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Entscheidung 21 Ta 1011/14


Metadaten

Gericht LArbG Berlin-Brandenburg 21. Kammer Entscheidungsdatum 20.06.2014
Aktenzeichen 21 Ta 1011/14 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 115 Abs 1 S 3 Nr 5 ZPO

Leitsatz

1. Ist eine Partei Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft nach dem SGB II, sind im Rahmen des Prozesskostenhilfeverfahrens bei der Berechnung des einzusetzenden Einkommens die Einkommensanteile, die vom Sozialleistungsträger auf den Bedarf der übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft angerechnet werden, als besondere Belastungen nach § 115 Abs. 1 Satz 1 Satz 3 Nr. 5 ZPO einkommensmindernd zu berücksichtigen.

2. Dies gilt jedenfalls, soweit die sich aus § 112 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 Buchst. a und b ZPO ergebenden Freibeträge nicht überschritten werden

Tenor

I. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt (Oder) vom 29. April 2014 - 4 Ca 484/14 - hinsichtlich der festgesetzten monatlichen Raten abgeändert:

Die Bewilligung erfolgt mit der Maßgabe, dass hinsichtlich der Prozesskosten vorläufig kein eigener Beitrag zu leisten ist.

II. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

In dem Beschwerdeverfahren wendet sich der Kläger gegen die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nur gegen Ratenzahlung.

In dem Prozesskostenhilfeverfahren beantragte der Antragsteller mit am 25. März 2014 beim Arbeitsgericht Frankfurt (Oder) eingegangenem Schriftsatz für eine beabsichtigte Klage auf Zahlung von (weiterer) Vergütung für die Monate August 2012 bis Dezember 2013, Erteilung von (korrigierten) Lohnabrechnungen bei Zahlung und Erteilung eines Arbeitszeugnisses die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Verfahrensbevollmächtigten.

Der Antragsteller lebt mit seiner Lebensgefährtin und deren beiden Kindern in einer Bedarfsgemeinschaft. Neben seinem Arbeitslosengeld bezieht er ebenso wie die übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft Leistungen nach dem SGB II. Bei der Berechnung der Leistungen nach dem SGB II wurde das Arbeitslosengeld des Antragstellers als Einkommen der Bedarfsgemeinschaft auf die einzelnen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis zum jeweiligen Bedarf verteilt und auf diesen angerechnet. Wegen der Einzelheiten wird auf den Änderungsbescheid des kommunalen Jobcenters des Landeskreises Oder-Spree vom 7. März 2014 (Bl. 90 ff. d. PKH-Hefts) und insbesondere auf die dem Bescheid beigefügten Berechnungsbögen (Bl. 94 ff. d. PKH-Hefts) Bezug genommen.

Mit Beschluss vom 22. Oktober 2013 hat das Arbeitsgericht dem Antrag auf Prozesskostenhilfe hinsichtlich der Vergütungsansprüche und des Anspruchs auf Erteilung eines Arbeitszeugnisses mit Wirkung ab dem 25. März 2013 mit der Maßgabe stattgegeben, dass hinsichtlich der Prozesskosten monatliche Raten aus dem Einkommen in Höhe von 163,00 Euro zu zahlen sind, den Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers zu den Bedingungen eines im Bezirk des Arbeitsgerichts niedergelassenen Rechtsanwalts beigeordnet und den Antrag im Übrigen zurückgewiesen. Wegen der Begründung wird auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses nebst beigefügtem Berechnungsbogen (Bl. 106 f. u. 108 d. PKH-Hefts) verwiesen.

Gegen diesen dem Antragsteller am 2. Mai 2014 zugestellten Beschluss, hat er mit am 20. Mai 2014 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz, beschränkt auf die Ratenzahlungsverpflichtung, sofortige Beschwerde eingelegt. Das Arbeitsgericht sei von einem zu hohen Gesamteinkommen ausgegangen. Da sein Arbeitslosengeld vollständig auf den Bedarf der Bedarfsgemeinschaft angerechnet werde, verfüge er tatsächlich nur über ein wesentlich geringeres Einkommen. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Beschwerdeschrift (Bl. 116 f. d. PKH-Hefts) verwiesen.

Mit Beschluss vom 10. Juni 2014 hat das Arbeitsgericht der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, sowohl das Arbeitslosengeld als auch die Leistungen nach dem SGB II, die der Kläger zum Zeitpunkt der Prozesskostenhilfebewilligung bezogen habe, seien als Einkommen i. S. d. § 115 ZPO anzusehen. Beides sei auch zu addieren. Durch die Anrechnung des Arbeitslosengeldes im Rahmen der Leistungen nach dem SGB II verringere sich lediglich der Bedarf der Bedarfsgemeinschaft, ändere aber nichts daran, dass der Antragsteller außer Arbeitslosengeld aufstockende Leistungen nach dem SGB II erhalte. Für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe sei allein auf das Einkommen des Antragstellers abzustellen. Auf das Einkommen der übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft komme es nicht an. Da der Antragsteller mit den weiteren Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft nicht verwandt und deshalb auch nicht zum Unterhalt verpflichtet sei, seien von dem Einkommen des Antragstellers außer seinem persönlichen Freibetrag und den anteiligen Kosten für Wohnung und Heizung keine weiteren Beträge in Abzug zu bringen. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Gründe des Beschlusses vom 10. Juni 2014 (Bl. 112 f. d. PKH-Hefts) verwiesen.

