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Entscheidung Kart W 8/09


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg Kartellsenat Entscheidungsdatum 12.01.2010
Aktenzeichen Kart W 8/09 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 90 EnWG, § 3 ZPO, § 5 ARegV

Leitsatz

1.) Wird die Beschwerde gegen die Festsetzung der Erlösobergrenze bei offenem Verfahrensausgang zurückgenommen, ohne dass eine Sachprüfung stattgefunden hätte, hat der Beschwerdeführer die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Kann nicht festgestellt werden, dass die Regulierungsbehörde den Beschwerdeführer klaglos gestellt hat, hat dieser auch die außergerichtlichen Kosten der Landes-regulierungsbehörde und der Bundesnetzagentur zu erstatten.

2.) Macht der Netzbetreiber mit seiner Beschwerde geltend, die Erlösobergrenze müsse höher festgesetzt werden, er könne nicht auf den Ausgleich ihm entstehender höherer als berücksichtigter Kosten über das Regulierungskonto verwiesen werden, liegt seine Beschwer in seinem durch die zu niedrige Festsetzung verursachten Liquiditätsverlust.

3.) Der Beschwerdewert bemisst sich in einem derartigen Fall an den Kreditzinsen, die der Netzbetreiber aufwenden müsste, um den Liquiditätsverlust durch die zu niedrige Festsetzung der Erlösobergrenze bis zu deren Ausgleich über das Regulierungskonto zu beheben.

Tenor

Die Beschwerdeführerin hat die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens sowie die zur zweckentsprechenden Erledigung der Angelegenheit notwendigen Kosten der Landesregulierungsbehörde … und der Bundesnetzagentur zu tragen.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 23.520 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Beschwerdeführerin betreibt ein Elektrizitätsverteilernetz. Die Beschwerdegegnerin ist die für das Land … zuständige Landesregulierungsbehörde (LRB). Weiter am Beschwerdeverfahren beteiligt ist die Bundesnetzagentur.

Die LRB setzte mit Bescheid vom 18.12.2008 die Erlösobergrenzen im Zeitraum der ersten Regulierungsperiode 2009 bis 2013 für den Betrieb des Elektrizitätsverteilernetzes der Beschwerdeführerin im vereinfachten Verfahren fest. Die Beschwerdeführerin legte gegen diesen Bescheid Beschwerde beim Brandenburgischen Oberlandesgericht mit der Begründung ein, die Kosten des vorgelagerten Netzes sowie Vergütungen für die dezentrale Einspeisung nach § 18 StromNEV müssten für das Jahr 2009 nicht nach dem Preisblatt des Betreibers des vorgelagerten Netzes vom 1.6.2008, sondern aus den Preisblättern vom 1.2.2007 bis 31.5.2008 sowie vom 1.6.2008 bis 31.3.2009 in gewichteter Form berechnet werden.

Die Beschwerdeführerin hat vorgetragen, die LRB habe für das Jahr 2009 Aufwendungen an vorgelagerte Netzbetreiber in Höhe von rund 599.899 € in die Erlösobergrenze einbezogen. Richtigerweise hätte jedoch die LRB bei einer gewichteten Berechnung aus zwei Preisblättern Kosten für das vorgelagerten Netz sowie Vergütungen aus dezentraler Einspeisung in Höhe von 680.384,77 € in die Erlösobergrenze 2009 einfließen lassen müssen. Im Jahre 2009 betrügen die voraussichtlichen tatsächlichen Kosten 720.477,63 €. Sie, die Beschwerdeführerin, sei dadurch auch beschwert. Der Ausgleich über das Regulierungskonto beseitige die Beschwer nicht, denn dadurch verschlechtere sich ihre Liquidität, da sie höhere Entgelte des vorgelagerten Netzbetreibers bezahlen müsse, diesen Kosten jedoch keine entsprechenden Erlöse gegenüberstünden.

Die LRB ist der Beschwerde u. a. mit der Begründung entgegengetreten, eine etwaige vorübergehende Beschwer der Beschwerdeführerin werde durch das Regulierungskonto ausgeglichen. Denn ein eventuell auflaufender Differenzbetrag werde zu kapitalmarktüblichen Konditionen verzinst, im Jahre 2009 mit 4,20 %. Wenn die Beschwerdeführerin durch die Festsetzung der Erlösobergrenzen insoweit in Liquiditätsschwierigkeiten gerate, könne sie die fehlende Liquidität durch eine Kreditaufnahme vorfinanzieren. Die Kreditkonditionen dürften der Höhe nach der Verzinsung des Guthabens auf dem Regulierungskonto entsprechen.

Die Beschwerdeführerin hat ihre Beschwerde mit Schriftsatz vom 17.11.2009 vor dem auf den 19.11.2009 anberaumten Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat mit der Begründung zurückgenommen, die Beteiligten hätten eine außergerichtliche Lösung des Streitfalls herbeigeführt. Die Beschwerdegegnerin hat vorgetragen, sie habe der Beschwerdeführerin, wie allen anderen Netzbetreibern in analoger Anwendung des § 5 Abs. 3 ARegV die Möglichkeit eingeräumt, das Regulierungskonto zum 1.1.2010 vorzeitig abzubauen. Dies habe die Beschwerdeführerin zum Anlass genommen, die Beschwerde zurückzunehmen.

