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Entscheidung OVG 1 B 67.09


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 1. Senat Entscheidungsdatum 08.12.2011
Aktenzeichen OVG 1 B 67.09 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 1 HwO, § 75 HwO, § 52 HwO, § 18 HwO

Leitsatz

1. Eine Innung hat auf der Grundlage des § 52 Abs. 1 HwO keinen Anspruch auf aufsichtsbehördliches Einschreiten der Handwerkskammer gegen eine andere Innung.
2. Ein Gewerbe im Sinne des § 52 Abs. 1 Satz 3 HwO ist nur ein solches, das in den Anlagen A oder B zu § 1 Abs. 2 und 3 bzw. § 18 Abs. 2 und 3 HwO gelistet ist.

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v.H. des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Genehmigung einer Änderung der Satzung der Beigeladenen durch die Beklagte. Die Beigeladene hatte sich im Jahr 2004 von „Kälteanlagenbauer-Innung Berlin-Brandenburg“ in „Innung für Kälte- und Klimatechnik Berlin-Brandenburg“ umbenannt, indem sie ihre Satzung entsprechend änderte. Mit Schreiben vom 17. März 2008 bat sie die Beklagte unter Hinweis darauf, dass bereits 16 Innungen im Bundesgebiet die Bezeichnung Klima- und Kältetechnik trügen, um Bestätigung der Satzungsänderung. Die Satzungsänderung wurde von der Beklagten unter dem 8. Mai 2008 genehmigt und die Satzung dann im Innungsrundschreiben vom 6. Juni 2008 veröffentlicht.

Die Klägerin, die schon seit längerem die Bezeichnung „Sanitär Heizung Klempner Klima“ in ihrem Innungsnamen führt, erhob gegen die „Umbenennung der Kälteanlagenbauer-Innung“ unter dem 30. Juni 2008 bei der Beklagten Widerspruch. Sie war der Ansicht, die Genehmigung der Satzungsänderung hätte von der Beklagten versagt werden müssen, da die Namensänderung rechtswidrig gewesen sei. Die Klägerin allein sei gemäß § 52 Abs. 1 Satz 3 der Handwerksordnung berechtigt, in ihrem Innungsnamen den Begriff Klimatechnik zu führen. Aufgrund der nunmehr gleichen Teilbezeichnung Klimatechnik bestehe die Gefahr, dass die beiden Innungen verwechselt würden. Unerheblich sei es, dass die neue Ausbildungsverordnung für das Kälteanlagenbauer-Handwerk auch den Bereich Klimatechnik abdecke. Entscheidend sei die Meisterprüfungsverordnung, die diesen Themenkreis nicht berühre.

Den Widerspruch wies die Beklagte unter dem 23. Januar 2009 zurück, zugestellt nach den übereinstimmenden Angaben der Beteiligten am 26. Januar 2009. Zur Begründung führte sie aus, dass der Namensschutz des § 52 Abs. 1 Satz 3 der Handwerksordnung sich nur auf die in der Anlage A zur Handwerksordnung genannten Gewerbe beziehe. Dort sei die Klimatechnik aber nicht als Handwerk aufgeführt. Die Bezeichnung „Klima“ sei dem Heizungsbauer- und Lüftungsbauerhandwerk nicht ausschließlich zugeordnet und könne auch von anderen Innungen benutzt werden, ohne dass es zu Verwechslungen kommen könne. Dafür spreche schon, dass die Ausbildungsordnung des Mechatronikers für Kältetechnik auch die Ausbildung im Bereich Klimatechnik vorschreibe.

Mit der dagegen am 26. Februar 2009 erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, dass ihr die Klimatechnik vollumfänglich und allein zugeordnet sei. Kälteanlagenbauer seien zur Installation von Klimaanlagen nach dem Meisterprüfungsberufsbild nicht berechtigt. Das sei schon immer so gewesen. Wie in der Meisterprüfungsordnung festgelegt, lieferten die Kälteanlagenbauer allein die kältetechnische Komponente für Klimaanlagen. Durch die Benutzung des zusätzlichen Begriffs Klimatechnik werde zwingend auf den vollständigen Tätigkeitsbereich der Gebäudeklimatisierung hingewiesen. Das führe zu Verwechslungen mit dem Tätigkeitsbereich der Klägerin. Die Klägerin hat beantragt, den Beklagten zu verpflichten, die durch ihn erfolgte Genehmigung der Satzungsänderung zurückzunehmen.

