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Rente wegen Erwerbsminderung


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 3. Senat Entscheidungsdatum 19.11.2012
Aktenzeichen L 3 R 469/12 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 43 SGB 6, § 240 SGB 6

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 24. April 2012 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Streitig ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Der 1957 geborene Kläger erlernte von 1972 bis 1974 den Beruf des Zootechnikers, war aber nie in diesem Beruf tätig. Er arbeitete u. a. als Kraftfahrer/Kranfahrer, Forstarbeiter, Rezeptionist beim Hausmeisterservice, Plattenbauer sowie Kranfahrer. Zuletzt arbeitete er im Jahr 2002 für sechs Monate als Hausmeister, anschließend war er arbeitslos. Von Februar bis August 2006 war er im Rahmen einer ABM als Hofarbeiter beschäftigt. Er bezieht Leistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuchs (ALG II). Bei ihm sind seit dem 13. März 2009 ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 sowie das Merkzeichen „G“ – erhebliche Gehbehinderung – anerkannt (Bescheid vom 29. Juli 2009).

Am 18. November 2009 beantragte er bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung und verwies zur Begründung auf Bandscheibenvorfälle, einen Herzinfarkt und eine Augenerkrankung. Die Beklagte holte einen Befundbericht von dem behandelnden Orthopäden Dipl.-Med. B ein und veranlasste darüber hinaus ein orthopädisches Gutachten. Unter dem 09. März 2010 stellte der Orthopäde Dipl.-Med. S fest, bei dem Kläger bestünden Wirbelsäulenbeschwerden lumbal bei Spondylolisthesis, ein Glaukom/Katarakt mit Operation links 08/2009 sowie ein Zustand nach stummem Herzinfarkt. Der Kläger sei zwar nicht mehr in der Lage, wenigstens drei Stunden täglich als Hofarbeiter zu arbeiten, er könne jedoch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten unter Vermeidung von häufigem Bücken, Heben und Tragen sechs Stunden und mehr täglich verrichten. Die Beklagte lehnte daraufhin mit Bescheid vom 17. März 2010 die Gewährung einer Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung bzw. teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit ab. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 30. Juni 2010 zurückgewiesen. Abzustellen sei auf den allgemeinen Arbeitsmarkt. Zwar habe der Kläger einen Beruf erlernt, sich von diesem jedoch gelöst und anderen Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes zugewandt.

Hiergegen hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Frankfurt (Oder) (SG) erhoben und vorgetragen, seine gesundheitlichen Beeinträchtigungen seien nicht hinreichend gewürdigt worden.

Das SG hat u. a. Befundberichte des Dipl.-Med. B vom 07. Oktober 2010 und der Fachärztin für Augenheilkunde Dr. L vom 27. Oktober 2010 eingeholt. Außerdem hat das SG die Berufsinformationskarte (BIK) zur Tätigkeit des Versandfertigmachers und ein berufskundliches Gutachten des Rehabilitationsberaters R vom 26. Mai 2008 zu den Verweisungstätigkeiten Versandfertigmacher sowie Pförtner in den Rechtsstreit eingeführt.

Anschließend hat es den Facharzt für Innere Medizin – Kardiologie – Spezielle internistische Intensivmedizin, Prof. Dr. Dr. S, mit der Erstellung eines Hauptgutachtens und die Fachärztin für Orthopädie und Unfallchirurgie sowie Chirurgie Dr. T mit der Erstellung eines Zusatzgutachtens betraut.

Dr. T ist in ihrem am 31. Mai 2011 aufgrund einer am 12. Mai 2011 durchgeführten körperlichen Untersuchung erstellen Gutachten zu dem Schluss gelangt, bei dem Kläger lägen folgende Gesundheitsstörungen vor:

·Chronisches Lumbalsyndrom bei deutlichen degenerativen Veränderungen, leichter Skoliose und Spondylolisthesis L4/5 mit leichten Funktionsstörungen
·Retropatellararthrose beidseits mit rezidivierend leichten Funktionsstörungen
·Fersensporn ohne nennenswerte Funktionsstörungen
·Chronisch rezidivierendes Zervikalsyndrom, aktuell ohne nennenswerte Funktionsstörungen
·Implantation einer künstlichen Linse linkes Auge, Glaukom
·Periphere arterielle Verschlusskrankheit Stadium I, arterieller Hypertonus.

