Gericht | LSG Berlin-Brandenburg 27. Senat | Entscheidungsdatum | 24.01.2011 | |
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Aktenzeichen | L 27 P 10/09 KL | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 115 SGB 11 |
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Die Beteiligten streiten über eine von den Beklagten gegen die Klägerin betriebene Kürzung der Pflegevergütung in Höhe von 71.000,00 Euro.
Die Klägerin betreibt unter anderem in B ein Alten- und Pflegeheim, das K Seniorenzentrum (nachfolgend: Pflegeheim). In der Zeit vom 26. bis 29. Januar 2004 fand im Pflegeheim der Klägerin eine Qualitätsprüfung durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen Thüringen e. V. (MDK) statt, wonach erhebliche Mängel in Struktur-, Prozess- und insbesondere der Ergebnisqualität (wie Wundliegen, Mangelernährung und Austrocknung) festgestellt wurden. Wegen der konkreten Einzelheiten wird auf die Prüfberichte des MDK vom 16. Februar, 25. Februar und 4. März 2004 Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 4. und 25. Februar 2004 nahm die Klägerin zu den Feststellungen der Qualitätsprüfung Stellung. Am 24. März 2004 erging von den Landesverbänden der Pflegekassen in Thüringen, den Beklagten, an die Klägerin zur Qualitätssicherung ein Maßnahmebescheid, wozu diese mit Schreiben vom 23. April 2004 fristgerecht zur Umsetzung Stellung nahm. Unter dem 10. Mai 2004 mahnten die Beklagten die Klägerin unter Fristsetzung zur Umsetzung der Anforderungen des Maßnahmebescheides vom 24. März 2004 bis zum 21. Mai 2004 sowie vorsorglicher Kündigungsandrohung des Versorgungsvertrages wegen erheblicher Pflegemängel ab.
In der Zeit vom 26. bis 28. Juli 2004 erfolgte seitens des MDK im Pflegeheim eine erneute Qualitätsprüfung, wonach eine teilweise Qualitätsverbesserung festgestellt, jedoch weiterhin Handlungsbedarf gesehen wurde. Wegen der Einzelheiten des Prüfergebnisses wird auf den Bericht des MDK vom 30. August 2004 Bezug genommen. Auf Grund des Ergebnisses dieser Nachprüfung erließen die Beklagten am 29. November 2004 einen weiteren Maßnahmebescheid unter Fristsetzung zur Umsetzung bis zum 31. Dezember 2004.
Die Klägerin führte gegen den Maßnahmebescheid vom 29. November 2004 ein Klageverfahren, welches mit der bereits gegen den Abmahnungsbescheid vom 10. Mai 2004 erhobenen Klage verbunden und im Januar 2008 vor dem Sozialgericht Berlin unter dem Aktenzeichen S 111 P 14/07 durch Vergleich abgeschlossen wurde.
Unter dem 29. November 2004 hörten die Beklagten die Klägerin unter anderem zu einer beabsichtigten Kürzung der Pflegevergütung gemäß § 115 Abs. 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch/ Elftes Buch (SGB XI) in Höhe von 71.000,00 Euro für den Zeitraum von Januar 2003 bis April 2004 an. Die Klägerin wandte sich dagegen mit Schreiben vom 10. Dezember 2004 und verwies darauf, dass bereits das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 115 Abs. 3 Satz 1 SGB XI zweifelhaft sei. Der Kürzungsbetrag sei zudem weder dem Grunde noch der Höhe nach nachvollziehbar und die beabsichtigte Kürzung hinsichtlich des Streits über das Ausmaß der festgestellten Mängel sowie dem klägerischen Einsatz zur Beseitigung völlig unangemessen. Mit Schreiben vom 18. April 2005 wiesen die Beklagten die Einwände der Klägerin unter Beifügung einer Übersicht der Rückforderung von Pflegevergütungen und dem Hinweis der beabsichtigten Anrufung der Schiedsstelle für den Fall der mangelnden Einigung zurück.
Nachdem auch in der Folgezeit keine Einigung über den Grund und die Höhe der Vergütungskürzung erzielt wurde, riefen die Beklagten mit Schreiben vom 22. Dezember 2008 die Schiedsstelle des Freistaates Thüringen nach § 76 SGB XI an.
Am 17. Februar 2009 fand die Schiedsstellenverhandlung statt. Wegen der Einzelheiten des Verlaufs der Verhandlung wird auf die Verhandlungsniederschrift Bezug genommen. Im Ergebnis der mündlichen Verhandlung setzte die Schiedsstelle eine Kürzung der Pflegevergütungskürzung gegen die Klägerin in Höhe von 71.000,00 Euro fest. Zur Begründung verwies die Schiedsstelle darauf, dass die Klägerin nach dem im MDK-Bericht vom 16. Februar 2004 dokumentierten und ganz überwiegend nicht umstrittenen Mängeln ohne vertretbare Zweifel in erheblichem Umfang grob gegen ihre Pflichten aus dem Versorgungsvertrag nach § 72 SGB XI verstoßen habe, wobei für die Mängel eine Vorlaufzeit von mindestens drei Monaten anzunehmen sei. Für diesen Zeitraum seien die Pflegegelder der betroffenen Bewohner zurückzugewähren. Der sich daraus ergebende Betrag in Höhe von 71.439,00 Euro rechtfertige jedenfalls die Forderung der Beklagten in Höhe von 71.000,00 Euro.