Das Verwaltungsgericht hat dem Vortrag der Klägerin unter Würdigung der Klagebegründung das Begehren entnommen, die Beklagte zu verpflichten, eine Verletzung des Rechts der Klägerin aus § 52 Abs. 1 Satz 3 der Handwerksordnung durch die Beigeladene zu unterbinden. Es hat die Klage durch Urteil vom 9. Oktober 2009, dem Klägervertreter am 3. November 2009 zugestellt, abgewiesen. Durch die streitige Umbenennung würden Rechte der Klägerin nicht verletzt. Der Schutz der Bezeichnung einer Innung nach § 52 Abs. 1 Satz 3 der Handwerksordnung beziehe sich nur auf Handwerke bzw. handwerksähnliche Gewerbe im Sinne der §§ 1 Abs. 2 und 3 sowie 18 Abs. 2 und 3 der Handwerksordnung (Aufzählung in den Anlagen A und B zur Handwerksordnung). Zu diesen zähle die Klimatechnik aber nicht. Sie könne vielmehr verschiedenen der in den Anlagen genannten Handwerke zugeordnet werden.

Mit der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie macht geltend, dass sie das ältere Recht auf den Namensbestandteil „Klimatechnik“ habe. Die Klimatechnik zähle schon nach dem Titel der Ausbildungsverordnung zu den Kernkompetenzen des Sanitär- und Heizungshandwerks. Der Schwerpunkt der Klimatechnik liege im Bereich der Heizungen. Die Klimatechnik habe sich zu einem eigenen Geschäftsfeld und Tätigkeitsbereich entwickelt. Die Anlagen A und B zur Handwerksordnung seien insofern nicht mehr aktuell. Aus der Ausbildungsverordnung ergebe sich aber, dass es einen Zusammenhang zwischen der Innung Sanitär Heizung Klempner auf der einen und der Klimatechnik auf der anderen Seite gebe. Bestünde daneben eine weitere Innung mit der Bezeichnung Klimatechnik, würden die Innungen nicht mehr deutlich gegeneinander abgegrenzt. Es sei für die Mitglieder der Klägerin wirtschaftlich nachteilig, falls eine weitere Innung den Zusatz Klima führen dürfte. Es käme zu einer Konkurrenzsituation. Potentielle Auszubildende würden über das Berufsbild des Kältetechnikers getäuscht.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 9. Oktober 2009 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung ihres Widerspruchsbescheids vom 23. Januar 2009 zu verpflichten, der Beigeladenen aufzugeben, ihre Satzung dergestalt zu ändern, dass diese den Namensbestandteil „Klimatechnik“ nicht mehr führt.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Sie geht davon aus, dass die Klimatechnik kein eigenes Handwerk darstelle, sondern Tätigkeiten umfasse, die mehreren Handwerken zugeordnet werden könnten. Die Klimatechnik sei demgemäß nicht nur Bestandteil der Ausbildungsverordnungen Sanitär/Heizung, sondern auch der Innung der Ofen- und Luftheizungsbauer und der Innung der Kälteanlagenbauer. Sie weist auf die Meisterprüfungsverordnung hin, deren Titel allein das Installateur- und Heizungsbauer-Handwerk benenne. Auch durch die aktuelle Novelle der Handwerksordnung vom 14. Juni 2011 sei die Klimatechnik nicht als eigenständiges Handwerk anerkannt worden.

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

Die Beteiligten haben sich nach Erörterung der Sache durch den Berichterstatter mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird neben der Streitakte auf den Verwaltungsvorgang der Beklagten, der vorgelegen hat und Gegenstand der Beratung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten sich damit einverstanden erklärt haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).

Die Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Sie ist unzulässig und darüber hinaus jedenfalls auch unbegründet, denn der Kläger hat unter keinem Gesichtspunkt einen Anspruch darauf, dass der Beklagte die neue Namensführung durch die Beigeladene unterbindet.

Allerdings ist es gemäß § 75 der Handwerksordnung (HwO) die Aufgabe der Handwerkskammer, die Rechtsaufsicht (Beachtung von Gesetz und Satzung) über die Handwerksinnungen zu führen. Daraus ergibt sich grundsätzlich die Befugnis der Handwerkskammer, die Handwerksinnung anzuweisen, eine rechtlich gebotene Satzungsänderung vorzunehmen (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. März 1992 – 1 C 31/89 – BVerwGE 90, 88 ff., juris Rn. 7). Die aufsichtsbehördliche Kontrolle der Handwerksinnungen ist geboten, da diese als Teil der staatlichen Verwaltung hoheitlich – vor allem im Bereich der Ausbildung, Prüfung und Gebührenerhebung – tätig werden. Die Handwerkskammer unterliegt als Behörde ihrerseits der Kontrolle durch die oberste Landesbehörde (§ 115 Abs. 1 HwO).

