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Kindesunterhalt - Leistungsfähigkeit des Barunterhaltsschuldners bei Verbleiben im von ihm finanzierten früheren Familienheim im beiderseitigen Eigentum der Eltern; Verfahrenskostenvorschussanspruch gegen seinen betreuenden Elternteil


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 4. Senat für Familiensachen Entscheidungsdatum 12.11.2018
Aktenzeichen 13 UF 119/18 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Leitsatz

1. Geht es um die Leistungsfähigkeit eines Unterhaltsschuldners gegenüber einem minderjährigen Kind, ist die Höhe des dem Pflichtigen zuzurechnenden Wohnwertes grundsätzlich mit der bei einer Fremdvermietung erzielbaren objektiven Marktmiete zu bemessen (vgl. BGH FamRZ 2014, 923 Rn. 19; Wendl/Gerhardt, Unterhaltsrecht, § 1 Rn. 577a).

2. Den barunterhaltspflichtigen Elternteil kann die Obliegenheit treffen, einen Gesamtschuldnerausgleichsanspruch (vgl. § 426 Abs. 1 BGB) gegen den betreuenden Elternteil als Vermögenswert, wie andere Ansprüche auch, zur Deckung seiner Mindestunterhaltsverpflichtung zu realisieren.

3. Ein minderjähriges Kind hat in entsprechender Anwendung des § 1360a Abs. 4 BGB für einen Unterhaltsprozess einen Verfahrenskostenvorschussanspruch gegen seinen betreuenden Elternteil (vgl. Staudinger/Klinkhammer (2018) BGB § 1610, Rn. 211), den als Unterhaltspflichtiger eine besondere Verantwortung trifft (vgl. BGH, Beschluss vom 04. August 2004 – XII ZA 6/04 –, Rn. 13, juris) und der nach dem unterhaltsrechtlichen Maßstab der Billigkeit in dem Maße in Anspruch zu nehmen ist, wie dies bei einer eigenen Prozessführung der Fall wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 04. August 2004 – XII ZA 6/04 –, Rn. 20, juris).

Tenor

I. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Amtsgerichts Neuruppin vom 04.07.2018 wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner hat die Kosten der Beschwerde zu tragen.

Wert der Beschwerde: bis 5000 €

II. Der Antrag des Antragsgegners, ihm für das Beschwerdeverfahren Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen, wird abgelehnt.

Der Antrag des Antragstellers, ihm für das Beschwerdeverfahren Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen, wird abgelehnt.

Gründe

I.

Der beschwerdeführende Antragsgegner wendet sich gegen die Verpflichtung zur Zahlung von Kindesunterhalt in Höhe des Mindestunterhalts für den Antragsteller, seinen Sohn.

Dieser ist am ….2012 geboren, einkommens- und vermögenslos und lebt bei seiner Mutter, die ihn gesetzlich vertritt.

Der Antragsgegner hat Leistungsunfähigkeit eingewandt, dazu im Wesentlichen geltend gemacht, sein Einkommen sei zu bereinigen um Zahlungen auf allein durch ihn bediente Kredite zur Finanzierung einer ihm und der Kindesmutter jeweils hälftig gehörende Wohnimmobilie, in der er lebt.

Mit dem angefochtenen Beschluss, auf den der Senat wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes verweist (159), hat das Landgericht den Antragsgegner zur Zahlung rückständigen und laufenden Kindesunterhalts i.H.v. 100 % des Mindestunterhalts ab 01.10.2016 verpflichtet. Zur Einkommensermittlung des Antragsgegners hat es einen Wohnwert in Höhe einer objektiv erzielbaren Marktmiete angenommen und in den Annuitätenraten enthaltene Tilgungsanteile unberücksichtigt gelassen.

Mit seiner hiergegen gerichteten Beschwerde verfolgt der Antragsgegner sein Abweisungsbegehren uneingeschränkt weiter. Das Amtsgericht habe den Wohnwert zu hoch angesetzt, sowie Tilgungsanteile und berufsbedingte Aufwendungen fehlerhaft unberücksichtigt gelassen.

Er beantragt der Sache nach,

den Antrag des Antragstellers unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses abzuweisen.

Der Antragsteller beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er verteidigt den angefochtenen Beschluss.

Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Sach- und Streitstandes verweist der Senat auf den Schriftsatzwechsel im Beschwerderechtszug. Er entscheidet, wie angekündigt (187), ohne mündliche Verhandlung (§§ 117 Abs. 3, 68 Abs. 3 S 2 FamFG), von der weitere Erkenntnisse nicht zu erwarten waren.

II.

Die nach §§ 58 ff FamFG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

Das tatsächliche Einkommen des Antragsgegners für 2016 ermittelt sich bereinigt auf 1381,96 € (1398,55 € -16,59 €). Das durchschnittliche monatliche Nettoeinkommen von 1398,55 € hat der Antragsgegner eingeräumt (137), eine von ihm zu leistende Winterbauumlage in Höhe von 1,186 % seines Nettoeinkommens hat der Antragsteller nicht bestritten.

