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Auslegung des Antrages - Voraussetzungen für Anordnung Aufhebung der Vollziehung - Voraussetzungen für eine Aufrechnung nach § 43 SGB 2 - fehlende Ausübung des Ermessens


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 20. Senat Entscheidungsdatum 01.11.2012
Aktenzeichen L 20 AS 2161/12 B ER ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 86b Abs 1 SGG, § 86b Abs 1 S 2 SGG, § 43 SGB 2

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Neuruppin vom 26. Juli 2012 insoweit aufgehoben, als mit diesem die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Bescheide vom 15. Juni 2012 sowie die Aufhebung deren Vollziehung angeordnet worden ist sowie die Aufhebung der Vollziehung der Bescheide vom 18. Juni 2012 angeordnet worden ist.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Aufhebung der Vollziehung der Bescheide vom 18. Juni 2012 wird für die Zeit ab 26. Juli 2012 angeordnet.

Der Antragsgegner hat den Antragstellern die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.

Gründe

I.

Der Antragsgegner begehrt die Aufhebung der Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Klagen gegen Aufhebungs-, Erstattungs- und Aufrechnungsbescheide.

Mit Bescheiden vom 15. Juni 2012 hob der Antragsgegner gegenüber den Antragstellern jeweils Bewilligungen von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – SGB II – gegenüber den Antragstellern unter Berufung auf § 40 Abs. 1, 2 Nr. 3 SGB II i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und 3 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – SGB X – i.V.m. § 330 Abs. 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch auf und forderte die Erstattung von Leistungen von der Antragstellerin in Höhe von 436,77 Euro, von dem Antragsteller in Höhe von 436,75 Euro zurück. Die sofortige Vollziehung der Bescheide wurde angeordnet. Die Antragsteller erhoben gegen die Bescheide Widerspruch. Mit Bescheiden vom 18. Juni 2012 verfügte der Antragsgegner gegenüber den Antragstellern jeweils bezüglich der Erstattungsbeträge die Aufrechnung mit laufend gewährten Leistungen der Grundsicherung in Höhe von 30 v.H. des maßgebenden Regelbedarfs. Der Antragsgegner ordnete mit den Bescheiden die sofortige Vollziehung an. Auch gegen diese Bescheide wandten sich die Antragsteller mit Widersprüchen.

Der Antragsteller vollzog in der Folge die Aufrechnung und zahlte entsprechend geringere Leistungen an die Antragsteller aus und zahlte bzw. zahlt derzeit auf der Grundlage der Bescheide vom 24. Juli 2012 und 27. September 2012 einen monatlich jeweils um 202,20 Euro geminderten Leistungsbetrag aus.

Am 21. Juni 2012 beantragten die Antragsteller beim Sozialgericht, den Antragsgegner im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Aufrechnung der überzahlten Leistungen zu unterlassen. Durch die einstweilige Anordnung solle eine finanzielle Härte abgewendet werden, ihr Lebensunterhalt sei nicht mehr gesichert.

Der Antragsteller wies die Widersprüche gegen die Bescheide vom 15. Juni 2012 mit Widerspruchsbescheiden vom 05. Juli 2012 zurück. Daraufhin haben die Kläger Anfechtungsklagen erhoben, die unter dem Aktenzeichen S 18 AS 1400/12 beim Sozialgericht Neuruppin anhängig sind. Mit Bescheiden vom 04. Juli 2012 wies der Antragsgegner die Widersprüche gegen die Aufrechnungsbescheide zurück (Bescheide vom 18. Juni 2012). Die daraufhin beim Sozialgericht Neuruppin erhobenen Anfechtungsklagen sind unter dem Aktenzeichen S 18 1399/12 anhängig.

Die Klageerhebungen haben die Antragsteller dem Sozialgericht mit Schriftsatz vom 11. Juli 2012 mitgeteilt und schriftsätzlich die sofortige Aussetzung des Vollzuges des Bescheides über die Aufrechnung mit den laufenden Leistungen beantragt.

Der Antragsgegner hat erstinstanzlich beantragt, die Anträge zurückzuweisen.

Mit Beschluss vom 26. Juli 2012 hat das Sozialgericht die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Bescheide vom 15. Juni 2012 sowie – soweit die Bescheide bereits vollzogen worden sind – die Aufhebung der Vollziehung angeordnet. Das Sozialgericht hat weiter auch die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Bescheide vom 18. Juni 2012 und – soweit die Bescheide bereits vollzogen sind – die Aufhebung der Vollziehung angeordnet.

Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, dass sich nach einem Schriftsatz vom 22. Juni 2012 der Antragsteller das einstweilige Rechtsschutzbegehren auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klagen gegen die Bescheide vom 15. und 18. Juni 2012 beziehe sowie auf die Aussetzung der Vollziehung aus diesen Bescheiden.

Die Anträge seien zulässig und begründet. Die für die rechtmäßige Anordnung des Sofortvollzuges nach § 86a Abs. 2 Nr. 5 Sozialgerichtsgesetz – SGG - erforderliche Begründung sei von dem Antragsgegner nicht vorgenommen worden. Der Antragsgegner habe mit den angefochten Bescheiden das besondere öffentliche Interesse an der Anordnung der sofortigen Vollziehung weder hinsichtlich der Erstattungsverfügung noch hinsichtlich der Aufrechnungsverfügung ausreichend dargelegt. Da der Antragsgegner bereits die angefochtenen Bescheide vollzogen habe, sei die Aufhebung der Vollziehung anzuordnen gewesen.

Gegen den ihm am 26. Juli 2012 zugestellten Beschluss hat der Antragsgegner am 20. August 2012 Beschwerde eingelegt. Er macht geltend, die Anordnungen der sofortigen Vollziehung seien deshalb geboten gewesen, weil die Antragsteller als Selbständige gerade derzeit über Einkommen zur Begleichung der Erstattungsforderungen verfügten. Ihnen verblieben mit ihrem Einkommen auch unter Berücksichtigung der Freibeträge höhere Leistungen zur Bestreitung des Lebensunterhalts.

Der Antragsgegner beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Neuruppin vom 26. Juli 2012 aufzuheben und die Anträge der Antragsteller zurückzuweisen.

Die Antragsteller beantragen sinngemäß,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes zum Zeitpunkt der Entscheidung wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte des Antragsgegners verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Beratung gewesen sind.

II.

Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners ist teilweise begründet.

Das Sozialgericht hat zu Unrecht die aufschiebende Wirkung der Klagen gegen die Bescheide vom 15. Juni 2012 sowie die Aufhebung der Vollziehung aus diesen Bescheiden angeordnet. Insoweit war der Beschluss aufzuheben.

Das Sozialgericht war zum Erlass dieser Anordnungen nicht befugt.

Nach § 86 b Abs. 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht, welches über die Hauptsache (hier die Anfechtungsklagen gegen die Bescheide des Antragsgegners vom 15. Juni 2012) zu entscheiden hat, auf Antrag die aufschiebende Wirkung einer Klage anordnen, wenn die Klage keine aufschiebende Wirkung hat.

Zwar haben die von den Antragstellern unter dem Aktenzeichen S 18 AS 1400/12 beim Sozialgericht erhobenen Klagen gegen die Aufhebungs- und Erstattungsbescheide keine aufschiebende Wirkung, da Widerspruch und Klage gegen Aufhebungsverfügungen betreffend Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II nach § 39 Abs. 1 Nr. 1 SGB II keine aufschiebende Wirkung haben und die aufschiebende Wirkung der Klagen gegen die Erstattungsverfügungen wegen der Anordnungen der sofortigen Vollziehung nach § 86 a Abs. 2 Nr. 5 SGG entfallen ist.

Voraussetzung für eine gerichtliche Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 86 b Abs. 1 Nr. 2 SGG ist jedoch, dass diese gerichtliche Anordnung beantragt ist. An einem solchen Antrag fehlt es hier. Die Antragsteller haben ausdrücklich mit ihrer Antragsschrift beim Sozialgericht das Unterlassen der Aufrechnung der Erstattungsforderungen mit den laufenden Leistungen begehrt und dies damit begründet, dass andernfalls laufend keine die Existenz sichernden Leistungen zur Verfügung stünden. Das Antragsbegehren bezog sich daher auf die Verfügungen der Bescheide vom 18. Juni 2012 und nicht auf solche mit den Bescheiden vom 15. Juni 2012. Dieses Begehren haben sie auch nach Klageerhebungen gegenüber dem Sozialgericht mit Schriftsatz vom 11. Juli 2012 wiederholt. Soweit das Sozialgericht hinsichtlich der Antragstellung auf einen am 22. Juni 2012 beim Sozialgericht eingegangenen Schriftsatz Bezug nimmt, findet sich ein solcher nicht bei den Gerichtsakten.