Vor diesem Hintergrund erschließt sich freilich nicht, woraus sich ein Anspruch der Klägerin auf insoweit aufsichtsbehördliches Einschreiten der Beklagten ergeben sollte. Die Handwerksinnung hat zwar eine Doppelnatur: Sie ist nicht nur Teil staatlicher Verwaltung mit dem Recht zur Selbstverwaltung, sondern nimmt auch die gemeinsamen berufsständischen und wirtschaftlichen Interessen der in ihnen zusammengeschlossenen Handwerker wahr (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. März 1992 – 1 C 31/89 – BVerwGE 90, 88 ff., juris Rn. 7). In beiden Funktionen steht ihr aber ein Anspruch auf aufsichtsbehördliches Einschreiten der Handwerkskammer gegen eine andere Innung nicht zu. Grundsätzlich erfolgt im Rahmen der Rechtsaufsicht ausschließlich eine Legalitätskontrolle zur Wahrung der staatlichen Ordnung im Interesse der Allgemeinheit. Die Aufsicht erfolgt nicht im Interesse anderer Innungen, unabhängig davon, ob diese in ihrer Funktion als Behörde oder als Interessenvertretung der in ihr organisierten Handwerker betroffen sind, sondern im öffentlichen Interesse am Funktionieren des Innungswesens an sich (vgl. im Allgemeinen etwa: OVG Münster, Beschluss vom 17. April 1975 – III B 1103/74 – OVGE 31, 51, 53; BVerwG, Beschluss vom 1. September 1976 – VII B 101/75 – NJW 1977, 118 f.; und im Besonderen: BVerwG, Beschluss vom 22. März 1982 – 5 B 6/81 – GewArch 1982, 271; OVG Bremen, Urteil vom 28. März 2000 – 1 A 314/99 – GewArch 2000, 490, 492, juris Rn. 57; Detterbeck, HwO, 4. Aufl., München 2008, § 75 Rn. 8, § 52 Rn 31 und 32; Honig/Knörr, HwO, 4. Aufl., München 2008, § 75 Rn. 4, 8). Das gilt selbst dann, wenn die Maßnahme, gegen die das Einschreiten der Handwerkskammer begehrt wird, eine andere Innung in ihren Rechten verletzt, denn Klagegegenstand ist insofern nicht die Maßnahme, sondern allein die Rechtsaufsicht durch die Handwerkskammer (vgl. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 17. Aufl., München 2009, § 28 Rn. 22; OVG Bremen a.a.O. Rn. 57 m.w.N.).

Zudem hat das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt, dass ein Verstoß gegen § 52 Abs. 1 Satz 3 HwO hier nicht vorliegt. Nach dieser Vorschrift kann für jedes Gewerbe in dem gleichen Bezirk nur eine Handwerksinnung gebildet werden. Diese eine Innung ist allein berechtigt, die Bezeichnung Innung in Verbindung mit dem Gewerbe zu führen, für das sie errichtet ist. Es handelt sich bei § 52 HwO um die zentrale Vorschrift zur Bestimmung des organisatorischen Rahmens, innerhalb dessen die Handwerksordnung grundrechtsrelevante Eingriffe bezüglich der Innungsmitglieder zulässt und zugleich den Innungen einfachrechtliche Befugnisse zugesteht. Zu diesem organisatorischen Rahmen gehört es, dass es im öffentlichen Interesse an der Leistungsfähigkeit der Innung nur eine Innung in ein und demselben Bezirk geben soll. Dieser Normcharakter erfordert eine hinreichende Bestimmtheit und demokratische Legitimation der Grenzziehung, die allein dadurch gewährleistet wird, dass die Handwerksordnung selbst in den Anlagen A und B zu § 1 Abs. 2 und 3 bzw. § 18 Abs. 2 und 3 HwO die betroffenen Gewerbe festlegt, die den Regelungen der Handwerksordnung unterliegen (vgl. zur Bedeutung dieser Anlagen als Teil des parlamentarischen Gesetzesrechts und zu ihrer Abänderbarkeit durch Rechtsverordnung Detterbeck, HwO, 4. Aufl., München 2008, § 1 Rn. 21-23 und § 18 Rn. 25 sowie zur engen Verbindung der Anlagen A und B mit der Namensgebung der Innung a.a.O. § 52 Rz. 12). Eine Aufnahme der Klimatechnik als eigenständiges oder Teilgewerbe in die hier allein in Frage kommende Anlage A ist bisher nicht erfolgt und die Klägerin kann sich auf § 52 Abs. 1 Satz 3 HwO insofern nicht mit Erfolg berufen.

Sollte ein Gebot der Klarheit des Innungsnamens insbesondere auch im Hinblick auf die Vorgaben der Anlagen A und B zur Handwerksordnung (vgl. Detterbeck a.a.O. § 52 Rn. 12) dagegen sprechen, dass die Kälteanlagenbauer den Zusatz Klimatechnik in ihren Namen aufnehmen, müsste sich auch die Klägerin dieses entgegenhalten lassen. Ein Vorgehen der Beklagten gegen nur eine der den Zusatz Klima nutzenden Innungen erscheint insoweit von vornherein ausgeschlossen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und 3, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10, § 711 der Zivilprozessordnung.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.