Berufsbedingte Aufwendungen in 2016 bleiben mangels konkreter Darlegung (vgl. Nr. 10.2.1 der Unterhaltsleitlinien des Brandenburgischen Oberlandesgerichts, fortan auch: LL) unberücksichtigt.

Die Zahlungen von 20 € (vgl. 51 ff) monatlich sind ausgewiesen als Vermögensbildung, wären allenfalls im Rahmen einer zusätzlichen Altersvorsorge abzugsfähig und bleiben hier außer Ansatz. Aufwendungen des gesteigert unterhaltspflichtigen Elternteils für eine zusätzliche Altersversorgung sind unterhaltsrechtlich nicht berücksichtigungsfähig, solange die Leistung des Mindestunterhalts infrage steht (vgl. BGH FamRZ 2013, 616; Nr. 10.1 LL-BRB).

Der Wohnwert entspricht, wie der Antragsgegner eingeräumt hat, der Höhe der Darlehnszahlungen (86) und kann im Ergebnis unberücksichtigt bleiben, da sich kein Wohnwertvorteil ergibt.

Der Wohnwert ist entgegen der Ansicht der Beschwerde nicht auf einen sogenannten angemessenen Wohnwert zu senken. Geht es um die Leistungsfähigkeit eines Unterhaltsschuldners gegenüber einem minderjährigen Kind, ist die Höhe des dem Pflichtigen zuzurechnenden Wohnwertes grundsätzlich mit der bei einer Fremdvermietung erzielbaren objektiven Marktmiete zu bemessen (vgl. BGH FamRZ 2014, 923 Rn. 19; Wendl/Gerhardt, Unterhaltsrecht, § 1 Rn. 577a).

So liegt es hier auch in Ansehung der Kreditbelastungen. Die Berücksichtigungsfähigkeit von Kreditraten setzt eine umfassende Interessenabwägung der Belange der Beteiligten und anderer Beteiligter (Drittgläubiger) voraus (vgl. BGH FamRZ 1996, 160, 161), wobei den Interessen Minderjähriger insoweit stets besonders Rechnung zu tragen ist (Nr. 10.4 LL-BRB). Geht es, wie hier, um die Wahrung des Mindestunterhalts für minderjährige Kinder, sind an die Berücksichtigungswürdigkeit besonders strenge Anforderungen zu stellen und vom Schuldner besondere Bemühungen zur Minderung seiner aktuellen Belastung zu erwarten.

Hier ließen sich die Kreditbelastungen durch eine Vermietung des Hauses decken. Die Vermietung des Hauses obliegt dem Antragsgegner nach den vorstehenden Grundsätzen aufgrund seiner gesteigerten Unterhaltspflicht aus § 1603 Abs. 2 BGB. Dem Vorbringen zu einer Unvermietbarkeit des Hauses ist der Antragsteller entgegen getreten (148), und der für seine Leistungsunfähigkeit darlegungs- und beweisbelastete Antragsgegner ist beweislos geblieben. Dass sich die Kindesmutter einer Fremdvermietung widersetzen würde, ist in Ansehung dessen, dass sie als gesetzliche Vertreterin des Antragstellers den Antragsgegner gerade auf die Vermietbarkeit verweisen lässt (vgl. 148), unsubstanziiert und hierauf ist der Antragsgegner in der Folgezeit auch nicht mehr zurückgekommen. Vielmehr hat er versucht, einer Vermietung nunmehr unter ausschließlich anderen Gesichtspunkten entgegen zu treten (vgl. 152). Soweit er vorbringt, eine Vermietung sei mit weiteren Investitionen für die Instandhaltung der Mietsache verbunden, vernachlässigt er, abgesehen davon, dass er jede Bezifferung unterlässt, Steuervorteile sowie die Möglichkeit, Instandhaltungsarbeiten zeitlich zu verlagern, zumal für deren aktuelle Notwendigkeit ohnedies nichts dargetan ist.

Bei einer Leistungsfähigkeit bliebe es im Übrigen selbst dann, wenn man den Wohnwert in Höhe der objektiv erzielbaren Marktmiete entgegen dem Vorbringen des Antragsgegners nicht in Höhe der Kreditlasten ansetzt, sondern mit dem Amtsgericht nur in Höhe von 675 € veranschlagt. Dies führte gegenüber den Kreditbelastungen von insgesamt 724,84 € zu einer finanziellen Unterdeckung von lediglich 49,84 € monatlich und zu einem bereinigtem Einkommen von 1332,12 €. Dies Einkommen ermöglicht dem Antragsgegner noch immer die Zahlung des Mindestunterhalts – 240 € in 2016 – unter Wahrung seines Selbstbehalts von 1080 €.

