Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 3. Senat | Entscheidungsdatum | 09.09.2020 | |
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Aktenzeichen | OVG 3 S 73/20 | ECLI | ECLI:DE:OVGBEBB:2020:0909.3S73.20.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 55a Abs 2 S 1 SchulG BE |
Bestehen zwischen der zuständigen und der gewünschten anderen Grundschule im Hinblick auf das Fremdsprachenangebot oder die Ausgestaltung der Ganztagsgrundschule keine Unterschiede, fehlt es an der Grundlage für eine vorrangige Berücksichtigung des Wechselwunsches im Rahmen des § 55a Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SchulG (Abgrenzung zu OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 8. Oktober 2019 - OVG 3 S 91.19 - juris Rn. 7).
Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 31. Juli 2020 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Beschwerde tragen die Antragsteller.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Beschwerdevorbringen, das gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO den Umfang der Prüfung des Oberverwaltungsgerichts bestimmt, rechtfertigt es nicht, den angefochtenen Beschluss aufzuheben oder zu ändern.
Soweit die Antragsteller erstmals im Rahmen der Beschwerdebegründung konkret ausführen, ihre Tochter habe eine sehr enge und harmonische Beziehung zu ihrer Cousine H..., auch bestehe eine stark ausgeprägte persönliche Bindung zu S..., mit beiden habe sie bereits dieselbe Kita besucht, zeigen sie keine Zweifel am verwaltungsgerichtlichen Beschluss auf, da dieses Vorbringen für die Frage einer Zuordnung zur Ranggruppe des § 55a Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 SchulG nicht mehr berücksichtigt werden kann.
Ob ein Bewerber an der von ihm gewünschten Schule aufgenommen wird, beurteilt sich grundsätzlich nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Aufnahmeentscheidung, die als verbindlicher Abschluss des bei einer Übernachfrage durchzuführenden Aufnahmeverfahrens gemäß § 55a Abs. 2 SchulG ergeht (st. Rspr., vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 12. August 2020 - OVG 3 S 64/20 - juris Rn. 4; Beschluss vom 6. September 2019 - OVG 3 S 76.19 - juris Rn. 6; Beschluss vom 19. Dezember 2018 - OVG 3 M 79.18 - juris Rn. 4, Beschluss vom 16. Oktober 2017 - OVG 3 S 82.17 - juris Rn. 4; Beschluss vom 25. September 2017 - OVG 3 S 68.17 - juris Rn. 3, 6; Beschluss vom 31. Oktober 2016 - OVG 3 S 79.16 - juris Rn. 5). Tatsächliche Umstände, die ein Bewerber nach der Aufnahmeentscheidung erstmalig geltend macht, können in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht mehr berücksichtigt werden. Nur dies wird dem Sinn und Zweck des in § 55a Abs. 2 SchulG normierten Aufnahmeverfahrens gerecht, durch das die Schulplatzvergabe bei einer Übernachfrage verbindlich und abschließend geregelt werden soll. Könnte sich ein Bewerber hingegen nach der Aufnahmeentscheidung erstmalig auf für die Vergabe relevante Umstände berufen, müsste das bereits abgeschlossene Aufnahmeverfahren unter Umständen wieder aufgenommen und erneut durchgeführt werden.
Daher haben Erziehungsberechtigte, die ihre Kinder aufgrund längerfristig gewachsener, stark ausgeprägter persönlicher Bindungen zu anderen Kindern in einer anderen als der zuständigen Grundschule einschulen wollen, bereits bei der Antragstellung, jedenfalls aber rechtzeitig vor der Auswahlentscheidung konkret und nachvollziehbar die gewachsenen Bindungen zu anderen Kindern und deren mögliche Beeinträchtigung darzulegen. Auch wenn die Anforderungen an die Darlegung nicht zu hoch gesteckt werden dürfen, muss der Vortrag doch so konkret sein, dass ohne weitere Nachfrage für die Schule erkennbar wird, was die gewachsenen Bindungen im Einzelnen ausmacht (st. Rspr., vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 2. Oktober 2007 - OVG 3 S 71.07 - juris Rn. 8; Beschluss vom 1. Oktober 2010 - OVG 3 S 80.10 -; Beschluss vom 25. Oktober 2011 - OVG 3 S 124.11 -).
