Gericht | LG Cottbus 3. Große Strafkammer | Entscheidungsdatum | 03.03.2020 | |
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Aktenzeichen | 23 KLs 25/18 | ECLI | ECLI:DE:LGCOTTB:2020:0303.23KLS25.18.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Der Angeklagte … ist schuldig des schweren sexuellen Missbrauch eines Kindes in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch einer Schutzbefohlenen in drei Fällen, jeweils in Tateinheit mit Entziehung einer Minderjährigen.
Die Angeklagte ... ist schuldig der Beihilfe zum in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch einer Schutzbefohlenen begangenen schweren sexuellen Missbrauch eines Kindes in drei Fällen, in zwei Fällen in Tateinheit mit Entziehung einer Minderjährigen, davon in einem Fall zudem in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch eines Kindes.
Der Angeklagte ... wird zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von
4 (vier) Jahren und 6 (sechs) Monaten
verurteilt.
Die Angeklagte ... wird zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von
2 (zwei) Jahren
verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird.
Im Übrigen werden die Angeklagten freigesprochen.
Die Angeklagten tragen die Kosten des Verfahrens, soweit sie verurteilt wurden. Soweit sie freigesprochen wurden, fallen die Kosten des Verfahrens und ihre insoweit entstandenen notwendigen Auslagen der Staatskasse zur Last. Dem Angeklagten ... werden zudem die notwendigen Auslagen der Nebenklägerin auferlegt.
Angewendete Vorschriften:
Betreffend den Angeklagten ...: §§ 174 Abs. 1 Nr. 3, 176 Abs. 1, 176a Abs. 2 Nr. 1,
235 Abs. 1 Nr. 1, 52, 53 StGB
Betreffend die Angeklagte ...: §§ 174 Abs. 1 Nr. 3, 176 Abs. 1 und Abs. 4 Nr. 1,
176a Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 4 2. Alt., 235 Abs. 1 Nr. 1, 13, 21, 27, 52, 53, 56 StGB
I.
Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen
1. Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen der Angeklagten ...
………….
Strafrechtlich ist die Angeklagte ... bisher wie folgt in Erscheinung getreten:
……………….
Strafrechtlich ist der Angeklagte ... bisher wie folgt in Erscheinung getreten:
II.
Feststellungen zu den Taten
Zum Tatgeschehen, dessen Vorgeschichte, zum Nachtatgeschehen sowie zu den Auswirkungen der Taten auf ... ... hat die Kammer folgende Feststellungen getroffen:
Durch Beschluss des Amtsgerichts Cottbus – Familiengericht – vom 25. Mai 2008 wurde der Angeklagten ... gemäß § 1666 BGB die elterliche Sorge betreffend die Kinder ... und ... ... für die Aufgabenkreise Aufenthaltsbestimmungsrecht, Gesundheitsfürsorge, Entwicklungsförderung/Kitaangelegenheiten und Hilfen zur Entziehung entzogen. Es wurde zunächst das Jugendamt … als Pfleger für die Kinder bestellt. Zuletzt hatte seit 2013 die Pflegschaft … vom Jugendamt ... inne.
Die Kinder ... und ... lebten ab Januar 2008 in einer familienanalogen Wohngruppe. Ab August 2008 lebten die beiden Mädchen in einer Wohngruppe des Trägers der freien Jugendhilfe „…“. Ständige Betreuerin war …. Die Wohngruppe lebte nach einigen Umzügen zuletzt bis zum Umzug der Mädchen in das … nach … in ... ... und ... ... waren in der Gruppe gut integriert. Entwicklungsdefizite konnten die Mädchen gut aufholen. Sie hatten untereinander ein enges Verhältnis. Beide hatten ebenfalls eine enge, innige Beziehung zu ihrer Mutter.
Die Angeklagte ... bemühte sich, den Kontakt zu den Mädchen zu halten. Dies gelang ihr zwar nicht durchgängig, zwischenzeitlich kam es zu kurzfristigen Kontaktabbrüchen, die Angeklagte ... arbeitete aber größtenteils mit der Einrichtung zusammen. Die Angeklagte akzeptierte den bestehenden teilweisen Entzug der elterlichen Sorge und kümmerte sich im Rahmen des ihr Möglichen um ihre Töchter. Sie besuchte die Mädchen in der Einrichtung. Es fanden auch Besuche in der Wohnung der Mutter statt. ... und ... liebten ihre Mutter sehr und freuten sich auf die Besuchskontakte. Gemeinsam mit Frau … kam es auch zu Unternehmungen der Kinder mit der Angeklagten ....
... wurde altersgerecht eingeschult. Sie besuchte eine Regelgrundschule, bedurfte aber einer besonderen Förderung im Bereich „Lernen“. Sie konnte eine gute schulische Entwicklung nehmen. Nach der Grundschule wurde ... ... auf einer Förderschule in … beschult.
Die Angeklagte ... bemühte sich auch nicht, die Kinder wieder in ihren Haushalt zurückzuführen. Dies änderte sich erst, als sie die Beziehung zu dem Angeklagten ... einging.
Nachdem beide Angeklagten im Herbst 2015 ihre jeweiligen Wohnungen in der … bzw. … in ... bezogen hatten, lernten sie sich im Dezember 2015 durch ein Gespräch an der Bushaltestelle kennen, in dessen Folge die beiden in der Wohnung des Angeklagten gemeinsam Kaffee tranken. Zu dieser Zeit führte der Angeklagte ... seinen Künstlernamen „…“ und stellte sich der Angeklagten ... auch so vor. Bereits kurze Zeit nach dem Kennenlernen kam es zu ersten intimen Kontakten. Die Angeklagten führten seitdem eine Lebensgemeinschaft, behielten aber weiterhin eigene Wohnungen in unmittelbarer Nachbarschaft. In dieser Zeit übernachtete der Angeklagte ... bereits häufig in der Wohnung der Angeklagten .... Der Angeklagte ... kümmerte sich liebevoll um seine Partnerin und übernahm für sie weitreichende Tätigkeiten des Alltags, mit denen die Angeklagte ... aufgrund ihrer intellektuellen Defizite erheblich überfordert war.
Nachdem der Angeklagte ... auch die Töchter der Angeklagten ... kennengelernt hatte, die zu dieser Zeit noch in der Wohngruppe in ... untergebracht waren, sich nach relativ kurzer Zeit mit ihnen, insbesondere der älteren ..., gut verstand und Kenntnis von deren Situation im Hinblick auf die Heimunterbringung, die Beschulung und die bis auf Wochenendbesuche bestehende Trennung von der Mutter erlangt hatte, begann er, sich intensiv um die Töchter, wiederum insbesondere um die Nebenklägerin zu kümmern.
In diesem Zusammenhang begannen auch die Auseinandersetzungen in Bezug auf die Fremdunterbringung der Kinder ... und .... Die bisherige vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen … und der Angeklagten ... endete. Die Angeklagte ... überließ dem Angeklagten ... immer mehr die Regelung der Fragen bezüglich ihrer Töchter, trat selbst immer weniger aktiv auf. Schreiben, Beschwerden und Anträge verfasste ausschließlich der Angeklagte ... im eigenen Namen und im Namen der Angeklagten .... Gegen ...wurden Vorwürfe im Zusammenhang mit ungesunder und unausgewogener Ernährung sowie unangemessener Kleidung, insoweit insbesondere der Vorwurf, dass die Kinder Schuhe in nicht passender Größe tragen mussten, erhoben. Im Weiteren trat der Angeklagte ... – jeweils handelnd unter seinem Künstlernamen ... – gegenüber der Einrichtung, der Pflegerin sowie vor dem Familiengericht immer mehr und immer fordernder in Erscheinung. Die Angeklagte ... stellte ihm weitreichende Vollmachten aus, während sie selbst in der Auseinandersetzung wenig präsent war. Von dem Angeklagten ... wurden immer wieder die Anerkennung seiner eigenen Sorgeberechtigung für die Kinder und die Rückführung der Mädchen in die Familie ... gefordert. Seitens der Pflegerin, ..., und der Betreuerin, …, wurde eingeschätzt, dass der Angeklagte ... durch seine Förderung in schulischer Hinsicht ... ... teilweise unter Druck setzte und überforderte. ...empfand das Engagement des Angeklagten ... als Einmischung in ihre Arbeit. Das zuvor vertrauensvolle Verhältnis von ...auch zu der Angeklagten ... verschlechterte sich in dieser Zeit massiv. Insgesamt war die Situation sehr angespannt und von gegenseitigen Vorwürfen geprägt.
Aufgrund der gegenseitigen Vorwürfe und Vorhaltungen war auch das Vertrauensverhältnis zu dem Träger der Wohngruppe gestört. Gegen einzelne Betreuer wurde durch den Angeklagten ... der Vorwurf des sexuellen Missbrauch von ... ... erhoben. Eine weitere Zusammenarbeit wurde von allen Beteiligten abgelehnt. Auch wegen der räumlichen Entfernung zwischen ... und ...wurde eine Unterbringung von ... und ... ... in ... angestrebt. Im Mai 2017 zogen ... und ... ... in das … nach ....
Das Bemühen des Angeklagten ... um die Kinder intensivierte er noch, seitdem die Nebenklägerin und ihre Schwester im ...in ... lebten. Die Nebenklägerin und ihre Schwester verbrachten nun regelmäßig jedes zweite Wochenende besuchsweise in der mütterlichen Wohnung in .... In den Ferien verlebte ... ... mehr Zeit bei ihrer Mutter. Der Angeklagte ... und die Angeklagte ... besuchten die Mädchen auch im ….
Der Angeklagte ... kümmerte sich vermehrt auch um die schulischen Belange von ... ..., half ihr regelmäßig bei den Hausaufgaben und gab ihr Nachhilfe. Der Angeklagte ... bemühte sich weiterhin um eine Beschulung von ... ... in einer Regelschule, er strebte für sie den Schulabschluss Abitur an.
Auch sonst kümmerte sich der Angeklagte ... um ... ..., gab ihr Tipps zu Kleidung und Hygiene, begleitete sie zu Arztbesuchen und unternahm einiges mit der Familie, woran die Nebenklägerin Gefallen fand. So drehte er zum Beispiel in den Sommerferien 2017 nach einem selbstgeschriebenen Drehbuch einen kurzen Videofilm über die Problematik von Alkoholmissbrauch, in dem die Nebenklägerin neben ihm selbst eine kleine „Filmrolle“ spielte, während die Angeklagte ... zumindest zeitweise die Kamera bediente.
Der Angeklagte ... trat auch weiterhin für die Angeklagte ... bei Kontakten mit dem Jugendamt, dem Kinderheim, in dem ihre Töchter untergebracht waren, der Pflegerin der Nebenklägerin – der Zeugin … – und dem Familiengericht in ... auf. Der Angeklagte ... nutzte dabei im Auftreten jeweils seinen Künstlernamen „...“ und legte seinen bürgerlichen Namen nicht offen. Das Bestreben des Angeklagten ... war dabei hauptsächlich zu erreichen, dass die Nebenklägerin wieder vollständig im Haushalt ihrer Mutter leben darf und statt auf der bisher besuchten Förderschule in ... auf einer Regelschule in …, also deutlich näher am Wohnort der Angeklagten ... und des Angeklagten ... in ..., beschult wird. Der Angeklagte ... ging davon aus, dass die Nebenklägerin auf der Förderschule intellektuell unterfordert sei. Seine immer weiter verstärkten Bemühungen, diese Ziele zu erreichen, waren jedoch nicht von kurzfristigem Erfolg gekrönt, da behördlicherseits davon ausgegangen wurde, dass die Angeklagte ... weiterhin nicht in der Lage sei, selbstständig eine ordnungsgemäße Erziehung der Nebenklägerin durchzuführen. Auch überschätzte der Angeklagte ... wohl die geistigen Fähigkeiten der Nebenklägerin deutlich. So wurde durch die Lehrer von ... ... eingeschätzt, dass diese in der Förderschule eine gute Schülerin sei, sie aber weiterhin erheblich mehr Förderbedarf habe, als auf einer Regelschule geleistet werden könne.
Die Bemühungen der Angeklagten und ihre Auseinandersetzungen mit den jeweiligen Unterbringungseinrichtungen, dem Jugendamt und dem Familiengericht auch über die Frage des Aufenthalts und der Beschulung von ... ... hatten Auswirkungen auf ihr Verhalten im ... So wollte ... ... in dem Haushalt ihrer Mutter leben, sie lehnte die Heimunterbringung ab. Den Angeklagten ... nannte sie „Papa“, entwickelte aber auch schwärmerisch-verliebte Gefühle für ihn. Ihr sehnlichster Wunsch wurde es, in einer Familie mit ihrer Schwester und ihren „Eltern“ zu leben.
Die Angeklagten beabsichtigten, nunmehr auch zusammenzuziehen. Weiteres Ziel beider Angeklagter war es, eine gemeinsame Familie zu gründen. Dazu und weil die Wohnung der Angeklagten ... von Schimmel befallen war, wurde die Nachbarwohnung im Haus … angemietet. In dieser Wohnung sollte nach den Plänen der Angeklagten die Familie gemeinsam leben. Einen Umzug haben die Angeklagten nicht realisiert. Man hatte aber bereits begonnen, die Nachbarwohnung herzurichten. Die Angeklagten verfügten also im Oktober 2017 über drei Wohnungen – eine Wohnung des Angeklagten ... in der ... und zwei Wohnungen der Angeklagten ... im Nachbareingang in der ....
Der Angeklagte ... trat gegenüber dem Hilfesystem immer fordernder, unnachgiebiger und wenig kompromissbereit auf. In Hilfeplangesprächen forderte er immer wieder die Rückführung von ... und ... in die Familie und eine Beschulung von ... in einer Regelschule. So organisierte er einen Schulplatz für ... ... in einer Schule in .... Auch ... ... selbst wollte unbedingt in dieser Schule in ... unterrichtet werden.
Der Angeklagte ... regelte sämtliche Behördenangelegenheiten für seine Partnerin, verfasste Schriftstücke in ihrem Namen und war auch sonst innerhalb der Beziehung der bestimmende Part. Die Angeklagte ... konnte aufgrund ihrer Intelligenzminderung gegenüber dem Angeklagten ... nicht als gleichwertige Partnerin auftreten. Zwar kümmerte sich der Angeklagte liebevoll um seine Lebensgefährtin, in der Beziehung war er ihr aber nicht nur deutlich intellektuell überlegen, sondern auch sonst in einer übergeordneten Position. Die Angeklagte ... war nicht in der Lage, die Reichweite der Bemühungen des Angeklagten ... um eine Rückführung der Kinder zu erfassen. Auch mit der Regelung der schulischen Belange für ihre Kinder war die Angeklagte ... bei Weitem überfordert. Sie überließ dem Angeklagten ... bereitwillig das Agieren gegenüber Schule, Jugendamt und Familiengericht und erteilte ihm weitreichende und umfassende Vollmachten, ohne dass sie deren Reichweite abschätzen konnte.
Als die Bemühungen, die Nebenklägerin wieder in den mütterlichen Haushalt zu integrieren und sie in einer Regelschule zu beschulen, über längere Zeit hin keinen Erfolg erzielt hatten, entschloss sich ..., aus dem ... zu entweichen. Dazu nutzte sie die sich am 5. Oktober 2017 bietende Möglichkeit. Der Angeklagte ... begleitete die Nebenklägerin an diesem Tag zu einem Arztbesuch in der Praxis Dr. …/… in der … in .... Anlass der Vorstellung der Mädchen bei einem Orthopäden war der Vorwurf des Angeklagten ..., dass ... und ... „verkrüppelte“ Füße hätten, weil sie durch Frau … gezwungen worden seien, Schuhe in nicht passender Größe zu tragen. An diesem Termin wollte und durfte der Angeklagte ... teilnehmen. ... und ... ... wurden am Morgen des 5. Oktober 2017 durch eine Betreuerin des …, …, zur Arztpraxis gebracht. Dort trafen sie auf den Angeklagten .... Nach der ärztlichen Untersuchung, die keine Schäden der Füße durch zu kleine Schuhe ergab, aber bei der ... ... wegen ihrer Plattfüße Einlagen verschrieben wurden, ging der Angeklagte ... mit den beiden Mädchen zunächst nach draußen, während … noch ein kurzes Gespräch mit dem Arzt in eigener Sache führte. Kurze Zeit später kam ... wieder in die Arztpraxis hinein. Als beide die Arztpraxis dann verließen, traf ...weder ... ... noch den Angeklagten ... an. ...war darüber auch nicht verwundert, da mit ... abgesprochen war, dass sie sich nach dem Arztbesuch selbständig zu ihrer Schule begeben sollte. ...ging daher davon aus, dass ... sich bereits auf den Weg zur Schule gemacht habe. Da ... die Förderschule in ... besuchte, war für sie an diesem Tag ein Schulbesuch nicht mehr geplant. ... kehrte gemeinsam mit ...in das ...zurück.
... suchte im Anschluss an den Arztbesuch aber nicht mehr ihre Schule auf. Vielmehr ging sie gemeinsam mit dem Angeklagten ... zum Bahnhof. Spätestens jetzt entschloss sich ..., an diesem Tag nicht mehr in die Schule zu gehen und auch nicht ins ...zurückzukehren, sondern gemeinsam mit dem Angeklagten ... nach ...zu fahren. Sie beabsichtigte, nicht erst auf eine Entscheidung des Familiengerichts zu warten, sondern vielmehr ab sofort ihrem Wunsch entsprechend im Haushalt ihrer Mutter zu leben. Es gelang ihr ohne Probleme, den Angeklagten ..., der ja eine Rückführung der Mädchen in den gemeinsamen Haushalt mit der Angeklagten ... unbedingt anstrebte, davon zu überzeugen, sie mit nach ...zu nehmen. Der Angeklagte ... war über die zögerliche Entscheidung über eine Rückführung von ... ... in den Haushalt ihrer Mutter verärgert und nutzte nun ebenfalls die sich bietende Gelegenheit aus.
Nach einem Einkauf in … und … kehrten ... ... und der Angeklagte ... am Nachmittag in die Wohnung der Angeklagten ... zurück. Gemeinsam entschloss man sich, dass ... in der Wohnung der Angeklagten ... versteckt werden sollte. Die Angeklagte ... war aufgrund der Intelligenzminderung nicht ausreichend in der Lage, die volle Tragweite dieses Entschlusses zu erfassen, zudem wusste sie darum, dass der Angeklagte ... – wie üblich – alles organisieren werde.
Nachdem ... ... nach Schulschluss nicht wie gewöhnlich in das ...zurückkehrte, wurde Frau ... informiert. Nachfragen bei der Schule ergaben, dass ... an diesem Tag gar nicht zum Unterricht erschienen war. Es wurde seitens des ...noch am Abend des 5. Oktober 2017 eine Vermisstenanzeige erstattet. Auch Frau ... wurde über das Verschwinden von ... informiert. Sie meldete sich daraufhin am Abend des 5. Oktober 2017 telefonisch bei den Angeklagten. Das Gespräch nahm der Angeklagte ... entgegen. Er erklärte auf ausdrückliche Nachfrage von Frau ..., dass sich die Nebenklägerin nicht bei der Mutter und ihm aufhalte, obwohl sich das Mädchen in der Wohnung der Mutter befand, was ihm auch bewusst war. Wo sich zum Zeitpunkt dieses Telefonats die Angeklagte ... aufhielt und ob sie es überhaupt mitbekam, konnte in der Hauptverhandlung nicht abschließend geklärt werden.
... ... hielt sich bis zu ihrem Auffinden am 18. März 2018 in einer der beiden Wohnungen der Angeklagten ... in der ... auf. ... ... verbrachte ihre Tage mit Fernsehen und dem Smartphone. Ihre schulische Entwicklung wurde nebensächlich, obwohl sich der Angeklagte ... unter Berücksichtigung der eingeschränkten Möglichkeiten durch das Untertauchen von ... auch weiterhin um die Vermittlung von Bildung bemühte.
Der Angeklagte ... rechnete damit, dass man nach ... auch bei ihnen suchen werde. Man vereinbarte zunächst, dass sich ... ... – sollte nach ihr gesucht werden – im Bettkasten der Couch in der alten Wohnung der Angeklagten ... verstecken sollte. Einige Tage später – nachdem bereits Kontrollen in der alten Wohnung der Angeklagten ... durchgeführt wurden, bei welchen sich ... ... absprachegemäß im Bettkasten versteckt hatte – wurde festgelegt, dass sich ... ... tagsüber in der neu angemieteten Nachbarwohnung aufhalten sollte. ... ... kehrte aber auch dann jeweils abends wieder in die eigentliche Wohnung der Angeklagten ... zurück, um dort zu übernachten. Während der gesamten Zeit schliefen alle drei auf der als Bett genutzten Klappcouch im Wohnzimmer der Wohnung. Es kam ab dem 6. oder 7. Oktober 2017 zu sexuellen Handlungen zwischen dem Angeklagten ... und ... ... im Beisein der Angeklagten ....
1. Tat zu Nr. 4 bzw. 5 der Anklageschrift vom 20. August 2018
Am 6. oder 7. Oktober 2017 – aber noch vor dem ersten Aufsuchen der Wohnung der Angeklagten ... durch Beamte der Polizei, die nach ... suchten – hielten sich die beiden Angeklagten und die Nebenklägerin im Wohnzimmer der Wohnung der Angeklagten ... auf. Während die Angeklagte ... vorne auf der aufgeklappten Schlafcouch saß und Fernsehen guckte, kam es in ihrem Rücken zu sexuellen Handlungen zwischen dem Angeklagten ... und der Nebenklägerin, in deren Verlauf der Angeklagte ... seinen Penis mindestens in den Scheidenvorhof der Nebenklägerin einführte. Ein Kondom wurde nicht benutzt. Es konnte nicht festgestellt werden, ob diese Handlungen vom Angeklagten ... oder der Nebenklägerin ausgingen. Obwohl die Angeklagte ... bemerkte, dass es zwischen dem Angeklagten ... und der Nebenklägerin sexuelle Handlungen gab, schaute sie jedoch weiter Fernsehen, griff nicht ein und ließ die beiden gewähren. Trotz ihrer Intelligenzminderung erfasste die Angeklagte ... den Sachverhalt in seiner Bedeutung. Ein Eingreifen hielt sie für entbehrlich, weil sie der Meinung war, dass ihre Tochter ... reif genug sei und wisse, was sie tue.
Bereits frühzeitig kam der Verdacht auf, dass sich ... ... bei ihrer Mutter versteckt halten könnte. So wurden bereits am 7. Oktober 2017 durch die Polizeibeamten POM … und PM … die Anschriften der Angeklagten in ...überprüft. Dabei war allerdings noch nicht bekannt, dass die Angeklagte ... eine weitere Wohnung in der ... angemietet hatte. Als die Angeklagten die Nachschau der beiden Polizeibeamten bemerkten, versteckt sich die Nebenklägerin absprachegemäß im Bettkasten der Schlafcouch, was diese auch bereitwillig tat, da sie fürchtete, im Falle ihrer Auffindung zurück ins Kinderheim zu müssen, was sie keinesfalls wollte. Als die Zeugen POM ... und PM ... in der Wohnung der Angeklagten ... nach der Nebenklägerin fragten, erklärten die Angeklagten ihnen gegenüber wahrheitswidrig, und um ein Auffinden von ... zu verhindern, dass sich die Nebenklägerin nicht in der Wohnung aufhalte. Beide Angeklagte traten gegenüber den Polizeibeamten kooperativ auf und ließen es zu, dass POM ... und PM ... sich in der Wohnung umsehen. Als in Gegenwart beider Angeklagter die Wohnung zur Auffindung der Nebenklägerin in Augenschein genommen wurde, gelang es ihnen nicht, die sich versteckt haltende Nebenklägerin aufzufinden. Bereitwillig ließ der Angeklagte ... auch eine Inaugenscheinnahme seiner eigenen Wohnung zu.
Auch bei einer gerichtlich angeordneten Durchsuchung der beiden bekannten Wohnungen am 11. Oktober 2017 durch die Zeugen POM ...und POM ...wurde die Nebenklägerin, die sich wiederum im Bettkasten der Schlafcouch versteckt hatte, nicht aufgefunden. Die Angeklagte ... übergab anlässlich dieser Durchsuchung einen Brief von ..., wobei sie angab, diesen in ihrem Briefkasten vorgefunden zu haben.
Auch bei der wiederum durch gerichtlichen Durchsuchungsbeschluss angeordneten Durchsuchung am 14. Oktober 2017 durch die Zeugen POM ...und PHM ..., bei der die zwei bekannten Wohnungen der Angeklagten in den Häusern ... und ... durchsucht wurden, wurde die Nebenklägerin, die sich wiederum in dem Hohlraum der Schlafcouch im Wohnzimmer versteckt hatte, nicht aufgefunden.
Während der Zeit des Verschwindens der ... begingen die Angeklagten folgende weitere Straftaten:
2. Tat zu Nr. 30 bis 53 bzw. 74 bis 93 der Anklageschrift vom 20. August 2018
An einem nicht näher bestimmbaren Tag nach dem ersten Aufsuchen der Wohnung der Angeklagten ... durch die Polizeibeamten bis zum 17. März 2018 kam es wiederum zu sexuellen Handlungen zwischen dem Angeklagten ... und der Nebenklägerin, bei denen dieser sein Glied zumindest in den Scheidenvorhof der Nebenklägerin einführte. Ein Kondom wurde wiederum nicht benutzt. Die Angeklagte ... bemerkte auch diesmal, dass der Angeklagte ... und die Nebenklägerin sexuelle Handlungen miteinander ausführten, griff aber nicht ein.
3. (weitere) Tat zu Nr. 30 bis 53 bzw. 74 bis 93 der Anklageschrift vom 20. August 2018
An einem weiteren, nicht näher bestimmbaren Tag in dem unter 2. geschilderten Zeitraum, kam es ebenfalls zu sexuellen Handlungen zwischen dem Angeklagten und der Nebenklägerin, in deren Verlauf der Angeklagte ... sein Glied zumindest in den Scheidenvorhof der Nebenklägerin einführte, was von der Angeklagten ... bemerkt wurde. Sie griff wiederum nicht ein, um die Handlungen des Angeklagten ... zu verhindern. Auch hier führte der Angeklagte den Geschlechtsverkehr ungeschützt aus. Die Angeklagte ... wollte bei diesem Mal selbst auch sexuelle Handlungen mit dem Angeklagten ... durchführen. Beide Angeklagten vollzogen den Geschlechtsverkehr daraufhin in Anwesenheit und vor den Augen der Nebenklägerin, die diese sexuellen Handlungen beobachten konnte. Dies war beiden Angeklagten auch bewusst.
Die Angeklagte ... erkannte zwar das Unrecht der Handlungsweise. Sie war zum Zeitpunkt der hier abgeurteilten Straftaten in ihrer Fähigkeit, sich dementsprechend zu verhalten, also in ihrer Steuerungsfähigkeit im Sinne von § 21 StGB, jedoch erheblich eingeschränkt. Bei dem Angeklagten ... lagen dagegen zu den Tatzeiten keinerlei Einschränkungen seiner Fähigkeit, das Unrecht seines Tuns zu erkennen und entsprechend dieser Einsicht zu handeln, vor.
Ende 2017 wandte sich der Angeklagte ... mit einem Brief, in dem er angab, seine Stieftochter sei weggelaufen und müsse gefunden werden, an die gemeinsame Redaktion von …-Zeitung und …, woraufhin sich der Zeuge …, der als Journalist für die …-Zeitung arbeitet, in Begleitung eines Fotografen zu den Angeklagten in deren Wohnung begab und dort mit ihnen ein längeres Gespräch führte, um daraus eine Reportage über das Verschwinden der Nebenklägerin, die sich während seiner dortigen Anwesenheit versteckt hielt, zu erstellen. Die Angeklagten gaben vor, sich mit Hilfe der Presse an die Öffentlichkeit wenden zu wollen, um dadurch Hilfe bei der Suche nach der Nebenklägerin zu erhalten. Während dieses Gesprächs erklärten die Angeklagten gegenüber dem Zeugen ..., dass die Nebenklägerin, ihre Tochter, weggelaufen sei und sie nichts über ihren Aufenthalt wüssten. Der Zeugen ... hatte das Gefühl, dass in den Gesichtern der Angeklagten, während sie angaben, nichts über den Verbleib der Nebenklägerin zu wissen, keinerlei Sorge zu erkennen gewesen sei. Bei diesem Gespräch führte der Angeklagte ... das Wort, während die Angeklagte ... sich still verhielt. Während des Gesprächs wurden auch Lichtbilder erstellt, die zum Teil am 28. Februar 2018 zusammen mit dem vom Zeugen ... anhand des zuvor geführten Interviews verfassten Text in der …-Zeitung und der … veröffentlicht wurden.
Nachdem bei der Polizei verschiedene Aussagen eingegangen waren, dass die Nebenklägerin im Bereich von ...gesehen worden sei, wurden in der Ortschaft Suchplakate mit einer Abbildung der Nebenklägerin aufgehängt. Nachdem diese durch den Angeklagten ... festgestellt worden waren, veränderte er das Aussehen der Nebenklägerin erheblich, indem er ihre Haare kurz schnitt und grellrot einfärbte, damit die Nebenklägerin nicht wiedererkannt würde.
Aufgrund der bei der Polizei eingegangenen Mitteilungen über Sichtungen der Nebenklägerin in ... kam es ab dem 16. März 2018 zu einer Observation der Wohnungen der Angeklagten. Am Nachmittag des 17. März 2018 beobachtete der Zeuge KHK ...von außen die Wohnung. Gegen 18:50 Uhr meinte er, durch ein Fenster des Badezimmers der Wohnung Bewegungen des Angeklagten ... und zweier weiblicher Personen, von denen eine ihm als eine sehr junge Frau erschien, erkennen zu können. Der Zeuge … meinte, erkannt zu haben, dass diese junge Frau, die nach seiner Ansicht die Nebenklägerin hätte sein können, am Angeklagten ... den Oralverkehr ausführte.
Nachdem durch das Amtsgericht ... wiederum eine Durchsuchung der Wohnung angeordnet worden war, stürmte die Polizei am Morgen des 18. März 2018 die Wohnung. Dabei wurden sowohl die beiden Angeklagten als auch die Nebenklägerin in der Wohnung festgestellt. ... ... war mit T-Shirt und Slip bekleidet. Sie wurde durch die Polizeibeamtinnen … und … gebeten, sich umzuziehen. Die von ihr getragene Kleidung wurde sichergestellt und kriminaltechnisch untersucht.
Während die Angeklagten auf die Polizeiwache transportiert wurden, wurde die Nebenklägerin durch die Polizeibeamten erstvernommen und zu einer ärztlichen Untersuchung ins …-Klinikum in ... gebracht, unter anderem auch deswegen, weil sie angegeben hatte, sie befürchtete schwanger zu sein. Dort wurde sie durch den Zeugen … gynäkologisch untersucht, der feststellte, dass die Nebenklägerin nicht schwanger sei, jedoch genauere Untersuchungen im Hinblick auf eine mögliche Verletzung ihres Hymens nicht vornahm. Der Zeuge … nahm jedoch Abstriche aus dem Intimbereich und aus dem Zervix-Kanalbereich von ... ....
