutschen Lebensmittelbuches, in denen auf der Grundlage des § 15 Abs. 1 LFGB Herstellung, Beschaffenheit oder sonstige Merkmale von Lebensmitteln, die für die Verkehrsfähigkeit von Lebensmitteln von Bedeutung seien, beschrieben würden. Sie hätten keine Rechtsnormqualität, begründeten aber eine Vermutungswirkung dafür, was der Verbraucher von einem in den Leitsätzen beschriebenen Lebensmittel erwarte, sodass sich in aller Regel diese Verbrauchererwartung ohne ein Sachverständigengutachten und eine Verbraucherbefragung feststellen lasse. Unter Berücksichtigung dieser Leitsätze entspreche das als „Schweinebraten“ deklarierte Fleischerzeugnis der Klägerin nicht der Verbrauchererwartung und sei deshalb irreführend im Sinne von § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LFGB. In den Leitsätzen für Fleisch- und Fleischerzeugnisse würden in Ziffer 2.510.1 Braten wie folgt charakterisiert:
„Braten sind zum Braten geeignete, in natürlichem Zusammenhang belassene, bratfertig zugeschnittene Fleischteile, auch in gebratenem oder gegrilltem Zustand.“
Ergänzend dazu laute Ziffer 2.510.2:
„Für Erzeugnisse aus zerkleinertem Fleisch wird die Angabe „Braten“ nur dann in Wortverbindungen gebraucht, wenn sich aus der Bezeichnung zweifelsfrei ergibt, dass kein in natürlichem Zusammenhang belassenes Fleisch vorliegt (z.B. bei Erzeugnissen im Sinne von 2.507.1 und gleichartigen Erzeugnissen am Stück, z.B. Hackbraten…)…“
Der so festgeschriebenen Verbrauchererwartung entspreche das in Rede stehender Erzeugnis ersichtlich nicht, weil es sich nicht um ein in natürlichem Zusammenhang belassenes Fleischteil handele. Soweit sich die Klägerin darauf berufe, der Leitsatz beziehe sich auf das Ausgangsmaterial und lasse ein Zusammenfügen von hinreichend großen Fleischteilen zu, überzeuge das nicht. Entgegen ihrer Ansicht ergebe sich derartiges nicht aus der Verwendung des Plurals im Leitsatz 2.510.1. Sie übersehe, dass der Plural nicht nur in Bezug auf Fleischteile gebraucht werde, sondern auch auf die so definierten Braten.
Mit ihrer Rüge, das Verwaltungsgericht habe die Leitsatzziffer 2.510.1 unzutreffend ausgelegt, dringt die Klägerin nicht durch. Sie räumt selbst ein, dass das von ihr hergestellte Fleischerzeugnis nicht aus in natürlichem Zusammenhang belassenem Fleisch bestehe. Soweit sie meint, dass die von dem Verwaltungsgericht gefundene Auslegung, wonach die Leitsatzziffer ausschließlich eine Verwendung von gewachsenem Fleisch unter der Bezeichnung „Braten“ erlaube, nicht zwingend sei, zeigt sie damit keine ernstlichen Richtigkeitszweifel auf. Solche ergeben sich auch nicht aus ihrem Hinweis auf den in Leitsatzziffer 2.510.11 beschriebenen „Rollbraten“, der die Verwendung mehrerer Fleischstücke in einem Netz erlaube. Das Verwaltungsgericht hat eine Vergleichbarkeit des „Rollbratens“ mit dem als „Schweinebraten“ deklarierten Fleischerzeugnis der Klägerin entscheidungstragend mit der Begründung verneint, dass Ersterer ein spezieller Unterfall eines Bratens sei, bei dem nicht erwartet werde, dass dessen Fleischteile dem eines gewachsenen Stücks Fleischs entsprächen. Dem hat die Klägerin nichts Substanziiertes entgegenzusetzen. Dass nach ihrer Meinung die Leitsatzziffer für „Rollbraten“ das Zusammenfügen von mehreren im Zusammenhang belassenen Fleischstücken zulasse und insbesondere bei einem „Putenrollbraten“ unproblematisch möglich sei, mag zutreffen, stellt jedoch die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass der Verbraucher bei einem „Schweinebraten“ schon nach dem Wortlaut der allein einschlägigen Leitsatzziffer 2.510.1 ein in natürlichem Zusammenhang belassenes, bratfertig zugeschnittenes Fleischteil erwarte, nicht ernsthaft in Frage.