Daran gemessen fehlen dem Antrag vom 1. Oktober 2019 - wie das Verwaltungsgericht bereits ausgeführt hat - die notwendigen substantiierten Informationen. Vielmehr wird darin allein auf nicht namentlich genannte Cousinen und Kitafreunde verwiesen, ohne dass erkennbar wäre, zu wem konkret eine geschwisterähnliche Beziehung unterhalten wird und worin die besonderen persönlichen Bindungen bestehen.
Im Ergebnis ohne Erfolg wenden sich die Antragsteller auch gegen die Wertung des Verwaltungsgerichts, ihre Tochter hätte zwar im Rahmen der Auslosung unter den Kindern berücksichtigt werden müssen, die das Kriterium des § 55a Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SchulG erfüllten, jedoch habe die fehlerhafte Zuordnung einen Aufnahmeanspruch nicht verkürzt, da die Tochter auch bei einer zutreffenden Einordnung nicht an der I...-Grundschule aufgenommen worden wäre.
Der Senat teilt nicht die Auffassung des Verwaltungsgerichts, der Wechselwunsch der Antragsteller, für den sie im Aufnahmeantrag vom 1. Oktober 2019 auf Englisch als erste Fremdsprache und den Besuch einer offenen Ganztagsschule verwiesen haben, sei der Fallgruppe des § 55a Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SchulG zuzuordnen. Der Antragsgegner hat in der Antragserwiderung vom 14. Juli 2020 - von den Antragstellern unwidersprochen - angeführt, dass die zuständige Z...-Grundschule ebenfalls Englisch als erste Fremdsprache anbiete und eine offene Ganztagsgrundschule sei. Bestehen aber zwischen der zuständigen und der gewünschten anderen Grundschule im Hinblick auf das Sprachenangebot oder die Ausgestaltung der Ganztagsgrundschule keine Unterschiede, fehlt es an der Grundlage für eine vorrangige Berücksichtigung des Wechselwunsches im Rahmen des § 55a Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SchulG. Soweit die Ausführungen des Senats im Beschluss vom 8. Oktober 2019 - OVG 3 S 91.19 - (juris Rn. 7) in einem gegenteiligen Sinn verstanden werden können, hält er hieran nicht fest.
Wie sich aus § 55a Abs. 1 Sätze 1 und 2 SchulG ergibt, ist ein schulpflichtiges Kind grundsätzlich zur Erfüllung seiner Schulpflicht an der zuständigen Grundschule aufzunehmen. An einer anderen Grundschule besteht nur unter bestimmten Umständen ein Aufnahmeanspruch. So ist dem Antrag auf Besuch einer anderen Grundschule im Rahmen der Aufnahmekapazität und nach Maßgabe freier Plätze gemäß den Organisationsrichtlinien stattzugeben, wenn der Besuch der zuständigen Grundschule längerfristig gewachsene, stark ausgeprägte persönliche Bindungen zu anderen Kindern, insbesondere zu Geschwistern, beeinträchtigen (§ 55a Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 SchulG, siehe oben) oder der Besuch der gewählten Grundschule die Betreuung des Kindes wesentlich erleichtern würde, insbesondere auf Grund beruflicher Erfordernisse (§ 55a Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SchulG). In beiden Fällen müssen die Verhältnisse an der gewählten Grundschule aus der Sicht der Erziehungsberechtigten günstiger als an der zuständigen Grundschule sein; gerade hieraus folgt ausnahmsweise die vorrangige Berechtigung zur Wahl der anderen Grundschule. Ferner können sich die Erziehungsberechtigten nach § 55a Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SchulG für eine Grundschule entscheiden, die als Ganztagsgrundschule in gebundener oder offener Form oder als verlässliche Halbtagsgrundschule geführt wird. Auch dem liegt zugrunde, dass die Erziehungsberechtigten eine Grundschule wählen, deren Angebot von demjenigen der zuständigen Grundschule in aus ihrer Sicht günstiger Weise abweicht. Dann aber ist folgerichtig, dass auch das „bestimmte Fremdsprachenangebot“ in § 55a Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SchulG das Fehlen eines gleichartigen Angebots an der zuständigen Grundschule voraussetzt (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 29. September 2010 - OVG 3 S 77.10 - juris Rn. 5).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).