Im Slip im Zwickelbereich und im Außenbereich des Slips wurden sekretverdächtige Anhaftungen festgestellt, die untersucht wurden. Dabei konnte mittels PSA-Test menschliches Spermasekret nachgewiesen werden. In der mikroskopischen Untersuchung der Materialprobe im Zwickelbereich konnten Spermatozoen festgestellt werden. An derselben Spur wurde ein autosomales Merkmalsgemisch festgestellt, bei dem die reproduzierbaren Merkmale durch eine Summation der Merkmale von ... ... und dem Angeklagten ... erklärt werden können. Innerhalb dieses Merkmalsgemischs sind die Merkmale von ... ... in allen untersuchten 16 Merkmalssystemen vollständig enthalten, Merkmale des Angeklagten ... waren in 12 der 16 untersuchten Merkmalssystemen vollständig reproduzierbar. Bei einer statistischen Berechnung unter Berücksichtigung lediglich der 12 Merkmalssysteme, in denen die Merkmale des Angeklagten ... vollständig und reproduzierbar vorhanden waren, und unter der Voraussetzung, dass das Merkmalsgemisch von zwei Personen verursacht worden ist, ist es 32,2 Billionen-mal wahrscheinlicher, dass das Merkmalsgemisch durch ... ... und den Angeklagten ... verursacht wurde, als dass die Spur durch ... ... und eine unbekannte Person verursacht wurde. Auch an dem sichergestellten T-Shirt von ... ... konnten sowohl an der Vorderseite des T-Shirts als auch an der Rückseite sekretverdächtige Anhaftungen gesichert und mittels PSA-Test jeweils der Nachweis menschlichen Spermasekrets geführt werden. An der Vorderseite des T-Shirts konnte ein autosomales DNA-Profil festgestellt und ... ... zugeordnet werden, ein Y-Profil stimmt mit dem Profil des Angeklagten ... überein, so dass der Angeklagte ... oder ein mit ihm in gerader Linie männlicher Verwandter als Spurenverursacher in Betracht kommt. An der Rückseite des T-Shirts ergab die Untersuchung ein autosomales Merkmalsgemisch, das durch die Summation der Merkmale von ... ... und von dem Angeklagten ... erklärbar ist. Allerdings waren die Merkmale des Angeklagten ... nicht in allen untersuchten Merkmalen reproduzierbar vorhanden. Weiterhin wurde an der Rückseite des T-Shirts ein einzelnes Y-chromosonales DNA-Profil festgestellt, das mit dem Y-Profil des Angeklagten ... übereinstimmt.
Die Abstriche aus dem Intimbereich von ... ... erbrachten keinen Nachweis von Spermasekret. Bei dem Abstrich aus dem Zervixkanal-Bereich konnte ein geringer Anteil männlicher DNA festgestellt werden, der aber in der Vergleichsuntersuchung kein Ergebnis erbrachte.
Am 19. März 2018 erließ das Amtsgericht ... Haftbefehle gegen die beiden am Vortag vorläufig festgenommenen Angeklagten. Während die Untersuchungshaft gegen den Angeklagten ... bis zum Tag der Urteilsfällung ununterbrochen vollzogen wurde, setzte das Amtsgericht ... den Haftbefehl gegen die Angeklagte ... mit Beschluss vom 9. April 2018 außer Vollzug. Die Angeklagte ... lebt seitdem wieder in ihrer Wohnung in ....
Dort wurde sie am 11. April 2018 erneut durch den Reporter der …-Zeitung, den Zeugen ..., und den ihn diesmal begleitenden Fotografen, den Zeugen …, aufgesucht. Nachdem der Zeuge ... der Angeklagten ... erklärt habe, dass „die Leute“ gerne Näheres über das Schicksal der Nebenklägerin und die Rolle, die die Angeklagten dabei gespielt hätten, erfahren würden, gestattete sie den beiden Pressevertretern, in ihre Wohnung zu kommen und Filmaufnahmen von dem Gespräch zu fertigen. In dem Interview machte sie unter anderem Angaben zu den Tatvorwürfen und zu ihrem Befinden nach der Entlassung.
Neben den Angaben, die die Nebenklägerin unmittelbar nach der Festnahme der Angeklagten am 18. März 2018 gegenüber den Zeuginnen … und … noch im Polizeiwagen machte, wurde sie im Ermittlungsverfahren dreimal als Zeugin vernommen, nämlich am 18. März 2018 polizeilich durch die Polizeibeamtinnen KOKin … und KOKin …, am 26. März 2018 durch die Richterin am Amtsgericht … und am 31. Juli 2018 durch Staatsanwältin …. Sie ist als Zeugin in der Hauptverhandlung am 17. Dezember 2018 aufgetreten und hat sich zunächst umfassend auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht berufen, später in der Hauptverhandlung vom 21. März 2019 aber ihre Angaben im Ermittlungsverfahren freigegeben. Schließlich explorierten sie der Sachverständige Dr. … am 9. April 2019 und der Sachverständige Dr. … am 24. und 25. April sowie am 17. Mai 2019.
Nach der Feststellung der Nebenklägerin in der mütterlichen Wohnung am 18. März 2018 und kurzen Aufenthalten im …-Klinikum in ... und im Jugendnotdienst hielt sich ... ... vom 23. bis 29. März 2018 in der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik des Fachklinikums … wegen Suizidgedankens auf, weil sie von ihrer Mutter – der Angeklagten – als Lügnerin bezeichnet wurde. Sie ist mit der Diagnose einer Anpassungsstörung (ICD-10 F43.2) entlassen worden.
Eine zweite stationäre Behandlung in dieser Klinik erfolgte vom 11. April bis 17. Mai 2018 aufgrund erheblicher Selbstvorwürfe und lebensüberdrüssiger Gedanken, unvorhersehbaren Stimmungsschwankungen, Rückzugsverhalten, Einschlafstörungen und Interessenlosigkeit. Im Laufe der Behandlung konnte sie sich von dem Geschehenen distanzieren. Auch ist es ihr gelungen, die Rolle der Mutter zu hinterfragen und ihr selbstverletzendes Verhalten (Ritzen) zu reduzieren. Sie hatte aber weiterhin Schuldgefühle. Es ist erneut eine Anpassungsstörung (ICD-10 F43.2) diagnostiziert worden.
Nach der Entlassung wurde die Nebenklägerin auf Veranlassung des Jugendamts in einem Kinderheim untergebracht, dessen Anschrift geheim gehalten wird, um Einflussnahmen auf die Nebenklägerin durch die Angeklagten oder deren Bekannte auszuschließen. Es erfolgten weitere ambulante Behandlungen in der Institutsambulanz für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie des Krankenhauses … und in der Traumaambulanz der Uniklinik … wegen Suizidgedankens, Stimmungsschwankungen, Albträumen und Wahrnehmungsstörungen (optisch und taktil) zusammen mit Flashbacks. Auch in der Uniklinik … ist eine Anpassungsstörung diagnostiziert worden. Nach einem ersten Gerichtstermin im Dezember 2018 hatte die Nebenklägerin erneut Suizidgedanken und trank einmal sogar Glasreiniger.
Aktuell ist die Stimmung der Nebenklägerin stabil, Suizidgedanken sind nicht mehr vorhanden. Diagnostisch ist von einer in Remission befindlichen Anpassungsstörung mit gemischten Gefühlen auszugehen. Aus fachärztlicher Sicht liegt bei ihr derzeit keine Posttraumatische Belastungsstörung vor. Der Eintritt einer solchen wird auch eher nicht erwartet, da sie bei den Taten freiwillig und ohne Zwang oder Gewalt mitgewirkt hat. Es besteht jedoch ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer psychischen Störung, wie zum Beispiel Depression und Angst, oder einer Persönlichkeitsstörung. Die konkreten Ursachen dafür konnten nicht geklärt werden.
III.
(Weitere) Vorwürfe aus der Anklageschrift vom 20. August 2018
Den Angeklagten wurde mit Anklageschrift der Staatsanwaltschaft ... vom 20. August 2018 die Begehung folgender Straftaten vorgeworfen:
„Die Angeklagte ... ist Mutter der am … geborenen ... .... Ihr ist das Aufenthaltsbestimmungsrecht durch das Amtsgericht … entzogen worden. Für das Kind ist die Zeugin ... als Vormund bestellt worden.
Seit über 10 Jahren befindet sich ... in Heimunterbringung, zuletzt im „…“ in ..., ….
1.
An einem nicht genau feststellbaren Tag zwischen Mai 2017 und dem 05.10.2017, als ... zu Besuch in der Wohnung ihrer Mutter, ..., war, hielten sich die Angeklagten mit der damals 12jährigen ... im Bad auf. Nachdem der Angeklagte seine Notdurft verrichtet hatte, nahm die Angeklagte ... dessen Penis in die Hand und manipulierte daran. ... bat ihre Mutter, diese Handlung auch vollziehen zu dürfen. Die Angeklagte ... nahm dazu die Hand des Kindes, umschoss diese um den Penis des Angeklagten ... und zeigte dem Kind, wie man einen Mann manuell befriedigt. Gemeinsam führten sie bis zum Samenerguss Masturbationsbewegungen durch.
2.
Am 05.10.2017 kehrte ... nach einem Arztbesuch in der Praxis Dr. …/… in der … in ... nicht in das Kinderhaus zurück und hielt sich seitdem in der Wohnung der Angeschuldigten und ihres Lebensgefährten, dem Angeklagten ..., auf. Teilweise wohnte sie in der Wohnung ihrer Mutter, ..., teilweise in der im selben Aufgang befindlichen Wohnung, die neu bezogen werden sollte und teilweise in der Wohnung des Angeklagten ..., .... Während behördlicher Kontrollen am 07.10., 11.10. und 14.11.2017 versteckten sie das Kind in einem Hohlraum der Schlafcouch im Wohnzimmer. Beide gaben wahrheitswidrig gegenüber der Polizei und der Presse an, den Aufenthalt des Kindes nicht zu kennen. Wegen der öffentlichen Fahndung nach ... besorgte der Angeklagte zur Tarnung ein Haarfärbemittel, schnitt dem Kind die Haare kürzer und färbte es rot.
Am Abend des 17.03.2018 wurde ... durch Fahndungsbeamte in der Wohnung der Angeklagten ... gesehen. Nachdem sich die Beamten der Identität des Kindes versichert hatten, stürmten sie gegen Mittag des 18.03.2018 die Wohnung. In dieser wurden die Angeklagten mit ..., die nur mit Slip und T-Shirt bekleidet war, aufgefunden.
Während der über 5 Monate andauernden Zeit durfte das Kind die Wohnung nicht verlassen, nicht zur Schule gehen und mit niemanden, außer den beiden Angeklagten Kontakt aufnehmen. Sie wurde zu sexuellen Handlungen missbraucht, wobei sogar die Absicht bestand, dass der Angeklagte ... das Kind schwängert, um ihm in der Wohnung ein eigenes Kind zu gebären.
Dadurch brachten die Angeklagten ... in die Gefahr einer erheblichen Schädigung der körperlichen und seelischen Entwicklung.
Am Abend des 05.10.2017 lagen die Angeklagten mit ... entkleidet auf der Couch. Das Kind nahm den Penis des Angeklagten in die Hand und manipulierte daran. Es wechselte sich dann mit der Angeklagten ... ab, die den Angeschuldigten ebenfalls manuell befriedigte. Während dessen fasste der Angeklagte ... ... an die Scheide und führte seinen Mittelfinger in sie ein. Anschließend vollzog er vor dem Kind mit der Angeklagten ... den Geschlechtsverkehr.
4. und 5.
Am 06.10.2017 und 07.10.2017 lagen die Angeklagten mit ... unbekleidet auf der Couch. An beiden Tagen nahmen die Angeklagten ... und ... abwechselnd den Penis des Angeklagten ... in die Hand und masturbierten daran. Zeitgleich steckte er einen Finger in die Scheide des Kindes, legte sich dann auf ..., führte seinen Penis in sie ein und vollzog mit ihr den ungeschützten Geschlechtsverkehr. Kurz vor dem Erguss zog er den Penis wieder heraus, legte sich dann auf die Angeklagte ... und vollzog vor dem Kind mit ihr bis zur Ejakulation den Beischlaf.
6. bis 29.
In der Zeit vom 09.10.2017 bis 31.12.2017 ließ sich der Angeklagte ... während der 12 Wochen mindestens zweimal wöchentlich, entweder im Bad oder auf der Couch im Wohnzimmer, mithin in 24 Fällen, von ... mit der Hand bis zum Samenerguss befriedigen. Dabei wechselte sie sich stets mit der Angeklagten ... ab.
30. bis 53.
Vom 09.10.2017 bis 31.12.2017 ließ sich der Angeklagte mindestens zweimal wöchentlich, mithin in 24 Fällen, abwechselnd im Wohnzimmer auf der Couch von ... und der Angeklagten ... mit der Hand am Penis anfassen, die daran masturbierten. Zeitgleich fasste er dem Kind an die Scheide, führte einen Finger ein, legte sich dann auf ... und vollzog mit ihr den Geschlechtsverkehr. Danach legte er sich auf die Angeklagte ... und führte mit ihr ebenfalls im Beisein des Kindes den Beischlaf durch.
54. bis 73.
In der Zeit vom 01.01.2018 bis 12.03.2018 ließ sich der Angeklagte ... in den 10 Wochen, mindestens zweimal wöchentlich, mithin in 20 Fällen im Bad oder auf der Couch im Wohnzimmer im Beisein der Angeklagten ... und abwechselnd mit ihr, mit der Hand von ... an den Penis fassen und manuell bis zum Samenerguss befriedigen.
74. bis 93.
In der Zeit vom 01.01.2018 bis 12.03.2018, ließ er sich zweimal wöchentlich, mithin in 20 Fällen zunächst abwechselnd von ... und der Angeklagten ... manuell befriedigen, dann legte er sich auf ..., fasste ihr an die Scheide, führte einen Finger ein und vollzog anschließend den Geschlechtsverkehr. Danach legte er sich auf die Angeklagte ... und führte auch mit ihr im Beisein des Kindes den Beischlaf durch.
In mindestens 3 Fällen vollzog ... an ihm den Oralverkehr. Auch der Angeklagte leckte an mindestens 3 Tagen an der Scheide des Kindes.
94.
Am 13.03.2018 lagen die Angeklagten mit ... auf der Couch im Wohnzimmer. Das Kind nahm den Penis des Angeklagten in die Hand und masturbierte daran.
95.
Am Nachmittag des 17.03.2018 zogen sich die Angeklagten und ... vollständig aus und legten sich im Wohnzimmer auf die Couch. Der Angeklagte fasste an die Scheide des Kindes, führte einen Finger ein und vollzog danach zunächst mit ... und anschließend mit der Angeklagten ... den Geschlechtsverkehr.
96.
Am Abend des 17.03.2018 hielt sich ... mit dem Angeklagten ... im Bad der Wohnung auf. Nachdem der Angeklagte ... seine Notdurft verrichtet hatte, fasste ... an den Penis des Angeklagten und befriedigte ihn bis zum Samenerguss manuell. Die Angeklagte ..., die von den Taten Kenntnis hatte, schritt dagegen nicht ein.“
IV.
Beweiswürdigung
1. Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen
a) Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen der Angeklagten ...
Die Angeklagte ... hat sich zu ihren persönlichen Verhältnissen – wie auch zur Sache – in der Hauptverhandlung nicht eingelassen.
Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen der Angeklagten ... beruhen im Wesentlichen auf den Ausführungen des Sachverständigen ...zum Lebenslauf der Angeklagten im Rahmen seiner Gutachtenerstattung. Dass sie im Alter von zwölf Jahren erste sexuelle Kontakte gehabt hat, berichtete die Angeklagte ... dem Journalisten ....
In der Hauptverhandlung wurde zudem der Auszug aus dem Bundeszentralregister die Angeklagte ... betreffend vom 2. Juli 2019 verlesen.
Die Kammer hat ferner den Vater von ... und ... ..., ..., und ihren Onkel, …, als Zeugen vernommen. ... berichseine tete über Gewalttätigkeiten gegenüber der Angeklagten ..., was … bestätigte.
In der Hauptverhandlung wurden auch die Beschlüsse des Amtsgerichts ... vom 7. Dezember 2007 und vom 26. Mai 2008 verlesen, die Auskunft über die der elterlichen Sorge entzogenen Aufgabenkreise geben. Die Zeugin ... hat zudem bekundet, dass sie seit dem Frühjahr 2013 als Mitarbeiterin des Jugendamtes ... die Pflegschaft für die Kinder in den Angelegenheiten Aufenthalt, Gesundheit, Kita-Angelegenheiten und Entwicklungsförderung ausübe, seit Anfang 2019 sei die elterliche Sorge der Angeklagten ... ganz entzogen und das Jugendamt ... als Vormund für die beiden Mädchen bestellt. Ebenso wie ...– als Bezugsbetreuerin von ... und ... in der familiennahen Wohngruppe des Trägers „…“ – konnte ... über die Zusammenarbeit mit der Angeklagten ... und ihre Kontakthaltung zu den Kindern und den Veränderungen, nachdem der Angeklagte ... der Lebensgefährte der Angeklagten ... wurde, wie festgestellt berichten. Übereinstimmend mit der Einlassung des Angeklagten bekundeten beide Zeuginnen zu den sich immer mehr zuspitzenden Auseinandersetzungen mit den beiden Angeklagten, wobei sie auch beschrieben, dass letztlich nur der Angeklagte ... aufgetreten sei, während die Angeklagte ... ihm sämtliche Vollmachten erteilt und ihm sämtliche Aktivität überlassen habe. Dies steht in Übereinstimmung mit den Angaben des Angeklagten ... in der Hauptverhandlung. Dass sowohl die Zeuginnen ... und … als auch der Angeklagte ... aus dem kritisierten Verhalten des jeweils anderen die eigenen Schlüsse zieht, ist nach Auffassung der Kammer Ausdruck der Streitigkeiten zwischen den Beteiligten.
b) Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten ...
Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten ... beruhen auf seinen eigenen Einlassungen dazu in der Hauptverhandlung, soweit die Kammer diesen gefolgt ist, sowie den Angaben des Sachverständigen Dr. … zu den Ausführungen des Angeklagten zu seinem Lebenslauf im Rahmen seiner Gutachtenerstattung, den Angaben seines als Zeugen vernommenen älteren Bruders ... sowie den durch Verlesen zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemachten Feststellungen in den Urteilen des Landgerichts Berlin vom 9. April 2008 und vom 12. Mai 2009 sowie des Amtsgerichts Tiergarten vom 26. Februar 2013. In der Hauptverhandlung wurde zudem der Auszug aus dem Bundeszentralregister den Angeklagten ... betreffend vom 2. Juli 2019 verlesen.
2. Feststellungen zu den Taten
Im Ergebnis der Beweisaufnahme vermochte die Kammer lediglich die unter II. beschriebenen Feststellungen zu treffen.
Der die Missbrauchstaten bestreitende Angeklagte ... hat sich durch Erklärungen und Anträge zur Sache eingelassen. Auf diesem Wege hat er unter anderem erklärt, dass er es für möglich halte, dass zur Zeit der Verhaftung am 18. März 2018 die Nebenklägerin einen Slip der Angeklagten, ihrer Mutter, getragen habe. Auch habe sich die Nebenklägerin oft selbst befriedigt, wodurch sie zeitweise eine wunde Scheide gehabt habe. Vielleicht habe sie mit seinem Ejakulat Selbstversuche in der Hoffnung auf eine Schwangerschaft unternommen. Es habe in der Wohnung einen Kunststoffbehälter gegeben, der mit benutzten Taschentüchern gefüllt gewesen sei, die zum Teil auch zum Abwischen von Ejakulat verwendet worden seien. Auch sei es möglich, dass mit dem sichergestellten T-Shirt Ejakulat abgewischt worden sei und der Stoff in einer Größe von 1 cm x 3 cm übereinander gelegen habe.
Zudem sei die Doppelcouch für Sex zu dritt zu klein. ... ... habe sich unter anderem auch den Pornofilm „Vater fickt junge Tochter“ angeschaut und sei daher auf Sex mit ihm als „Papa“ gekommen.
Der Angeklagte ... gab weiterhin an, dass vaginaler Geschlechtsverkehr bei ... ... noch nicht stattgefunden haben könne, weil der Zeuge … bekundet habe, dass ihr Hymen intakt sei.
Falls es zu Handlungen sexuellen Missbrauch gegenüber der Nebenklägerin gekommen sein sollte, spreche viel dafür, dass diese von ihrem leiblichen Vater, dem Zeugen ..., oder einem … durchgeführt worden seien. Die Nebenklägerin habe jedenfalls gewusst, dass sexuelle Handlungen mit Kindern strafbar seien.
Die ihm zur Last gelegten Taten hat der Angeklagte insoweit zurückgewiesen, als er sich eingelassen hat, zu sexuellen Handlungen zwischen der Nebenklägerin und ihm sei es überhaupt nicht gekommen. Während der Angeklagte ... zunächst ein sehr positives Bild von ... ... beschrieb, wurde sie im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung als Lügnerin und Diebin dargestellt, die den Angeklagten ... bewusst wahrheitswidrig belaste.
Soweit ihm eine „Kindesentziehung“ vorgeworfen werde, habe sich die Nebenklägerin selbstständig in die Wohnung ihrer Mutter begeben und sei aufgrund ihres eigenen Willens dort geblieben, bis die Wohnung am 18. März 2018 durch die Polizei gestürmt worden sei. Im Übrigen sei von rechtfertigendem Notstand auszugehen, da im Heim die Verwahrlosung der Kinder gedroht habe.
Die Feststellungen zu den Taten beruhen, soweit sie das Verschwinden von ... ... betreffen, zum einen auf der Einlassung des Angeklagten ..., der nicht in Abrede gestellt hat, dass sich ... ... ab dem 5. Oktober 2017 bis zur Wohnungsdurchsuchung am 18. März 2018 in einer der Wohnungen der Angeklagten ... aufgehalten hat. Diese Angaben decken sich auch mit den Angaben von ... ... im Ermittlungsverfahren.
... ... hat in der Hauptverhandlung zunächst umfassend von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht. Über ihre Anwältin wandte sie sich dann schriftlich an das Gericht, so dass sie nochmals geladen wurde. In dem Folgetermin hat sie – bei erneuter Berufung auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht bezüglich der Vernehmung vor der Kammer – entsprechend ihrer schriftlichen Ankündigung sämtliche ihrer Aussagen aus dem Ermittlungsverfahren „freigegeben“. ... ... wurde ausführlich und qualifiziert belehrt und hat gegenüber der Kammer bekundet, dass ihre Aussagen aus dem Ermittlungsverfahren insgesamt verwertet werden sollen.
Die Kammer hat daher die Vernehmungsbeamtinnen im Ermittlungsverfahren, KOKin … und KOKin …, die die polizeiliche Vernehmung vom 18. März 2018 durchgeführt haben, als Zeuginnen vernommen, die über ihre Wahrnehmungen und Erinnerungen an die Vernehmung von ... ... bekundet haben.
Die Ermittlungsrichterin Dr. …, die die richterliche Vernehmung vom 26. März 2018 durchgeführt hat, wurde vernommen. Es wurde auch die Bild-Ton-Aufzeichnung dieser richterlichen Vernehmung vorgeführt.
Weiterhin wurde Staatsanwältin … als Zeugin gehört, die ... ... am 31. Juli 2018 nochmals vernommen hatte.
Die Kammer hat in der Hauptverhandlung Betreuer, Lehrer und Freundinnen – … und … – von ... ... vernommen. Alle haben in Übereinstimmung mit der Einlassung des Angeklagten angegeben, dass ... ... ab dem 5. Oktober 2017 verschwunden gewesen sei. Lehrer – … und … – und Betreuer – … und ...als Bezugsbetreuerin der Geschwister ... – haben zudem zu der schulischen Entwicklung und Leistungsfähigkeit von ... ... bekundet. … von der Schulbehörde bekundete über die Schulsituation von ... ... und die Bemühungen des Angeklagten ... um ihre Beschulung in der Regelschule. Diese Zeugen konnten bestätigen, dass der Angeklagte ... sich um die schulischen Belange von ... ... gekümmert habe. Die Lehrer schätzten aber ein, dass der Angeklagte ... ... teilweise auch überfordert habe.
Auskunft über die Ermittlungen im Zusammenhang mit dem Verschwinden von ... ... gaben Polizeibeamte, die Hinweisen zu Sichtungen von ... ... in ...nachgingen, und Staatsanwältin ….
Im Hinblick auf den ersten Anruf in der Wohnung der Angeklagten am Abend des 5. Oktober 2017 konnte die Kammer aufgrund der Angaben der Zeugin ..., die diesen Anruf getätigt hat, feststellen, dass das Gespräch mit dem Angeklagten ... geführt wurde. ... hat bekundet, dass sie am 5. Oktober 2017 durch einen Mitarbeiter des ...informiert worden sei, dass ... nicht in die Einrichtung zurückgekehrt sei und es sich herausgestellt habe, dass sie nach dem Arztbesuch auch nicht in der Schule erschienen sei. Sie habe gewusst, dass der Angeklagte ... ... ... zu dem Arzttermin begleitet habe und gleich vermutet, dass sich ... bei ihrer Mutter und dem Angeklagten ... aufhalte. Sie habe daraufhin auf dem Anschluss der Angeklagten ... angerufen, dort aber nur den Angeklagten ... erreicht, der auf ausdrückliche Nachfrage ihr gegenüber angegeben habe, dass sich die Nebenklägerin nicht in der Wohnung ihrer Mutter aufhalten würde und er auch nicht wisse, wo sie sei.
Zur Frage, ob die Angeklagte selbst auch bei diesem Gespräch zugegen gewesen sei oder es überhaupt nicht mitgekriegt habe, konnte die Kammer keine Feststellungen treffen, so dass hier zugunsten der Angeklagten davon auszugehen war, dass der Angeklagte ... dieses Telefongespräch allein und ohne ihr Wissen geführt hat.
... hat weiterhin bekundet, dass sie verwundert darüber gewesen sei, dass der Angeklagte ... so ruhig reagiert habe, sie hätte Beschwerden oder Beschuldigungen erwartet, da das Verhältnis zwischen ihnen zu diesem Zeitpunkt bereits sehr angespannt und gestört gewesen sei. Seitens des ...ei unverzüglich eine Vermisstenanzeige bei der Polizei erstattet worden.
Die Zeugen POM ... und PM ... berichteten, wie sie am 7. Oktober 2017 die Wohnung der Angeklagten ... und ... aufgesucht haben. Beide haben übereinstimmend angegeben, dass die Angeklagten sie bereitwillig in ihre jeweiligen Wohnungen gelassen hätten. Sie seien in zwei Wohnungen gewesen, ... ... hätten sie nicht auffinden können.
POM ...und POM ...haben die Durchsuchung am 11. Oktober 2017 durchgeführt und dazu wie festgestellt bekundet.
Wiederum POM …, diesmal in Begleitung von PHM ..., hat am 14. Oktober 2017 die Durchsuchung durchgeführt. Beide Beamte haben wie festgestellt bekundet und angegeben, dass ihnen eine zweite Wohnung der Angeklagten ... im gleichen Hausaufgang nicht bekannt gewesen sei. Sie hätten jeweils zwei Wohnungen in unterschiedlichen Hausaufgängen durchsucht, dabei habe die Wohnung des Angeklagten ... den Eindruck gemacht, als sei sie lange nicht benutzt worden.
Die Kammer hat zudem die Polizeibeamten … und … gehört, die am 18. März 2018 die Angeklagten in ihrer Wohnung festgenommen haben. Die Wohnungen – diesmal drei – der Angeklagten seien an diesem Tag durchsucht worden.
Entgegen der Einlassung des Angeklagten ... ist die Kammer davon überzeugt, dass es in der Zeit von Oktober 2017 bis März 2018 zu sexuellen Handlungen zwischen ihm und ... ... im Beisein der Angeklagten ... kam.
Die konkret individualisierten drei Handlungen, die der Verurteilung zu Grunde gelegt werden konnten, schließt die Kammer im Wesentlichen aus den Bekundungen des Zeugen ....
So ist die Kammer zunächst davon überzeugt, dass es am 6. oder 7. Oktober 2017 (Tat Nr. 4 bzw. 5) zu einem vaginalen Geschlechtsverkehr des Angeklagten ... mit ... ... im Beisein der Angeklagten ... gekommen ist. In der Folgezeit bis zum 17. März 2018 gab es zur vollen Überzeugung der Kammer mindestens einen weiteren vaginalen Geschlechtsverkehr des Angeklagten ... mit ... ... im Beisein der Angeklagten ... (eine der unter 30. bis 53. und 74. bis 93 konkretisierte Tat). Zu einer weiteren Handlung (eine weitere der unter 30. bis 53. und 74. bis 93 konkretisierte Tat) innerhalb dieser Zeit kam es zur Überzeugung der Kammer dergestalt, dass der Angeklagte ... zunächst mit ... ... im Beisein ihrer Mutter den vaginalen Geschlechtsverkehr ausführte, dann auf die Angeklagte ... wechselte und im Beisein des Kindes mit der Angeklagten ... den vaginalen Geschlechtsverkehr vollzog.
So hat... zunächst bereits zur Vorgeschichte bekundet, dass der Angeklagte ... sich an die Redaktion der …zeitung gewandt und um Unterstützung bei der Suche nach der Stieftochter gebeten habe: Die Stieftochter sei aus dem Kinderheim abgängig, man müsse das Mädchen wiederfinden. Er –... – sei dann gemeinsam mit einem Fotografen nach … zu den Angeklagten gefahren und habe diese in der Wohnung besucht.... bekundete, dass ihm aufgefallen sei, dass in den Gesichtern kaum Sorge um das Kind zu sehen gewesen sei. Der Angeklagte ... habe ihm in diesem ersten Gespräch auch mitgeteilt, dass die Polizei schon mehrmals die Wohnung in ...durchsucht habe. Der Angeklagte ... habe das Wort geführt, die Angeklagte ... sei eher ruhig gewesen. Zwar habe er selbst auch die Angeklagte ... gefragt, was sie denke, sie sei allerdings still geblieben und habe nicht geantwortet. Der Angeklagte ... habe in diesem Gespräch schlecht über den leiblichen Vater von ... gesprochen, der sei Alkoholiker. Die Kinder seien wegen des Verhaltens des leiblichen Vaters in die Heimunterbringung geraten. Innerhalb der Unterbringung im Kinderheim sei es zu sexuellen Übergriffen auf ... gekommen. Der Angeklagte ... habe über gemeinsame Familienplanung mit der Angeklagten ... und den Kindern berichtet. Ihm gegenüber habe der Angeklagte ... angegeben, dass er sich liebevoll um die Kinder gekümmert habe, er habe insbesondere ... bei den Hausaufgaben geholfen. Dies habe auch die Angeklagte ... bestätigt.
Der Angeklagte ... habe ihm nach dem Gespräch dann noch handschriftliche Briefe der Stieftochter per Brief zugeschickt. Dort habe man die Gründe aufgefunden, die in seinen Augen für das Sorgerecht der Mutter und des Stiefvaters sprachen.
Der erste Artikel sei dann im Februar 2018 erschienen. Das sei bereits einige Zeit nach seinem Besuch in ... gewesen, weil er eigentlich noch die Anwältin der beiden Angeklagten habe sprechen wollen. Der Angeklagte ... habe ihm nämlich mitgeteilt, dass ... den Brief bei der Anwältin in den Briefkasten gesteckt habe.
Einige Zeit nach seinem Interview sei das Mädchen dann gefunden worden. Er sei dann – die Angeklagte ... sei ja aus der Untersuchungshaft entlassen worden – wieder nach ...gefahren. Er habe wissen wollen, was da los gewesen sei. Eigentlich habe er damit gerechnet, dass die Angeklagte ... ihm gleich die Tür vor der Nase zuschlage, aber sie habe ihn erkannt und dann auch hineingebeten. Die Angeklagte ... habe bereitwillig mit ihm reden wollen.
... bekundete bei der Kammer ausführlich über sein zweites Gespräch mit .... Er habe wieder einen Fotografen – diesmal … – mitgenommen. Als er an der Wohnungstür von ... geklingelt habe, habe er zunächst selbst gefilmt, als sie dann zu einem Gespräch bereit gewesen sei, habe … die Filmaufnahmen übernommen.