Die mit dem Antragsschriftsatz vom 21. Juni 2012 (Eingang beim Sozialgericht am selben Tag) gestellten Anträge waren auch nicht dahin auszulegen, dass auch Anträge bezüglich der Bescheide vom 15. Juni 2012 gestellt waren. Das Gericht war an die von den Antragstellern geltend gemachten Ansprüche, nämlich dem Antragsgegner eine Aufrechnung der Erstattungsforderungen mit den laufenden Leistungen zu untersagen, gebunden (§ 123 SGG).

Zwar ist das Gericht bei der Entscheidung über die geltend gemachten Ansprüche nicht an die Fassung der gestellten Anträge gebunden. Es ist aber an den geltend gemachten Anspruch gebunden, es darf nicht über weniger oder mehr als geltend gemacht entscheiden.

Bei unklaren Anträgen hat das Gericht durch Auslegung das tatsächlich Gewollte, den geltend gemachten Anspruch zu ermitteln (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage 2012, § 123, Rn. 3; Hintz/Lowe, SGG, 1. Auflage 2012, § 123, Rn. 4). Maßgebend ist dabei der wirklich Wille, wie eine Erklärung nach der richtig verstandenen Interessenlage zu verstehen ist. Die Auslegung darf nicht am Wortlaut der gestellten Anträge – bei Unklarheit – haften bleiben. Anhaltspunkt ist das vom Betroffenen vernünftigerweise gewollte, soweit es in irgendeiner Weise zum Ausdruck kommt (Keller, a.a.O., vor § 60, Rn. 11a).

Nach diesen Grundsätzen konnte der von den Antragstellern beim Sozialgericht gestellte Antrag nicht dahin ausgelegt werden, dass auch die Wirkungen der Bescheide vom 15. Juni 2012 Gegenstand des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens sein sollten. Die anwaltlich nicht vertretenen Antragsteller haben vielmehr mit der Antragsschrift die erteilten Bescheide hinsichtlich der Verfügungen zutreffend danach differenziert, dass einerseits Leistungsbewilligungen aufgehoben worden waren und eine Erstattung bereits erbrachter Leistungen verfügt worden war und andererseits laufende Leistungen durch die verfügten Aufrechnungen verringert werden sollten (Bescheide vom 18. Juni 2012). Allein gegen letztere Verfügungen wollten die Antragsteller sich wehren, was aus den insoweit eindeutig gestellten Anträgen und der Begründung hervorgeht. Für den Senat ist auch nicht erkennbar, dass „vernünftigerweise“ auch die Wirkungen der Bescheide vom 15. Juni 2012 mit der Anordnung der sofortigen Vollziehung Gegenstand des Antragsverfahrens sein sollten. Vielmehr konnten die Antragsteller allein mit dem von ihnen gestellten Antrag, die sofortige Vollziehbarkeit der mit Bescheiden vom 18. Juni 2012 verfügten Aufrechnungen auszusetzen, ihren Anspruch auf ungekürzte Leistungen durchsetzen. Insofern war der entsprechend formulierte Antrag auf der Grundlage ihres vorgebrachten Rechtsschutzbegehrens notwendig und ausreichend. Ein Erfordernis, die sofortige Vollziehbarkeit der Bescheide vom 15. Juni 2012 zu hindern, bestand demgegenüber nicht. Die Antragsteller beziehen, da ihr Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit nicht zur Deckung des notwendigen Lebensunterhalts ausreichend ist, sie weiterhin nach § 9 Abs. 1 SGB II hilfebedürftig sind, Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II. Einer Vollziehung des Erstattungsbescheides ohne Aufrechnung nach § 43 SGB II waren sie nicht ausgesetzt. Für den Fall, dass der Antragsgegner eine Vollziehung des Erstattungsbescheides durch Vollstreckung geltend machen würde, hätte ein weiterer Antrag nach § 86 b Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGG gestellt werden können. Derzeit war dies aus Sicht der Antragsteller nicht erforderlich.

Nach allem war mangels Antrages der Antragsteller die mit dem angefochtenen Beschluss zu Ziffer 1 getroffene Anordnung des Gerichts aufzuheben.