Gegen die Vergütungskürzung hat die Klägerin am 11. März 2009, gerichtet gegen die Beklagten, Klage erhoben. Das am 23. März 2009 gegen die Schiedsstelle des Freistaates Thüringen erweiterte Klageverfahren wird nach Abtrennung und Beiladung der Beklagten unter dem Aktenzeichen L 27 P 5/11 KL geführt.
Zur Begründung verweist die Klägerin darauf, dass der Schiedsspruch der Schiedsstelle des Freistaates Thüringen formell und materiell rechtswidrig sei und auch die Beklagten für die gegen die Vergütungskürzung gerichtete Klage passivlegitimiert seien.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagten zu verurteilen, die weitere Geltendmachung des Rückforderungsbetrages zu unterlassen und die dazu erforderlichen Erklärungen gegenüber der Schiedsstelle abzugeben.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagten verweisen darauf, dass die Klage in zulässiger Weise nur gegen die Schiedsstelle des Freistaates Thüringen erhoben werden könne, da es der Klägerin in der Sache um die Aufhebung des Schiedsspruchs gehe. Insoweit mangele es an ihrer Passivlegitimation. Im Übrigen sei der Schiedsspruch aber auch rechtlich nicht zu beanstanden.
Dem Senat haben die Verwaltungsvorgänge der Beklagten und die Streitakte des Landessoziaalgerichts L 27 P 5/11 KL sowie die Streitsakte des Sozialgerichts Berlin zum Aktenzeichen S 111 P 14/07 vorgelegen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze, das Protokoll und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten sowie die Streitakten L 27 P 5/11 KL und S 111 P 14/07.
Die Klage hat keinen Erfolg.
Für das auf § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gestützte Unterlassungsbegehren ist nach den gesetzlichen Vorgaben von § 115 Abs. 3 SGB XI kein Raum. In der Sache will die Klägerin ausweislich ihres Klagevorbringens eine Kürzung der Pflegevergütung gemäß § 115 Abs. 3 Satz 1 SGB XI abwenden, die jedoch bereits mit Schiedsspruch der Schiedsstelle des Freistaates Thüringen vom 17. Februar 2009 auf 71 000,00 € festgesetzt worden ist. Nur insoweit ist auch die Zuständigkeit des angerufenen Landessozialgerichts in erster Instanz ohne Vorverfahren gegeben (§§ 29 Abs. 2 Nr. 1, 51 Abs. 1 Nr. 10 SGG i. V. m. § 115 Abs. 3 Satz 4 SGB XI). Bei dem Schiedsspruch handelt es sich um einen Verwaltungsakt im Sinne von § 31 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X), der mit der isolierten Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG anzugreifen ist. Die Klage ist danach gegen die den Schiedsspruch erlassende Schiedsstelle gemäß § 76 SGB XI zu richten, gegen die die Klägerin unter dem Az.: L 27 P 5/11 KL auch ein entsprechendes Klageverfahren betreibt.
Soweit die Klägerin darüber hinaus die Passivlegitimation der Beklagten unter Verweis auf eine noch nicht abschließende höchstrichterliche Klärung für gegeben hält, so kann der Senat dem nicht folgen. Nach dem eindeutigen Wortlaut von § 115 Abs. 3 Satz 4 SGB XI ist gegen die Entscheidung nach Satz 3, d. h. den Schiedsspruch, der Rechtsweg zu den Sozialgerichten gegeben. Mithin kann die Klage in zulässiger Weise ausschließlich gegen die den Schiedsspruch erlassende Schiedsstelle gerichtet werden. Diese ist in entsprechender Anwendung von § 70 Nr. 4 SGG i. V. m. § 51 Abs. 2 Satz 1 SGG auch als beteiligtenfähig anzusehen (vgl. BSG, Urteil vom 14. Dezember 2000 - B 3 P 19/00 R -).
Die Klägerin kann sich nicht mit Erfolg auf die abweichenden Regelungen in § 77 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) zum Schiedsspruch bei Abschluss von Vereinbarungen nach § 75 SGB XII berufen, wonach die Klage gemäß § 77 Abs. 1 Satz 4 SGB XII nicht gegen die Schiedsstelle, sondern gegen eine der beiden Vertragsparteien zu richten ist. Unabhängig davon, dass die Beklagtenstellung in § 77 Abs. 1 Satz 4 SGB XII, wie im Übrigen auch für den Bereich der Kinder- und Jugendhilfe in § 78 g Abs. 2 Satz 3 Sozialgesetzbuch Achtes Buch (SGB VIII), im Sinne einer lex specialis geregelt worden ist und die vorliegend maßgebliche Vorschrift des § 115 Abs. 3 SGB XI keine entsprechende Regelung enthält, hat die Klägerin ihre Klage jedenfalls nicht - wie auch nach den vorgenannten Vorschriften des SGB XII und SGB VIII vorgesehen - gegen den Schiedsspruch selbst gerichtet. Angesichts dessen kann im hiesigen Verfahren dahinstehen, ob die Regelung über die Beklagtenstellung der Vertragsparteien nach § 77 Abs. 1 SGB XII und § 78 g Abs. 2 SGB VIII entgegen dem ausdrücklichen Wortlaut ggf. auch auf Fälle des § 115 Abs. 3 SGB XI entsprechend übertragbar wäre.
Für das vorliegend geltend gemachte Unterlassungsbegehren fehlt es nach alledem an einer gesetzlichen Grundlage.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - und folgt dem Ausgang des Verfahrens.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen von § 160 Abs. 2 SGG nicht gegeben sind. Der Senat vermag für das Unterlassungsbegehrens insbesondere keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache zuerkennen.