Die Angeklagte... habe ihm gegenüber dargestellt, dass ... ... das gewollt habe, ihr Mann auch. Wann es genau losgegangen sei, habe sie nicht mehr gewusst, am 6. oder 7. Oktober ungefähr, es sei für sie nicht komisch gewesen, die Tochter habe alles vor ihren Augen gemacht. Ihre Tochter sei eben mit 13 Jahren schon frühreif, aber sie selbst sei ja immer dabei gewesen. Was habe sie denn machen sollen, die Tochter sei eben so frühreif. Sie könne da nicht sagen, dass es das nicht gebe. Was solle ihr Freund auch machen, wenn sie ihm „ans Gemächt greife“, da werde „der auch steif“. Dann passiere es eben. Die Tochter habe es so gewollt. Solange die Tochter bei der Angeklagten ... gewesen sei, solange sei es auch so gegangen. Am 5. Oktober sei ihre Tochter gekommen, am 6. oder 7. sei es dann passiert. Da sei es dann „richtig losgegangen“. Vorher bei den Besuchen ihrer Töchter sei nichts gewesen. In der Zeit habe man zusammen auf der Couch geschlafen, wenn die Polizei gekommen sei, habe ... sich in der Couch versteckt. Sie habe selbst auch weiterhin Sex mit dem Angeklagten ... gehabt und sei immer dabei gewesen, wenn der Angeklagte ... Sex mit ihrer Tochter gehabt habe. Es sei ungerecht, dass sie beide jetzt dafür bestraft würden. Die Tochter habe nicht zurück ins Heim gewollt, habe auch in ... zur Schule gehen wollen, das habe man ihr alles kaputt gemacht. Sie sei auf ihre Tochter nicht eifersüchtig gewesen. Sie könne doch nichts dafür, wenn die Tochter das wolle, sie „tue sie nicht abhalten“.
Er – ... – habe sie auch gefragt, ob sie es auch zu dritt gemacht hätten. Dies habe sie bejaht. Der Mann habe sich dann um beide gekümmert.
Sie nehme in Kauf, was da auf sie zukomme. Am ersten Abend sei noch nichts gewesen. Am 6. oder 7. Oktober sei es losgegangen, dann sei es „normal“ geworden. Ihre Tochter habe alles zugegeben, sie selbst erst alles abgestritten, aber dann auch zugegeben.
Die Angeklagte ... habe ihm – dem Zeugen – auch über ihre die richterliche Vernehmung ihrer Tochter berichtet. Die Vernehmung habe sie auf dem Fernseher beobachtet. Sie sei mit ihrem Anwalt da gewesen und auch der habe gesagt, „da haue irgendetwas nicht hin“. Am 8. März 2018, das sei ihr Geburtstag gewesen, da könne gar nichts gewesen sein. Es sei gar nicht gegangen, weil ihr Geburtstag gefeiert worden sei.
Die Tochter habe es so gewollt. Sie selbst habe daneben gesessen und zugeschaut. Was habe sie auch machen sollen. Sie habe der Tochter gesagt: „mache“; sie könne ruhig die Wahrheit sagen. Sie nehme das in Kauf. Sie wisse, wie das sei in der Pubertät, sie sei genauso gewesen. Sie sei 12 Jahre alt gewesen und habe einen 43jährigen Partner gehabt. Sie habe zu ihrer Tochter aber immer auch gesagt, in den Knast gehe sie deswegen nicht.
Auf Nachfrage habe ihm die Angeklagte ... berichtet, dass sie mit dem Angeklagten ... auch weiterhin Sex gehabt habe.
Ihre Tochter sei auch dabei gewesen, habe zugeguckt und gefragt: „Mama, wie ist denn das?“. Da habe nur sie Sex mit ihrem Mann gehabt. Da sei am 6. März 2017 gewesen. Es sei auch nicht komisch gewesen, dass ihre Tochter bei dem Sex zugeschaut habe.
Es kann sein, dass schon im März etwas gewesen sei, da sei sie selbst nicht dagewesen.
Ihre Tochter habe sich auch selbst „gefingert“.
Im Laufe des Interviews habe sie dann berichtet, sie seien alle zusammen auf der Couch gewesen, sie selbst habe ferngesehen. Dann habe es manchmal hinter ihr geraschelt und die beiden hätten losgelegt. Das sei am 8. März 2018 gewesen, so soll ... es gesagt haben. Sie wisse das alles gar nicht mehr so genau. Vorher sei nichts gewesen. Am 17. März sollen sie es auf der Toilette getrieben haben. Das alles habe ihre Tochter gesagt. Das sei alles dieses Jahr im März gewesen. Am 8. März, „auf ihrem Geburtstag“, sei das alles passiert, vorher nichts.
Der Zeuge …, der den Zeugen ... bei seinem zweiten Besuch in der Wohnung der Angeklagten als Fotograf begleitete, hat dazu folgende Angaben gemacht: Er sei nur einmal in dieser Sache in ...gewesen; da sei er mitgefahren, um für den Journalisten ... Fotografien zu machen. Der Zeuge ... habe die Angeklagte im Wohnzimmer gefragt, ob sie filmen dürften, was die Angeklagte ... bejaht habe. Dann habe dieser sie zu den bekannten Vorwürfen befragt, wobei der Zeuge … selbst sich an einzelne Inhalte nicht erinnern könne. Er könne aber sagen, dass die Angeklagte auf alle Fragen, die der Zeuge ... ihr gestellt habe, bereitwillig geantwortet habe. Für den Zeugen … habe sich das Ganze als eine völlig offene Gesprächssituation dargestellt. Er habe sowohl Fotografien gemacht als auch Videosequenzen mit dem iPhone aufgenommen. Die Aufteilung in einzelne Sequenzen habe den Grund, dass er zwischendurch auch Fotos habe machen müssen. Zu welchen Zeitpunkten er gefilmt und zu welchen er fotografiert habe, habe er selbst entschieden.
Die Kammer hat keinen Anlass, am Wahrheitsgehalt der Angaben der Zeugen ... und … zu zweifeln. Beide haben weitgehend übereinstimmend den Ablauf des Geschehens beim gemeinsamen Besuch der Angeklagten ... in ... geschildert. Beide haben angegeben, dass der Zeuge ... die Angeklagte gefragt habe, ob der Zeuge … das Interview filmen dürfe. Soweit die Aussagen dahingehend voneinander abweichen, ob die diesbezügliche Befragung bereits an der Tür oder erst im Wohnzimmer erfolgt sei, kann von unbeachtlichen Erinnerungslücken ausgegangen werden. Auch hat es keinen Einfluss auf die Verwertbarkeit der Aufnahmen vom Interview, ob der Zeuge ... die Angeklagte bereits an der Tür oder erst im Wohnzimmer um die Filmerlaubnis gebeten habe. Diese hat sie jedenfalls mit den Worten, dass das okay sei, zweifellos erteilt. Dass das Interview nur in Teilen gefilmt wurde, haben beide Zeugen übereinstimmend angegeben und dies auch nachvollziehbar begründet. Der Zeuge ..., der das Interview führte und hinterher den entsprechenden Zeitungsartikel fertigte, gab auch den Inhalt des Interviews und insbesondere die Äußerungen der Angeklagten weitgehend so wieder, wie sie sich auf den Filmabschnitten, die große Teile des Interviews wiedergeben und vollständig von allen Prozessbeteiligten auf einer Videoleinwand betrachtet werden konnten, darstellen. Eben die vom Zeugen ... wiedergegebenen Äußerungen der Nebenklägerin lassen sich teils wörtlich, teils zumindest inhaltlich übereinstimmend in den einzelnen Filmsequenzen wiedererkennen.
Die Kammer kann aufgrund der oben dargestellten intellektuellen Minderbegabung der Angeklagten ... ausschließen, dass sie in der Lage gewesen wäre, sich ein derartiges Geschehen, wie sie es den Journalisten ... und … mitgeteilt hat, auszudenken. Es ist auch kein Grund ersichtlich, warum sie sich und den Angeklagten ... fälschlich gegenüber den beiden Journalisten bezichtigen sollte. Ihr war auch aufgrund der vorherigen Berichterstattung im Zusammenhang mit dem Verschwinden ihrer Tochter zudem bewusst, dass die Journalisten über dieses Gespräch einen Artikel schreiben und veröffentlichen würden.
Aus diesen Angaben der Zeugen ... und ... sowie den aufgezeichneten Äußerungen der Angeklagten ... gegenüber den Zeugen ergibt sich für die Kammer eindeutig, dass zumindest die oben unter II. 1. bis 3. konkretisierten sexuellen Handlungen zwischen den Angeklagten und der Nebenklägerin tatsächlich so, wie dort beschrieben, stattgefunden haben. So schließt die Kammer aus der Angabe der Angeklagten ..., dass es am 6. oder 7. Oktober losgegangen sei, dass an einem dieser beiden Tage der erste Geschlechtsverkehr zwischen dem Angeklagten ... und ... ... stattgefunden hat und die Angeklagte ... dabei gewesen ist und diesen bemerkt hat. Aus der Angabe, dass „es dann richtig losgegangen sei“ schließt die Kammer, dass es wenigstens noch eine weitere gleichartige Tat gegeben haben muss. Zu Gunsten der Angeklagten hat die Kammer aber unterstellt, dass es lediglich mindestens eine weitere Tat gegeben hat. Im Hinblick auf die dritte Handlung, zu der die Angeklagte ... in dem in Augenschein genommenen Handyvideo lediglich sagt, dass sie es dann auch zu dritt gemacht hätten und ihr Mann sich um beide gekümmert habe, geht die Kammer zu ihren Gunsten davon aus, dass sie selbst sexuelle Handlungen lediglich mit dem Angeklagten ... vor den Augen der Nebenklägerin, nicht jedoch mit der Nebenklägerin selbst ausgeführt hat. Aus dieser Äußerung der Angeklagten ... schließt die Kammer, dass es zum vaginalen Geschlechtsverkehr zwischen der Angeklagten ... und dem Angeklagten ... im Beisein von ... ... gekommen ist. So hat die Angeklagte ... gegenüber ... auch angegeben, dass sie selbst weiterhin Sex mit dem Angeklagten ... gehabt habe und „die Tochter“ dabei gewesen sei und zugeschaut habe.
Die Kammer konnte auf diese Darstellungen der Angeklagten ... gegenüber dem Journalisten ... die Verurteilung der Angeklagten stützen. Sie stehen zudem in Einklang mit den übrigen Beweisergebnissen.
Die Kammer hat dabei auch berücksichtigt, dass die Angaben der Angeklagten ... gegenüber den Journalisten teilweise widersprüchlich waren, insbesondere auch bei den zeitlichen Angaben. Es zeigt sich aber in den Filmausschnitten, dass die Angeklagte anfänglich wiederholt angegeben hat, dass es am 6. oder 7. Oktober losgegangen sei. Die Angeklagte hat die Verbindung zum Erscheinen in der Wohnung am 5. Oktober gezogen und betont, da sei noch nichts passiert. Bei der späteren Erklärung, es sei an ihrem Geburtstag am 8. März 2018 erstmalig zum Sex gekommen, davor sei nichts passiert, war zum einen schon nicht klar, ob sie dabei nicht nur über die Aussage der Tochter in der richterlichen Vernehmung berichten wollte, worauf ihr Ausspruch, „soll sie gesagt haben“ hindeutet. Zum anderen steht diese Aussage auch der zuvor getätigten Angabe, auf dem Geburtstag sei nicht passiert, weil sie gefeiert hätten, entgegen. Es ließe sich nicht erklären, warum sie zunächst wiederholt den 6. bzw. 7. Oktober (2017) als Tag erster sexueller Handlungen benennt, wenn es tatsächlich erst viel später, nämlich an ihrem Geburtstag am …2018, und somit kurz vor dem Polizeieinsatz am 18. März 2018 zu ersten sexuellen Handlungen gekommen wäre. Zu diesem Zeitpunkt gegen Ende des Interviews ließ zudem die Konzentrationsfähigkeit der Angeklagten ... nach. Sie konnte den Fragen des ... offensichtlich nicht mehr richtig folgen.
Die Feststellungen, die die Kammer aufgrund der Angaben der Zeugen ... und ... getroffen hat, stehen zudem in Einklang mit den generellen Angaben von ... ... im Ermittlungsverfahren. So hat sie durchgängig in allen Vernehmungen, sei es bei der Polizei, der Richterin oder der Staatsanwaltschaft angegeben, dass es zu sexuellen Handlungen mit dem Angeklagten ... im Beisein ihrer Mutter – der Angeklagten ... – in der Zeit gekommen sei, als sie aus dem Heim abgängig gewesen sei. Auch im …-Klinikum hat sie gegenüber den dortigen Mitarbeitern „Sexualverkehr mit Papa“ angegeben bzw. dass „Papa“ mit ihr „geschlafen“ habe.
Die Kammer schließt auch aus der offensichtlichen Angst von ... ... vor einer Schwangerschaft darauf, dass der Geschlechtsverkehr mit dem Angeklagten ... ungeschützt vollzogen wurde.
Die Kammer hat insoweit auch keinen Anlass, die Angaben von ... ... generell in Zweifel zu ziehen. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass die Aussagen von ... ... insgesamt wenig detailreich sind. Zudem weitet ... ... in ihren Vernehmungen Anzahl und Ausmaß der Übergriffe aus, in der richterlichen Vernehmung für die Kammer auch offensichtlich darum bemüht, die bereits lange andauernde Befragung zu beenden und die Erwartungen der Fragenden zu erfüllen.
Der Kammer war es zudem verwehrt, Widersprüche und Unklarheiten durch eigene Nachfragen an die Zeugin aufzuklären. Die Kammer ist aber davon überzeugt, dass es in Übereinstimmung mit den Angaben der Angeklagten ... gegenüber den Journalisten ... und ..., in der Zeit der Abgängigkeit von ... ... zu sexuellen Handlungen zwischen dem Angeklagten ... und ... gekommen ist.
Zwar stritt ... ... in ihrer ersten polizeilichen Vernehmung vom 18. März 2018 zunächst zum einen ab, die gesamte Zeit in ...verbracht zu haben, zum anderen auch sexuelle Kontakte insgesamt. Sie schilderte zunächst, dass sie am 5. Oktober 2017 mit der Straßenbahn gefahren sei und später, als sie vor einem Laden gesessen habe, einem älteren Herrn, dessen Namen sie nicht nennen wolle, ihre Geschichte erzählt und sich dann bei diesem bis zum 17. März 2018 aufgehalten habe. Am Abend des 17. März 2018 sei sie dann nach „Hause“ - in die Wohnung ihrer Mutter - gekommen. Mit Widersprüchen konfrontiert äußerte sie, gar nichts mehr sagen zu wollen. Im Laufe der Vernehmung stellte ... ... dann, so die Zeuginnen … und …, richtig, dass sie sich die gesamte Zeit bei ihrer Mutter, der Angeklagten ..., aufgehalten habe. Sie gab dann im Laufe der Vernehmung zu, dass sie in „Papa“ verliebt sei und ihm „vielleicht“ einen „runtergeholt“ habe, „die Mama mitgemacht“ habe und sie sich „dabei abgewechselt“ hätten, wenn ... ... „nicht mehr gekonnt“ hätte, sie solange weitergemacht habe, bis der „Papa“ einen Abgang gehabt habe. Auf Nachfrage, was sie mit „Abgang“ meine, habe ... ... den Zeuginnen … und … erläutert, dass sie darunter „Samenerguss und Abspritzen“ verstehe. Im weiteren Verlauf der Vernehmung schilderte ... den Zeuginnen … und … dann, dass sie den Angeklagten ... im Beisein ihrer Mutter, der Angeklagten ..., mehrfach manuell befriedigt habe. Auch in dieser Vernehmung räumte ... ... somit sexuelle Handlungen ein. KOKin … hat bekundet, dass sie ... ... nach dem ersten sexuellen Kontakt befragt habe, woraufhin ... ihr geantwortet habe, dass „Mama“ gesagt habe, wenn man jemanden möge, „rutsche die Hand in Hose“. Sie habe darüber nachgedacht, man könne sich ja vorstellen, was dann passiere. Die Mama habe ihr dann auch gezeigt, was passiere. Mama habe Papa vorher gefragt, ob sie es vor ihrer Tochter machen könne, dann Papa die Hose heruntergezogen. Sie habe zugeguckt. Die Mama habe den Penis in die Hand genommen und es ihr gezeigt. Ihre Mutter habe dann ihre – … – Hand genommen und umschlossen. So habe sie es dann bis zum Schluss gemacht. Sie habe es immer mit der Mutter zusammen gemacht. Sie finde das schön. Das erste Mal sei ein tolles Erlebnis gewesen. Der Angeklagte ... habe zuvor ins Waschbecken uriniert, sie – ... ... – habe ihn dann gefragt, ob sie ihm „einen runterholen“ könne. Er finde das toll. Zwar habe der Angeklagte ... – so ... ... in der polizeilichen Vernehmung – erst komisch geguckt, es sich dann gefallen lassen. Es sei in den zwei Wochen am „Montag, Donnerstag, Dienstag und gestern“ passiert. Ihr gefalle es, den Penis des Angeklagten ... in die Hand zu nehmen, er habe Schambehaarung, die Hand könne seinen Penis umfassen. Es habe ein Geheimnis bleiben sollen. In der Nacht vor der Festnahme, da sei „die Hand von Mama in die Hose gerutscht“. Sie habe das mitbekommen, Papa sei oft „rollig“. Am „5., 8., 13. und 17. März“ habe sie dem Angeklagten ... „einen runtergeholt“. Sie habe ihn gefragt. Sie habe es immer mit der Mama gemeinsam gemacht. „Gestern“ habe sie die Boxershort alleine runtergezogen.
Auch gegenüber den durch die Kammer gehörten Mitarbeitern des …-Klinikums, Dr. … und …, hat ... ... angegeben, dass es zum Geschlechtsverkehr gekommen sei. Beide Zeuginnen haben ... ... kennengelernt, als sie am 18. März 2018 nach der Festnahme der Angeklagten zur Untersuchung im …-Klinikum aufgenommen wurde. … war zudem bei der richterlichen Vernehmung von ... ... auf den ausdrücklichen Wunsch von ... zugegen.
Die Ärztin Dr. … bekundete vor der Kammer, dass sie ... ... am Montagmorgen, nachdem sie am Vorabend stationär im Klinikum aufgenommen worden sei, erstmalig gesprochen habe. In der Morgenübergabe sei ihr durch die Kollegen kurz mitgeteilt worden, dass der Verdacht eines sexuellen Missbrauch bestehe und ... nach längerer Zeit des Verschwindens am Vorabend in der Wohnung der Mutter festgestellt worden sei. Sie habe die Morgenvisite durchgeführt und dabei ein längeres Gespräch mit ... geführt. ... ... habe ihr gegenüber frei berichtet, dass sie aus der „Wohnung ihrer Eltern geholt“ worden sei. Dort sei sie die letzten fünf Monate untergetaucht gewesen. ... ... habe sich dann in der Folgezeit in Rage geredet, sie sei in Sorge um die „Eltern“ gewesen. ... ... habe ihr – Dr. … – gegenüber angegeben, dass sie der Polizei gegenüber Geschlechtsverkehr mit „Papa“ angegeben habe, sie aber nicht wolle, dass „Mama und Papa etwas passiere“. Sie habe als Ärztin gezielt keine Nachfragen zu Einzelheiten gestellt. Als ... ... von ihrer Angst vor einer Schwangerschaft berichtet habe, habe sie nachgefragt, ob es zum Geschlechtsverkehr gekommen sei. ... habe ihr gegenüber berichtet, dass sie „mit Papa geschlafen“ und „Sexualverkehr“ gehabt habe. Sie habe ... ... dann beruhigen können und ihr mitgeteilt, dass eine Schwangerschaftstestung negativ verlaufen sei.
Im weiteren Verlauf des Gesprächs habe ... ... ihr gegenüber berichtet, dass sie im Heim untergebracht sei. ... habe immer wieder gefragt, ob „Mama und Papa“ nun ins Gefängnis müssten. Sie – Frau Dr. ...– habe ihr daraufhin mitgeteilt, dass sie das nicht wisse. Zu einem weiteren Gespräch sei es am Folgetag gekommen. Bei diesem Gespräch sei ... ... deutlich aufgebrachter gewesen, weil sie im Radio einen Bericht gehört und dadurch von der Festnahme von „Mama und Papa“ erfahren habe.
Die Psychologin … bekundete bei der Vernehmung durch die Kammer, dass sie im …-Klinikum immer eingeschaltet werde, wenn es um Kindeswohlgefährdung gehe, so auch bei ... ..., die vom 18. März 2018 bis zum 22. März 2018 stationär dort behandelt worden sei. ... ... habe ihr gegenüber freizügig und distanzgemindert über das Geschehene berichtet. Sie habe aber keine Details erfragt, das sei nicht ihre Aufgabe gewesen. ... ... habe ihr gegenüber als Vorgeschichte berichtet, dass es bereits Gewalt in der Familie gegeben habe und sie deswegen in der Heimunterbringung gewesen sei. Sie habe aktuell in der Schule Probleme gehabt und diese wechseln wollen. Sie habe nicht mehr im Heim leben wollen und sich deswegen bei ihren Eltern versteckt. Sie habe gewusst, dass sie von der Polizei gesucht worden sei. Jetzt habe sie eine Bestrafung der Eltern befürchtet und deswegen Schuldgefühle entwickelt. Sie habe der Zeugin … gegenüber von sich aus von dreimaligem Geschlechtsverkehr mit dem Stiefvater im Beisein der Mutter berichtet. Sie habe zudem berichtet, dass sie in den Stiefvater verliebt sei. … bekundete, dass sie weder das Gesagte in Frage gestellt noch etwas nachgefragt habe. ... ... habe ihr gegenüber angegeben, dass sie es bereue, dies bei der Polizei angegeben zu haben. Über die Zeit ihrer Abgängigkeit habe sie berichtet, dass sie das Eingesperrtsein als schlimm empfunden habe. Zudem sei sie über ihre Gewichtszunahme bedrückt. Sehr gelitten habe sie wohl auch unter der Trennung von ihrer Schwester, sie habe ihre Schwester beschützen wollen. Gegenüber der Zeugin ...bekundete ... ..., dass sie mit dem Angeklagten ... „geschlafen“ habe, sie habe mit ihm „Sexualverkehr“ gehabt. ... ... berichtete gegenüber ...auch von ihrer Angst vor einer Schwangerschaft.
... ... berichtete auch gegenüber ... und …, der als Verfahrenspfleger im familienrechtlichen Verfahren bestellt worden und der von der Kammer ebenfalls als Zeuge vernommen wurde, von Geschlechtsverkehr mit dem Angeklagten .... Wie Dr. … fragte ... nach eigenen Bekundungen nicht nach. Sie habe – so die Zeugin – ... ... lediglich zugehört und abgewartet, was sie von sich aus berichtet habe.
Die Kammer hatte im Ergebnis keinen Zweifel, dass es in der Zeit vom 5. Oktober 2017 bis zum 18. März 2018 zu sexuellen Handlungen zwischen beiden Angeklagten und dem Kind ... ... kam. Die Kammer hatte unter Berücksichtigung der Verwendung der Begriffe „Sexualverkehr“ und „geschlafen“ auch keinen Zweifel daran, dass es gerade auch zum Geschlechtsverkehr zwischen dem Angeklagten ... und ... ... kam.
Die Kammer schließt zudem aus den in dem Slip der Geschädigten aufgefundenen Spermasekretspuren, dass es zu sexuellen Handlungen auch zwischen dem Angeklagten ... und ... ... gekommen ist.
Die Feststellungen zu den im Slip und am T-Shirt von ... ... aufgefundenen DNA-Spuren hat die Kammer aufgrund der Bekundungen des Sachverständigen Dr. … getroffen. Dr. … ist Sachverständiger für Gerichtsbiologie am Landeskriminalamt Brandenburg. Er hat seine Ergebnisse der Kammer erläutert und wie festgestellt bekundet.
Die Einlassung des Angeklagten ..., ... ... habe diese Spermaspuren dadurch konstruiert, dass sie sich aus dem Papierkorb Taschentücher, mit welchen das Ejakulat nach Geschlechtsverkehr mit der Angeklagten ... abgewischt worden sei, genommen, vermochte die Kammer nicht zu überzeugen. Zum einen traut die Kammer ein derart planvolles und vorausschauendes Vorgehen als Vorbereitungshandlung für eine bewusste Falschbezichtigung des Angeklagten ... der intellektuell eingeschränkten ... ... nicht zu. Zum anderen widerspricht dies dem Eindruck von ... ... aus der von der Kammer in Augenschein genommen audiovisuellen richterlichen Vernehmung. Außerdem war ... ... nach den Bekundungen der Staatsanwältin ... überrascht über deren Vorhalt, dass Sperma des Angeklagten ... an ihrer Kleidung aufgefunden worden sei.
Entgegen der Einlassung des Angeklagten hat der Zeuge ...gegenüber der Kammer angegeben, dass er eine vollständige gynäkologische Untersuchung nicht durchgeführt habe. Er könne deswegen keine Angaben dazu machen, ob das Hymen des Mädchens noch intakt sei.
... ... hat in ihrer Vernehmung durch die Ermittlungsrichterin den Konsum pornografischer Filme eingeräumt. Für die Überzeugungsbildung der Kammer waren die Angaben der Angeklagten ... gegenüber den …-Zeitungsjournalisten ... und ... ausschlaggebend. Ein etwaiger Konsum eines pornografischen Films von ... ... mit dem vom Angeklagten benannten Titel war daher irrelevant.
Die Kammer hat auch Fotos der Wohnung in Augenschein genommen. In dem Film, der von dem Zeugen ... im Zusammenhang mit dem Interview der Angeklagten ... angefertigt hat, angeschaut. In diesem Film war die Angeklagte ... auf der ausgeklappten Couch sitzend zu sehen. Sie gab gegenüber den Journalisten an, dass es auf der Couch geschehen sei, während sie auf der Couch sitzend ferngesehen habe. Schon daraus kann die Kammer schließen, dass auf der Couch ausreichend Platz für sexuelle Handlungen – auch zu dritt – vorhanden war. ... ... bekundete im Ermittlungsverfahren zudem, dass sie auf dieser Couch alle gemeinsam geschlafen hätten.
3. Teilfreispruch
Die Kammer selbst konnte ... ... nicht befragen. Unklarheiten und Widersprüche in ihren Angaben konnten nicht aufgeklärt werden. In den Vernehmungen selbst wurden ... ... häufig geschlossene Fragen gestellt. Die Kammer verkennt dabei nicht, dass dies auch dem intellektuellen Leistungsniveau von ... ... geschuldet war. Dadurch war es für ... aber auch leicht, eine sich hinziehende Vernehmung in ihrem Sinne abzukürzen, indem sie vermeintliche Erwartungen der Fragenden durch entsprechende Antworten erfüllt. Dies zeigte sich für die Kammer deutlich in der vorgeführten Aufzeichnung der richterlichen Vernehmung von ... ..., die im Verlaufe der lange andauernden Vernehmung deutlich nach einer Pause verlangte, die ihr dann auch gewährt wurde. Aber auch nach der Pause war sie wenig motiviert, weitere Fragen zu beantworten. Insgesamt waren die Ergebnisse der richterlichen Vernehmung so wenig konkret, dass sich die Staatsanwaltschaft zu einer Nachvernehmung veranlasst sah. All dies spricht zwar nicht dagegen, ... ... generell darin Glauben zu schenken, dass es in der Zeit zu sexuellen Handlungen kam. Über die von der Angeklagten ... gegenüber ... und ... angegebenen Taten hinaus vermochte die Kammer, aber keine weiteren Taten zu konkretisieren.
Die Kammer konnte sich keine sichere Überzeugung darüber bilden, dass es bereits vor dem 5. Oktober 2017 zu Geschlechtsverkehr zwischen dem Angeklagten ... und ... ... gekommen ist (Tat Nr. 1 der Anklageschrift).
Gegenüber den Zeugen ... und ... hat die Angeklagte ... zum Beginn der sexuellen Handlungen klar bekundet, dass am 5. Oktober 2017 noch nichts passiert sei, erst am 6. oder 7. Oktober sei es losgegangen.
Aber auch aus den Angaben von ... ... im Ermittlungsverfahren konnte die Kammer sich keine Überzeugung zu einem früheren Beginn der sexuellen Übergriffe bilden. So hat ... ... bereits innerhalb einer Vernehmung unterschiedliche Angaben gemacht. Auch in den verschiedenen Vernehmungen waren ihre Angaben zu sexuellen Handlungen vor der Zeit ihrer Abgängigkeit inkonstant und variabel.
Gegenüber den Zeuginnen … und … hat ... keine konkreten Angaben zum Beginn der sexuellen Handlungen gemacht. ... ... bekundet am 18. März 2018 gegenüber den Zeuginnen … und …, dass es „vielleicht seit zwei Wochen“ andauere. Auch im weiteren Verlauf der Vernehmung schildert ... ... Vorfälle, die sich im März 2018 ereignet haben sollen.
Die Kammer hat die Aufzeichnung der richterlichen Vernehmung vom 26. März 2018 vorgeführt sowie die Ermittlungsrichterin Dr. … als Zeugin gehört.
Zwar hat ... ... in ihrer Vernehmung durch die Ermittlungsrichterin Dr. ... bekundet, dass es bereits zu Geschlechtsverkehr zwischen ihr und dem Angeklagten ... gekommen sei, als sie noch im ...in ... untergebracht gewesen sei und die beiden Angeklagten regelmäßig alle 14 Tage an den Wochenenden in ...besucht habe. Allerdings machte die Zeugin im weiteren Verlauf der richterlichen Vernehmung durch die Ermittlungsrichterin Dr. ... vom 26. März 2018 dazu unterschiedliche Angaben. Richterin am Amtsgericht Dr. ... schilderte der Kammer, dass ... ... zu Beginn der richterlichen Vernehmung angegeben habe, dass sie in das Heim am 5. Oktober 2017 nach einem Arztbesuch nicht mehr zurückgekehrt sei, sondern vielmehr mit dem Angeklagten ... erst einkaufen und dann nach ...gefahren sei, und dass sie „dann miteinander eine Affäre“ gehabt hätten. Im weiteren Verlauf der Vernehmung schilderte ... ... eine hohe Anzahl von Handlungen. ... ... berichtete auch über ihre Monatsblutung, die sie ab einem Alter von 11 Jahren regelmäßig gehabt habe, allerdings nicht in der Zeit ihrer Abgängigkeit. Daran anschließend wurde ... ... durch die Ermittlungsrichterin vorgehalten, dass sie dann schon „sehr viel länger Geschlechtsverkehr gehabt hätte“, woraufhin ... ... antwortete, dass es auch schon gewesen sei „bevor“ sie „wegelaufen“ sei. Auf weitere Nachfrage erklärte ... ..., dass es vor ihrer Abgängigkeit „ein Mal“ gegeben habe, auch ihre Mutter sei dabei gewesen. Sie betonte dann, dass ihre Mutter immer dabei gewesen sei, sie mache es nur mit ihm „mit Einverstanden von Mama“, um Diskussionen mit ihrer Mutter zu vermeiden. ... teilte dann mit, dass es nach dem Kennenlernen „n´paar Minuten“ nur „Vater Tochter“ gegeben habe, dann habe man sich näher kennengelernt, „eben Anfassen anprobiert“, dann „immer ein bisschen weiter“ und irgendwann sei es zum Geschlechtsverkehr gekommen.