Auch das von der Klägerin der Leitsatzziffer 2.341.6 entnommene „Wertungsmodell“ für „Kochschinken“, wonach Muskeln und Muskelgruppen, die aus dem Zusammenhang gelöst worden seien und isoliert als Schinken verkehrsfähig wären, ohne besonderen Hinweis zu größeren Schinken zusammengefügt und ausweislich eines von ihr beauftragten Sachverständigengutachtens als „Schweinebraten“ bezeichnet werden könnten, trägt nicht den Vorwurf, das Verwaltungsgericht habe die maßgebliche Verbrauchererwartung unzutreffend ermittelt. Das Verwaltungsgericht hat dahingestellt bleiben lassen, ob sich das von der Klägerin hergestellte Fleischerzeugnis von einem „Kochschinken“ nur dadurch unterscheide, dass anstelle von Nitritpökelsalz lediglich Salz verwendet werde, weil damit nichts über die Verbrauchererwartung an das jeweilige Produkt ausgesagt werde. Ein gewichtiger Unterschied zwischen den in Rede stehenden Fleischerzeugnissen sei vielmehr darin zu sehen, dass die in der Leitsatzziffer 2.510.1 niedergelegte Verbrauchererwartung an einen „Schweinebraten“ von einer Identität des Produkts ausgehe, mithin darunter sowohl in rohem als auch in zubereitetem Zustand ein in natürlichem Zusammenhang belassenes Fleischteil verstehe. Dieser Erwartung genügt das von der Klägerin in der Leitsatzziffer 2.341.6 erkannte „Wertungsmodell“ nicht, sodass es nicht auf die hier zu beurteilende Verbrauchererwartung an einen „Schweinebraten“ übertragen werden kann. Das Verwaltungsgericht hat daher in nicht zu beanstandender Weise den von der Klägerin geforderten „naheliegenden Vergleich“ mit einem „Kochschinken“ abgelehnt. Der Vorhalt der Klägerin, das Verwaltungsgericht gehe vor dem Hintergrund, dass die Leitsatzziffer 2.510.1 zwei verschiedene Angebotsformen mit unterschiedlichen Anforderungen beschreibe, unzutreffend davon aus, dass ihr Fleischerzeugnis, das gegart in den Verkehr gebracht werde, im rohen Zustand nicht als „Schweinebraten“ bezeichnet werden dürfte, übersieht, dass nach der von der Verwaltungsgericht gefundenen und von der Klägerin nicht ernsthaft in Zweifel gezogenen Wortlautauslegung der Leitsatzziffer 2.510.1 ein Braten, gleichgültig ob roh oder gegart, stets nur aus einem in natürlichem Zusammenhang belassenen Fleischteil bestehen kann.
Anders als die Klägerin meint, hat das Verwaltungsgericht nicht die falsche Behauptung aufgestellt, ein nach der Leitsatzziffer 2.341.6 hergestellter „Kochschinken“ entspreche nicht der Verbrauchererwartung, sondern lediglich verdeutlicht, dass jene an einen „Kochschinken“ nicht gleichzusetzen sei mit der an einen „Schweinebraten“. Entgegen der Auffassung der Klägerin erscheint die von dem Verwaltungsgericht ermittelte Verbrauchererwartung auch nicht deshalb als widersprüchlich, weil ihr Fleischerzeugnis kein „Formfleisch“ (vgl. Leitsatzziffer 2.19) sei und deshalb auch keiner entsprechenden Kennzeichnung bedürfe. Das Verwaltungsgericht hat seine Auslegung nicht darauf gestützt, dass die Bezeichnung „Schweinebraten“ ohne die Kennzeichnung als „Formfleisch“ irreführend sei. Es hat sich lediglich auf die Feststellung beschränkt, dass die für das Fleischerzeugnis der Klägerin gewählte Bezeichnung irreführend sei. Selbst wenn von ihr die Kennzeichnung als „Formfleisch“ nicht verlangt werden kann, handelt es sich bei ihrem Fleischerzeugnis doch um ein solches, das nicht aus einem in natürlichem Zusammenhang belassenen Fleischstück besteht und jedenfalls unter der von ihr gewählten Bezeichnung nicht verkehrsfähig ist.