II.

1. Die sofortige Beschwerde ist an sich statthaft (§ 11a Abs. 1 ArbGG, § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO) sowie frist- und formgerecht eingelegt worden (§ 11a Abs. 1 ArbGG, § 127 Abs. 2 Satz 3 ZPO, § 569 ZPO). Die danach zulässige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Gegenstand der Beschwerde ist nur die Verpflichtung zur Ratenzahlung. Im Übrigen ist der Bewilligungsbeschluss rechtskräftig.

Der Bewilligungsbeschluss des Arbeitsgerichts ist dahin abzuändern, dass hinsichtlich der Prozesskosten vorläufig kein eigener Beitrag zu leisten ist. Dies ergibt zum einen daraus, dass entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts die Einkommensanteile, mit denen der Antragsteller zur Deckung des Lebensunterhalts der übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft herangezogen wird, als besondere Belastungen einkommensmindernd zu berücksichtigen sind, und zum anderen daraus, dass sich die Einkommensverhältnisse des Antragstellers ab Mai 2014 wesentlich schlechter darstellen als noch im April 2014.

a) Nach § 11a Abs. 1 ArbGG i. V. m. den § 114 Satz 1 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtige Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Maßgebend für die Ermittlung des einzusetzenden Einkommens nach § 115 Abs. 1 Satz 1 und 2 ZPO und der davon nach § 115 Abs. 2 ZPO zu zahlenden Raten sind die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Partei zum Zeitpunkt der Bewilligung der Prozesskostenhilfe. Eine nach der Bewilligung eingetretene wesentliche Verschlechterung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse kann nach § 120a Abs. 1 Satz 1 und 2 ZPO im Beschwerdeverfahren berücksichtigt werden (näher dazu LAG Berlin-Brandenburg 17.01.2014 - 21 Ta 2032/13 - m. w. N., zitiert nach juris).

Nach § 115 Abs. 1 Satz 1 ZPO hat die Partei ihr Einkommen für die Prozesskosten einzusetzen, wobei es nicht auf das Familieneinkommen, sondern nur auf das Einkommen der Partei ankommt (Musielak-Fischer, § 115 Rn. 2; Zöller-Geimer, § 115 Rn. 7). Nach § 115 Abs. 1 Satz 2 ZPO sind als Einkommen alle Einnahmen der Partei ohne Rücksicht auf ihre Herkunft und Rechtsnatur anzusehen (Musielak-Fischer, § 115 a. a. O.), so auch Arbeitslosengeld nach dem SGB III und Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II (Musielak-Fischer, § 115 Rn. 3 f. m. w. N.).

Allerdings ist anerkannt, dass, wenn eine Partei mit Personen, denen sie nicht gesetzlich zum Unterhalt verpflichtet ist, in einer Bedarfsgemeinschaft lebt und deshalb Teile ihres Einkommens auf den Bedarf der übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft angerechnet werden, diese vom Einkommen - jedenfalls bis zur Höhe der sich aus § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 Buchst. a und b ZPO ergebenden Freibeträge - als besondere Belastungen nach § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 ZPO abzusetzen sind (vgl. LAG Berlin-Brandenburg vom 22.12.2010 - 26 Ta 2314/10 -, JurBüro 2011, 205; LSG Sachsen-Anhalt vom 06.10.2009 - L 5 B 303/08 AS -, juris; OLG Düsseldorf vom 07.09.2009 - II-8 WF 63/09 -, FamRZ 2010, 141; OLG Dresden vom 29.02.2008 - 20 WF 884/07 -, FamRZ 2008, 2287; KG vom 30.03.2006 - 3 WF 42/06 -, FamRZ 2006, 962; Zöller-Geimer, § 115 Rn. 40; Musielak-Fischer, § 115 Rn. 30). Denn diese Einkommensanteile stehen der Partei weder für ihren Lebensunterhalt noch für die Prozessführung zur Verfügung. Vielmehr wird von der Rechtsordnung unterstellt, dass die Partei diese zum Lebensunterhalt der übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft verwendet und verwenden muss (vgl. OLG Dresden vom 29.02.2008 - 20 WF 884/07 -, a. a. O.; LAG Berlin-Brandenburg vom 22.12.2010 - 26 Ta 2314/10 -, a. a. O.).

b) Danach beläuft sich das vom Antragsteller für die Prozesskosten einzusetzende Einkommen unter Berücksichtigung seiner Einkommensverhältnisse ab Mai 2014 auf einen Negativbetrag mit der Folge, dass Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung zu bewilligen ist. Dies ergibt sich aus folgender Berechnung:

 Arbeitslosengeld

  480,30 €

                

Leistungen nach SGB II

+ 342,18 €

                

Gesamteinkommen

 822,48 €

                
                                

persönlicher Freibetrag

- 452,00 €

                

anteilige Miete

- 167,50 €

        

(670,00 € : 4 Personen)

besondere Belastungen

- 276,13 €

        

(174,18 € - 72,00 € f. d. Lebensgefährtin,

                        

92,98 € und 81,07 € f. d. Kinder)

verbleibendes Einkommen

 - 73,15 €

                

c) Die Vorläufigkeit der Bewilligung ohne Ratenzahlung beruht auf § 120 Abs. 4 und § 124 ZPO.

2. Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde bestand nach § 72 Abs. 2, § 78 Satz 2 ArbGG kein Anlass.