Zuvor hatte ... ... bekundet, dass sie in der Zeit ihres Verschwindens sowohl den Angeklagten ... als auch ihre Mutter bei der Selbstbefriedigung und beim Geschlechtsverkehr beobachtet habe, sie dann neugierig geworden sei und es zu ersten einvernehmlichen sexuellen Kontakten im Beisein ihrer Mutter gekommen sei. Sie habe die Initiative ergriffen, es sei erst zum Ende der Zeit ihrer Abgängigkeit gewesen.
Nach einer Vernehmungspause während der richterlichen Vernehmung vom 26. März 2018 wurde ... ... nochmals zur ersten Tat befragt, konkret danach, wann das gewesen sei. Darauf antwortet sie „26. März“. Auf erstaunte Nachfrage der Ermittlungsrichterin antwortet ... ..., dass sie dies noch wisse. Man sei sich „näher gekommen“, habe sich „so gesagt in Intimbereich gekümmert“. ... ... beschrieb, dass sich alle allein ausgezogen hätten, weil es für sie „ungewohnt“ gewesen sei. Auf Nachfrage erklärte ... ..., dass sie sich nicht vorher darüber unterhalten hätten. Wenig später sagte ... ... aus, dass die nächste Tat dann „klar wieder 28.“ gewesen sei, weil es sei „immer aller zwei, aller drei Tage“ gewesen. Bei der weiteren zeitlichen Einordnung erklärte die Nebenklägerin ziemlich verwirrt: „Äh, ja. Ich schätze wir waren bis zum 2., nein bis zum 3., dann war, war bis zum 33. da.“ Auf den Einwurf der Ermittlungsrichterin, dass es den 33. nicht gebe, fuhr die Nebenklägerin fort: „Was, bis zum einen, ich weeß es nicht, äh, mhhhm.“
Kurze Zeit später äußerte die Nebenklägerin auf die Frage, ob das erste das Anfassen gewesen sei, „das war dann so, schätze mal so, März, April“, „so am Juli, im Juni“, „Im Mai da mussten wir uns ja erst so richtig so, äh, weil wir sind da nicht so schnell hier…“, „also hier März, April“, „das war dann so unsere Tage, da mussten wir uns ´n bisschen mehr…“, „Das war dann im Juni, das war dann so, so glaube ich, schätze ich unser Juni oder Juli“. Sie wisse nicht, aber da sei es dann schon regelmäßig gewesen. In den Osterferien sei noch nichts gewesen, da hätten sie sich erst richtig kennengelernt, „so mit allem Drum und Dran“. Nach einer kurzen Diskussion, dass nach den Osterferien die Sommerferien folgten, führte die Nebenklägerin zu Geschehnissen im Juli befragt aus, es sei in der Mitte gewesen, sie seien drei, dreieinhalb Wochen da gewesen, auch .... Nun gab die Ermittlungsrichterin wiederum die zuvor bereits im Hinblick auf März und April erwähnten Daten 26. und 28. vor, wobei sie meinte, dass es ja mit manueller Befriedigung angefangen habe und dann zwei Tage später zum Geschlechtsverkehr gekommen sei, und befragte die Nebenklägerin, ob das so stimme. Diese erwiderte daraufhin zwar „ja“, aber auch, dass sie sich an den Tag nicht richtig erinnern könne, da das ja schon zu lange her sei. In den Sommerferien hätten sie jedenfalls auch was gehabt. Auf die anschließende Frage, ob es auch vor den Sommerferien schon etwas gegeben habe, erwiderte die Nebenklägerin nun, dass sie sich daran nicht erinnern könne, aber schätze, dass sie „was gehabt“ hätten, sie wisse es aber nicht. Aber im „Intimbereich“ sei bereits was vor den Sommerferien gewesen, wobei sie hier mehrfach die Wendungen „schätz‘ ich“ und „glaub‘ ich“ verwendete und dann ergänzte, dass sie regelmäßig was gehabt hätten und auch schon mehrmals miteinander. Als die Ermittlungsrichterin erneut auf das erste Mal zu kommen versuchte, gab die Nebenklägerin nun an, „das erste Mal im Intimbereich, also wenn wir miteinander richtig, das sei dann in den Sommerferien“, und zwar am Ende der Sommerferien, denn am Anfang sei sie auf Ferienfahrt gewesen. In dieser Zeit hätten sie dann alle zwei Tage „etwas gehabt“. Dann brachte die Ermittlungsrichterin ins Spiel, dass die Fahrt nicht im Juli, sondern vom 5. bis 13. August gewesen sein müsse, worauf die Nebenklägerin „ja, ja“ antwortete. Daraufhin gab sie an, dass sie es mit den Fingern nur beim ersten Mal gemacht hätten. Dann hätten sie es nur noch mit den Fingern gemacht, wenn sie keine Lust auf Sex gehabt habe; eigentlich hätte sie aber fast immer Lust gehabt. An spätere Stelle äußerte sie dagegen, dass sie sehr oft keine Lust gehabt habe.
In der gesamten richterlichen Vernehmung antwortete ... ... widersprüchlich. Wird sie auf Widersprüche hingewiesen, wie beispielsweise, dass die Osterferien 2017 im April und nicht im März gewesen seien, versuchte sie ihre Angaben anzupassen. Die Auskünfte von ... waren teilweise unverständlich, teilweise ohne ersichtlichen Bezug zur Frage, sprunghaft und wirr. Es mussten Pausen eingelegt werden. Sie war im Laufe der Vernehmung zunehmend weniger bereit, Fragen zu beantworten.
Dies war auch für die Staatsanwältin ... Anlass, ... ... erneut zu der ersten sexuellen Handlung zu befragen.
Bei der Vernehmung vom 31. Juli 2018 erklärte ... ... gegenüber der Staatsanwältin ..., befragt zum Beginn, „das“ sei „am 6. was Mama erzählt“ habe. Staatsanwältin ... gab an, dass sie ... ... ihre Angaben bei der Richterin vorgehalten habe, woraufhin die Nebenklägerin bekundet habe, dass man zunächst vorher nur alles besprochen habe. Dies sei in dem Zusammenhang gewesen, dass ihre Mutter keine Kinder mehr habe bekommen können, man habe erwogen, „Eier von mir auszutauschen“, das sei an ihrem 13. Geburtstag gewesen. Staatsanwältin ... hat bekundet, dass sie ... ... dann vorgehalten habe, dass ihr 13. Geburtstag der 4. November 2017 gewesen sei, sie aber bei der Richterin gesagt habe, dass es im März angefangen habe, später in den Sommerferien, woraufhin ... ... über den Geburtstag ihrer Mutter, der Angeklagten ..., am 8. März berichtet habe. Im weiteren Verlauf der Vernehmung habe sie ... ... nochmals auf die Wahrheitspflicht einer Zeugin hingewiesen und ... ... habe bekundet, dass sie überall die Wahrheit gesagt habe. Eine konkrete Angabe habe ... ... ihr gegenüber dann aber nicht mehr machen können. Im weiteren Verlauf der Vernehmung sei dann von ... nur noch auf die Zeit der Abgängigkeit eingegangen worden.
Aufgrund dieser zeitlichen Inkonstanzen und der zahlreichen – hier nur beispielhaft dargelegten – Widersprüche zu dem Beginn der Handlungen, aber auch insgesamt, vermochte sich die Kammer nicht davon zu überzeugen, dass es bereits vor der Zeit der Abgängigkeit von ... ... zu sexuellen Handlungen des Angeklagten ... an ... ... im Beisein ihrer Mutter gekommen ist.
Die Kammer ist zwar überzeugt davon, dass es über die festgestellten Taten hinaus zu weiteren sexuellen Handlungen zwischen den Angeklagten und ... ... gekommen ist. Zu Gunsten der Angeklagten wurde den Feststellungen aber nur die durch die Kammer feststellbare Mindestanzahl von Taten zu Grunde gelegt.
Die Schwierigkeiten und Probleme mit der Aussage von ... ... bei der Ermittlungsrichterin, aber auch bei der Staatsanwältin, die die Kammer oben bei der ersten Tat beispielhaft beschrieben hat, traten während den gesamten, langen Vernehmungen von ... ... auf. Ihre Bekundungen bei der Ermittlungsrichterin waren insgesamt wenig ergiebig, verwirrend und oftmals auch unverständlich. Auch der Staatsanwältin ist es bei ihrer Vernehmung nicht gelungen, Widersprüche aufzuklären. Vielmehr traten nach den Bekundungen der Staatsanwältin ... auch bei ihrer Vernehmung neue Widersprüche zu Tage.
Die Kammer vermochte sich daher, keine Überzeugung dazu zu bilden, dass es bereits am 5. Oktober 2017 zu sexuellen Handlungen gekommen ist (Tat zu Nr. 3 der Anklageschrift).
So hat die Angeklagte ... gegenüber den Journalisten der …-Zeitung, den Zeugen ... und ..., klar mitgeteilt, dass es am 5. Oktober 2017 – am Tag, als ... ... in die Wohnung der Angeklagten kam – noch keine derartigen Handlungen gegeben habe, gleichzeitig aber Taten ab dem 6. oder 7. Oktober am Anfang des Interviews unumwunden zugegeben. Es erscheint wenig wahrscheinlich, dass die Angeklagte eine Tat am 5. Oktober in Abrede gestellt hätte, wenn es diese gegeben hätte. Ein nachvollziehbarer Grund für ein solches Vorgehen ist nicht ersichtlich.
KOKin … und KOKin … haben bekundet, dass ... ... in ihrer Vernehmung vom 18. März 2018 ihnen gegenüber angegeben habe, dass es in den letzten zwei Wochen vor ihrer Entdeckung zu vier Taten gekommen sei: „Montag, Donnerstag, Dienstag und gestern“. Rückschlüsse auf eine Tat am 5. Oktober 2017 kann die Kammer daraus nicht ziehen.
In der richterlichen Vernehmung hat ... ... auf die Frage der Vernehmerin, ob am 5. Oktober „auch schon ein Kontakt war“, geantwortet: „Sexuell, sexuell haben wir´s nicht, nein“.
Auch in der Vernehmung vom 31. Juli 2018, habe ... ... nichts Konkretes zu einer Handlung am 5. Oktober 2017 bekundet, so Staatsanwältin ... in ihrer Vernehmung durch die Kammer. Auf eine erste Frage der Staatsanwältin habe ... bekundet, dass das stimme, was „Mama“ gesagt habe, am 6. habe es begonnen.
Die Kammer vermochte sich im Weiteren auch nicht davon zu überzeugen, dass es zu der Vielzahl der weiteren angeklagten Taten gekommen ist (Taten Nr. 4. oder 5., 6. bis 29., Taten Nr. 30. bis 53., Taten Nr. 54. bis 73. und Taten Nr. 74. bis 93., 94., 95. und 96.).
Feststellungen zu weiteren konkreten Taten konnte die Kammer wiederum nicht auf die Angaben von ... ... stützen, denn die Zeugin hat in ihren Vernehmungen derart unterschiedliche Angaben zur Anzahl des Geschlechtsverkehrs gemacht, die auch innerhalb einer Vernehmung derart divergierten, dass eine über die getroffenen Feststellungen hinausgehende Festlegung einer Mindestanzahl für die Kammer nicht möglich war. Zwar hat ... ... in ihren Vernehmungen eine Vielzahl von Taten geschildert, die im Wesentlichen immer gleich verlaufen sein sollen. Die Schilderungen waren aber detailarm, teilweise widersprüchlich und dem Bemühen geschuldet, die Erwartungen der jeweils Fragenden zu erfüllen. ... ... machte in ihren unterschiedlichen Vernehmungen auch stark inkonstante Angaben zu Daten und Anzahl der Taten. Dabei wurden ihr keine offenen Fragen gestellt, es wurde wiederholt und sehr konkret nachgefragt.
So hat ... ... befragt zu der Anzahl der Taten in der richterlichen Vernehmung vom 26. März 2018 zum einen angegeben, das sei „drei, vier, fünf Mal vorgekommen“, unmittelbar im Anschluss bekundete sie, „aber wir hatten schon sehr oft. Elf Mal war das.“ Wenig später bekundete die Zeugin, dass es „fast so mal jeden Abend, also ähm immer alle zwei Tage abends“ gewesen sei. Im weiteren Verlauf der richterlichen Vernehmung teilte ... mit, dass es „mehrmals“ zum Geschlechtsverkehr gekommen sei, sie wisse es nicht, aber „schon mehr als fünfmal“, eben „regelmäßig“. Auf Nachfrage seitens der Ermittlungsrichterin, was „regelmäßig“ bedeute, antwortete ... ..., „jeden dritten Tag kann man sagen“, aber auch nur, wenn sie „Bock“ gehabt habe. Nachdem ... ... im Laufe der Vernehmung offensichtlich unkonzentrierter und ungeduldiger geworden sei, habe man eine Pause gemacht, so die Zeugin Dr. .... Auch nach dieser Pause wurde ... ... zu der Anzahl der Taten befragt, auch diesmal habe sie wieder unterschiedliche Angaben gemacht.
Auch in der staatsanwaltschaftlichen Vernehmung vom 31. Juli 2018 habe ... ... unterschiedliche Angaben zu der Anzahl der Taten gemacht, bekundete Staatsanwältin .... So habe sie konkret nachgefragt, was ... ... mit den Festlegungen auf die Tage „Montag, Dienstag, Donnerstag, Samstag“ bei der Polizei und bei der richterlichen Vernehmung gemeint habe. ... habe ihr darauf geantwortet, dass man „einfach nur miteinander gequatscht“ habe. Sie habe dann – so Staatsanwältin ... – konkret nach Sex an diesen Tagen nachgefragt, worauf ... ... geantwortet habe, dass sie „dann aber nicht gemacht“ hätten, sie habe „keinen Bock“ gehabt, sie habe „einfach nicht gewollt“, „ganz viele Wochen“, an denen sie „überhaupt miteinander gar nichts angefangen“ hätten. Staatsanwältin ... habe dann noch mal ausdrücklich nach „Ersatzhandlungen“ nachgefragt, wenn ... ... keinen Sex gewollt habe, woraufhin ihr ... zunächst geantwortet habe, „nee“, sie habe dann „gar nichts gemacht“.
Im weiteren Verlauf der Vernehmung vom 31. Juli 2018 habe sie – Staatsanwältin ... – auch nochmals nach der Häufigkeit der sexuellen Kontakte gefragt. ... habe dann gesagt, dass zwar zu Beginn und - auf wiederholte Nachfrage - auch am 17. März 2018 „etwas gewesen“ sei, „dazwischen“ sei „eigentlich nichts, also nicht oft, aber dann und wann“ etwas gewesen. Sie habe dann vorgehalten, dass dies doch eigentlich unlogisch sei, woraufhin ... ... ihr geantwortet habe, „na in der Mitte, da“ habe sie „auch nie regelmäßig keinen Bock“ gehabt. Staatsanwältin ... bekundete dann, dass sie weiter gefragt habe, ... habe geantwortet, dass sie es „ständig gemacht“ hätten. Sie habe nachgefragt, ob es schon häufig gewesen sei, dies habe ... ... bejaht. Staatsanwältin ... habe dies dann als logisch empfunden und nochmals nach der Häufigkeit pro Woche nachgefragt, darauf habe ... ihr geantwortet, dass sie das nicht wisse. Staatsanwältin ... habe dann aber doch eine ungefähre Zahl wissen wollen, ... habe ihr dann gesagt, dass es schon oft, „regelmäßig“ gewesen sei.
Die Kammer vermochte auch keine Feststellungen zu anderen Sexualpraktiken zu treffen. Zweifel verblieben, dass es unabhängig vom vaginalen Geschlechtsverkehr auch manuelle Befriedigung des Angeklagten ... durch ... ... gab. Ebenfalls keine Überzeugung vermochte sich die Kammer davon zu bilden, dass es im Zusammenhang mit vaginalem Geschlechtsverkehr auch zum Oralverkehr zwischen dem Angeklagten ... und ... ... gekommen ist.
So hat ... ... weder in der richterlichen Vernehmung vom 26. März 2018 noch in der polizeilichen Erstvernehmung oder gegenüber den Mitarbeiterinnen des ...-Klinikums von Oralverkehr berichtet. ... ... hat immer nur vaginalen Geschlechtsverkehr oder manuelle Befriedigung des Angeklagten beschrieben.
Bereits in der ersten polizeilichen Vernehmung von ... ... vom 18. März 2018 wurde sie durch die Polizeibeamtinnen ... und ... ausdrücklich nach Oralsex befragt. KOKin ... und KOKin ... gaben in der Hauptverhandlung an, dass ... auf Nachfrage Oralsex verneint habe. In der richterlichen Vernehmung schildert ... ... keinen Oralverkehr. Auch in der Vernehmung durch die Staatsanwältin ... vom 31. Juli 2018 machte sie zunächst keine Angaben zu einem Oralverkehr. Erst auf konkrete Nachfrage nach anderen Sexualpraktiken gab die Nebenklägerin nun überhaupt erstmals an, „ja mit dem Mund“, und nach längerem hin und her bestätigt sie, dass sie es „bei ihm“ getan habe, dann aber ergänzt sie, dass es im Zusammenhang mit Geschlechtsverkehr gestanden habe und er es ebenfalls bei Mama gemacht habe. Auf die Zusatzfrage, ob die Mama es auch bei ihm gemacht habe, antwortete die Nebenklägerin spontan nein, ändert dies jedoch, nachdem die Staatsanwältin auch „nein“ gesagt hat, in „doch doch auch ja“, und fügte, nachdem die Staatsanwältin noch mal „doch“ gesagt hatte, hinzu, „mit mir zusammen“. Nachdem die Nebenklägerin nun verneint hatte, dass es jedes Mal zum Oralverkehr gekommen sei, fügte sie auf die Frage, ob sie einschätzen könne, ob es jedes zweite Mal, jedes dritte Mal passiert sei, oder es gar nicht einschätzen könne, zunächst an, sie könne das gar nicht einschätzen, auf die weitere Frage „mitunter aber?“, „Ja, ja ganz oft ja“.
Insgesamt vermochte sich die Kammer aufgrund dieser Aussagen nicht davon zu überzeugen, dass es auch zu Oralsex gekommen wäre.
Die Kammer vermochte nach Durchführung der Beweisaufnahme auch nicht konkret festzustellen, dass ... ... den Angeklagten ... manuell bis zum Samenerguss im Beisein ihrer Mutter befriedigt hat, ohne dass dies im Zusammenhang mit dem vaginalen Geschlechtsverkehr gestanden hätte. Nachfragen an ... ... konnte die Kammer nicht stellen. Zugunsten der Angeklagten ist die Kammer davon ausgegangen, dass es zwar manuelle Befriedigung des Angeklagten ... gegeben haben kann, wenn, dann aber im Zusammenhang mit dem vaginalen Geschlechtsverkehr.
Zwar schildert ... ... in ihrer polizeilichen Erstvernehmung vom 18. März 2018, dass sie den Angeklagten ... im Beisein ihrer Mutter manuell bis zum Samenerguss befriedigt habe, so unter anderem auch am 13. März 2018. Auch in der staatsanwaltschaftlichen Vernehmung vom 31. Juli 2018 wurde ... ... eine manuelle Befriedigung des Angeklagten ... am 5. März, 8. März, 13. und 17. März 2018 vorgehalten.
In den Vernehmungen gab es aber auch in Bezug auf diese Handlungen immer wieder zahlreiche Inkonstanzen.
... schilderte während der Vernehmungen solche Handlungen. Die Aussagen dazu, insbesondere auch in der staatsanwaltschaftlichen Vernehmung vom 31. Juli 2018 gegenüber Staatsanwältin ... und auch bei der Ermittlungsrichterin am 26. März 2018, die ausdrücklich nach manueller Befriedigung fragten, waren inkonstant und für die Kammer teilweise unverständlich. So bekundete ... ... gegenüber der Staatsanwältin ... unter anderem auch, dass es zu manueller Befriedung gekommen sei, „am gleichen Tag, wo wir dann miteinander schlafen wollten“ oder an anderer Stelle als „Vorbereitung zum Geschlechtsverkehr“.
Zwar spricht einiges dafür, dass es auch zu eigenständiger manueller Befriedigung des Angeklagten ... durch ... ... gegebenenfalls im Beisein der Angeklagten ..., möglicherweise aber auch in deren Abwesenheit gekommen sein kann. Die Aussagen von ... litten aber auch insoweit an den oben genannten Besonderheiten. Ihre Angaben wechselten stark hinsichtlich Art und Häufigkeit. Die Angaben von ... ... im Ermittlungsverfahren sind aber – wie ihre gesamten Angaben und oben beispielhaft für den vaginalen Geschlechtsverkehr geschildert – wirr, widersprüchlich und der jeweiligen Fragegestaltung angepasst. Auch hier konnte die Kammer durch eigene Nachfragen Widersprüche nicht aufklären. Sichere Feststellungen waren auch hier nicht zu treffen.
Die Kammer nimmt daher zu Gunsten der Angeklagten an, dass eine mögliche manuelle Befriedigung des Angeklagten durch ... ... jeweils im Zusammenhang mit dem vaginalen Geschlechtsverkehr stand.
Auch die Angeklagte ... schilderte in ihrer polizeilichen Vernehmung vom 18. März 2018, dass ihre Tochter in ihrem Beisein den Angeklagten ... auch manuell befriedigt habe. Unabhängig davon, ob hierauf konkrete Feststellungen zu einzelnen Handlungen gestützt werden könnten, sah sich die Kammer aber daran gehindert, diese Vernehmung der Angeklagten ... zu verwerten. Die Kammer hat in der Hauptverhandlung die Vernehmungsbeamten KOK ... und KK ... befragt. KOK ... bekundete, dass er die Angeklagte ... über ihr Recht zu schweigen belehrt habe. Die Angeklagte ... habe sich entschieden, nicht zur Sache auszusagen. Entsprechend habe er auch in der Maske angeklickt, dass sie nicht zur Aussage bereit sei. Daran anschließend habe er – so KOK ... – die Angeklagte ... gefragt, ob sie mit einem Verteidiger ihrer Wahl sprechen wolle. Dies habe die Angeklagte ... dann bejaht, sie habe eine Anwältin in ..., die sie auch in der Familienangelegenheit vertrete. Aus den Akten sei ihm – KOK ... – bekannt gewesen, dass es sich dabei um Rechtsanwältin ... handele und habe der Angeklagten ... dies vorgehalten. Sie habe dies bejaht, man habe dann die Telefonnummer der Rechtsanwältin ... herausgesucht. Noch bevor ein Telefonat habe begonnen werden können, habe sich die Angeklagte ... plötzlich stark erregt und sich wegen des Vorwurfs doch rechtfertigen wollen. Sie habe gegenüber KOK ... auf Nachfrage, ob sie nun doch etwas sagen oder erst mit ihrer Anwältin reden wolle, angegeben, jetzt aussagen zu wollen. Er habe der Angeklagten ... dann die polizeiliche Vernehmung von ... ... vorgehalten und ihr Fragen zum Tatvorwurf gestellt, die die Angeklagte beantwortet habe. Die Angeklagte ... wirkte zumindest auf den Polizeibeamten ... nach dessen Bekundungen in der Hauptverhandlung verunsichert.
Die Angeklagte ... hat sich deutlich dazu positioniert, nichts aussagen zu wollen. Die ohne nähere Erläuterung im Anschluss daran gestellte Frage, ob sie einen Anwalt sprechen wolle, erschließt sich der Kammer nicht ohne Weiteres. Auch ihrem Wunsch, einen Anwalt zu konsultieren, wurde nicht nachgekommen. Die Angeklagte ... ist in der Intelligenz deutlich eingeschränkt. Diese Intelligenzminderung der Angeklagten ... war nach ihrem Auftreten in der Hauptverhandlung für die Kammer offensichtlich.
Für einen vaginalen Geschlechtsverkehr am Abend des 17. März 2018 (Tat Nr. 95) spricht, dass Spermasekret im Slip von ... ... aufgefunden wurde sowie auch ein Abstrich im Intimbereich von ... männliche DNA ergab, die Kammer kann aber auch zu Gunsten der Angeklagten nicht ausschließen, dass dies eine der beiden festgestellten Taten ist.
Auch die Angaben von ... ... im Ermittlungsverfahren sind dazu nicht geeignet, einen Tatnachweis zu führen. So hat Staatsanwältin ... bekundet, dass sie in ihrer Vernehmung vom 31. Juli 2018 ... ... auch zu Taten am 17. und 18. März 2018 befragt habe, die konkrete Nachfrage nach Geschlechtsverkehr habe ... ... verneint, man habe an dem Abend ferngesehen. Im weiteren Verlauf der Vernehmung – so Staatsanwältin ... – habe sie der Zeugin dann vorgehalten, dass DNA des Angeklagten ... an Slip und T-Shirt von ... ... aufgefunden worden sei und dann nochmals nachgefragt, wann der letzte Geschlechtsverkehr stattgefunden habe. ... ... habe ihr daraufhin geantwortet, dass sie das nicht sage. Staatsanwältin ... habe dann weiter nachgefragt und vorgehalten, dass es ja dann am 18. oder 17. März gewesen sein müsse, woraufhin ... ... ihr geantwortet habe, „am 18. geht ja nicht“, weil sie an diesem Tag lange geschlafen habe. Staatsanwältin ... bekundete dann, dass sie weiter nachgefragt habe, nach dem letzten Geschlechtsverkehr, ... ... habe dann nachgefragt, ob „das frisch gewesen“ sei – gemeint habe sie damit wohl das Spermasekret –, eine konkrete Antwort auf die Frage nach dem letzten Geschlechtsverkehr habe sie aber von der Zeugin erst nach mehrmaliger weiterer Nachfrage bekommen. ... ... sei insgesamt immer abgeschweift in ihren Aussagen. Letztendlich habe sie aber angegeben, dass es „einen knappen Tag vor bevor“ sie da „raus“ gekommen sei, gewesen sei.
Auch bezüglich der unter Punkt 96 konkretisierten Tat – nämlich dass ... ... den Angeklagten ... am 17. März 2018 im Bad manuell bis zum Samenerguss befriedigt haben soll – konnte die Kammer keine ausreichenden Feststellungen treffen. Insofern hat die Kammer den Zeugen ... vernommen. Der Polizeibeamte ... war in Observationsmaßnahmen der Wohnungen der Angeklagten eingebunden, als sich der Verdacht erhärtete, dass sich ... ... doch bei ihrer Mutter, der Angeklagten ..., und deren Lebensgefährten, dem Angeklagten ..., aufhalten könnte. Er hat am 17. März 2017 die Observation geleitet. Bei Einbruch der Dunkelheit habe er – so der Zeuge ... – am hinteren Parkplatz gestanden mit Blickrichtung auf den hinteren Teil des Wohnhauses, in welchem sich u.a. das Bad der Wohnung von ... befunden habe. Er habe in dem Einsatzfahrzeug gesessen und die Wohnung .../... mit einem Fernglas beobachtet. ... bekundete, dass er bei der Observation der Wohnung der Angeklagten ... beobachtet habe, wie der Angeklagte ... die Toilette aufgesucht habe. Er habe im Bad entweder vor der Toilette oder dem Waschbecken gestanden. Es sei dann eine deutlich jüngere weibliche Person in das Bad gekommen, habe den Angeklagten ... umarmt und sich vor ihn niedergekniet. ... ... bekundete weiter, dass er Kopfbewegungen der jungen Frau wahrgenommen habe, die es nahelegten, dass sie Oralsex an dem Angeklagten ... ausgeübt habe. Er habe auf Oralsex geschlossen, weil der Angeklagte ... seine Hüfte leicht vor- und zurückbewegt habe. Es könne auch sein, dass die junge Frau den Angeklagten ... mit der Hand befriedigt habe, den Genitalbereich des Angeklagten ... habe er von seiner Position aus nicht sehen können. Wenig später habe diese Person das Badezimmer verlassen und eine weitere weibliche Person, die anhand der ihm bekannten Fotos eindeutig als die Angeklagte ... zu identifizieren gewesen sei, habe das Badezimmer betreten. Er habe die junge weibliche Person zwar nicht eindeutig als... identifizieren können, da sie eine andere Frisur gehabt habe und auch von der Statur her fülliger gewesen sei als auf den ihm bekannten Fotos von ihr, er sei sich aber sehr sicher gewesen, dass es sich bei dieser Person um... gehandelt habe. Offensichtlich habe es sich nicht um die Angeklagte ... gehandelt, diese sei wesentlich älter und schlanker und habe auch entsprechend seiner Wahrnehmungen das Badezimmer erst später betreten. Auch könne er ausschließen, dass es sich um Besuch gehandelt habe. Die Observation habe den ganzen Tag angedauert, es habe niemand das Haus betreten, der nicht dort wohne. Über seine Wahrnehmungen habe er den Einsatzleiter informiert, dieser habe dann entschieden, dass ein Zugriff nicht sofort erfolgen solle, sondern erst am nächsten Morgen. Er sei über diese Entscheidung verwundert und auch verärgert gewesen. Dies sei auch den weiteren Kollegen vor Ort so gegangen.
Der Zeuge ... will Oralsex beobachtet haben. Die Tat war als eine manuelle Befriedigung angeklagt. Eine manuelle Befriedigung vermochte die Kammer aus den oben genannten Gründen nicht festzustellen. Die Kammer hat zudem auch berücksichtigt, dass ... ... durchgängig durch alle Vernehmungen hinweg betont hat, dass sämtliche sexuellen Handlungen im Beisein ihrer Mutter stattgefunden haben sollen.
Schon aufgrund von zahlreichen aufgeführten Divergenzen innerhalb der richterlichen Vernehmung vermochte es die Kammer nicht, keine weiteren Taten festzustellen. Aber auch unter Berücksichtigung der staatsanwaltschaftlichen Vernehmung sind weitere Inkonstanzen zu Tage getreten.
Nach dem Eindruck der Kammer aus der vorgeführten audiovisuellen richterlichen Vernehmung wirkte ... ... im Laufe der Vernehmung zunehmend erschöpft, ihre Konzentrationsfähigkeit nahm ab. ... ... wollte offensichtlich ihre Ruhe haben und wirkte zunehmend bockig und genervt. Ihre Aussagebereitschaft nahm ab.
Auch die Vernehmung durch die Staatsanwältin ... dauerte geraume Zeit. Auch Staatsanwältin ... berichtete der Kammer von ihren Schwierigkeiten mit ... ... während der Vernehmung. Insbesondere zu den Vorhalten der Staatsanwältin zum Oralsex am Ende ihrer Vernehmung wird für die Kammer deutlich, dass ... ... – erschöpft und genervt – die Erwartung der Fragenden erfüllen wollte, um ihre Ruhe zu haben.
Dieses Ergebnis steht letztlich im Einklang mit den Bekundungen des aussagepsychologischen Sachverständigen Dr. …. Der Sachverständige ist Fachpsychologe für Rechtspsychologie. Er ist von der Kammer zur Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Angaben der ... ... beigezogen worden. Zur Gutachtenerstellung lagen ihm die Sachakten mit den Vernehmungen der ... ... vor.