Ohne Erfolg macht die Klägerin geltend, das Verwaltungsgericht habe den eingetretenen Wandel in der Verkehrsbezeichnung unberücksichtigt gelassen. Damit beanstandet sie im Kern die Tatsachenwürdigung durch das Verwaltungsgericht, das sich bei der Ermittlung der Verbrauchervorstellungen an den Leitsätzen des Deutschen Lebensmittelbuch orientiert hat. Die darauf basierenden Feststellungen zur Verbrauchererwartung sind Teil der Tatsachenwürdigung (vgl. Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. April 2011 - BVerwG 3 B 79.10 -, juris Rn. 4). Um eine solche mit schlüssiger Gegenargumentation in Frage zu stellen, bedarf es der Darlegung gewichtiger Anhaltspunkte dafür, dass das Verwaltungsgericht hinsichtlich der entscheidungserheblichen Tatsachen von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen ist oder dessen Beweiswürdigung die Grenze einer objektiv willkürfreien, die Natur- und Denkgesetze sowie allgemeine Erfahrungssätze beachtenden Würdigung überschreitet, beispielsweise auf gedanklichen Lücken oder Ungereimtheiten beruht, sodass Zweifel an der Richtigkeit des Urteils vorliegen (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. Juli 1994 - BVerwG 9 C 158.94 -, juris Rn. 27, Beschluss des OVG Berlin-Brandenburg vom 22. März 2010 - OVG 5 N 13.08 -, juris Rn. 9). Derartige Anhaltspunkte ergeben sich nicht schon aus dem Hinweis der Klägerin, dass die Leitsätze des Deutschen Lebensmittelbuchs nicht statisch seien und andere Gerichte in der Vergangenheit von deren Anwendung auf „Tiefkühlerzeugnisse“, „Pudding“, „Wiener Schnitzel“ vom Schwein, „Kochschinken“ sowie gegartes „Hähnchenbrustfilet“ abgesehen hätten. Dass einzelne Gerichte in den von der Klägerin genannten, andere Lebensmittelerzeugnisse betreffenden Fällen die Leitsätze des Deutschen Lebensmittelbuchs nicht angewendet haben, rechtfertigt nicht die Annahme, das Verwaltungsgericht habe gegen allgemeine Erfahrungssätze verstoßen. Nichts anderes gilt, soweit die Klägerin darauf verweist, dass sie im Jahr 2009 bei der Deutschen Lebensmittelbuch-Kommission einen Änderungsantrag mit dem Inhalt gestellt habe, die bisher ausdrücklich nur für „Kochschinken“ geltende, bereits angesprochene Regelung in der Leitsatzziffer 2.341.6 zu verallgemeinern, und der im Internet abrufbare Sachstandsbericht der Deutschen Lebensmittelbuch-Kommission (Stand März 2011) zeige, dass die entsprechende Änderung der Leitsätze für Fleisch und Fleischerzeugnisse unmittelbar, d.h. voraussichtlich im ersten Quartal 2012 bevorstehe. Eine Änderung der Leitsätze im Sinne der Auffassung der Klägerin ist indes bis zum heutigen Tag nicht erfolgt, sodass die der Tatsachenwürdigung des Verwaltungsgerichts zu Grunde liegende Annahme, die Festschreibung in der Leitsatzziffer 2.510.1 entfalte trotz des Änderungsantrages der Klägerin nach wie vor eine Vermutungswirkung für die Verbrauchererwartung an ein als „Schweinebraten“ deklariertes Fleischerzeugnis, nicht allgemeinen Erfahrungssätzen widerspricht.