Die Beschwerdeführerin meint, die Kosten des Beschwerdeverfahrens seien gegeneinander aufzuheben, die LRB beantragt, die Kosten der Beschwerdeführerin aufzuerlegen. Die LRB hat die Festsetzung des Wertes des Beschwerdeverfahrens auf 120.578,06 € beantragt, die Beschwerdeführerin hält einen Betrag von 5.000 € für angemessen.

II.

1.) Die Entscheidung über die Kostentragung nach Rücknahme der Beschwerde beruht auf § 90 Satz 1 und 2 EnWG. Nach ständiger Rechtssprechung des Bundesgerichtshofs sind im Falle der Rücknahme der (Rechts-)Beschwerde die Gerichtskosten demjenigen aufzuerlegen, der in der Hauptsache unterlegen ist oder ohne die Rücknahme der Beschwerde unterlegen wäre. Dies gilt auch dann, wenn die Beschwerde zurückgenommen wird, ohne dass eine Sachprüfung erfolgt ist. Da sich der Beschwerdeführer mit der Rücknahme in die Rolle des Unterlegenen begeben hat, sind bei offenem Verfahrensausgang, wenn eine Sachprüfung bisher nicht erfolgt ist, die Gerichtskosten anders als im Falle der übereinstimmenden Erledigungserklärung jedoch regelmäßig nicht hälftig zu teilen, sondern dem Beschwerdeführer aufzuerlegen.

Da hier auch nichts dafür ersichtlich ist, im Rahmen der Billigkeitserwägungen eine abweichende Entscheidung zu treffen, hat die Beschwerdeführerin auch die außergerichtlichen Kosten der LRB und der Bundesnetzagentur zu erstatten. Die Entscheidung über die Kostenerstattung dient im energiewirtschaftlichen Verwaltungsverfahren nicht der abschließenden Klärung von Rechtsfragen (vgl. BGH NJW-RR 2007, 616, zitiert nach Juris). Es musste daher nicht geprüft werden, ob die Beschwerde Erfolg gehabt hätte, wenn sie nicht zurückgenommen worden wäre.

Es kann auch nicht angenommen werden, dass sich die LRB durch die Möglichkeit der vorzeitigen Auflösung des Regulierungskontos zum 1.1.2010 ihrerseits in die Position der Unterlegenen begeben und die Beschwerdeführerin klaglos gestellt hätte. Denn Streitgegenstand war die Höhe der festgesetzten Erlösobergrenze für das Jahr 2009. Die LRB hat demgegenüber nicht etwa die Erlösobergrenze 2009 angehoben, sondern im Wege einer netzbetreiberfreundlichen Analogie gemäß § 5 Abs. 3 ARegV eine Lösung über das Regulierungskonto angeboten. Dies korrespondiert mit ihrem Vortrag im Beschwerdeverfahren, Abweichungen der der Festsetzung für 2009 zugrunde liegenden Kosten für das vorgelagerte Netz von tatsächlich höheren Kosten könnten nur über das Regulierungskonto gemäß § 5 ARegV berücksichtigt werden.

Ausführungen zur Begründetheit der Beschwerde erübrigen sich auch deshalb, weil die Beschwerdeführerin einen Antrag gemäß § 83 Abs. 2 EnWG mit dem Ziel, festgestellt zu wissen, dass die Entscheidung der Regulierungsbehörde unzulässig oder unbegründet gewesen ist, nicht gestellt hat.

2.) Der Wert des Beschwerdeverfahrens war gemäß den §§ 3 ZPO, 63 Abs. 2 GKG auf 23.520 € festzusetzen.

Zwischen den Beteiligten ist unbestritten, dass die Kosten für das vorgelagerte Netz, die in die Festsetzung der Erlösobergrenze 2009 für die Beschwerdeführerin einbezogen worden sind, signifikant unter den Kosten liegen, die im Jahr 2009 tatsächlich entstanden sind. Der einzige Streitpunkt der Beteiligten war der, ob die Berücksichtigung der tatsächlichen Kosten sofort durch Heraufsetzung der Erlösobergrenze 2009 oder über das Regulierungskonto erfolgen sollte. Der Streit bezog sich nur auf das Jahr 2009, weil auch nach Auffassung der LRB die Beschwerdeführerin ab dem Jahr 2010 die Erlösobergrenze wegen gestiegener Kosten des vorgelagerten Netzes gemäß den §§ 24 Abs. 3, 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ARegV, 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 und 8 ARegV selbständig anpassen kann. Es ging der Beschwerdeführerin mit ihrer Beschwerde deshalb der Sache nach um die Beseitigung ihrer Liquiditätslücke im Jahr 2009.