Der Sachverständige berichtete der Kammer zunächst über die Exploration am 24. und 25. April und 17. Mai 2019. Nachdem am ersten Tag Fragen zur Person und Vergangenheit beantwortet worden seien, sei am zweiten Tag die Exploration zum inkriminierten sexuellen Kerngeschehen erfolgt. Diese sei nach zweieinhalb Stunden unterbrochen und auf ... Wunsch nicht weitergeführt worden. In einem nachträglich mit einer Betreuerin vereinbarten dritten Termin habe ... dann keine Angaben zu den inkriminierten Handlungen gemacht. Besprochen worden sei nur ihre emotionale Beteiligung und die motivationalen Aspekte ihre Aussagen. ... ... sei zu den Terminen in Begleitung und ohne augenscheinliche und beobachtbare Verhaltensabweichungen im Direktkontakt erschienen. Sie habe sich gesprächig gezeigt, sei ohne Scheu, raum-zeitlich grundorientiert, bewusstseinsklar und kontaktfähig gewesen. Im Zusammenhang mit ihren Beschreibungen der inkriminierten sexuellen Handlungen am 25. April 2019 sei sie stärker emotional belastet gewesen. Weder zeigten sich direkte aussagetüchtigkeits-einschränkende Faktoren noch grobe intellektuelle und/oder verbale Grenzen. Ihre Äußerungen seien insgesamt verständlich, jedoch mit alterstypischer Jugendsprache und von einer betonten Lässigkeit durchzogen. Sachverhaltsneutrale Ausführungen habe sie zumeist mit einiger Freude, teils auch mit größerer emotionaler Beteiligung geschildert. Anzeichen auf formale oder inhaltliche Denkstörungen und Hinweise auf eine fehlende oder reduzierte Fähigkeit zur Unterscheidung verschiedener Gedächtnisquellen und Wirklichkeitsstufen hätten sich nicht gezeigt. Die mittels einer Comic-Geschichte geprüfte allgemeine Merkfähigkeit sei altersbezogen gegeben.
... ... habe von ihrer Herkunft, der familiären Geschichte und ihrem Aufwachsen wie in den aktenkundigen Vernehmungen berichtet.
In Bezug auf die sprachlichen Kompetenzen und mit Blick auf ihre Schulleistungen könne von einer durchschnittlichen Intelligenz ausgegangen werden. Zwar zeige sich in Bezug auf ihre derzeitige Schulform der Verdacht einer Minderbegabung, allerdings habe ... eine lang anhaltende Ausdauer während der Explorationen, eine angemessene verbale Auffassungsgabe und eine durchweg gute verbale Kompetenz gezeigt. Gleichwohl würden sich zu einzelnen Aussageinhalten deutliche Diskrepanzen in der Berichtsstruktur zeigen. So zeige sie in Bezug auf die Eigenanamnese, sachverhaltsneutrale Schilderungen sowie zu den Ereignissen im Zusammenhang mit ihrem Verschwinden eine harmonische sprachliche Interaktion mit dem Gesprächspartner. In Bezug auf die inkriminierten sexuellen Handlungen nehme sie dagegen eine leichte Oppositionshaltung ein, reagiere mitunter schnippisch und sogar trotzig.
Ihre Mutter habe sie durchgängig als positive Person beschrieben, aber auch als eifersüchtig in Bezug auf „...“ und hinsichtlich ihrer verbalen Kompetenzen als eingeschränkt. Sie – ... ... – habe Sehnsucht nach der Mama.
Den Angeklagten habe sie in der polizeilichen, richterlichen und staatsanwaltschaftlichen Vernehmung als „Papa“ bezeichnet. Während der Exploration habe sie ihn als „Arschloch“ und „Wichser“ tituliert. Hinsichtlich dieser sprachlichen Veränderungen in der Personenbeschreibung lasse sich auch prototypisch die Gefühlsbeziehung zwischen ... und dem Angeklagten ableiten. Insofern wirke sich dies auch auf die Aussagengenese aus, wobei ... bei früheren Vernehmungszeitpunkten sehr deutlich nicht nur ihre Mutter, sondern auch den Angeklagten habe beschützen wollen. Diese Beweggründe hätten nachgelassen, vor allem in Bezug auf den Angeklagten. Gleichwohl bleibe seine Rolle ambivalent, was etwa dadurch zutage getreten sei, dass sie ihre Mutter und den Angeklagten auch am 17. Mai 2019 noch als „ihre Eltern“ bezeichnet habe.
Sie habe berichtet, dass sie von ihrer Mutter aufgeklärt worden sei. ... ... habe sexuelle Handlungen durch Penetration, gegenseitiges Berühren sowie Befriedigungshandlungen manueller und oraler Natur auseinanderhalten können.
Zum aussagepsychologischen Befund gab der Sachverständige an, dass die Aussagetüchtigkeit der Zeugin in vollem Umfang gegeben sei; Hinweise auf Beeinträchtigungen fänden sich nicht.
Bezüglich der Qualitätsanalyse der Aussage (Realkennzeichenanalyse) verwies der Sachverständige darauf, dass ... ... in der Exploration eindeutig individuierbar lediglich inkriminierte Handlungen am Geburtstag der Mutter – mutmaßlich am 8. März 2018 – in Bezug auf einen vollzogenen Geschlechtsverkehr mit dem Angeklagten und in Beteiligung ihrer Mutter geschildert habe. Hinzu kämen Handlungen an ... Geburtstag am 4. November 2017 und die Situation im Badezimmer am 17. März 2018, als der Angeklagte im Beisein von ... in das Waschbecken uriniert habe, beide zusammen baden gewesen seien und der Angeklagte ... „ein kleines bisschen angefasst“ habe, sie „unten ran“ bei ihm, er „unten ran“ bei ihr. Erst auf Nachfrage seien hier einige weitere Details spärlich in den freien Bericht eingeflossen.
Im Gegensatz dazu würden sich bezogen auf das Verschwinden und Versteckthalten mehrere detailgenaue Schilderungen zeigen. Gleichzeitig würden sich diese Beschreibungen – Gang zum Arzt, Fahrt nach …, Ankunft zuhause, Verhalten während des Versteckens – auch nicht vom sonstigen Sprachgebrauch, Tempo oder Detaillierungsgrad anderer Schilderungen abheben. Gleiches gelte für die detailreiche Schilderung der Stürmung der Wohnung.
Angesichts der kognitiv und sprachlich mindestens durchschnittlichen Leistungsfähigkeiten der Zeugin sei das Merkmal des „Quantitativen Detailreichtums“ im Sinne eines Qualitäts-Kompetenz-Vergleichs in Bezug auf ... Flucht und ihr Versteckthalten gegeben. In Bezug auf die inkriminierten sexuellen Handlungen vor und nach dem Verschwinden sei die Ausprägung dieses Realkennzeichen deutlich gemindert und eingeschränkt. Dies gelte vor allem im Qualitäts-Kompetenz-Vergleich zu deutlich detailreicheren Beschreibungen der Zeugin in der Behaltensprobe, der Stürmung der Wohnung zum Verschwinden und Versteckthalten.
Bei der Untersuchung der logischen Konsistenz ließen sich Unterschiede zwischen den einzelnen Bezugspunkten – ... Verschwinden und Versteckthalten einerseits, die sexuelle Handlungen andererseits – ausmachen. Bezogen auf das Verschwinden und das Versteckthalten habe die Zeugin in gleichbleibender Qualität Sachverhalte geschildert, die logisch und schlüssig seien. Schlüssig und logisch sei auch ihre Schilderung zum Geschlechtsverkehr am Geburtstag der Mutter. Hier habe sie in schnellem Tempo und sehr genau rückwärts berichten können, wie der Tag mit Mama verlaufen sei. An dieser Stelle würden sich deutlich Handlungsmuster in ... Aussage zeigen, die eine hohe logische Konsistenz nachweisen. Demgegenüber würden sich logische Brüche in Bezug auf die inkriminierten sexuellen Handlungen zeigen, so etwa ihre Aussage in der Exploration, dass zwischen dem 8. März und dem 18. März „nichts passiert“ sei, dann aber die Beschreibung der Situation in der Badewanne.
Bezogen auf das Realkennzeichen „Sprunghafte, unstrukturierte Darstellung“ sei anzumerken, dass die Aussageinhalte zwar nicht durchgängig sprunghaft und ungeordnet seien, die Berichte seien beim Rückwärtsbericht jedoch mitunter auch ungeordnet. ... könne einzelne Inhaltselemente auch den vorher beschriebenen Verläufen zuordnen. Dies zeige sich zwar nicht durchgängig, sondern immer nur im Lichte der geringen Detailtiefe und in Bezug auf die einzelnen Aussageelemente, den 8. März und den 17. März. Gleichzeitig sei dies auch individuell durchzeichnet und würde in der hier auftretenden Qualität nicht zu erwarten sein, wenn es sich um produzierte Inhalte ohne Erlebnishintergrund handeln würde.
Bezogen auf das weitere Realkennzeichen „Deliktsspezifische Inhalte/Gefühlsbeteiligung“ zeige sich, dass die Aussage zur Anbahnung und Fortsetzung der Entziehung solche Eigenheiten aufweise, die ein spezifisches komplexes Verhalten der Beteiligten – des Angeklagten ... und der Zeugin – am 5. Oktober 2017 erkennen ließen. Dazu habe die Zeugin spezifisch ausgeführt, wie die gemeinsame Fahrt nach ... und über ... nach ...verlaufen sei. In Bezug auf das Versteckthalten zeige sich auch ein individuelles Gepräge der Situation – mehrfache Polizeibesuche, Klopfzeichen als Warnung, Ausgänge mit Beobachtungen und schließlich ein Ausgehverbot, weil ... erkannt worden sei.
Bezüglich der sexuellen Handlungen seien deliktspezifische Inhalte eher spärlich ausgebildet, es seien in den Schilderungen in Anbetracht der geringen Detailtiefe oft auch eher Allgemeinfloskeln in Bezug auf das sexuelle Kerngeschehen zu finden. Bei einer vollkommen aussagebereiten Zeugin und einem angenommenen Erlebnishintergrund wären spezifischere Angaben möglich und deliktspezifischere Erfahrungsbereiche oder Details könnten reproduziert werden, die auch „viktimospezifisch“ wären. Die inkriminierten Sachverhaltsschilderungen in der Exploration der Zeugin enthielten beispielsweise keine genaueren Schilderungen von Handlungen der Interaktionspartner und/oder Penetrationsbeschreibung, die eine Zunahme an Komplexität und Dynamik im Handlungsverlauf erkennen ließen.
Hinsichtlich der Gefühlsbeteiligung sei ein Fehlen der affektiven Beteiligung in der Abrufsituation als solches kein Negativmerkmal. Die Zeugin aggraviere nicht übermäßig; dies bleibe beim Berichten des inkriminierten Geschehens und im emotional getönten Vergleichsmaßstab – Stürmung der Wohnung – gleichermaßen bestehen.
Bezüglich der speziellen Aussagemerkmalen – raum-zeitliche Verknüpfungen, Interaktionsschilderungen, Wiedergabe von Gesprächen und Schilderungen von Komplikationen im Handlungsverlauf – verwies der Sachverständige wiederum darauf, dass dezidierte Gesprächswiedergaben im Rahmen der inkriminierten sexuellen Kernhandlungen fehlen würden. Für das Vorhandensein der weiteren Realkennzeichen zeigten sich verschiedene Anhaltspunkte individuell im Lichte der unterschiedlichen angenommenen Bezugspunkte, nämlich des Verschwinden, des Versteckthaltens und der sexuelle Handlungen
Die raum-zeitliche Verknüpfung sei sowohl in Bezug auf die Berichte der Zeugin zum Verschwinden als auch zu den inkriminierten sexuellen Handlungen anzunehmen, auch hier handele es sich um eingepasste und individuell konfigurierte Situationen. Die Schilderungen der Zeugin zur Situation in der Familie, etwa das Urinieren des Angeklagten in das Waschbecken, und das „In-den-Tag-hineinleben“, würden sich als Lebenskontext in einer einzigartigen individuellen Verflechtung darstellen, wie es schwer auszudenken gehe, und sich so einzigartig in das Kerngeschehen der inkriminierten sexuellen Handlungen integrieren. Dies alles werde in ... Aussagen zwar nur rudimentär deutlich, sei dafür aber mit ausreichender Wirklichkeitskontrolle und einem besonders eigentümlichen und individuell imprägnierten Charakter versehen.
Interaktionsschilderungen würden sich deutlich in Bezug auf die inkriminierten Geschehnisse zum Tag des Verschwindens und zum Versteckthalten finden. Hierfür könne die Zeugin verschiedene Aktionen und Reaktionen der einzelnen Handlungspartner beschreiben und es ergäben sich insofern auch Reaktionsketten. In Bezug auf die inkriminierten sexuellen Kernhandlungen zeige sich, auch in Anbetracht der geringen Detailtiefe, dieses Realkennzeichen jedoch sehr selten. Dabei steche die Schilderung ... zum gemeinsamen Geschlechtsverkehr am Tage des Geburtstags ihrer Mutter hervor. Hier würden deutlich Interaktionsketten geschildert.
Komplikationen im Handlungsverlauf seien zu finden bei dem Bericht zum Verschwinden am 5. Oktober und teilweise auch in Bezug auf sexuelle Handlungen im Zusammenhang mit manuellen Befriedigungen.
Inhaltliche Besonderheiten – als weiteres Realkennzeichen – weise die Aussage sowohl für den Tag des Verschwinden und des Versteckthaltens als auch für die inkriminierten Handlungen auf. So habe die Zeugin von der eigentümlichen Begebenheit, der Mutter ein Ei abzugeben, damit … und sie ein Kind haben könnten, berichtet. Hierzu gehöre die Schilderung des Geburtstags der Mutter sowie die Episode „Toilettengang“ des Angeklagten, als dieser ins Waschbecken pullern musste. All dies sei in einer so eigentümlichen und schemafernen Originalität geschildert, dass es auf einen hohen Erlebnisbezug hindeute. Trotz der fehlenden Detailtiefe in der Exploration würde sie demnach eine Vielzahl von Nebensächlichkeiten und ausgefallenen Details berichten. Dies werde umso deutlicher, wenn man sich die Zeitspanne und – bei unterstelltem Erlebnisbezug der Zeugenaussage – die hohe Dichte und Häufigkeit der zugrundeliegenden inkriminierten sexuellen Handlungen vor Augen führe.
Auch fänden sich in der Aussage Momente der Eigenbelastung. ... ... habe betont, dass sie die sexuellen Handlungen zugelassen oder sogar selbst initiiert habe. Gleichzeitig werde nachhaltig deutlich, wie wichtig es in ... Selbstkonzept sei, von der Mutter akzeptiert zu sein und diese zu schützen. Es wäre also am wahrscheinlichsten, dass der Bericht zu den inkriminierten sexuellen Handlungen eher zurückgehalten werde, als dass er offensiv hervorgebracht und aufrechterhalten werde. Gleichwohl zeige sich ... in der Exploration zumindest in Bezug auf einzelne Schilderungen bereit, die ehemals gebildete „Allianz“ zu verlassen.
Hinzu komme die große Furcht ..., als „Schlampe“ abgestempelt zu werden. Die Tatsache, dass ... diese hohe Hürde nehme und über Sachverhalte berichte, bei denen sie Gefahr laufe, ihren „Ruf als Schlampe“ zu zementieren, würde im vorliegenden Fall einen individuell besonderen motivationspsychologischen Aspekt und damit gesteigerter Indikationswert hinsichtlich der Glaubhaftigkeit von ... Aussage darstellen.
Auch die Konstanzbewertung der Aussage spreche nicht gegen einen Erlebnisbezug. Für ... Beschreibungen zu den verschiedenen Aussagezeitpunkten ließen sich, trotz nur mäßiger Detailtiefe in der Exploration, mehrere Angaben zu Einzelheiten und ihrer Veränderung – oder Konstanz – über die Zeit prüfen. Es ließen sich übergreifend keine fundamentalen Erweiterungen, großartigen Präzisierungen, Weiterentwicklungen oder Aggravationen fänden. Eine Ausnahme bilde die in der Exploration erstmalig geäußerten Beschreibungen zu den sexuellen Handlungen mit der jüngeren Schwester ..., die aufgrund der Beendigung der Exploration nicht weiter geklärt werden konnten. Insgesamt fänden sich jedoch davon abgesehen viele erwartbare konstante Inhalte über ... Aussagen hinweg. Viele inkonstant geäußerte Details könnten mit natürlichen Gedächtnisprozessen erklärt werden.
Sodann zeigte der Sachverständige auf, dass bei der Prüfung der Entstehung und Entwicklung der Aussage weder interne noch externe Aspekte gegen einen Erlebnisbezug sprechen.
So fänden sich im Rahmen der Motivanalyse, als einer internen Rahmenbedingung, weder bezüglich der Aussagengenese noch in den Protokollen oder in der Anbahnung irgendwelche Spannungen oder fremdberichtete Auffälligkeiten, die ein Motiv erkennen ließen, den Angeklagten ... zum Zeitpunkt des 18. März 2018 und folgend zu Unrecht zu beschuldigen. Auch sekundäre Konflikte, die durch das Geschilderte verdeckt werden sollen, seien nicht erkennbar. Durch die Aufdeckung riskiere ... von der für sie so bedeutsamen Mutter abgelehnt und mit Kontaktabbruch bestraft zu werden. Bei anderen Angaben würden ihr auch keinerlei Strafen oder Sanktionierungen drohen. Die Schilderungen würden vielmehr zu Ächtungen, Mobbing und Stigmatisierung führen. Auch gäbe es für ... keine Restriktionen, wenn sie hinter die ausgesprochenen Inhalte zurücktreten oder einzelne Angaben widerrufen würde. Die Aussagemotivation sei eher ein Beleg für einen Erlebnisbezug, als dass ein Motiv zur Falschbezichtigung erkennbar wäre.
Bezüglich der Art der Befragungen, als eines externen Aspekts, verweist der Sachverständige darauf, dass ... mehrfach von verschiedenen Personen zu den inkriminierten Tatgeschehen befragt worden sei. Dabei bringe sie die in Frage stehenden Handlungen meist nicht selbständig und unmittelbar vor. Es seien die Ermittlungsbehörden, die sie zu den vermuteten Sachverhalten befragen und teilweise mit Widersprüchen oder Ermittlungsergebnissen konfrontieren. Dennoch sei es im Vorliegenden nicht der Fall, dass ... ihre Angabe stetig erweitere oder eventuelle Ankerreize der Befragenden annehme und dann ihre Aussage erweitere oder sich diesbezüglich ein Unterstützernetzwerk suche. Im Vorfeld zur polizeilichen Vernehmung hätte es keine Befragungen oder Aufdeckungen gegeben. Ebenfalls sei nicht ersichtlich, dass ... ... sich zum Zeitpunkt der Offenbarung in einer expliziten Mangelsituation befunden habe. Die beteiligten Personen im nahen Umfeld würden die Zeugin in den vergangenen Monaten als verhaltensgeändert beschreiben, sie würde nicht mehr offensiv mit den Geschehnissen umgehen, es ließen sich jedoch keine Hinweise auf eine intensive therapeutische oder unterstützende Leistung von außen finden, die suggestive Prozesse in Gang gesetzt haben könnten. Auch durch die polizeilichen Befragungen ließen sich keine suggestiven Momente erkennen. Auch die weiteren Vernehmungen, die als Ton- und Videomitschnitte vorgelegen hätten, würden keine gröberen suggestiven Verzerrungen beinhalten.
Es ließen sich keine Hinweise auf autosuggestive Prozesse bei der Zeugin finden. Dies wäre etwa der Fall, wenn ... aus einer akuten Mangelsituation heraus selbständig Erklärungen für eine akute Problemsituation gesucht hätte. Es gebe aber weder eine solche berichtete Krise in der Vergangenheit, welche ein solches Ausmaß in der Veränderung von Aussagequalität und -konstanz erklären lasse, noch ließen sich in der Vergangenheit übermäßige Imaginierungen – als stark bildhaftes Vorstellen – finden. Auto- wie fremdsuggestive Prozesse müssten anhand der vorliegenden Erkenntnisse und im Lichte der Aussagengenese zurückgewiesen werden.
Abschließend – so der Sachverständige – habe er die Aussageanalyse einer Bewertung vor dem Hintergrund aufgestellter Hypothesen unterzogen. Dabei ließen sich die Gegenhypothesen zur Wahrannahme wie folgt beantworten:
Gegen die Annahme, die Aussagen der Zeugin ... zu den fraglichen strafbaren Handlungen sowie deren Begleitumstände seien gänzlich oder in Teilen falsch und (frei) erfunden, weil ... bewusst unrichtige Angaben hervorbringe und aufrechterhalte, spreche in Bezug auf das Entziehen und Verschwinden der Zeugin die hohe Aussagequalität im Vergleich zu den durchschnittlichen Kompetenzen der Zeugin. Die Aussage von ... weise diesbezüglich eine Vielzahl von Realkennzeichen auf, die in sich stimmig seien und den geschilderten Inhalten eine hohe individuelle Qualität verleihen würden. Hinzu komme die hohe Konstanz in solchen Aussageinhalten, die auch konstant erwartet werden müssten. Insgesamt fänden sich aussageimmanent wie aussageübergreifend starke Hinweise, die für einen Erlebnisbezug von ... Aussage sprächen. Umgekehrt wäre es für ... im Falle einer Falschbezichtigung und im Lichte der personalen Kompetenzen kaum möglich, eine solche Aussage zu produzieren und konstant mit der Vielzahl an Realkennzeichen in mehreren Situationen passend zu reproduzieren.
In Bezug auf die Angaben der Zeugin zu den sexuellen Handlungen lasse sich diese Hypothese nicht in gleicher Weise zurückweisen. Hierbei würden die allgemeinen Merkmale – wenig Details – und die kleineren und nicht aufklärbaren Widersprüche in der logischen Konsistenz ein eindeutiges Zurückweisen der Hypothese verhindern. Für die Zurückweisung sprächen allerdings die ungeordnet sprunghafte Darstellung und die individuelle und einzigartige Imprägnierung der Aussage sowie die Merkmalsverkettungen der Realkennzeichen und ihr eigentümlicher Charakter. Die vorgebrachten Handlungsabläufe unterlägen einer hinreichenden Wirklichkeitskontrolle bei der Zeugin und zeugten von einer starken Einzigartigkeit, Individualverflechtung und Eigenständigkeit der Berichte in der Gesamtschau.
Insofern könne unter forensisch aussagepsychologischen Gesichtspunkten die Frage, ob die Zeugin eine Aussage solcher Qualität auch in Form einer Falschbezichtigung hervorbringen könne, nicht eindeutig mit „Nein“ beantwortet werden. Es fehle jedoch ein Motiv, das die Annahme einer Falschbezichtigung erklären könnte oder möglich erscheinen ließe.
Zur Annahme, die Aussagen der Zeugin ... zu den fraglichen strafbaren Handlungen sowie deren Begleitumstände seien gänzlich oder in Teilen nicht erlebnisbasiert, weil die Zeugin in Folge suggestiver Prozesse und somit unwillentlich, unrichtige Angaben hervorbringe und/oder aufrechterhalte, sei darauf zu verweisen, dass sich in Bezug auf die Aussagengenese und die Aussagezuverlässigkeit keine Hinweise auf eine Fremdsuggestion finden ließen. Auch fänden sich keine Hinweise auf autosuggestive Prozesse, die eine solche Aussagequalität und -konstanz erklärbar machen würden, so dass die Hypothese zur Scheinerinnerung und suggestiven Bedingungen zurückgewiesen werde.
Hier folgt die Kammer seinen Ausführungen nicht in vollem Umfang, da sie aufgrund jahrelanger Beschäftigung mit Vernehmungen kindlicher Opferzeugen in Strafprozessen, die sexuellen Kindesmissbrauch zum Gegenstand hatten, auch über erhebliche eigene Erfahrungen in dieser Hinsicht verfügt und insbesondere unter Anlegung der vom Sachverständigen aufgeführten Bewertungskriterien gerade in der staatsanwaltschaftlichen Vernehmung Anhaltspunkte dafür erkennt, dass diese nicht ergebnisoffen, sondern auf ein bestimmtes Ziel hin durchgeführt wurde, wobei der Nebenklägerin einzelne Punkte immer wieder vorgehalten wurden, bis diese schließlich zugestimmt hat. Hierdurch sieht die Kammer das Kriterium einer zunächst erfolgenden Nichtbestätigung durch die Zeugin, bei der dann so lange weiter gefragt wird, bis das erwünschte Ergebnis schließlich doch bestätigt wird, als durchaus erfüllt an. Ebenso wie der Sachverständige kann die Kammer jedoch auch keine Hinweise auf autosuggestive Prozesse bei der Nebenklägerin finden.
Zu der Annahme, die Aussagen der Zeugin zu den fraglichen strafbaren Handlungen sowie deren Begleitumstände sei gänzlich oder in Teilen nicht erlebnisbasiert, weil die Zeugin solche erlebten Vorgänge mit anderen Personen oder aus Fremdmaterial heraus gänzlich oder teilweise auf den oder die Angeklagten übertragen und somit unwillentlich unrichtige Angaben hergebracht und/oder aufrechterhalten habe, würden die Angaben der Zeugin zu möglichen Misshandlungen durch ihren leiblichen Vater im Alter von zwei Jahren Anlass bieten. Allerdings handle es sich nicht um eigene Erinnerungen der Zeugin, sondern um von der Mutter auf sie übertragene und erst dann durch die Nebenklägerin im Nachhinein memorierte. Gegen eine Übertragung der sexuell erinnerten Inhalte spreche auch der hohe Alltagsbezug in den Schilderungen der Zeugin, wenn man die Einbettung in den üblichen familiären Alltag der Angeklagten betrachte. Schlussendlich werde eine Übertragung auch dadurch unwahrscheinlich, dass ... bezüglich ihres leiblichen Vaters von einem gänzlich anderen Emotions- und Beziehungserleben berichtet habe, als gegenüber dem Angeklagten.
Im Ergebnis bleibe eine geringe Wahrscheinlichkeit einer Falschbezichtigung, wobei das Zustandekommen der Aussage im Lichte der gegebenen Bedingungen und Kompetenzen insgesamt nur sehr aufwendig anderweitig erklärt werden könne, als durch einen Erlebnisbezug.
Die Kammer hat nicht verkannt, dass der Sachverständige bei seiner Expertise eine andere methodische Herangehensweise wählte als das vom Bundesgerichtshof bei deraussagepsychologischen Begutachtung präferierte Grundprinzip, wonach ein zu überprüfender Sachverhalt (hier: Glaubhaftigkeit der spezifischen Aussage) so lange zu negieren sei, bis diese Negation mit den gesammelten Fakten nicht mehr vereinbar sei, der Sachverständige bei der Begutachtung also zunächst anzunehmen habe, die Aussage sei unwahr (sog. Nullhypothese); vgl. BGH, Urteil vom 30. Juli 1999 – 1 StR 618/98, juris. Der Sachverständige ist vielmehr von einer Wahrannahme ausgegangen und hat Gegenhypothesen gebildet. Seine Vorgehensweise hat er in der Hauptverhandlung mit methodischen Bedenken gegen die Nullhypothese begründet. Er hat aber auch mitgeteilt, dass sein Ergebnis übertragen werden könne. Die Unwahrhypothese könne danach nicht gänzlich verworfen werden.
Die – von dem Sachverständigengutachten abweichende – Wertung der Kammer bezüglich der teilweise suggestiven Befragung der Nebenklägerin verstärkt dieses Ergebnis.
Unabhängig von der zunächst gewählten Methodik des Gutachtens decken sich die Ausführungen des Sachverständigen mit der Wertung der Kammer.
Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Aussage der ... zu ihrem Verschwinden hat die Kammer nicht. Die Angaben werden – wie oben dargelegt – gestützt durch die Beweisaufnahme im Übrigen. Die Kammer hat auch keine Zweifel daran, dass es zu sexuellen Handlungen zwischen dem Angeklagten und ihr im Beisein der Mutter gekommen ist. Auch hierzu kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden. Aber auch bei nochmaliger zusammenfassender Gesamtwürdigung der Angaben der Nebenklägerin unter Beachtung des Gutachtens des Sachverständigen Dr. ..., der Aussagen der übrigen Zeugen, der nachfolgend dargestellten Bekundungen des Sachverständigen … und der aufgefundenen DNA-Spuren und der Beweisaufnahme im Übrigen sah sich die Kammer nicht in der Lage weitere als die festgestellten Taten zu konkretisieren. Die einzig bei dem Sachverständigen konkret geschilderte Handlung vom 8. März 2018 – dem Geburtstag der Angeklagten ... – lässt sich zwanglos in die Feststellung der Kammer einordnen. Die weiteren Schilderungen sexueller Handlungen waren ähnlich unkonkret wie in den Vernehmungen. Durch den Abbruch der Exploration bezüglich der inkriminierten Taten war eine weitere Aufklärung nicht möglich.
Die Kammer hat somit – unter Beachtung des Grundsatzes „in dubio pro reo“ – eine Mindestanzahl von Taten festgestellt. Verlässliche „Hochrechnungen“ – wie in der Anklage getätigt – waren nicht möglich.
4. Feststellungen zu den Auswirkungen der Taten auf die Nebenklägerin
Die Feststellungen zu den physischen und psychischen Auswirkungen der Taten der Angeklagten auf die Nebenklägerin beruhen im Wesentlichen auf dem Gutachten des Sachverständigen Dr. ...
Der Sachverständige ist Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie und als Chefarzt in der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik im Klinikum … tätig. Ihm lagen bei Erstellung seines Gutachtens neben den Sachakten Berichte der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik des Asklepios Fachklinikums … der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie des … Krankenhauses … und der Traumaambulanz der Klinik und Poliklinik für Psychotherapie und Psychosomatik des Universitätsklinikums … in … vor.
Der Sachverständige bekundete in der Hauptverhandlung über die in Anwesenheit von Dipl.-Psych. … vorgenommene Exploration der Nebenklägerin am 9. April 2019. In dieser habe die Geschädigte angegeben, dass sie am 18. März 2018 zu Hause von der Polizei aufgefunden und mitgenommen worden sei. In der Klinik in ... sei eine „Ganzkörperuntersuchung“ durchgeführt worden. Sie sei dort ein paar Tage stationär geblieben. Von dort aus sei sie zunächst in den Jugendnotdienst und von da aus in die Kinder- und Jugendpsychiatrie nach ... gekommen. Anlass sei eine Krise mit Selbstmordgedanken gewesen. Am 17. Mai 2018 sei sie in die jetzige Einrichtung gekommen. ... selbst habe berichtet, dass ihr die Mutter und der Angeklagte ... von dem vermeintlichen sexuellen Missbrauch durch den leiblichen Vater erzählt hätten. Sie selbst habe keine Erinnerung daran und glaube inzwischen, dass dies nicht passiert sei, sondern dass „...“ es erfunden habe. Anfangs sei es ihr zu Hause gut gegangen. Sie habe auch zu Hause sein wollen. Im Verlauf habe es jedoch viel Streit zwischen der Mutter und dem Angeklagten ... gegeben, zum Teil unter Einfluss von Alkohol. Später hätten sie auch zu dritt gestritten. Sie sei von der Mutter auch angeschrien worden, weil diese nicht habe ansehen können, wie sie und „...“ rumgemacht hätten. Diese Streitereien hätten sie sehr belastet. Sie sei häufig traurig gewesen und habe geweint. Sie habe sich als „Matratze“ sowie sein – des Angeklagten ... – „Spielzeug“ gefühlt. Die Mutter habe von ihren Gefühlen nichts mitbekommen. Die Mutter habe ihr überlassen zu sagen, ob sie nicht mehr wolle. Sie – ... – habe aber nichts „kaputtmachen“ wollen. Sie habe sich sogar vereinzelt geritzt, damit ihre Mutter mitbekomme, wie es ihr gehe. Nach dem Auffinden sei sie verunsichert gewesen. Insbesondere nach der Vernehmung habe sie Selbstmordgedanken gehabt, da sie nicht alles habe verarbeiten können.
Als damalige Belastungsfaktoren habe ... die neue Einrichtung sowie das Thema mit „Mama“ beschrieben. Es habe sie belastet, dass sie nicht mehr zu Hause habe sein können und sich nicht habe von ihrer Mutter verabschieden können. Außerdem habe ihr die Mutter vorgeworfen zu lügen.