Das Sozialgericht hat jedoch zu Recht die aufschiebende Wirkung der Klagen gegen die Bescheide vom 18. Juni 2012 angeordnet. Der diesbezüglich von den Antragstellern sinngemäß gestellte Antrag ist zulässig und begründet. Die Beschwerde des Antragsgegners war insoweit zurückzuweisen.

Durch die Anordnung der sofortigen Vollziehung mit den angefochtenen Bescheiden ist die aufschiebende Wirkung der Klagen nach § 86 a Abs. 2 Nr. 5 SGG entfallen. Sie war nach § 86 b Abs. 1 Nr. 2 SGG wieder anzuordnen. Die aufschiebende Wirkung ist schon dann anzuordnen, wenn die behördliche Anordnung der sofortigen Vollziehung nicht hätte rechtmäßig erfolgen dürfen. So liegt es hier.

Nach § 86 a Abs. 2 ist Voraussetzung für die Anordnung der sofortigen Vollziehung, dass diese im öffentlichen Interesse liegt. Haben Widerspruch und Klage gegen eine behördliche Verfügung – wie hier im Falle einer Aufrechnungsverfügung nach § 43 SGB II – grundsätzlich Suspensiveffekt ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung nur gerechtfertigt, wenn besondere Gründe dafür vorliegen, dass die Verwaltungsentscheidung vor Eintritt der Bestandskraft und Prüfung der Rechtmäßigkeit vollzogen werden soll.

Solche Gründe stehen der Behörde dann von vornherein nicht zur Seite, wenn der eingelegte Rechtsbehelf offensichtlich erfolgreich ist, die Entscheidung rechtswidrig ist. An der Vollziehung eines solchen Bescheides kann kein öffentliche Interesse bestehen (Keller, a.a.O., § 86 b, Rn. 12f).

Vorliegend sind die Aufrechnungsbescheide des Antragsgegners nach der im Verfahren nach § 86 b Abs. 1 SGG durchzuführenden Prüfung rechtswidrig. Die Aufrechnungsverfügungen können nur auf der Grundlage des § 43 SGB II erfolgen. Danach können Träger der Leistungen nach dem SGB II gegen Ansprüche von Leistungsberechtigten auf Geldleistungen zum Lebensunterhalt mit Erstattungsforderungen aufrechnen (§ 43 Abs. 1 Nr. 1 SGB II). Die Erklärung der Aufrechnung durch Verwaltungsakt steht danach im Ermessen des Antragsgegners. Vorliegend ist kein Ermessen ausgeübt worden, so dass die Bescheide rechtswidrig sind. Weder den Bescheiden vom 18. Juni 2012 noch den Widerspruchsbescheiden sind Ermessenserwägungen zu entnehmen. Es ist schon nicht ersichtlich, dass der Antragsgegner erkannt hat, dass er Ermessen auszuüben hat. Mit den Ausgangsbescheiden werden die Voraussetzungen für eine Aufrechnung dargelegt, nicht jedoch, aufgrund welcher Erwägungen der Antragsgegner zur Geltendmachung der Aufrechnungen gelangt ist. Ausführungen zu den Gründen für die Bestimmung der Höhe der Aufrechnung finden sich ebenfalls nicht. Mit den Widerspruchsbescheiden werden die Voraussetzungen für die Leistungsaufhebungen und die Erstattungsforderungen zusätzlich erläutert. Erwägungen zur Erklärung der Aufrechnung finden sich dort nicht. Soweit erläutert wird, dass den Antragstellern gegenwärtig Einkommen zur Verfügung stehe und deshalb bei späterer Aufrechnung zu befürchten sei, dass kein Erwerbseinkommen mehr zur Verfügung stehe, betreffen diese Ausführungen nicht Erwägungen zur Erklärung der Aufrechnungen als solche sondern stellen Begründungen der Anordnungen der sofortigen Vollziehung dar, worauf der Antragsgegner im Rechtsschutzverfahren auch verweist.

Da die Anfechtungsklagen gegen die Bescheide vom 18. Juni 2012 daher offensichtlich Erfolg haben dürften, war die aufschiebende Wirkung anzuordnen.

Soweit das Sozialgericht die Aufhebung der Vollziehung der Bescheide bis zu seiner Entscheidung mit Beschluss vom 26. Juli 2012 angeordnet hat, ist dies zu Unrecht erfolgt. Insoweit war der Beschluss aufzuheben.