Im Übrigen besagt die Behauptung der Klägerin, dass die Behörden längere Zeit gegen die Auslobung des Fleischerzeugnisses der Klägerin oder gleichartiger Fleischerzeugnisse anderer Hersteller nicht vorgegangen seien, nichts darüber aus, ob sich der Verbraucher auf Grund der Bezeichnung fehlerhafte Vorstellungen über das Produkt gemacht hat (vgl. Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. April 2011, a.a.O., juris Rn. 8). Ebenso wenig begründet das die Annahme, die Verbrauchererwartung habe sich in diesem Zeitraum maßgeblich verändert. Es belegt allenfalls, dass die Verbraucher über längere Zeit in ihrer Erwartung erfolgreich getäuscht wurden.
Entgegen der Ansicht der Klägerin unterliegt das erstinstanzliche Urteil nicht ernstlichen Zweifeln, weil es auf die bildliche Aufmachung der Verpackung des Fertiggerichts gestützt worden sei, für die sie keine Verantwortung trage. Das Verwaltungsgericht hat die Abweisung der Klage selbständig tragend darauf gestützt, dass die streitige Bezeichnung bereits unter Berücksichtigung der einschlägigen Leitsätze irreführend im Sinne von § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LFGB sei. Der von der Klägerin in Bezug genommene Begründungsteil des Urteils dient lediglich der Bestätigung der von dem Verwaltungsgericht auf der Grundlage der Leitsatzziffer 2.510.1 ermittelten Verbrauchererwartung an ein als „Schweinebraten“ bezeichnetes Fleischerzeugnis und kann zugleich hinweg gedacht werden, ohne dass das angefochtene Urteil im Ergebnis erschüttert wäre.
2. Der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO liegt nicht vor, weil die Rechtssache im Hinblick auf die Ausführungen zu 1., insbesondere zur Auslegung der Leitsatzziffer 2.510.1 sowie zu der von der Klägerin verlangten entsprechenden Anwendung der Leitsatzziffer 2.341.6, keine besonderen rechtlichen oder tatsächlichen Schwierigkeiten aufweist, die einer Klärung in einem Zulassungsverfahren bedürfen. Soweit sich diese nach der Auffassung der Klägerin aus einem von ihr beauftragten Sachverständigengutachten sowie ihrem Antrag auf Klarstellung der Leitsätze der Deutschen Lebensmittelbuch-Kommission ergeben sollen, richtet sie sich in Wahrheit erneut gegen die Tatsachen- und Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts, wenn auch nunmehr unter dem Etikett des Zulassungsgrundes des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO. Diesem Vorbringen kann aus den unter 1. genannten Gründen kein Erfolg beschieden sein.
Eine besondere Schwierigkeit ergibt sich auch nicht daraus, dass der Rechtsstreit im ersten Rechtszug nicht auf den Einzelrichter übertragen worden ist. Dieser Umstand enthebt die Klägerin nicht von der Darlegung, welche Tatsachen- oder Rechtsfragen im konkreten Einzelfall als rechtlich oder tatsächlich besonders schwierig anzusehen sein sollen. Abgesehen davon, dass § 6 Abs. 1 VwGO als Soll-Vorschrift ausgestaltet ist und der Kammer des Verwaltungsgerichts ein Ermessen in Bezug auf die Übertragung des Rechtsstreits einräumt, ist der Senat weder an eine entsprechende Rechtsauffassung der Verwaltungsgerichts gebunden, noch rechtfertigt selbst ein ursprünglich schwieriger Fall im maßgeblichen Zeitpunkt der Zulassungsentscheidung den Schluss, dass er auch nach tatsächlicher und rechtlicher Aufarbeitung durch das Verwaltungsgericht weiterhin besondere Schwierigkeiten im Sinne § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO aufweist.
3. Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO hat die Klägerin nicht hinreichend dargelegt. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache, wenn sie eine Rechts- oder Tatsachenfrage aufwirft, die sich im Berufungsverfahren stellen würde und im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder Rechtsfortbildung der Klärung bedarf. Demgemäß fordert die Darlegung dieses Zulassungsgrundes die Formulierung einer konkreten, entscheidungserheblichen, klärungsbedürftigen und im obergerichtlichen Verfahren klärungsfähigen Rechts- oder Tatfrage von fallübergreifender Bedeutung (vgl. Beschluss des Senats vom 1. Februar 2008 - OVG 5 N 13.07 -, BA S. 4, unter Hinweis auf den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 -, juris Rn. 2).
Die von der Klägerin als grundsätzlich bedeutsam aufgeworfene Frage, „wann ein industriell hergestellter ‚Schweinebraten‘ mit dem Zusatz ‚Formfleisch‘ zu kennzeichnen ist“ bzw. „wie ein industriell hergestellter Schweinebraten zu kennzeichnen ist“, lässt schon keine Entscheidungserheblichkeit erkennen, weil das Verwaltungsgericht dieser Frage aus den unter 1. genannten Gründen keine entscheidungserhebliche Bedeutung beigemessen hat, ohne dass dies vom beschließenden Senat im Ergebnis beanstandet werden könnte.
4. Schließlich zeigt die Klägerin nicht mit Erfolg auf, dass ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO).
Die Klägerin rügt, das Verwaltungsgericht habe den Amtsermittlungsgrundsatz aus § 86 Abs. 1 VwGO verletzt, weil es den Sachverhalt hinsichtlich der (geänderten) Verbraucherauffassung nicht hinreichend erforscht und insbesondere nicht erschöpfend die Inhalte einer „Irreführung“ im Sinne des § 11 Abs. 1 LFGB geklärt habe. Mit diesem Vorbringen ist ein Verfahrensmangel unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung der aus § 86 Abs. 1 VwGO folgenden Pflicht des Gerichts zur Sachverhaltsermittlung nicht dargetan.
Für die Geltendmachung eines Verstoßes gegen den Amtsermittlungsgrundsatz muss dargelegt werden, welche Tatsachen auf der Grundlage der materiell-rechtlichen Auffassung des Verwaltungsgerichts ermittlungsbedürftig gewesen wären, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären, welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern das verwaltungsgerichtliche Urteil unter Zugrundelegung der materiell-rechtlichen Auffassung des Gerichts auf der unterbliebenen Sachaufklärung beruhen kann. Weiterhin muss entweder dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, durch Stellung eines Beweisantrages hingewirkt worden ist oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen (siehe zu der insoweit vergleichbaren Vorschrift des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGOBeschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Mai 2009 - BVerwG 5 B 111.08 -, juris Rn. 6).
Diesen Anforderungen genügt das Zulassungsvorbringen der Klägerin nicht. Weder hat sie in der mündlichen Verhandlung durch die Stellung eines Beweisantrages nach § 86 Abs. 2 VwGO auf eine weitere Sachverhaltsaufklärung hingewirkt, noch legt sie dar, warum sich dem Verwaltungsgericht eine solche aufdrängen musste. Wie unter 1. dargestellt, haben für das Verwaltungsgericht - auf der Grundlage seiner materiell-rechtlichen Auffassung - wegen der tatsächlichen Vermutungswirkung der in der Leitsatzziffer 2.510.1 niedergelegten Verbraucherwartung an ein als „Schweinebraten“ ausgelobtes Fleischerzeugnis auch mit Blick auf den Änderungsantrag der Klägerin an die Deutsche Lebensmittelbuch-Kommission keine durchgreifenden Anhaltspunkte bestanden, die es zum Ausgangspunkt von eigenen Nachforschungen hätte machen müssen. Soweit sie dem Verwaltungsgericht vorhält, letztlich nicht erschöpfend die Inhalte einer „Irreführung“ im Sinne des § 11 Abs. 1 LFGB geklärt zu haben, rügt sie dessen materiell-rechtliche Würdigung, die nicht Gegenstand einer Aufklärungsrüge sein kann.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).