Zur aktuellen Situation habe ... angegeben, dass die Schule gut laufe, sie einen festen Freund habe und sich „gechillt“ fühle. Sie schlafe besser, habe nur noch vereinzelt Albträume und keine „Flashbacks“. Ihre Stimmung sei gut. Suizidgedanken habe sie zuletzt im letzten Jahr gehabt. Ihre Mutter möchte sie gerne wiedersehen, dies jedoch langsam angehen. Den Angeklagten ... möchte sie nie wieder sehen.
Anwesende Betreuerinnen hätten ergänzend berichtet, dass ... rasch von ihrem Erlebten erzählt habe. Sie habe sich gut integriert und Hilfe angenommen. Es sei vereinzelt zu Krisensituationen gekommen, etwa nach dem ersten Gerichtstermin. Sie habe sich unter anderem selbst verletzt durch Ritzen und einmal mit Putzmitteln. Sie habe, gerade in der Anfangszeit, ängstlich reagiert und sich einmal sogar in einem Schrank versteckt. Es seien eine sexualisierte Sprache und Selbstbefriedigungshandlungen bei ... aufgefallen. Zudem habe ... vereinzelt Stimmen gehört, zum Beispiel die des Angeklagten ... und der Angeklagten ..., die ihr inhaltliche Vorwürfe gemacht hätten. Sie habe anfangs unruhig geschlafen, sei jedoch nicht auffällig schreckhaft oder vermeidend gewesen.
Zum psychopathologischen Befund gab der Sachverständige an, dass sich die Nebenklägerin in der Untersuchungssituation wach und zu allen Qualitäten ausreichend orientiert gezeigt habe. Im Kontakt sei sie teilweise sehr offen, insgesamt jedoch noch angemessen aufgetreten. Sie sei freundlich und habe freiwillig die ihr gestellten Fragen beantwortet. Teilweise habe sie innegehalten, nachgedacht und insbesondere bei belastenden Themen traurig gewirkt. Die Stimmung sei jedoch überwiegend fröhlich und heiter gewesen. Affektiv sei sie gut schwingungsfähig. Suizidgedanken habe es zuletzt 2018 gegeben. Ihr Denken sei formal und inhaltlich unauffällig. Hinweise für psychotisches Erleben hätten sich nicht gezeigt. Die Nebenklägerin habe Intrusionen, wie Flashbacks oder ein Hyperarrousal, verneint. Intellektuell wirke sie leicht unterdurchschnittlich und in ihrer Mnestik den kognitiven Fähigkeiten entsprechend unauffällig. Ihre Äußerungen mache sie häufig spontan, impulsiv und einfach strukturiert und nicht immer konsistent.
Weiter berichtete der Sachverständige über durchgeführte testpsychologische Untersuchungen. Im Jahr 2018 sei ausweislich eines Vorbefunds mittels des Wechsler-Intelligenztest für Kinder (WISC-IV) eine unterdurchschnittliche Intelligenz im Bereich einer leichten Lernbehinderung festgestellt worden. Die vergleichsweise geringsten Leistungen – jeweils unterdurchschnittlich – habe die Nebenklägerin dabei auf den Skalen Arbeitsgedächtnis und Wahrnehmungsgebundenes Logisches Denken gezeigt, an der Grenze zum Durchschnitt habe ihr Sprachverständnis gelegen. Durchschnittlich sei der Wert für die Verarbeitungsgeschwindigkeit gewesen.
Für die aktuelle Leistungsdiagnostik seien zwei Skalen aus dem neuen Wechsler-Intelligenztest für Kinder (WISC-V) zur Anwendung gelangt, wobei aufgrund der kurzen Testwiederholung (unter zwei Jahre) die Ergebnisse allerdings leicht zu hoch ausgefallen sein könnten. Im Bereich Sprachverständnis habe die Nebenklägerin einen durchschnittlichen Wert erzielt, geprüft werde dabei die Fähigkeit, Wortwissen zu erwerben und erworbenes Wortwissen anzuwenden. Die Anwendung dieses Wissens schließe verbale Konzeptbildung, verbales Schlussfolgern und sprachlichen Ausdruck ein. Im Bereich Fluides Schlussfolgern habe der Wert von ... im leicht unterdurchschnittlichen Bereich gelegen; dieser Index bilde die Fähigkeit ab, zugrundeliegende konzeptuelle oder begriffliche Beziehungen zwischen visuell dargebotenen Objekten zu entdecken und schlussfolgerndes Denken zu benutzen, um Regeln zu identifizieren und anzuwenden.
Hinweise für eine aktuell verstärkte Depressivität hätten sich bei Anwendung des BDI-II, dem Beck-Depressions-Inventar, nicht ergeben.
Im Fragebogen bezüglich ängstlicher Symptomatik, dem BAK-K, einem Fragebogen für Kinder und Jugendliche von 9 bis 18 Jahren zur klinischen Diagnostik von Angststörungen gemäß ICD-10-GM, habe sich eine im Vergleich zur Altersnorm überdurchschnittliche Ausprägung im Bereich Trennung/Unbekanntes gezeigt; die weiteren Skalen seien unauffällig gewesen.
Mittels der TSC-KJ, einer Trauma-Symptom-Checklist, die bei Kindern und Jugendlichen zwischen 8 und 21 Jahren im Rahmen psychologischer/klinischer Diagnostik und Psychotherapieplanung eingesetzt werde, habe die Nebenklägerin eigene Traumata-Symptome markiert. Hierbei hätten alle interpretierbaren Skalen im unauffälligen Bereich gelegen, so dass sich derzeit keine Hinweise für eine Traumafolgestörung ergeben hätten.
Im Persönlichkeits-Stil- und Störungs-Inventar (PSSI), einem Selbstbeurteilungsinstrument für Jugendliche ab 14 Jahren und Erwachsene, mit dem die relative Ausprägung von Persönlichkeitsstilen erfasst werde, seien acht von 14 Skalen im Normbereich. Nur die Skala „Zurückhaltend-Schizoid“ habe sich überdurchschnittlich ausgeprägt gezeigt, die Skalen „Eigenwillig-Paranoid“, „Ahnungsvoll-Schizotypisch“, „Ehrgeizig-Narzisstisch“, „Sorgfältig- Zwanghaft“ und „Kritisch-Negativistisch“ dagegen unterdurchschnittlich, was auf einen Persönlichkeitsstil mit wenig ausgeprägtem Zugang zu den eigenen Empfindungen, Wahrnehmungen und Gefühlen bezüglich äußerer Gegebenheiten/Umstände/Personen mit der Tendenz zum sozialen Rückzug hindeutete.
In der Zeit vom 23. bis 29. März 2018 habe die Nebenklägerin sich aufgrund einer krisenhaften Zuspitzung mit Suizidgedanken erstmals in der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik des Fachklinikums ... aufgehalten, nachdem sie am Aufnahmetag habe eine Aussage machen sollen und zuvor erfahren habe, dass sie von ihrer Mutter – der Angeklagten – als Lügnerin dargestellt worden sei. Dies habe zusammen mit der Angst, den Kontakt zur Kindesmutter zu verlieren, zu einer emotionalen Überforderung und Suizidgedanken geführt. Am Ende der Krisenbehandlung habe sie sich dann vollständig von Suizidabsichten distanzieren können und sei mit der Diagnose einer Anpassungsstörung (ICD-10 F43.2) entlassen worden.
Eine zweite stationäre Behandlung sei vom 11. April bis 17. Mai 2018 aufgrund erheblicher Selbstvorwürfe und lebensüberdrüssiger Gedanken, unvorhersehbaren Stimmungsschwankungen, Rückzugsverhalten, Einschlafstörungen und Interessenlosigkeit erfolgt. Psychopathologisch seien zu diesem Zeitpunkt keine traumafolgetypischen Symptome mehr festgestellt worden, jedoch ein nur geringes Problembewusstsein und ein fehlendes Verständnis für die Strafbarkeit der berichteten sexuellen Handlungen. Im Laufe der Behandlung sei es der Nebenklägerin zwar möglich gewesen, sich vom Geschehenen zu distanzieren und die Rolle ihrer Mutter zu hinterfragen, weiterhin sei es ihr aber nur sehr schlecht gelungen, eigene Schuldgefühle zu minimieren; ihr selbstverletzendes Verhalten (Ritzen) habe erfolgreich reduziert werden können. Es sei erneut eine Anpassungsstörung (ICD-10 F43.2) diagnostiziert worden. Die Kriterien einer posttraumatischen Belastungsstörung habe sie jedoch auch zu diesem Zeitpunkt nicht erfüllt, während eine Störung des Bindungsverhaltens mit Distanzminderung als prognostisch ungünstig beschrieben und eine therapeutische Jugendhilfeeinrichtung empfohlen worden sei.
In der Zeit vom 16. November 2018 bis 9. Januar 2019 sei die Nebenklägerin ambulant in der Institutsambulanz für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie des Krankenhauses … behandelt worden, wo die Vorstellung aufgrund von Suizidgedanken, Stimmungsschwankungen, Albträumen und Wahrnehmungsstörungen (optisch und taktil) zusammen mit Flashbacks nach sexuellen Missbrauchserfahrungen erfolgt sei. Aufgrund des Verdachts auf eine posttraumatische Belastungsstörung sei sie von dort aus in der Traumaambulanz der Uniklinik … vorgestellt und dort untersucht worden. Auch dort sei wiederum eine Anpassungsstörung diagnostiziert worden, nicht jedoch das Vollbild einer posttraumatischen Belastungsstörung. Auf Krisensituationen nach dem Wiedertreffen ihrer Schwester und nach dem ersten Gerichtstermin im Dezember 2018 habe die Nebenklägerin mit Suizidgedanken reagiert, einmalig sogar mit einer suizidalen Handlung, dem Trinken von Glasreiniger. Am 9. Januar 2019 habe sie von Schlafstörungen, Albträumen und erneuten Intrusionen berichtet, dagegen hätten Suizidgedanken nicht mehr vorgelegen.
Aus Sicht des Sachverständigen befinde sich die Nebenklägerin in einer anhaltenden Phase der kognitiven und emotionalen Verarbeitung und Nachreifung, wofür spreche, dass bei sich stabilisierender Stimmung kaum noch Suizidgedanken oder selbstverletzendes Verhalten aufträten, während sich eine alters- und entwicklungsstandangemessene Reflexion und Enttäuschung bis hin zur Wut auf den Angeklagten und sogar auf die Mutter, die sie immer noch liebe, entwickelten. Dabei löse sich ihr starker Ambivalenzkonflikt allmählich auf und sie realisiere den mangelnden mütterlichen Schutz, der ihr Verhältnis zur Angeklagten, das bisher als liebevolle Mutter-Kind-Beziehung internalisiert habe, im Sinne zunehmender Distanzierung verändere. Aus alldem ergebe sich das Vorliegen einer in Remission befindlichen Anpassungsstörung mit gemischten Gefühlen (ICD-10 F43.2). Auch wenn es in der Vergangenheit hin und wieder zu Symptomen von posttraumatischer Verarbeitung gekommen sei, spiegelten diese Symptome derzeit keine Posttraumatische Belastungsstörung wider. Eine solche Störung folge dem Trauma in der Regel erst mit einer Latenz, die wenige Wochen bis Monate dauern könne und setze ein belastendes Ereignis oder eine Situation kürzerer oder längerer Dauer mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß voraus. Da die Nebenklägerin die berichteten sexuellen Taten jedoch freiwillig und ohne Zwang oder Gewalt mitgemacht habe, sei eine Posttraumatische Belastungsstörung auch in Zukunft eher nicht zu erwarten. Die Folgen des derzeit beginnenden kognitiven und emotionalen psychischen Verarbeitungsprozesses könnten derzeit prognostisch nicht sicher beurteilt werden. Besonders belastend wirkten die sich vergrößernde Enttäuschung und das Gefühl der Schutzlosigkeit aus, wodurch sich eine vermutlich schon vorbestehende Störung in der Beziehungsqualität – aufgrund von traumatischem (Mit-)Erleben von körperlicher Gewalt durch den leiblichen Vater, Vernachlässigung mit häufig damit einhergehenden Verlust von Urvertrauen sowie Beeinträchtigung der Objektbeziehungen – durch traumatisch erlebte Situationen negativ entwickeln könne. Deshalb bestehe bei der Nebenklägerin derzeit zwar keine Posttraumatische Belastungsstörung, aber aufgrund des Erlebten zumindest ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer psychischen Störung, wie etwa Depression, Angst oder einer Persönlichkeitsstörung.
Die Ausführungen des Sachverständigen Dr. ..., an dessen Sachkunde zu zweifeln für die Kammer keinerlei Anlass bestand, waren nachvollziehbar und überzeugend. Auch die Kammer konnte feststellen, dass sich der Zustand der Nebenklägerin im Laufe der Hauptverhandlung stabilisiert hat. Bei ihrem ersten Erscheinen vor Gericht wirkte sie sehr unsicher und sichtlich verstört. Einige Wochen später hinterließ sie einen deutlich gefestigten Eindruck. Sie trat wesentlich selbstbewusster auf und konnte ihr Begehren, nicht auszusagen, die Angaben im Ermittlungsverfahren aber freizugeben, verbalisieren, wobei ihr die Tragweite der Entscheidung bewusst war.
Im Ergebnis vermochte die Kammer nicht sicher festzustellen, dass die Nebenklägerin (gerade) durch die Tat der Entziehung einer Minderjährigen in eine Gefahr der schweren Gesundheitsschädigung oder erheblichen Schädigung der körperlichen oder seelischen Entwicklung im Sinne des § 235 Abs. 4 StGB gebracht wurde.
Dabei hat die Kammer zum einen die vom Sachverständigen dargelegten tatsächliche psychischen Auswirkungen der Taten auf die Nebenklägerin in den Blick genommen. Mit nachvollziehbarer Begründung hat er eine Posttraumatische Belastungsstörung ausgeschlossen und den späteren Eintritt einer solchen auch eher als nicht wahrscheinlich bezeichnet; die diagnostizierte Anpassungsstörung befinde sich in Remission. Das von ihm dargelegte erhöhte Risiko für die Entwicklung einer psychischen Störung konnte aber nicht näher verifiziert werden.
Ob die Geschehnisse die Nebenklägerin überhaupt in eine konkrete Gefahr der schweren Gesundheitsschädigung oder erheblichen Schädigung der körperlichen oder seelischen Entwicklung gebracht haben, erscheint vor dem Hintergrund dieser Ausführungen zumindest zweifelhaft, weil eine solche konkrete Gefahr eine kritische Situation voraussetzt, in der die Wahrscheinlichkeit eines Schadens derart gesteigert ist, dass ein Eintritt nahe liegt bzw. es nur noch vom nicht mehr beherrschbaren Zufall abhängt, ob die schwere Gesundheitsschädigung bzw. die erheblichen Schädigung der körperlichen oder seelischen Entwicklung eintritt oder nicht (vgl. BGH, Urteil vom 09. Februar 2006 – 5 StR 564/05, juris).
Zum anderen hat die Kammer in ihre Würdigung die Angaben des Sachverständigen zu den Ursachen der Anpassungsstörung der Nebenklägerin eingestellt. Diese finden sich vor allem in Geschehnissen nach ihrem Aufgreifen, so etwa in der Enttäuschung über das Verhalten ihrer Mutter, die sie im Strafverfahren als Lügnerin dargestellt hat, in der Angst, den Kontakt zur Mutter zu verlieren, aber auch in Schuldgefühlen. Die Kammer hat dabei auch berücksichtigt, dass ... im Ermittlungsverfahren wiederholt als Zeugin zu der Rolle ihrer Mutter befragt worden ist, obwohl sie deutlich zu verstehen gegeben hat, dass sie ihre Mutter nicht belasten wolle. Dies hat sie ersichtlich in einen Konflikt gebracht, der auch in der Hauptverhandlung noch andauerte. Ferner hat die Kammer in ihre Überlegungen eingestellt, dass ... selbst den Wunsch hatte, das Kinderheim zu verlassen und auch die sexuellen Handlungen nicht gegen ihren Willen geschehen sind.
Bei grundsätzlicher Annahme einer konkrete Gefahr der schweren Gesundheitsschädigung oder erheblichen Schädigung der körperlichen oder seelischen Entwicklung könnte aus Sicht der Kammer bei einer Gesamtwürdigung somit auch nicht sicher geklärt werden, ob die Entziehung der Minderjährigen, also die festgestellte Tat nach § 235 Abs. 1 StGB selbst, die Nebenklägerin bereits in eine konkrete Gefahr der schweren Gesundheitsschädigung oder erheblichen Schädigung der körperlichen oder seelischen Entwicklung gebracht oder ob sich eine solche konkrete Gefahr nicht erst durch die der Entziehung nachfolgenden Geschehnisse ergeben hätte. Letzteres würde für die Verwirklichung des Tatbestandes des Absatzes 4 der vorgenannten Norm nicht genügen. Die Gefährdung muss vielmehr „durch die Tat“ verursacht sein.
5. Feststellungen zur Schuldfähigkeit
a) Feststellungen zur Schuldfähigkeit betreffend die Angeklagte ...
Dass die Angeklagte ... zum Zeitpunkt der hier abgeurteilten Straftaten erheblich in ihrer Fähigkeit, sich entsprechend der von ihr tatsächlich als Unrecht erkannten Handlungsweise zu verhalten, also ihrer Steuerungsfähigkeit im Sinne von § 21 StGB eingeschränkt war, ergibt sich aus den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dipl.-Med. ..., denen sich die Kammer in vollem Umfang anschließt.
...ist Facharzt für Neurologie und Psychiatrie und ein seit langem gerichtserfahrener Sachverständiger. Er hat sowohl die Kammer als auch die Staatsanwaltschaft ..., die ihn auch im vorliegenden Verfahren bereits während des Ermittlungsverfahrens mit der Erstellung des Gutachtens zur Schuldfähigkeit der Angeklagten ... beauftragt hat, schon oft zu Fragen der Schuldfähigkeit von Angeklagten beraten. Die Kammer hat keinerlei Anlass, an seiner Sachkompetenz zur Erstellung derartiger Gutachten zu zweifeln.
Der Sachverständige, dem die Sachakten und Akten des Betreuungsverfahrens vorlagen, berichtete über die an zwei Terminen durchgeführte Exploration der Angeklagten. Die Angeklagte habe keine Angaben zu den Tatvorwürfen gemacht. Ihre Bewusstseinslage sei nicht beeinträchtigt gewesen, Hinweise auf einen zuvor erfolgten Alkoholkonsum habe es nicht gegeben. Sie sei freundlich, allseits orientiert und kontaktfähig gewesen und habe sich sehr darum bemüht, kompetent und selbstbewusst aufzutreten. Wenn sie etwas nicht oder nicht genau gewusst habe, sei sie oft auf die Formel ausgewichen, dass sie das nicht interessiere, damit nicht der Eindruck entstehe, dass sie – wie sie es formuliert habe – dumm sei. Fragen habe sie verstanden. Sie habe adäquat und flüssig geantwortet. Zeitangaben habe sie recht gut parat gehabt. Wenn es aber über die reine Aufzählung von Ereignissen hinaus um Details, Zusammenhänge und persönliche Motive gegangen sei, seien oft Widersprüche, Unklarheiten, ausweichende Erklärungen oder Ratlosigkeit im Raum stehen geblieben. Dies habe bei ihr mitunter zu Verstimmung geführt. Bei Nachfragen oder Hinweisen auf diese Widersprüche sei sie schnell aus der Fassung geraten und sei leicht gereizt und ärgerlich geworden.
Im Gesprächsverlauf sei deutlich geworden, dass die Angeklagte hinter ihrer vermeintlich selbstbewussten Fassade deutliche Schwierigkeiten gehabt habe, komplexe Sachverhalte zu erfassen, zu verstehen und mit eigenen Worten wiederzugeben. Sie habe bis zum Ende der Gespräche – trotz wiederholter Erläuterung mit einfachen Worten – nicht verstanden, zu welchem Zweck die Begutachtung durchgeführt werde. Sie habe befürchtet, dass man ihr nur nachweisen wolle, dass sie dumm sei, und dass die Begutachtung gegen ihre Person gerichtet sei.
Der formale Denkablauf sei geordnet gewesen. Es habe keine Hinweise auf wahnhafte Denkinhalte, Störungen des Ich-Erlebens oder Halluzinationen gegeben. Nach zweistündiger Gesprächsdauer hätten Aufmerksamkeit und Konzentration etwas nachgelassen. Beeinträchtigungen der Psychomotorik und des Antriebs und Merkmale einer spezifischen Persönlichkeitsstörung seien nicht festzustellen gewesen.
Ferner berichtete der Sachverständige über die testpsychologische Ermittlung des Intelligenzstatus der Angeklagten unter Mitwirkung der Dipl.-Psych. …, bei der auf den Wechsler-Intelligenztest für Erwachsene WIE (deutschsprachige Adaption des WAI-III nach Wechsler) zurückgegriffen worden sei.
Im Rahmen der Untersuchung habe die Angeklagte dargelegt, dass sie mit sechs Jahren in die Schule gekommen sei. Es sei keine Sonderschule gewesen. Das Lernen sei ihr nicht leichtgefallen, Lieblingsfächer habe sie nicht gehabt. Problemfächer seien Mathematik und Deutsch gewesen. Sie habe die 10. Klasse regulär und ohne Klassenstufenwiederholung mit einer Gesamtnote von 2 abgeschlossen. Sie habe Krankenschwester werden wollen. Da sie aber mit 17 oder 18 Jahren einen Unfall erlitten habe, habe sie die Lehre nicht schaffen können. Sie sei eine Eisentreppe hinuntergestoßen worden und habe sich dabei am Kopf verletzt. Die Ärzte hätten damals gemeint, sie habe einen „Entwicklungsrückstand“.
Auch hier habe sie den Eindruck hinterlassen, den Untersuchungsanlass und den Zusammenhang der Begutachtung mit dem Strafverfahren nicht realistisch erfasst zu haben. Sie habe die Befürchtung gehabt, als „dumm abgestempelt“ zu werden. Die trotz der misstrauisch-ängstlichen Grundhaltung doch insgesamt gute Mitarbeit basiere deshalb vermutlich zu großen Teilen auf dem Motiv, keinen schlechten Eindruck zu hinterlassen und somit Nachteile zu haben. Erfolge bei den Testaufgaben wirkten anspornend auf sie, Misserfolge habe sie nicht wahrgenommen oder sei darüber hinweggegangen.
Die Testinstruktionen seien von ihr inhaltlich ausreichend verstanden und richtig umgesetzt. Oft habe sie längere Überlegungszeit benötigt, ehe sie eine Lösung angeben konnte. Defizite seien vor allem bei den verbalen Anforderungen deutlich geworden. Aber auch bei den handlungsorientierten Aufgaben habe sie Schwierigkeiten, die logischen Abfolgen und Zusammenhänge zu erfassen, zu verallgemeinern bzw. auf die nächste Aufgabe zu übertragen.
Bei der testpsychologischen Untersuchung sei ein Handlungs-, ein Verbal- und ein Gesamt-IQ ermittelt worden. Der Gesamt-IQ, ein Maß für das allgemeine intellektuelle Leistungsvermögen und eine realistische Schätzung der allgemeinen Intelligenz, belaufe sich bei der Angeklagten ... auf einen Wert von 50. Im Vergleich zu ihrer Altersgruppe habe die Angeklagte ein unterdurchschnittliches Ergebnis erzielt. Der festgestellte Verbal-IQ, ein Maß für das erworbene Wissen, das schlussfolgernde verbale Denken und die Aufmerksamkeit für sprachliche Inhalte, sei mit erreichten 52 Punkten ebenfalls unterdurchschnittlich. Bei Ermittlung des Handlungs-IQ, eines Maßes für die Flüssigkeit des abstrakten, sprachfreien, schlussfolgernden Denkens, die räumliche Wahrnehmung, die Aufmerksamkeit für Details und die visuomotorische Integrationsfähigkeit, habe die die Angeklagte mit 60 Punkten ein im Vergleich zu ihrer Altersgruppe wiederum unterdurchschnittliches Ergebnis erzielt.
Bezogen auf die definierte IQ-Skala mit einfacher Standardabweichung vom mittleren IQ-Wert (100 +/-15) lägen alle von der Angeklagten erzielten Testwerte deutlich unterhalb der Norm. Bezogen auf die Prozentrandskala würden 98 Prozent ihrer Altersgruppe ein besseres und nur 2 Prozent ein noch schlechteres Testergebnis erzielen. Zwischen den handlungspraktischen und verbalen Fähigkeiten gebe es keine Leistungsunterschiede. Betrachte man das Leistungsprofil, so zeige sich die Minderbegabung in allen geprüften Leistungsbereichen. Das gesamte intellektuelle Fähigkeitsspektrum sei homogen erniedrigt. Es ließen sich keine Hinweise auf Teilleistungsstörungen und/oder isolierte kognitive Funktionsstörungen ableiten. Somit lasse sich testpsychologisch belegen, dass bei der Angeklagten eine mit hoher Wahrscheinlichkeit primäre Minderung der intellektuellen Fähigkeiten vorliege. Die ermittelten Testwerte bewegen sich bei Berücksichtigung des Messfehlerintervalls des verwendeten Verfahrens im unteren Drittel des nach der ICD-10 definierten IQ- Bereiches der „leichten Intelligenzminderung“.
Das Testergebnis stimme im Übrigen mit dem Verhalten und dem klinischen Eindruck, den die Angeklagte während der Untersuchung hinterlassen habe, überein. Vor diesem Hintergrund würden ihre Angaben, die „Normalschule“ – im Bildungssystem der DDR: Polytechnische Oberschule – mit gutem Leistungsdurchschnitt abgeschlossen zu haben, fragwürdig erscheinen.
Diagnostisch sei von einer leichten Intelligenzminderung im unteren Bereich ohne Verhaltensstörung (ICD-10 F 70.0) auszugehen. Der Gesamt-IQ beträgt 50, der IQ-Bereich für die leichte Intelligenzminderung reiche von 50 bis 69.
Andere psychische Krankheiten aus dem Bereich der psychotischen, affektiven, neurotischen oder somatoformen Störungen seien bei der Probandin nicht zu diagnostizieren. Es gebe auch keinen Anhalt für eine körperlich begründbare psychische Störung. Eine Suchterkrankung lasse sich anhand Angaben der Probandin und aus den Unterlagen der Betreuungsakte nicht feststellen.
Ob die Angeklagte aktuell an einer Krebserkrankung der Gebärmutter leide, wie von ihr angegeben, müsse offenbleiben, weil Befunde nicht beigezogen werden konnten.
Für den Tatzeitraum ließen sich aus der Anamnese der Angeklagten mithin keine Hinweise für eine psychische Krankheit oder Störung im Sinne des Merkmals krankhafte seelische Störung finden. Es habe also keine psychotische oder affektive Krankheit vorgelegen. Es gebe auch keine Erkenntnisse, die auf Alkoholrauschzustände bei den einzelnen Taten hinweisen. Die Kriterien für die Annahme einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung seien nicht erfüllt. Eine Persönlichkeitsstörung, sexuelle Devianz oder andere psychische Störung entsprechend dem Eingangsmerkmal schwere andere seelische Abartigkeit sei bei der Probandin ebenfalls nicht zu diagnostizieren.
Die intellektuellen Fähigkeiten der Probandin lägen aber deutlich im Bereich der leichten Intelligenzminderung, die dem dritten Eingangsmerkmal der §§ 20, 21 StGB zuzuordnen sei. Es sei davon auszugehen, dass diese Einschränkungen primärer Natur sind und nicht sekundär durch eine nachgewiesene körperliche Krankheit, ein Trauma oder einen zerebralen Abbauprozess verursacht worden seien. Entgegen den Angaben der Probandin bei der Begutachtung und der Testuntersuchung könne sie mit dem ermittelten Intelligenzquotienten den Abschluss der polytechnischen Oberschule mit der 10. Klasse und einem guten Notendurchschnitt nicht erreicht haben. Bei der Begutachtung im Betreuungsverfahren habe sie auch angegeben, dass sie eine Hilfsschule besucht habe. Im Sozialbericht sei angegeben worden, dass sie die Schule nach der 9. Klasse verlassen habe, ohne die Schulform zu benennen. Eine Berufsausbildung habe sie nicht absolviert und nur ungelernte Tätigkeiten ausgeübt. Das eine Berufsausbildung allein durch einen Treppensturz verhindert worden sei, erscheine nicht schlüssig. Die Probandin wolle sich nach außen hin kompetenter und fähiger darstellen, als sie es tatsächlich sei. Eintragungen in der Betreuungsakte würden allerdings auf die Probleme hindeuten, die entstünden, wenn sie auf sich allein gestellt sei, vor allem im Umgang mit Behörden, bei der Erledigung des Schriftverkehrs und der Klärung finanzieller Angelegenheiten. Es zeige sich auch, wie schwer es ihr gefallen sei, die Hilfe und Unterstützung der Betreuung im weiteren Verlauf für sich effektiv zu nutzen, bis schließlich ein neuer Partner in Erscheinung getreten sei, der sich dieser Angelegenheiten angenommen habe. Wegen ihrer unterdurchschnittlichen Fähigkeiten unterliege sie sehr leicht äußeren Einflüssen, gebe Aufgaben und Verantwortlichkeiten schnell an kompetentere Personen ab, verfüge gegenüber anderen Personen über wenig Durchsetzungsvermögen und könne auch nicht immer die Konsequenzen ihres Verhaltens für ihre Person vorausschauend kritisch in den Blick nehmen. Dies zeige sich auch an den Umständen, die zu ihrer Verheiratung mit einem türkischen Mann geführt hätten, von der sie selbst nicht den geringsten Vorteil gehabt habe. Auch bei der Begutachtung habe sie sich dazu nicht kritisch positionieren können.
Allerdings sei nicht davon auszugehen, dass die Voraussetzungen für die Annahme einer aufgehobenen Einsichtsfähigkeit vorgelegen haben. Zwar habe die Angeklagte zu den ihr zur Last gelegten Taten keine Angaben gemacht. Sie habe sich aber bei der Begutachtung dahingehend geäußert, dass ihr bekannt sei, dass sexuelle Beziehungen zwischen Erwachsenen und Kindern verboten seien und strafrechtlich geahndet werden. Aufgrund ihrer persönlichen Erfahrungen erscheine dies auch plausibel. Zudem seien ihre intellektuellen Defizite nicht so ausgeprägt, dass ihr die tatrelevanten Normen unbekannt geblieben sein könnten.
Auch ließen sich keine medizinischen Voraussetzungen ausmachen, die auf eine aufgehobene Steuerungsfähigkeit hinweisen würden. Davon wäre auszugehen, wenn zu den intellektuellen Defiziten weitere Faktoren hinzugekommen wären. Hierfür bestünden keine Anhaltspunkte.
Aus psychiatrischer Sicht seien aber – ausgehend von der leichten Intelligenzminderung im Sinne des Eingangsmerkmals Schwachsinn – tat- und tatzeitbezogen die Voraussetzungen für eine erhebliche Minderung der Steuerungsfähigkeit gemäß § 21 StGB anzunehmen.
Die Angeklagte wäre – so der Sachverständige – intellektuell allein nicht in der Lage gewesen, ein Vorhaben wie die Entziehung ihrer Tochter aus dem Kinderheim als Idee ins Auge zu fassen, zu planen, umzusetzen und durchzuhalten. Das betreffe auch das Entwerfen und Verfassen der Briefe, den Gang an die Öffentlichkeit, das Durchhaltevermögen im stringenten Umgang mit der Polizei und das Aufrechterhalten der Lügen und Täuschungen, um den tatsächlichen Aufenthalt der Tochter zu verschleiern. Auch wenn ihr Vermögen, ihren Töchtern eine angemessene Erziehung zukommen zu lassen, beschränkt gewesen sei und die Kinder letztlich in ein Heim aufgenommen worden seien, so zeige ihr Bemühen, über die Jahre hinweg den Kontakt mit ihren Töchtern aufrechtzuerhalten, dass sie Interesse an ihren Kindern gehabt und dafür auch Mühen auf sich genommen habe. Auf illegale Weise die Nähe zu den Kindern herzustellen, habe ihr ferngelegen. Sie sei immer nur zeitweise abgetaucht und nicht erreichbar gewesen, wenn vorübergehend ein neuer Mann in ihr Leben getreten sei.