Nach § 86 b Abs. 1 Satz 2 SGG kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen, wenn – wie hier – die Verwaltungsentscheidungen schon vollzogen sind. Die Entscheidung hierüber erfolgt aufgrund einer gesonderten Entscheidung des Gerichts aufgrund einer gesonderten Interessenabwägung. Die Aufhebung der Vollziehung bewirkt dabei, dass Leistungen für die Vergangenheit wieder auszuzahlen sind. Deshalb muss hierfür ein besonderes Interesse den Betroffenen auch im Falle der Geltendmachung von Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB II dargelegt werden (Keller, a.a.O., § 86 b, Rn. 10a; Hintz/Lowe, a.a.O., § 86 b, Rn. 70). Solche besonderen Umstände haben die Antragsteller für Zeiten vor der Entscheidung des Sozialgerichts nicht dargelegt.

Für die Zeit ab Entscheidung des Sozialgerichts war die Aufhebung der Vollziehung aus den Bescheiden vom 18. Juni 2012 hingegen nach § 86 b Abs. 1 Satz 2 SGG anzuordnen.

In Ausnahmefällen, wenn es zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes erforderlich ist, kann im Wege der Aufhebung der Vollziehung ein Wiederherstellungsanspruch bestehen und eine Maßnahme angeordnet werden, die nur schwer rückgängig zu machen ist (Beschlüsse des Senats vom 10.03.2009, L 20 AS 47/09 B ER, juris, m.w.N., v. 24.09.2009, L 20 AS 1061/09 B ER). Zur Sicherstellung der Gewährung effektiven Rechtsschutzes war hier die Anordnung der Aussetzung der Vollziehung erforderlich. Dabei hatte der Senat zu berücksichtigen, dass der Antragsgegner durch den Beschluss des Sozialgerichts verpflichtet war, während des Beschwerdeverfahrens den Verpflichtungen des Sozialgerichts Folge zu leisten. Seine Beschwerde gegen die mit der Anordnung nach § 86 b Abs. 1 Satz 2 SGG erfolgten Verpflichtung zur rückwirkenden Auszahlung der Aufrechnungsbeträge hatte keine aufschiebende Wirkung (§ 175 SGG), was von dem Antragsgegner nicht beachtet worden ist. Der Antragsgegner hat auf Anfrage des Senats mitgeteilt, dass trotz Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klagen gegen die Bescheide vom 18. Juni 2012 während des Beschwerdeverfahrens mit den laufenden Leistungen der Antragsteller in nicht unbeachtlicher Höhe (monatlich 202,20 Euro) aufgerechnet worden ist. Da vorliegend durch die Nichtbefolgung der erstinstanzlichen Entscheidung durch den Beklagten die Vereitelung des Rechtsschutzes droht, war die Aufhebung der Vollziehung für Zeiten ab Entscheidung des Sozialgerichts anzuordnen. Zwar müssen Antragsteller, die eine gerichtliche Anordnung der aufschiebenden Wirkung erwirkt haben, bei Nichtbefolgen der Behörde grundsätzlich ihre Ansprüche ich einem auf Vornahme gerichteten einstweiligen Rechtsschutzverfahren nach § 86 b Abs. 2 SGG geltend machen (hier auf Auszahlung von ungekürzten Leistungen unter Beachtung der angeordneten aufschiebenden Wirkung der Klagen gegen die Aufrechnungsbescheide). Der Antragsgegner hat jedoch mitgeteilt, dass durch weitere Aufrechnungen die Erstattungsforderungen im Dezember getilgt sein werden. Damit wären die Antragsteller trotz Obsiegens im einstweiligen Rechtsschutzverfahren hinsichtlich des Antrages auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung allein durch den Vollzug der Aufrechnungsverfügung trotz Anordnung der aufschiebenden Wirkung um den erlangten Rechtsschutz gebracht; ein Verfahren nach § 86 b Abs. 2 SGG wäre auf Leistungen für die Vergangenheit gerichtet und damit regelmäßig ohne Erfolg. Dies rechtfertigt hier im Einzelfall die Anordnung der Aussetzung der Vollziehung nach § 86 b Abs. 1 Satz 2 SGG die gerade mit der der damit einhergehende Rückzahlungsverpflichtung des Antragsgegners, Folgen eines Vollzuges beseitigen soll.

Nach allem war wie tenoriert zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens. Die Antragsteller haben mit ihrem Begehren obsiegt.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden, § 177 SGG.