Diese Liquiditätslücke betrug nach dem Beschwerdevorbringen rund 80.000 €, nicht dagegen 120.000 €. Die Beschwerdeführerin hat mit der Beschwerde die Heraufsetzung der Erlösobergrenze um rund 80.000 € erstrebt. Sie hat lediglich ergänzend vorgetragen, ihre Liquiditätslücke betrage tatsächlich rund 120.000 €. Auch bei einem Erfolg der Beschwerde wäre mithin eine Differenz zwischen den in die Erlösobergrenze 2009 eingerechneten Kosten für das vorgelagerte Netz sowie Vergütungen für die dezentrale Einspeisung nach § 18 StromNEV und den tatsächlich im Jahr 2009 hierfür auf Seiten der Beschwerdeführerin entstehenden Kosten in Höhe von 40.000 € verblieben.

Denn die Beschwerdeführerin hat dahingehend argumentiert, die LRB hätte im Zeitpunkt der Festsetzung der Erlösobergrenze 2009 nicht das aktuelle, bis zum 31.3.2009 geltende Preisblatt des Betreibers des vorgelagerten Netzes ihrer Berechnung zugrunde legen dürfen, sondern - wegen der darin festgelegten ausnahmsweise außerordentlich niedrigen Netzentgelte - noch das davor geltende Preisblatt anteilig heranziehen müssen; aus einer Berechnung, die beide Preisblätter kombiniert, hätten sich realistische Kosten für das vorgelagerte Netz errechnet. Die Beschwerdeführerin hat die sie belastende Liquiditätslücke deshalb nicht in Höhe der Differenz der in die Erlösobergrenze einbezogenen Kosten und den tatsächlichen Kosten 2009 berechnet, sondern in Höhe der Differenz zwischen den in die Erlösobergrenze einbezogenen Kosten und den Kosten, die die LRB von sich aus im Zeitpunkt der Festsetzung der Erlösobergrenze hätte berechnen können. Nicht einmal die Beschwerdeführerin hat die Auffassung vertreten, die LRB hätte im Zeitpunkt der Festsetzung der Erlösobergrenze im Dezember 2008 die ab dem 1.4.2009 anfallenden Kosten des vorgelagerten Netzes voraussehen können.

Für die Berechnung des Beschwerdewertes ist nicht die absolute Summe der Liquiditätslücke maßgebend, sondern vielmehr der Betrag, den die Beschwerdeführerin aufwenden muss, um sich diese Liquidität anderweitig auf dem Kapitalmarkt zu beschaffen. Maßgeblich sind deshalb die Kreditzinsen, von denen die LRB unwidersprochen vorgetragen hat, dass sie der Höhe nach dem für die Verzinsung des Regulierungskontos zugrunde zu legenden Zinssatz in Höhe von derzeit 4,20 % entsprächen. Die Zinsen betragen bei einer Liquiditätslücke von 80.000 € und bei diesem Zinssatz jährlich 3.360 €. Da diese Liquidität jedoch nicht nur ein Jahr fehlt, sondern bei einem regulären Verlauf das Regulierungskonto gemäß § 5 Abs. 4 Satz 1 ARegV erst im letzten Jahr der Regulierungsperiode mit Wirkung für die folgende Regulierungsperiode ausgeglichen wird, fehlt die Liquidität von 80.000 € insgesamt fünf Jahre. Die Zinsen auf diesen Betrag für fünf Jahre betragen insgesamt 16.800 €.

Nach § 5 Abs. 4 Satz 2 ARegV erfolgt der Ausgleich des Regulierungskontos nicht sofort, sondern gleichmäßig über weitere fünf Jahre. Die Beschwerdeführerin müsste deshalb weitere fünf Jahre auf einen vollen Ausgleich der ihr fehlenden Liquidität warten. Ihr entstehen deshalb in den vier ersten Jahren der zweiten Regulierungsperiode Liquiditätslücken von 64.000 €, 48.000 €, 32.000 € und 16.000 €. Um diese Beträge zu einem Zinssatz von 4,20 % am Kapitalmarkt zu beschaffen, fallen Zinsen in Höhe von 2.688 €, 2.016 €, 1.344 € und 672 € an, mithin insgesamt weitere 6.720 €.

Die Zinsbelastung, die die Klägerin tragen müsste, um die durch die beanstandete Behandlung der Kosten des vorgelagerten Netzes 2009 auszugleichen, beträgt auf zehn Jahre mithin 23.520 €.

Dass die LRB der Beschwerdeführerin ihrerseits wegen zu niedrig angesetzter Erlösobergrenzen Zinsen gutschreiben muss, mindert die Beschwer der Klägerin nicht, sie stellt vielmehr deren Ausgleich dar, der bei der Wertbemessung außer Betracht bleibt. Dasselbe gilt auch für den Fall, dass die Beschwerdeführerin im Jahre 2009 möglicherweise unter Berücksichtigung der tatsächlichen Mengenentwicklung höhere als die festgesetzten Erlöse erzielt haben sollte. Derartige beschwerdefremde Gründe können die Beschwer wegen zu niedrig angesetzter Kosten für das vorgelagerte Netz im Jahre 2009 nicht mindern.

3.) Die Rechtsbeschwerde ist nicht statthaft, weil es sich vorliegend nicht um einen in der Hauptsache erlassenen Beschluss handelt, § 86 Abs. 1 EnWG.