Die Angeklagte sei von ihren intellektuellen Fähigkeiten her gesehen kaum in der Lage, eine partnerschaftliche Beziehung auf gleicher Höhe zu führen, sofern der Partner nicht vergleichsweise intelligenzgemindert sei, was bei dem Angeklagten ... nicht der Fall gewesen sei. Dieser habe in der Öffentlichkeit das Wort geführt und sei als aktiver Part in Erscheinung getreten, während die Angeklagte nur im Hintergrund wahrgenommen worden sei. Vor der Begegnung mit dem Angeklagten habe sie keine Aktivitäten unternommen, ihre Kinder wieder zu sich zu holen, erst recht nicht in der Massivität, wie sie mit Beginn der Beziehung zum Angeklagten einsetzten. Sie verfüge nicht über die Fähigkeiten, sich konfrontativ mit Behörden und Institutionen auseinanderzusetzen. Dafür sei sie auf externe Hilfe, zum Beispiel durch die Betreuung angewiesen. Dass beide eine intellektuell gleichrangige Beziehung geführt hätten, sei Wunschdenken der Angeklagten und entspreche ihrem Bedürfnis, kompetent zu erscheinen. Dies treffe vielleicht auf einfache, eingespielte Aktivitäten des Alltagslebens zu. In Wahrheit falle es ihr aber schwer, Bedürfnisse und Motive bei sich und anderen wahrzunehmen und zu reflektieren. Eine Auseinandersetzung auf der Basis von Argumenten könne sie kaum führen, weil ihr dafür das Verständnis fehle. Wenn man ihr gut zurede, sei sie eher zu überzeugen, als durch komplexe Argumentation, wie sich bei der Durchführung der Begutachtung und Testuntersuchung gezeigt habe.
Es sei anzunehmen, dass die Probandin passiv in der Entziehung der Tochter eingewilligt habe, ohne die Konsequenzen hinreichend zu bedenken. Ihre Fähigkeit, die möglichen Motive des Lebensgefährten zu durchschauen und dagegenzuhalten, sei eingeschränkt gewesen. Auch bei der Aufrechterhaltung der Fassade sei sie kaum in der Lage, eigeninitiativ zu handeln. Es habe zwar immer wieder die Möglichkeit bestanden, das Lügengebäude zum Einsturz zu bringen, aber vermutlich sei die Bindung an den ihr intellektuell überlegenen Partner und dessen direkte und indirekte Einflussnahme zu stark gewesen, um sich abzugrenzen.
Hinsichtlich der sexuellen Handlungen, die an ihrer Tochter vorgenommen worden seien, sei davon auszugehen, dass sie trotz ihrer intellektuellen Beeinträchtigungen aufgrund eigener Erlebnisse genug Lebenserfahrungen und praktische Entscheidungsfähigkeit gehabt habe, um nicht nur erkennen zu können, dass hier eine rechtliche Grenze überschritten werde, sondern auch um sich distanzieren und, wenn auch nicht direkt dagegen einzuschreiten, so doch sich nach außen wenden zu können. Dazu habe es im Verlauf der fünf Monate, in denen ... in ...zurückgehalten worden sei, hinreichend Möglichkeiten gegeben. Zu bezweifeln sei aber, dass die Angeklagte dann auch praktisch in dieser komplexen Situation wirklich hinreichend in der Lage gewesen sei, die tatsächlichen altersentsprechenden Bedürfnisse ihrer Tochter zu erkennen, unangemessene Wünsche zurückzuweisen, sich von den Bedürfnissen ihres Lebensgefährten abzugrenzen und auch eigene sexuelle Bedürfnisse zurückzustellen.
Aus psychiatrischer Sicht sei wegen der leichten Intelligenzminderung im Sinne des Eingangsmerkmals Schwachsinn tat- und tatzeitbezogen eine erhebliche Minderung der Steuerungsfähigkeit gemäß § 21 StGB zu bescheinigen.
Dieser nachvollziehbaren und überzeugend erläuterten Einschätzung schließt sich die Kammer unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme und des Auftretens des Angeklagten ... in der Hauptverhandlung vollumfänglich an, wobei sie besonders berücksichtigt hat, dass in der komplexen Situation der monatelangen Kindesentziehung konsequent-korrektes Verhalten für die intelligenzgeminderte Angeklagte eine besondere Hürde darstellte, zumal die Taten einvernehmlich, ohne Gewaltanwendung und unter aktiver Mitwirkung der Nebenklägerin stattfanden, so dass sie hier rechtlich-moralische Wertungen hätte vornehmen müssen, die ihr aufgrund ihrer Schwäche, sich mit widerstreitenden Gesichtspunkten argumentativ auseinanderzusetzen, besonders schwer gefallen sein dürften.
b) Feststellungen zur Schuldfähigkeit betreffend den Angeklagte ...
Die Feststellungen dazu, dass der Angeklagte ... während der Tatbegehung weder in seiner Einsichtsfähigkeit noch in seiner Fähigkeit, sein Verhalten entsprechend seiner Unrechtseinsicht zu steuern, eingeschränkt war, ergeben sich aus den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. ….
Dr. … ist Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Nervenheilkunde und forensische Psychiatrie und ein erfahrener Sachverständiger, der sowohl die Kammer als auch die Staatsanwaltschaft ... bereits in zahlreichen Fällen zur Frage der Schuldfähigkeit von Beschuldigten oder Angeklagten sachkundig beraten hat.
Im Hinblick auf mögliche Einschränkungen der Schuldfähigkeit des Angeklagten während der Begehung der hier abgeurteilten Straftaten kam der Sachverständige zu dem eindeutigen Ergebnis, dass der Angeklagte ... im Hinblick auf seine Unrechtseinsichtsfähigkeit und seine Steuerungsfähigkeit bei der Begehung der Taten in keinerlei Hinsicht eingeschränkt war.
Der Sachverständige, dem die Sachakten und die Akten zum Az. 81 Js 2220/07 der Staatsanwaltschaft ... mit in den Verfahren eingeholten Gutachten der Sachverständigen Dr. … vom 23.02.2009 und des Sachverständigen Dr. … vom 11.01.2008 zur Verfügung standen, berichtete in der Hauptverhandlung über die Exploration des Angeklagten und dessen Angaben zu seinen persönlichen Verhältnissen, so wie sie auch Eingang in die Darstellung der persönlichen Verhältnisse gefunden haben. Der Angeklagte sei freundlich und mit angemessenem Distanzverhalten aufgetreten. Aus der Situation habe sich eine gewisse adäquate Reserviertheit und Zurückhaltung ergeben, wobei der Angeklagte angegeben habe, dass er aufgrund falsch wiedergegebener Inhalte im früheren, ersten Gutachten vorsichtig geworden sei. Der Angeklagte habe nicht auffällig angespannt oder aufgeregt gewirkt, sondern Selbstbewusstsein ausgestrahlt. Er habe gut über sich und seine Leistungen und Fähigkeiten reden können, ohne dabei zu übertreiben, unrealistisch oder überheblich zu wirken. Er könne sich gut ausdrücken und differenziert schildern. Die gestellten Fragen habe er adäquat und themenorientiert beantwortet. Nie sei er unlogisch oder in seinen Gedankengängen sprunghaft oder inkohärent geworden. Fragen und Anmerkungen habe er prompt verstanden und sie unmittelbar in seinen weiteren Äußerungen aufgreifen können. Der Gesprächssituation angemessen habe er flexibel zwischen Detailschilderungen zu Episoden und zusammenfassenden Schilderungen umschalten können, ohne zu oberflächlich oder weitschweifig zu werden.
Wie von den Vorgutachtern bereits festgestellt, wirke er im Gespräch intelligent und geistig flexibel, was seinem gut durchschnittlichen Testergebnis zur Intelligenz entspreche sowie auch seinem Bemühen, sich ein gewisses Maß an Bildung anzueignen. Im formalen Befund nach den AMDP-Kriterien habe er sich wach, klar und allseits orientiert gezeigt. Konzentration und Gedächtnis seien ohne merkliche Beeinträchtigung gewesen. Hinweise auf das Vorliegen von Wahnvorstellungen, Halluzinationen oder Ich-Störungen von psychotischem Ausmaß hätten sich nicht offenbart. Im Antrieb habe er sich während der Untersuchungssituation unauffällig gezeigt. Im Affekt sei er mäßig gut schwingungsfähig bei vor allem besorgter und leicht bedrückter Stimmungslage gewesen. Anhaltspunkte für akute oder latente Suizidgedanken oder –neigungen hätten sich nicht gezeigt.
Der Sachverständige Dr. … betonte aber auch, dass bei der Betrachtung der Schilderungen des Angeklagten, hier insbesondere zu seiner Biografie, Familiengeschichte und frühen traumatischen Erlebnissen, einige Vorsicht angebracht sei. Dieser habe nämlich, wie von ihm selbst gegenüber der Vorgutachterin Dr. ...und auch in der späteren Hauptverhandlung nach der Revision einräumt worden sei, zuvor sein schauspielerisches Talent genutzt, um das Vorliegen psychotischer Symptome zu simulieren. Er habe seinerzeit akustische Halluzinationen in der Hoffnung auf die Gabe von Methadon beschrieben. Der Sachverständigen habe er nachvollziehbar erklärt, dass er aufgrund seiner Ausbildung zum Masseur in der Nervenklinik Spandau über genügend Erfahrung verfügte, um plausibel psychotische Symptome zu schildern. Bei der Aufnahmeuntersuchung in der Justizvollzugsanstalt Moabit im Juli 2007 habe er angegeben, dass er „jeden Tag 15 Bier und Schnaps, letztmalig vor zwei Tagen“, getrunken gehabt habe, um Distraneurin zu erhalten, weil er unter der Wirkung des Medikaments besser schlafen könne. Der Konsum von Schnaps sei aber „pure Erfindung“ gewesen; er habe seinen Alkoholkonsum „übertrieben“. Beide Vorgutachter hielten es auch für denkbar, dass der Proband tatsächlich vorhandene Symptome gegebenenfalls auch dissimulierte. Es sei insofern auch aktuell die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass der Proband den Untersucher würde täuschen oder manipulieren wollen.
So wie auch bei den beiden Vorgutachtern habe sich den Angeklagte auch jetzt wieder mit neuen Aspekten präsentiert. Beim Sachverständigen Dr. … habe – neben der darstellenden Substanzproblematik – die Frage einer möglichen Psychoseerkrankung im Vordergrund gestanden. Bei der Sachverständigen Dr. ...seien die Auffälligkeiten der Persönlichkeitsstruktur und -stile eingehender betrachtet und vor allem auch schwierige Kindheitsbedingungen mit Gewalt- und Vernachlässigungserlebnissen thematisiert worden. Nunmehr habe er einen sexuellen Missbrauch durch den Vater als wesentliche Belastung der kindlichen Entwicklung benannt, wobei er allerdings Andeutungen in diese Richtung bereits bei der Vorgutachterin getätigt habe. Im Zusammenhang mit dem Straftatvorwurf sexueller Handlungen mit einem Kind werfe dies verschiedene spezifische Fragen auf. So werde von Menschen, denen sexuelle Straftaten vorgeworfen werden, signifikant häufiger über selbst erlebte sexuelle Gewalt in der Kindheit berichtet, als dies für die Allgemeinheit oder auch Gruppen anderer Straftäter zutreffe. Dies lege die Möglichkeit nahe, dass hier ein direkter psychodynamischer Zusammenhang bestehen könnte, in dem Sinne, dass Opfer zu späteren Tätern werden. Dies sei also auf jeden Fall auch in der individuellen Situation zu betrachten. Es sei aber auch denkbar, dass die Schilderung der eigenen Opferposition in der Kindheit nur der eigenen moralischen Entlastung dienen solle.
In der aktuellen Exploration habe der Angeklagte über massive rücksichtlose und körperlich gewalttätige Handlungen sexueller Gewalt durch den Vater berichtet und dazu detailliert mehrere Beispiele geschildert und argumentiert, dass solche Situationen zu psychischen Traumatisierungen geführt hätten. Er habe darauf verwiesen, dass seine umfassende Verdrängung dieser Erlebnisse, die sich erst schrittweise aufgelöst habe („Erinnerungsfetzen“), als psychotraumatischer Mechanismus zu sehen sei, außerdem auf die mehrjährige Fortsetzung dieser Übergriffe und schließlich auch die negative Entwicklung, die er schon im Schulalter genommen habe, und die doch offensichtlich mit dieser häuslichen Situation zusammenhinge. Eine Bestätigung hätten diese Schilderungen zumindest in Grundzügen in den Zeugenaussagen seines Bruders ... gefunden.
Dass aus diesen Handlungen eine posttraumatische Belastungsstörung (ICD-10 F43.1) resultiere, sei nicht unwahrscheinlich. Eine solche posttraumatische Belastungsstörung entstehe als eine verzögerte oder protrahierte Reaktion auf ein belastendes Ereignis mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde. Prädisponierende Faktoren, wie bestimmte, zum Beispiel zwanghafte oder asthenische Persönlichkeitszüge oder neurotische Erkrankungen in der Vorgeschichte könnten die Schwelle für die Entwicklung dieser Symptome senken und seinen Verlauf erschweren, aber die letztgenannten Faktoren seien weder notwendig noch ausreichend, um das Auftreten der Störung zu erklären.
Solche prädisponierende Faktoren seien bei dem Probanden zu sehen. Geprüft worden seien folgende Kriterien:
A) „Kurz- oder langanhaltendes Ereignis oder Geschehen von außergewöhnlicher Bedrohung oder mit katastrophenartigem Ausmaß, das bei fast jedem eine tiefgreifende Verzweiflung auslösen würde“
Die beschriebene schmerzhafte anale Vergewaltigung, aber auch die Einbettung in andere Handlungen und ebenso auch der beschriebene Vollzug eines erzwungenen vaginalen Geschlechtsverkehrs mit der eigenen Mutter wären – auch ohne Bedrohung des Lebens an sich – geeignete Situationen, ein Trauma in diesem Sinne bei einem Kind auszulösen.
B) „Anhaltende Erinnerungen oder Wiedererleben der Belastung durch aufdringliche Nachhallerinnerungen, sich wiederholende Träume oder durch innere Bedrängnis in Situationen, die der Belastung ähneln oder mit ihr in Zusammenhang stehen.“
Diese Phänomene seien von ihm beschrieben worden. Er habe die „Erinnerungsfetzen“, das mögliche frühere Auftreten von Albträumen und störende situative Symptomauslösung, die beim Versuch sexueller Betätigung auftrete, beschrieben.
C) „Umstände, die der Belastung ähneln oder mit ihr im Zusammenhang stehen, werden tatsächlich oder möglichst vermieden. Dieses Verhalten bestand nicht vor dem belastenden Erlebnis.“
Ein entsprechendes Verhalten sei hier nicht zu sehen, aber auf die Situation eines sexuellen Missbrauch durch den Vater auch nicht übertragbar.
D) Und entweder
„Teilweise oder vollständige Unfähigkeit, einige wichtige Aspekte der Belastung zu erinnern“ oder
„Anhaltende Symptome einer erhöhten psychischen Sensitivität und Erregung (nicht vorhanden vor der Belastung)“
Ersteres sei hier nicht konkret fassbar. Er habe jetzt Situationen geschildert, sei dabei aber – vielleicht absichtlich – in Details unkonkret geblieben. Dass es Ereignisse gebe, die noch nicht erinnert werden, sei möglich. Es habe zumindest bis zu der Zeit in der früheren Haft eine weitgehende Erinnerungslosigkeit gegeben.
Bezüglich des zweiten Punktes seien Auffälligkeiten des Verhaltens und Erlebens vorhanden bzw. vorhanden gewesen, aber nicht im typischen Ausprägungsmuster der hier gemeinten „Hyperarousal“ und auch nicht speziellen Erlebnissen in diesem Sinne zuzuordnen. Eine Abgrenzung gegenüber der Problematik des schädlichen Substanzkonsums sei nicht verlässlich möglich,
Sowie
E. „Die Kriterien B), C), und D) treten innerhalb von sechs Monaten nach dem Belastungsereignis oder nach dem Ende einer Belastungsperiode auf.“ –
Dies sei rückblickend bei einer anhaltenden Misshandlung – wie hier geschildert – nicht konkret fassbar.
Wenn man also den Schilderungen des Angeklagten folge, sei das Vorliegen einer Posttraumatischen Belastungsstörung nicht unwahrscheinlich. Da die Betrachtung aber ganz überwiegend auf seinen Schilderungen selbst beruhe, ergebe sich keine diagnostische Sicherheit.
Der Sachverständige hat sich ferner mit der Frage des Vorliegens einer Persönlichkeitsstörung auseinandergesetzt und hierzu bekundet, dass – den Ausführungen des Angeklagten und seines Bruders folgend – auch unabhängig von der erlittenen sexuellen Gewalt eine belastende familiäre Situation und eine frühe Fehlentwicklung bei dem Angeklagten zu sehen sei. Nur die Großmutter mütterlicherseits habe ihm emotional und gefühlt liebevoll nahegestanden. Insbesondere von den Eltern habe es nicht die Zuwendung gegeben, die die emotionale Entwicklung oder die sichere Bindung hätte unterstützen können. Es habe bei der Betrachtung der Familiengeschichte als naheliegende Hypothese im Raum gestanden, dass es auch in den Vorgenerationen traumatische Erlebnisse gegeben haben könnte. Das beschriebene Verhalten der Eltern würde so am ehesten eine plausible Erklärung finden und ihre Kindheit im frühen Nachkriegsberlin deute auf ein schwieriges Entwicklungsumfeld der Eltern hin. Neben der geschilderten Herzlosigkeit und Brutalität der Eltern sei die Situation auch noch durch beider Alkoholkonsum verschärft worden. Der Vater sei eher „der passive Trinker“ gewesen und die Mutter die „Co-Alkoholikerin“.
Der Angeklagte selbst habe beschrieben, dass er nur „mit Ach und Krach“ die 10. Klasse abgeschlossen habe, nachdem er nur einmal, im 1. oder 2. Schuljahr, sitzen geblieben sei. Erst viele Jahre später, ab 2007, habe er die zunächst versäumte Schulbildung nachgeholt. Im Schulalter habe er Verhaltensstörungen entwickelt. Es habe Bewegungsmuster gegeben, die zwanghaft angemutet hätten. Verschiedene Handlungen habe er vielfach wiederholt - beispielsweise sei die ganze Nacht damit verstrichen, dass er sich hingelegt habe, wieder aufgestanden sei, sich wieder hingelegt habe ... Er sei unter den Gleichaltrigen „der Außenseiter schlechthin“ gewesen. Ein Schulpsychologe sei tätig geworden. Für den Sportunterricht habe er sich beispielsweise nicht ausziehen oder umziehen wollen. Er habe bis zur 7. Klasse ins Bett eingenässt. Der beginnende Drogenkonsum habe dann schon zum Scheitern der Ausbildung zum medizinischen Bademeister mit beigetragen.
Im Gutachten der Sachverständigen ... sei – so Dr. ... – mit dem Hinweis auf ein Verhalten, das als „schillernd, provokant, appellativ und mit Größenideen behaftet“ beschrieben werden könne, und auch insbesondere die „durchgängig präsentierte übermäßige Wichtigkeit der eigenen Person (bei einem im Kern brüchigen Selbstwertgefühl), Anspruchshaltung, Attitüde von Intellektualität aber auch Eitelkeit“ während der Explorationsgespräche zusammenfassend die Diagnose „kombinierte Persönlichkeit mit dissozialen sowie narzisstischen Zügen (ICD-10 F60.2, DSM IV 301.81)“ gestellt worden. Die Sachverständige habe auf die diagnostischen Merkmale des DSM IV (301.81) der narzisstischen Persönlichkeit (ein übertriebenes Selbstwertgefühl; Phantasien grenzenlosen Erfolgs; Ansicht, einzigartig zu sein; Verlangen nach Bewunderung; Anspruchsdenken; Ausnützen zwischenmenschlicher Beziehungen; Mangel an Einfühlungsvermögen; Neid; arrogantes Verhalten) und kam zu dem Ergebnis, dass bei dem Probanden bis auf den Aspekt des „Neids“ („neidisch auf andere oder glaubt, andere seien neidisch auf ihn“) alle geforderten Punkte erfüllt seien. Sie habe aber auch einschränkend festgestellt, dass die Störung keinen für den Probanden subjektiv spürbaren Krankheitswert habe und auf jeden Fall nicht als „schwere andere seelische Abartigkeit" im Sinne von § 20 StGB einzustufen sei und dabei herausgestellt, dass das Verhalten besonders auch durch die dissoziale Persönlichkeitsstörung (ICD-10 F60.2) geprägt sei.
Die gesamte Argumentation der Vorgutachterin sei überzeugend. Dass manches Symptom der Persönlichkeitsstörung in der aktuellen Untersuchung nicht mehr habe festgestellt werden können, falsifiziere keineswegs die frühere Diagnose, sondern entspreche gerade der damaligen Feststellung, dass es sich nicht um eine schwere Form einer Persönlichkeitsstörung handele.
Sowohl die dissozialen als besonders auch die narzisstischen Einstellungen und Verhaltensmuster zeigten eine große Abhängigkeit von der äußeren Lebenssituation. Verfüge ein Narzisst über gewisse Talente und könne er damit Erfolge verzeichnen, fälle es ihm leichter, die sonst problematische Kluft zwischen Selbstideal und Realität zu verkleinern.
Der Angeklagte habe seit der Erstellung des Vorgutachtens eine positive Entwicklung nehmen können. In der Haft habe er das Abitur erwerben und seine heftige Drogenproblematik teilweise überwinden können. Er habe – seine Aussage nach – aus der Jugend stammende Probleme therapeutisch bearbeiten können und mit seinen Aktivitäten als Schauspieler eine gewisse Anerkennung und vor allem ein gesünderes Selbstbewusstsein gefunden.
So sei erklärbar, dass die Symptomatik sich gegenüber früher abgeschwächt habe. Sie sei aber durchaus noch vorhanden und auch während der Partnerschaft mit Frau ... in vielfältiger Weise zu beobachten gewesen: So habe er sich nach den Bekundungen der Betreuerinnen der ... in deren Betreuung kämpferisch eingemischt, manipuliert und mit falschen Beschuldigungen agiert. Es sei der Eindruck entstanden, ihm sei jedes Mittel recht, um ... aus dem Heim herauszuholen. Zu seinen Verhaltensmustern passe es gut, dass seine Partnerin ihm intellektuell und im Auftreten in keiner Weise gewachsen sei und er es genieße, eine Familie zu haben, die er dominieren könne. Es liege nahe, dass ein Mensch mit narzisstischer Problematik eine solche Situation zur Stabilisierung seines Selbstbewusstseins nutzen könne.
Zur Alkohol- und Drogenproblematik führte der Sachverständige aus, dass die Vorgutachterin
überzeugend zu dem Ergebnis gelangt sei, dass die jahrelang gezeigte Heroin-Problematik des Probanden als ein Abhängigkeitssyndrom einzuordnen sei, wobei er damals in beschützender Umgebung in der Haft abstinent gewesen sei (ICD-10 F11.21). Auch in der aktuellen Exploration habe der Angeklagte eine mehrjährig bestehende Drogenabstinenz beschrieben. Daneben habe die Vorgutachterin bei ihm eine Störung durch multiplen Substanzgebrauch gesehen; in Bezug auf Alkohol habe er – jedenfalls unter Zugrundelegung der Trinkmengenangaben des damaligen Mittäters – vor seiner Inhaftierung möglicherweise an der Grenze vom Missbrauch zur Abhängigkeit gestanden. Nach aktuellen Angaben habe er bis zur aktuellen Untersuchungshaft noch Bier getrunken, dies aber nicht in übermäßigem Umfang. Bei einer langfristigen Betrachtung sei die Diagnose „schädlicher Konsum“ von Alkohol (ICD-10 F10.1) zu stellen, zumal Alkoholkonsum zur Begehung von Straftaten beigetragen habe und er für sich, etwa bei Obdachlosigkeit, auch das Risiko weiteren Substanzkonsums sähe.
In Übereinstimmung mit der Vorgutachterin sei mithin festzustellen, dass bei dem Angeklagten weder eine „krankhafte seelische Störung“ (insbesondere eine Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis) noch eine „schwere andere seelische Abartigkeit“ (schwere Persönlichkeitsstörung mit nicht vorrangig dissozialer Prägung) vorliege. Eine Intelligenzminderung („Schwachsinn“) liege ganz sicher nicht vor. Ebenso ist auch nicht an das Vorliegen der Konstellation einer Affekttat zu denken.
Auch ließen sich keine Anzeichen für das Vorliegen einer Pädophilie oder einer sonstigen Sexualpathologie finden. Aus den Schilderungen des Probanden gehe hervor, dass es bislang bei ihm nie eine sexuelle Orientierung auf Kinder gab. Die wenigen Partnerschaften seien mit altersmäßig adäquaten Partnerinnen gestaltet worden. Das äußere Erscheinungsbild und die Selbstdarstellung der ... würden sie eher dem körperlichen und psychischen Schema einer zumindest jugendlichen Frau als demjenigen eines Kindes zuordnen lassen. Es sei auch kein charakteristisch pädophiles Handlungsmuster zu erkennen. Vielmehr glichen die sexuellen Handlungen denjenigen, die auch zwischen ihm und der Mitangeklagten erfolgt seien. Das Tatmuster stelle sich so dar, dass Herr ... eine parallele Beziehung zu zweiFrauen genossen habe.
Schließlich wäre auch im Falle des Vorliegens einer Posttraumatischen Belastungsstörung keine Beeinträchtigung bei dem Probanden zu sehen, die die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit im Hinblick auf die inkriminierten Straftaten vermindern könnte. Intrusive Erlebniserinnerungen aus der eigenen Kindheit hätten ihn bei sexuellen Handlungen wohl eher ausbremsen müssen. Dissoziative Phänomene, die zu einer Situationsverkennung führen könnten, habe er nicht beschrieben. In der Beziehung zur Mitangeklagten habe er auch keine bedeutsame oder leidvolle Beeinträchtigung der Intimität und Sexualität beschrieben.
Hier ist bei dem Angeklagten insgesamt keine Störung zu erkennen, die einem der Eingangskriterien des § 20 StGB entspräche. Die tatbegünstigenden Faktoren – die schwärmerische Verliebtheit der ..., ihre von den Erziehern beschriebene Distanzlosigkeit und die Unfähigkeit von Frau ..., die Situation adäquat einzuschätzen und ihre Tochter entsprechend ihrem Alter zu schützen – könnten darauf hindeuten, dass es zur Tatbegehung weder einer ausgeprägten Persönlichkeitspathologie noch eines sehr hohen kriminellen Potenzials bedurfte, als er die inkriminierten Taten begangen habe.
Diesen nachvollziehbaren und mit überzeugender Argumentation vorgetragenen Ausführungen des Sachverständigen Dr. ... schließt sich die Kammer in vollem Umfang an. Sie werden nach Auffassung der Kammer darüber hinaus durch das Verhalten des Angeklagten während der Hauptverhandlung in vollem Umfang bestätigt. Der Angeklagte hat immer wieder umfangreiche schriftliche Anträge gestellt und schriftliche wie mündliche Stellungnahmen abgegeben. Aus diesen Erklärungen und Stellungnahmen ergibt sich, dass der Angeklagte aufgrund seiner Intelligenz und Bildung in der Lage ist, tatsächliche und sogar auch rechtliche Problemstellungen zu erkennen und zu analysieren. Sein persönliches Auftreten hat jedoch immer wieder deutlich zum Ausdruck gebracht, dass die vom Sachverständigen beschriebenen Anhaltspunkte für seine von stark narzisstischen Zügen geprägte Persönlichkeit bei ihm auch weiterhin in erheblichem Umfang zutage treten. So war seinem Agieren während des Verfahrens ständig zu entnehmen, dass er sich zum einen verantwortlich fühlte für seine ihm in intellektueller Hinsicht deutlich unterlegene Partnerin, die Mitangeklagte, indem er sich (auch) für deren Interessen einsetzte. Zum anderen übernahm er infolge offensichtlicher Selbstüberschätzung das dem Strafprozess innewohnende Verteidigungsverhalten (Stellung von Anträgen, Abgabe von Erklärungen etc.) in vielen Fällen selbst, ohne sich mit seinem Anwalt abzustimmen oder zu beraten.
V.
Rechtliche Würdigung
1. Rechtliche Würdigung der Taten des Angeklagten ...
Durch sein Verhalten hat sich der Angeklagte ... wegen schweren sexuellen Missbrauch eines Kindes gemäß §§ 176 Abs. 1, 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB in Tateinheit (§ 52 StGB) mit sexuellem Missbrauch einer Schutzbefohlenen gemäß § 174 Abs. 1 Nr. 3 StGB in drei tatmehrheitlichen Fällen (§ 53 StGB), jeweils begangen in Tateinheit mit Entziehung einer Minderjährigen gemäß § 235 Abs. 1 Nr. 1 StGB strafbar gemacht.
Insbesondere hat der Angeklagte jeweils auch den Tatbestand des § 235 Abs. 1 Nr. 1 StGB verwirklicht. Zur Tatzeit stand die elterliche Sorge betreffend der ... ... unter anderem für den Aufgabenkreis Aufenthaltsbestimmungsrecht nicht der Mutter zu, sondern wurde von einer Pflegerin, der Zeugin ..., ausgeübt. In Kenntnis dieses Umstandes ist der Angeklagte ... am 5. Oktober 2017 mit dem Kind nach dem Arztbesuch von ... nach ...gereist und gab dann auf ausdrückliche Nachfrage von Frau ... an, dass sich die Nebenklägerin nicht bei der Mutter und ihm aufhalte, obwohl sich das Mädchen in der Wohnung der Mutter befand. Er hat damit bereits zu diesem Zeitpunkt durch geflissentliches Verbergen seiner wahren Absichten, nämlich die Nebenklägerin dauerhaft in ...zu behalten, der Zeugin vorgespiegelt, dass ihm der Aufenthalt der ... ... nicht bekannt sei, und sie ihr somit vorenthalten.
Wie oben ausgeführt, vermochte die Kammer nicht festzustellen, dass die Nebenklägerin durch die Entziehung in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung oder einer erheblichen Schädigung der körperlichen oder seelischen Entwicklung gebracht wurde, vgl. § 235 Abs. 4 Nr. 1 StGB.
Die drei Taten stehen zueinander in Tatmehrheit (§ 53 StGB), wobei die Entziehung einer Minderjährigen nach § 235 Abs. 1 Nr. 1 StGB mit den während der Dauer der Entziehung begangenen Sexualdelikten tateinheitlich zusammentrifft (vgl. BGH, Urteil vom 7. März 1996 – 4 StR 35/96, juris).
2. Rechtliche Würdigung der Taten der Angeklagten ...
Die Angeklagte ... hat sich durch ihr Verhalten wegen Beihilfe (§ 27 StGB) zu dem vom Angeklagten ... in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch einer Schutzbefohlenen (§ 174 Abs. 1 Nr. 3 StGB) begangenen schweren sexuellen Missbrauch eines Kindes (§§ 176 Abs. 1, 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB) in drei tatmehrheitlichen Fällen strafbar gemacht.