Hierbei bleibt sogar noch unberücksichtigt, dass bei einer Vermietung jedenfalls die Hälfte der finanziellen Unterdeckung ohnehin auf die dem Antragsgegner auf Gesamtschuldnerausgleich (vgl. § 426 Abs. 1 BGB) haftende Kindesmutter als hälftige Miteigentümerin entfallen und sein Gesamtschuldnerausgleichsanspruch einen Vermögenswert darstellen würde, den der Antragsgegner, wie andere Ansprüche auch, zur Deckung seiner Mindestunterhaltsverpflichtung zu realisieren hätte. Aus dem gleichen Grunde vermag sich der Senat dem Argument des Antragsgegners, er könne bei Vermietung trotz Tragung aller Kreditbelastungen nur auf die Hälfte der Mieteinnahmen zugreifen, weder unter wirtschaftlicher noch unter rechtlicher Betrachtung anzuschließen.

Das tatsächliche Einkommen des Antragsgegners für 2017 ermittelt sich bereinigt auf 1446,81 € und liegt abzüglich eines Selbstbehalts von 1080 € deutlich über dem für 2017 geforderten Mindestunterhalt von 246 €. Es errechnet sich wie folgt:

netto 

1.459,87 €

Fahrtkosten

-26,00 €

Winterbauumlage

-17,31 €

Steuererstattung

30,25 €

Summe 

1.446,81 €

Das durchschnittliche monatliche Nettoeinkommen von 1459,87 € hat der Antragsgegner eingeräumt (138), Fahrtkosten des Antragsgegners von monatsdurchschnittlich 26 € (142) in 2017 und eine von ihm zu leistende Winterbauumlage in Höhe von 1,186 % seines Nettoeinkommens sind unbestritten. Die nach Nr. 1.7 LL zu berücksichtigende Steuererstattung von monatsdurchschnittlich 30,25 € ergibt sich aus dem Einkommenssteuerbescheid vom 16.10.2017 (116).

Das tatsächliche Einkommen des Antragsgegners für 2018 schätzt der Senat (§ 287 ZPO) in mindestens gleichbleibender Höhe. Es ermöglicht dem Antragsgegner ohne Beeinträchtigung seines Selbstbehalts die Zahlung des Mindestunterhalts in 2018 für die 1. Altersstufe in Höhe von 251 € und – ab November – für die 2. Altersstufe in Höhe von 302 € monatlich.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 243 Nr. 1 FamFG.

Die Wertfestsetzung beruht auf den §§ 55 Abs. 2, 51 Abs. 1, Abs. 2 FamGKG.

Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen (§ 70 Abs. 2 FamFG), besteht nicht.

III.

Verfahrenskostenhilfe für die Beschwerde des Antragsgegners kam mangels Erfolgsaussicht (§§ 113 Abs. 1 FamFG, 114 Abs. 1, 119 ZPO) nicht in Betracht, wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt.

Verfahrenskostenhilfe zur Abwehr der Beschwerde konnte dem Antragsteller nicht bewilligt werden, da sich eine anzuerkennende Hilfsbedürftigkeit (§§ 113 Abs. 1 FamFG, 114 Abs. 1 S 1, 119 ZPO) nicht feststellen ließ. Er hat in entsprechender Anwendung des § 1360a Abs. 4 BGB einen Verfahrenskostenvorschussanspruch gegen seine Mutter (vgl. Staudinger/Klinkhammer (2018) BGB § 1610, Rn. 211), die als Unterhaltspflichtige eine besondere Verantwortung trifft (vgl. BGH, Beschluss vom 04. August 2004 – XII ZA 6/04 –, Rn. 13, juris) und die nach dem unterhaltsrechtlichen Maßstab der Billigkeit in dem Maße in Anspruch zu nehmen ist, wie dies bei einer eigenen Prozessführung der Fall wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 04. August 2004 – XII ZA 6/04 –, Rn. 20, juris). Sie verfügte bei Einleitung des Verfahrens über ein hinreichendes Vermögen, aus dem sie die Verfahrenskosten vorschussweise hätte bestreiten müssen und das bei einer Auflösung in Kenntnis des Verfahrens einer nunmehrigen Verfahrenskostenhilfebewilligung entgegensteht (vgl. Musielak/Voit/Fischer ZPO § 115 Rn. 55 m.w.N.).

Sie hat ein Bausparguthaben, das am 31.12.2016 noch 4.092,25 € betrug (vgl. 30 VK) sowie eine Kapitallebensversicherung mit einem Rückkaufwert für 2018 von 6.799,84 (vgl.36 VK) aufgelöst oder vergessen anzugeben, wie sich aus ihren nunmehr fehlenden Angaben insoweit ergibt (vgl. Beleg Nr. 3 und Nr. 5 zur Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 15.10.2018). Diese Vermögenswerte überstiegen mit insgesamt mehr als 10.000 € das durch §§ 115 Abs. 3 ZPO, 90 SGB XII iVm § 1 Nr. 1 der Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII (BGBl. 2017 I S. 519) festgelegte Schonvermögen von 5.000 € für die gesetzliche Vertreterin des Antragstellers und 500 € für den von ihr betreuten minderjährigen Antragsteller an kleineren Barbeträgen oder sonstigen Geldwerten erheblich und waren oder wären von ihr nach § 115 Abs. 1 S 1 ZPO zur Bestreitung der Verfahrenskosten einzusetzen.

Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen (§ 70 Abs. 2 FamFG), besteht nicht.