Bei den Taten zu II. 1. und 2. hat sie zwar selbst keine aktiven Handlungen vorgenommen. Allerdings wäre sie als Mutter der ... verpflichtet gewesen, gegen die Missbrauchshandlungen des Angeklagten einzuschreiten, selbst wenn die Initiative (auch) von ihrer Tochter ausgegangen sein sollte. Ihr kommt insoweit eine Garantenstellung zu. Das Nichteinschreiten der Angeklagte, die die Handlungen mitbekommen hat und die auch die Möglichkeit des Einschreitens gehabt hätte, was ihr auch bewusst war, begründet eine Strafbarkeit wegen Beihilfe durch Unterlassen. Die Annahme einer Mittäterschaft kam schon deshalb nicht in Betracht, weil Täter im Sinne von §§ 176 Abs. 1, 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB und § 174 Abs. 1 StGB nur der sein kann, der das Kind selbst körperlich berührt; es handelt sich um ein „eigenhändiges Delikt“ (vgl. BGH, Urteil vom 7. September 1995 – 1 StR 236/95, juris). Aber auch sonst wäre bei wertender Betrachtung der subjektiven Beziehung der Garantin zur Tat (nur) von einer Beihilfe auszugehen. Diese wollte durch ihre Passivität das aktive Tun des Angeklagten ... als fremdes Handeln unterstützen und hat dies letztlich auch getan.
Ein listiges Verhalten im Sinne des § 235 StGB konnte bei ihr vor der zweiten Tat nicht festgestellt werden. Erst mit dem Verstecken der ... im Bettkasten der Couch in ihrer Wohnung anlässlich der Nachschau durch die Polizeibeamten am 7. Oktober 2017 erfüllte auch sie den Tatbestand des § 235 Abs. 1 Nr. 1 StGB.
Bei der letzten Tat hat die Angeklagte ... zunächst wiederum nicht eingegriffen, als der Angeklagte ... die festgestellten sexuellen Handlungen mit ihrer Tochter ausführte. Durch den dann im Rahmen diesen Geschehens von ihr mit dem Angeklagten ... ausgeführten Geschlechtsverkehr in Anwesenheit und vor den Augen der Nebenklägerin hat sie sich zudem auch wegen tateinheitlich begangenen sexuellen Missbrauch eines Kindes nach § 176 Abs. 4 Nr. 1 StGB strafbar gemacht.
Auch hier stehen die drei Taten zueinander in Tatmehrheit (§ 53 StGB); die Entziehung einer Minderjährigen trifft mit den während der Dauer der Entziehung begangenen Sexualdelikten in zwei Fällen tateinheitlich zusammen.
3. Teilfreispruch
Von den weiteren Vorwürfen aus der Anklageschrift vom 20. August 2018 waren die Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freizusprechen.
VI.
Strafzumessung
1. Strafzumessung betreffend den Angeklagten ...
Aufgrund seiner Taten war gegen den Angeklagten ... eine Gesamtfreiheitsstrafe von 4 Jahren und 6 Monaten zu verhängen.
Dabei hatte die Kammer aufgrund der Regelungen der §§ 53 und 54 StGB zunächst für jede einzelne Tat eine Strafe festzusetzen und den Strafrahmen jeweils dem Gesetz zu entnehmen, das im vorliegenden Fall konkret die höchste Strafe androht (§ 52 Abs. 2 StGB).
Dies ist in allen drei Fällen die Vorschrift des § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB, der Freiheitsstrafe nicht unter zwei bis zu 15 Jahren vorsieht.
Das Vorliegen eines minder schweren Falles des schweren sexuellen Missbrauch eines Kindes gemäß § 176a Abs. 4 2. Alt. StGB hat die Kammer geprüft und im Ergebnis verneint. In einer Gesamtwürdigung weichen die Umstände, die für die Wertung von Tat und Täter in Betracht kommen, gleichgültig, ob sie der Tat innewohnen, sie begleiten, ihr vorausgehen oder folgen, vom Durchschnitt der gewöhnlichen Fälle nicht so weit nach unten ab, dass die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten wäre.
Zugunsten des Angeklagten ... hat die Kammer bei der Prüfung berücksichtigt, dass er sich – von der Begehung der verfahrensgegenständlichen Straftaten abgesehen – um die Entwicklung der Nebenklägerin gekümmert hat, indem er viele Erziehungsaufgaben übernommen hat, zu denen die insoweit weitaus weniger befähigte Angeklagte ... nicht in der Lage war. So hat er die Nebenklägerin zu erforderlichen Arztbesuchen begleitet, sich um ihre schulischen Belange gekümmert, indem er ihr bei den Schularbeiten half, auf Anschreiben von Lehrkräften reagierte, Termine bei Schule und Schulamt wahrnahm und sie auch in ihrer allgemeinen Bildung in musischer und künstlerischer Hinsicht über das an einer Förderschule übliche Maß hinaus förderte. Auch als sich die Nebenklägerin nach dem 5. Oktober 2017 in den Wohnungen der beiden Angeklagten verborgen hielt, kümmerte sich der Angeklagte ... zumindest ansatzweise weiterhin um ihre Ausbildung. Ebenfalls zu seinen Gunsten hat die Kammer berücksichtigt, dass er sich schon während seiner letzten Inhaftierung um sein eigenes Fortkommen bemüht, einen weiterführenden Schulabschluss erreicht und auch danach, durch seine neu entdeckte Leidenschaft „Theater“ motiviert, ernsthaft versucht hat, in dieser Branche sowohl als Schauspieler als auch als Theaterpädagoge einer sinnvollen Tätigkeit nachzugehen, um so einen Weg zu einem von ihm selbst angestrebten „bürgerlichen“ Leben mit eigener Wohnung und Familie zu finden.
Zu seinen Gunsten spricht auch, dass das Tatopfer kein kleines Kind mehr war, sondern im Alter von knapp 13 Jahren bei der ersten festgestellten Tat den Sinn der sexuellen Handlungen durchaus verstanden und an diesen freiwillig und aktiv mitgewirkt hat.
Die Kammer hat die bei dem Angeklagten diagnostizierte „kombinierte Persönlichkeit mit dissozialen sowie narzisstischen Zügen (ICD-10 F60.2, DSM IV 301.81)“ und das vom Sachverständigen Dr. ... als nicht unwahrscheinlich angenommene Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung zu seinen Gunsten in ihre Überlegungen eingestellt. Zudem hat die Kammer eigene Missbrauchserfahrungen des Angeklagten in seiner Kindheit zu seinen Gunsten berücksichtigt.
Zu seinen Lasten war dagegen zu berücksichtigen, dass er das Zutrauen und die Verliebtheit der früh entwickelten pubertierenden Nebenklägerin ausgenutzt hat. Ebenfalls zu seinen Lasten war zu berücksichtigen, dass er bereits erheblich vorbestraft ist und bisher durch die Verhängung von Strafen – bis hin zu einer langjährigen unbedingten Freiheitsstrafe – nicht davon abgehalten werden konnte, weiterhin erhebliche Straftaten zu begehen.
Zulasten des Angeklagten war auch zu berücksichtigen, dass er durch jede seiner Taten drei Straftatbestände zugleich verwirklicht hat und dass er eine mögliche Schwangerschaft der Nebenklägerin in Kauf genommen hat, da die Taten jeweils ohne Verhütungsvorkehrungen durchgeführt wurden.
Innerhalb dieses Strafrahmens hat die Kammer die bereits bei der Prüfung des Vorliegens eines minder schweren Falles berücksichtigten Umstände erneut in die Abwägung einbezogen. Sie hat darüber hinaus die geständige Einlassung des Angeklagten bezogen auf die Entziehung einer Minderjährigen zu seinen Gunsten berücksichtigt.
Für die Tat zu II. 1. erachtete die Kammer im Ergebnis eine Freiheitsstrafe von drei Jahren für angemessen.
Für die Tat zu II. 2. hielt die Kammer eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten für angemessen. Dabei hat sie hier zugunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass es sich um eine Wiederholungstat handelte. Nachdem die Nebenklägerin bereits bei der ersten Tat bereitwillig mitwirkt hatte, war die Hemmschwelle für eine weitere Tatbegehung somit gesunken.
Für die dritte Tat, die Tat zu II. 3., hielt die Kammer eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten für angemessen. Dabei hat sie hier einerseits die gesunkene Hemmschwelle in ihre Erwägungen eingestellt. Anderseits war bei dieser Tat zu Lasten des Angeklagten zu berücksichtigen, dass der Angeklagte ... hinausgehend über den Geschlechtsverkehr mit ... in ihrem Beisein auch den Geschlechtsverkehr mit der Angeklagten ... ausübte.
Aus diesen Einzelstrafen war gemäß den Regelungen der §§ 53 und 54 StGB dergestalt eine Gesamtstrafe zu bilden, dass die höchste verhängte Einzelstrafe, hier die für die dritte Tat verhängte Freiheitsstrafe von drei Jahren drei Monaten, als Einsatzstrafe im Hinblick auf die beiden anderen in geringerer Höhe verhängten Einzelfreiheitsstrafen von drei Jahren sowie von zwei Jahren und acht Monaten angemessen zu erhöhen war.
Bei der Bildung der Gesamtstrafe hat die Kammer nochmals die Person des Angeklagten und die bereits für die Einzelstrafen maßgebenden Strafzumessungsgesichtspunkte zusammenfassend gewürdigt.
Besonders zu berücksichtigen war hier das Alter der Nebenklägerin bei der Begehung der Taten, das mit 13 Jahren nur knapp unter Altersgrenze des § 176a StGB lag. Zu berücksichtigen war auch, dass die sexuellen Handlungen einvernehmlich erfolgten.
Zulasten des Angeklagten wirkte sich bei der Bildung der Gesamtstrafe hier auch die sich über mehrere Monate erstreckende Dauer der Entziehung der minderjährigen Nebenklägerin aus.
Unter nochmaliger zusammenfassender Würdigung dieser und der weiteren, bereits für die Einzelstrafen maßgebenden Strafzumessungsgesichtspunkte, der Intensität der Taten und des Umstandes, dass der Angeklagte wiederholt strafrechtlich in Erscheinung getreten ist, hielt die Kammer eine Gesamtfreiheitsstrafe von
vier Jahren und sechs Monaten
für erforderlich, aber auch ausreichend, um hinreichend auf den Angeklagten einzuwirken, künftig keine weiteren Straftaten mehr zu begehen, ihm das begangene Unrecht deutlich vor Augen zu führen und eine seiner Schuld entsprechende Strafe gegen ihn zu verhängen. Die Kammer hat dabei die Einsatzstrafe maßvoll erhöht und damit dem engen zeitlichen, sachlichen und situativen Zusammenhang zwischen den Taten Rechnung getragen.
2. Strafzumessung betreffend die Angeklagte ...
Aufgrund ihrer Taten war gegen die Angeklagte ... eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren zu verhängen.
Dabei hatte die Kammer auch hier aufgrund der Regelungen der §§ 53 und 54 StGB zunächst für jede einzelne Tat eine Strafe festzusetzen, wobei der Strafrahmen jeweils dem Gesetz zu entnehmen war, das im vorliegenden Fall konkret die höchste Strafe androht (§ 52 Abs. 2 StGB).
Auch hier hatte die Kammer zunächst zu prüfen, ob im Hinblick auf die von der Angeklagten ... begangene Beihilfe zu dem durch den Angeklagten begangenen schweren sexuellen Missbrauch von Kindern gemäß § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB vom Vorliegen eines minder schweren Falles gemäß § 176a Abs. 4 2. Alt. StGB ausgegangen werden kann.
Für das Vorliegen eines minder schweren Falls spricht zunächst, dass ihre Tochter ... kein kleines Kind mehr war, sondern im Alter von knapp 13 Jahren bei der ersten Tat den Sinn der sexuellen Handlungen durchaus verstanden und an diesen freiwillig und aktiv mitgewirkt hat. Ferner spricht zu Gunsten der Angeklagten, dass sie sich im Rahmen ihrer eingeschränkten geistigen Fähigkeiten im alltäglichen Leben um ihre Töchter gekümmert und mit dem Jugendamt sachgerecht zusammengearbeitet hat, bis der Angeklagte ... sich in diese Angelegenheiten eingemischt hat.
Zudem spricht zu ihren Gunsten, dass sie strafrechtlich nicht erheblich vorbelastet ist. Sie selbst hat in ihrer Kindheit eigene sexuelle Erfahrungen gemacht und diese als nicht besonders schlimm empfunden, so dass ihr die möglichen Auswirkungen der sexuellen Handlungen gegenüber ihrer Tochter möglicherweise nicht in vollem Umfang bewusst waren.
Dies allein begründet in der Gesamtabwägung die Annahme eines minder schweren Falls allerdings (noch) nicht, zumal die Angeklagte bei der Tat zu II. 1. tateinheitlich einen weiteren Straftatbestand und bei den Taten zu II. 2. und II. 3. zwei bzw. drei weitere Straftatbestände verwirklicht hat.
Berücksichtigt man allerdings, dass die Angeklagte bei den Taten zu II. 1. und 2. überhaupt keine aktiven Tathandlungen vorgenommen, sondern nur ihren, ihr geistig in jeder Hinsicht überlegenen Partner gewähren ließ und ihr bezüglich der sexuellen Handlungen deshalb nur der Vorwurf einer Beihilfe durch Unterlassen gemacht werden kann, weichen die Umstände, die für die Wertung von Tat und Täter in Betracht kommen, gleichgültig, ob sie der Tat innewohnen, sie begleiten, ihr vorausgehen oder folgen, aus Sicht der Kammer vom Durchschnitt der gewöhnlichen Fälle so weit nach unten ab, dass die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten erscheint.
Gleiches gilt im Ergebnis für die Tat zu II. 3. Hier hat die Angeklagte zum schweren sexuellen Missbrauch ihrer Tochter durch den Angeklagten ebenfalls nur Beihilfe geleistet. Sie hat bei dieser Tat zwar selbst in das Geschehen eingegriffen und mit dem Angeklagten den Geschlechtsverkehr vor den Augen ihrer Tochter ausgeübt und dadurch zusätzlich den Tatbestand des sexuellen Missbrauch eines Kindes nach § 176 Abs. 4 Nr. 1 StGB verwirklicht. Letztlich war aber auch hier nur ein minder schwerer Fall nach § 176a Abs. 4 2. Alt. StGB anzunehmen, da die Tat in gleicher Weise Ausdruck des Machtgefälles zwischen den beiden Angeklagten war wie die ersten beiden Taten.
Unter Annahme eines minder schweren Falls des schweren sexuellen Missbrauch eines Kindes war für die drei festgestellten Taten gemäß § 176a Abs. 4 2. Alt. jeweils von einem Strafrahmen von einem Jahr bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe auszugehen.
Wegen der verminderten Schuldfähigkeit der Angeklagten hat die Kammer von der Milderungsmöglichkeit des § 21 StGB Gebrauch gemacht. Gründe, von der Strafrahmenmilderung abzusehen, waren nicht ersichtlich. Insbesondere liegt ein vorwerfbares Vorverhalten bei der Angeklagten nicht vor. An dem dauerhaften Defektzustand trifft sie kein Verschulden. Auch kann ihr nicht vorgeworfen werden, dass sie die Beziehung mit dem Angeklagten nicht „aufgelöst“ hat.
Der nach § 49 Abs. 1 StGB gemilderte Strafrahmen für die Taten betrug mithin Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu sieben Jahren und sechs Monaten.
Eine weitere Milderung nach § 27 Abs. 2 S. 2 StGB kam nicht in Betracht (§ 50 StGB). Gleiches gilt bezüglich der Taten zu II. 1. und 2 auch für eine mögliche Milderung nach § 13 Abs. 2 StGB.
Die Kammer hat auch in den Blick genommen, dass bei den Taten zu II. 1. und 2. über die obligatorische Milderung der Strafe nach § 27 Abs. 2 S. 2 StGB und die fakultativen Milderungsmöglichkeiten nach § 13 Abs. 2 StGB und § 21 StGB grundsätzlich eine dreifache Milderung des Strafrahmens des § 176a Abs. 2 StGB möglich gewesen wäre. Eine dreifache Milderung des Strafrahmens wäre für die Kammer allerdings bei einer Gesamtwürdigung nicht in Betracht gekommen. Gemindert hätte die Kammer den Strafrahmen nur nach § 27 Abs. 2 S. 2 StGB und gemäß § 21 StGB; der maßgebliche Strafrahmen würde sich dann auf Freiheitsstrafe von einem Monat bis zu acht Jahren fünf Monaten und eine Woche belaufen. Milder ist der Strafrahmen nur hinsichtlich der Untergrenze, nicht aber insgesamt.
Bei der Tat zu II. 3. wäre eine Milderung des Strafrahmens des § 176a Abs. 2 StGB nach § 27 Abs. 2 S. 2 StGB vorzunehmen und die fakultativen Milderungsmöglichkeit nach § 21 StGB gegeben. Bei Anwendung beider Vorschriften würde sich der Strafrahmen auf Freiheitsstrafe von einem Monat bis zu acht Jahren fünf Monaten und eine Woche belaufen. Allerdings käme hier die Vorschrift des § 52 Abs. 2 S. 2 StGB zum Tragen. Denn der ebenfalls verwirklichte § 176 Abs. 4 StGB sieht Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren vor.
Bei der Festsetzung sämtlicher Einzelstrafen hat die Kammer die oben im Rahmen der Prüfung des Vorliegens eines minder schweren Falles des schweren sexuellen Missbrauch eines Kindes bereits dargelegten Umstände in die Gesamtabwägung eingestellt.
Zugunsten der Angeklagten hat die Kammer berücksichtigt, dass sie infolge ihre intellektuellen Einschränkungen in starker Abhängigkeit von dem Angeklagten ... lebte, der in der von ihnen geführten Beziehung eindeutig den Ton angab, dass ihre Tochter kein kleines Kind mehr war, sondern den Sinn der sexuellen Handlungen durchaus verstanden und an diesen freiwillig und aktiv mitgewirkt hat, und dass sich die Angeklagte im Rahmen ihrer eingeschränkten geistigen Fähigkeiten um ihre Töchter gekümmert hat. Für sie spricht auch, dass sie strafrechtlich nicht erheblich vorbelastet ist. Zu ihren Gunsten hat die Kammer auch eingestellt, dass sie selbst in ihrer Kindheit sexuellen Übergriffen ausgesetzt war.
Zu ihren Lasten war dagegen zu berücksichtigen, dass sie jeweils nicht nur einen Straftatbestand, sondern bei der Tat zu II. 1. einen weiteren Straftatbestand und bei den Taten zu II. 2. und II. 3. zwei bzw. drei weitere Straftatbestände verwirklicht hat.
Unter Abwägung aller oben aufgeführten Umstände hielt die Kammer für die ersten beiden Taten jeweils eine Freiheitsstrafe von einem Jahr für angemessen. Der Tatbeitrag war geringfügig und beschränkte sich auf ein Nichteingreifen trotz einer Garantenstellung
Die Kammer hat die konkrete Strafe für die zweite Tat nicht erhöht, obwohl die Angeklagte nun, nachdem sie aktiv am Verbergen der Nebenklägerin bei der Durchsuchung durch die Polizei mitgewirkt hatte, auch noch den Straftatbestand der Entziehung einer Minderjährigen gemäß § 235 Abs. 1 Nr. 1 StGB verwirklicht hat. Aber auch hier ging die Initiative ganz entscheidend vom Angeklagten ... aus.
Für die dritte Tat hielt die Kammer dagegen eine höhere Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten für angemessen. Denn hier war zulasten der Angeklagten besonders zu berücksichtigen, dass sie vier Tatbestände zugleich verwirklicht hat. Sie hat den sexuellen Missbrauch eines Kindes diesmal selbst aktiv begangen, indem sie vor den Augen ihrer Tochter sexuelle Handlungen mit dem Angeklagten vornahm.
Aus diesen Einzelstrafen war dergestalt eine Gesamtstrafe zu bilden, dass die höchste verhängte Einzelstrafe, hier die für die dritte Tat verhängte Freiheitsstrafe von einem Jahren und sechs Monaten als Einsatzstrafe im Hinblick auf die beiden anderen in geringerer Höhe verhängten Einzelfreiheitsstrafen von jeweils einem Jahr angemessen zu erhöhen war.
Bei der Bildung der Gesamtstrafe hat die Kammer nochmals die Person der Angeklagten und die bereits für die Einzelstrafen maßgebenden Strafzumessungsgesichtspunkte zusammenfassend gewürdigt.
Besonders zu berücksichtigen war hier das Alter der Geschädigten bei der Begehung der Taten, das mit knapp 13 Jahren bei der ersten Tat nur knapp unter Altersgrenze des § 176a StGB lag. Zu berücksichtigen war auch, dass die sexuellen Handlungen zwischen ... ... und dem Angeklagten, zu denen die Angeklagte Beihilfe leistete, einvernehmlich erfolgten. Der Tatbeitrag insbesondere bei den ersten beiden Taten war gering.
Zulasten der Angeklagten wirkte sich bei der Bildung der Gesamtstrafe hier auch die sich über mehrere Monate erstreckende Dauer der Entziehung der minderjährigen Nebenklägerin aus.
Unter nochmaliger zusammenfassender Würdigung dieser und der weiteren, bereits für die Einzelstrafen maßgebenden Strafzumessungsgesichtspunkte, der Intensität der Taten und des Umstandes, dass die Angeklagte bislang strafrechtlich kaum, vor allem nicht einschlägig in Erscheinung getreten ist, hielt die Kammer eine Gesamtfreiheitsstrafe von
zwei Jahren
für erforderlich, aber auch ausreichend, um hinreichend auf diese einzuwirken, künftig keine weiteren Straftaten mehr zu begehen, ihr das begangene Unrecht deutlich vor Augen zu führen und eine ihrer Schuld entsprechende Strafe gegen sie zu verhängen. Die Kammer hat dabei auch hier die Einsatzstrafe maßvoll erhöht und damit dem engen zeitlichen, sachlichen und situativen Zusammenhang zwischen den Taten Rechnung getragen.
Die Vollstreckung der gegen die Angeklagte ... verhängten Strafe konnte gemäß § 56 Abs. 1 und 2 StGB zur Bewährung ausgesetzt werden.
Zum einen konnte die Kammer ihr eine positive Sozialprognose stellen. Die Angeklagte ist bislang noch nie zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden. Die festgestellten Straftaten hat sie nur unter dem Einfluss des Angeklagten begangen. Allein wäre sie nicht in der Lage gewesen, ein so komplexes Geschehen, wie die monatelange Entziehung der Minderjährigen, zu planen und aufrechtzuerhalten. Die Initiative zu den sexuellen Handlungen ging in keinem Fall von ihr aus. Es ist daher zu erwarten, dass sie sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird.
Zum anderen war die Angeklagte schon während des Verfahrens durch die Inhaftierung ihres Lebensgefährten, vor allem aber auch durch die von dem Jugendamt veranlasste Trennung von ihren Töchtern stark belastet. Diese Belastung wirkt nach der Verurteilung des Angeklagten ... fort; auch die Trennung von den Töchtern hält an. Zudem machte sie in der Hauptverhandlung einen gesundheitlich angeschlagenen Eindruck. Die Kammer hielt bei einer Gesamtwürdigung ihrer Person und der von ihr begangenen Taten das Vorliegen besonderer Umstände für gegeben, die die tatsächliche Vollziehung der gegen sie verhängten Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren entbehrlich erscheinen lassen.
VII.
Entscheidung über eine Sicherungsverwahrung des Angeklagten ...
Die Kammer hat – auch wenn von der Staatsanwaltschaft nicht beantragt – geprüft, ob der Angeklagte ... gemäß § 66 StGB in der Sicherungsverwahrung unterzubringen ist.
Zwar sind die formellen Voraussetzungen des § 66 Abs. 2 StGB erfüllt. Allerdings kam eine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung schon deshalb nicht in Betracht, weil die Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Angeklagten sowie der Art seiner Straftaten letztlich nicht ergab, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist (§ 66 Abs. 1 Nr. 4 StGB).
Das Vorliegen eines Hanges im Sinne eines „eingeschliffenen Verhaltensmusters“ ist unter sorgfältiger Gesamtwürdigung sämtlicher für die Beurteilung der Persönlichkeit des Täters und seiner Taten maßgeblichen Umstände zu beurteilen. Ein Hang ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes dann anzunehmen, wenn ein eingeschliffener innerer Zustand des Täters besteht, der ihn immer wieder neue Straftaten begehen lässt (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Mai 2014, 3 StR 382/13, juris).
Die sachverständig beratene Kammer konnte bei dem Angeklagten ... einen solchen Hang zu erheblichen Straftaten nicht feststellen.
Der Sachverständige Dr. ... führte aus, dass Habermeyer und Saß in ihrer 2004 veröffentlichten Schrift „Die Maßregel der Sicherungsverwahrung nach § 66 StGB: Grundlagen und Differentialindikation gegenüber der Maßregel gemäß § 63 StGB“ den Hangtäter als Person mit einer ungünstigen Kriminalprognose und einer stabilen und persönlichkeitsgebundenen Bereitschaft zur Begehung von Straftaten beschreiben würden. Die Autoren würden auf Persönlichkeits- und Verhaltensmerkmale hinweisen, die für einen Hangtäter im Sinne von § 66 StGB sprechen, und folgende Items aufführen:
„Zustimmende ich-syntone Haltung zur Delinquenz“
Übersetzt bedeute dies, dass der Täter keine Gewissensbisse oder Reue im Hinblick auf die Opfer empfinde. Deutlich werde dies an Rechtfertigungen, an die der Täter selbst glaube. Dies treffe bei dem Angeklagten für seine bisher abgeurteilten Straftaten zu. Er habe wesentliche Anteile der Taten von 2007 seinem Mittäter angelastet. Bezüglich des früheren Raubes und der Körperverletzung einer Kassiererin habe er die Ursachen der Tat bei den Geschädigten selbst gesehen. Seine Äußerung, dass er sich bei allen Geschädigten aus seinen früheren Straftaten entschuldigen wolle, erscheine nicht recht überzeugend.
„Schuldzuweisung an Opfer, Außenstehende, Umwelteinflüsse“
Äußerungen in dieser Richtung stünden bei dem Angeklagten bezüglich der früheren Verurteilungen im Vordergrund. Die Erklärung von Straftaten durch den Drogenkonsum schien ihm zu genügen, um etliche Straftaten nicht weiter zu betrachten. Das Item sei nicht im eigentlichen Sinne erfüllt.
„Fehlende psychosoziale Auslösefaktoren bzw. begünstigende Konflikte“
Die strafbaren Handlungen des Angeklagten seien durchweg sehr von der jeweiligen Lebenssituation und den Ausgangsbedingungen abhängig gewesen. Es sei dementsprechend zu sehr unterschiedlichen Tatszenarien und Deliktarten gekommen. Das Item sei nicht zutreffend.
„Phasen der Delinquenz überwiegen gegenüber unauffälligen Lebensphasen“
Für die Zeit von 1995 bis 2007 treffe dies zu. Seit der Haftentlassung im Jahr 2012 habe sich aber deutlich eine Trendwende gezeigt, die mit den vorangegangenen positiven Veränderungen erklärt werden könnten. Das Item sei nicht erfüllt.
"Progrediente Rückfallneigung, Missachtung von Auflagen“
Es habe zwar ein Bewährungsversagen in der Vergangenheit gegeben, doch sei deshalb keine progrediente Rückfallneigung zu sehen. Man könnte allerdings gegenüber den früheren Eigentumsdelikten eine Verschiebung zu einer neueren Qualität und Schwere der Straftaten sehen. Überwiegend sei das Item nicht zutreffend.
„Aktive Gestaltung der Tatumstände bzw. der Tat“
Das Item treffe in vollem Umfang zu.
„Spezialisierung auf einen bestimmten Delinquenztyp“
Dies sei eindeutig nicht zutreffend.
„Integration in eine kriminelle Subkultur,,Psychopathy' nach Hare“
Bei dem Angeklagten seien die „Psychopathy“-Merkmale eindeutig ausgeprägt. Für die Art seiner Straftaten sei aber die Einzeltäterschaft absolut typisch, insofern sei er nicht in eine kriminelle Subkultur integriert gewesen. Das Item treffe nicht zu.
"Reizhunger, sozial unverbundene, augenblicksgebundene Lebensführung“
Dieses Item sei für den Angeklagten nicht charakteristisch.
„Antisoziale Denkstile, die eine situative Verführbarkeit bedingen oder kriminelle Verhaltensstile legitim erscheinen lassen“
Der Angeklagte habe wiederholt sehr klar erkennen lassen, dass er sich beim Ausleben seiner Bedürfnisse sehr egozentrisch verhalte. Er sei dabei trickreich und rücksichtslos; das Item sei zutreffend.
Von den genannten Kriterien seien nur drei als erfüllt anzusehen. Insoweit könne nicht festgestellt werden, dass die charakteristischen psychiatrischen Grundlagen des Hang-Kriteriums des § 66 StGB bei dem Angeklagten vorlägen. Zwar bestehe die Gefahr der Begehung weiterer gravierender Straftaten. Nur beruhe dieses Risiko nicht vorrangig auf persönlichen Eigenschaften des Probanden und nur nachrangig auf äußeren Einflussfaktoren. Auch Willensschwäche oder Haltlosigkeit seien als Ursache der Begehung von Straftaten nicht vordergründig zu sehen.
Diesen gut begründeten und somit nachvollziehbaren Ausführungen zum Nichtvorliegen der Hang-Kriterien schloss sich die Kammer nach eigener Würdigung und Berücksichtigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme an.
Die Kammer konnte unter Berücksichtigung der Ausführungen des Sachverständigen Dr. ... das Vorliegen eines Hanges im Sinne von § 66 StGB mithin nicht feststellen. Sie hat dabei auch bedacht, dass allein anhand der Kriteriensammlung von Habermeyer und Saß eine Beurteilung nicht möglich ist, sondern eine sorgfältige Gesamtwürdigung aller für die Beurteilung der Persönlichkeit des Täters und seiner Taten maßgebenden Umstände vorzunehmen ist. Im Rahmen der Gesamtwürdigung hat die Kammer insbesondere die Entwicklung des Angeklagten nach Verbüßung der Haftstrafe aus dem Urteil des Landgerichts ... vom 12. Mai 2009 in den Blick genommen. Diese verlief – mit Ausnahme der kurz nach der Haftentlassung begangenen Körperverletzung vom 14. Juli 2012 – zunächst sehr positiv; der Angeklagte war ernsthaft bemüht, sein Leben in geordnete Bahnen zu lenken. Die nunmehr zur Aburteilung gekommenen Taten sind einzuordnen in das Gesamtkonstrukt der Verbindung des Angeklagten ... zu der Angeklagten ..., zu der er eine ernsthafte, und auch die Festnahme und Inhaftierung überdauernde Liebesbeziehung unterhält und die er, jedenfalls bis zu seiner Inhaftierung, nach Kräften bei der Bewältigung der täglichen Aufgaben unterstützte. Intention dieser Beziehung war nicht die Aufnahme sexueller Handlungen mit der Tochter der Angeklagten .... Die Verliebtheit der ... hat sich in jedem Fall tatbegünstigend ausgewirkt.
VIII.
Kostenentscheidung
Die Entscheidung über die Kosten und die notwendige Auslagen der Angeklagten folgt aus § 465 StPO, soweit die Angeklagten verurteilt wurden, und aus § 467 Abs. 1 StPO, soweit sie freigesprochen wurden.
Im Hinblick auf die notwendigen Auslagen der Nebenklägerin folgt die nur den Angeklagten ... betreffende Entscheidung aus § 472 StPO.