Unter Berücksichtigung dieser Gesundheitsstörungen könne der Kläger täglich regelmäßig noch körperlich leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten (bis zu 10%) im Wechsel der Haltungsarten in geschlossenen Räumen sowie im Freien bei Vermeidung eines anhaltenden Einflusses von Hitze, Kälte, starken Temperatuschwankungen, Nässe und Zugluft sechs Stunden und mehr verrichten. Unzumutbar seien häufige Überkopfarbeiten, Arbeiten mit häufigem Bücken, Arbeiten mit Rüttlungen und Stauchungen der Wirbelsäule, einseitige körperliche Belastungen, Rumpfzwangshaltungen, häufiges Heben und Tragen von Lasten über 10 kg, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, Tätigkeiten mit häufigem Knien und Hocken sowie Arbeiten unter besonderem Zeitdruck. Das gelegentliche Ersteigen einer Leiter mit bis zu fünf Stufen sei ebenso zumutbar wie Arbeiten in Wechsel- und Nachtschicht bzw. mit häufigem Publikumsverkehr verbundene Tätigkeiten. Der Kläger könne geistig leichte bis mittelschwierige Arbeiten leisten. Besondere Einschränkungen des Hör- oder Sehvermögens lägen nicht vor. Er sei beispielsweise in der Lage, vollschichtig als Pförtner zu arbeiten.

Im am 16. September 2011 aufgrund einer körperlichen Untersuchung des Klägers am selben Tag erstellten Hauptgutachten des Prof. Dr. Dr. S hat dieser folgende Diagnosen gestellt:

·Arterieller Hypertonus
·Zustand nach einem thromboembolischen Ereignis mit folgendem stummen Myokardinfarkt im Herzspitzenbereich
·Ausschluss relevanter Koronarstenosen 01/2010
·Chronisches Lumbalsyndrom bei deutlichen degenerativen Veränderungen, leichter Skoliose und Spondylolisthesis L4/5 mit leichten Funktionsstörungen
·Retropatellararthrose beidseits mit rezidivierenden leichten Funktionsstörungen
·Chronisch rezidivierendes Zervikalsyndrom, aktuell ohne nennenswerte Funktionsstörungen
·Implantation einer künstlichen Linse linkes Auge, Glaukom
·Periphere arterielle Verschlusskrankheit Stadium I, arterieller Hypertonus.

Aus internistischer Sicht bestehe derzeit keine relevante Einschränkung des kardiovaskulären und pulmonalen Leistungsvermögens. Leistungsbeschränkungen bestünden ausschließlich aufgrund der im orthopädischen Zusatzgutachten aufgeführten Erkrankungen. Der Kläger könne aus seiner Sicht körperlich leichte bis mittelschwere Arbeiten in wechselnder Körperhaltung bei überwiegend sitzender Haltung in geschlossenen Räumen sowie im Freien unter adäquatem Witterungsschutz auch in Wechselschicht täglich sechs Stunden verrichten. Arbeiten unter besonderem Zeitdruck seien nicht mehr zumutbar. Der Kläger verfüge über ein hinreichendes Leistungsvermögen, um als Pförtner tätig zu sein.

Das SG hat die Klage durch Urteil vom 24. April 2012 abgewiesen. Der Kläger habe weder einen Anspruch auf Rente wegen voller noch wegen teilweiser Erwerbsminderung oder teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Die Beweiserhebung habe ein mindestens sechsstündiges Leistungsvermögen für körperlich leichte bis mittelschwere Arbeiten ergeben. Es bestünden darüber hinaus weder Hinweise für Einschränkungen der Wegefähigkeit noch für das Vorhandensein einer spezifischen Leistungsbehinderung oder einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen. Die Voraussetzungen für eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit lägen nicht vor, denn maßgeblicher Beruf sei die zuletzt sozialversicherungspflichtig ausgeübte Beschäftigung als Hausmeister, die – ebenso wie die zuvor ausgeübte Tätigkeit als Plattenbauer – nach dem so genannten Mehrstufenschema des Bundessozialgerichts (BSG) höchstens der unteren Anlernebene zuzuordnen sei, so dass der Kläger zumutbar verweisbar sei auf sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes und es nicht darauf ankomme, ob der Kläger weiterhin als Hausmeister arbeiten könne.

Gegen das am 08. Mai 2012 zugestellte Urteil richtet sich die am 01. Juni 2012 bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (LSG) eingegangene Berufung des Klägers, mit der er geltend macht, er sei aufgrund seines Gesundheitszustandes nicht mehr in der Lage, regelmäßig zu arbeiten. Die therapeutischen Maßnahmen seien erschöpft. Auch ein Stützgürtel helfe nicht, um seine quälenden Rückenschmerzen und die Schmerzen in den Beinen zu lindern. Sein Bandscheibenvorfall habe sich seit seinem ersten erfolglosen Rentenantrag von 1996 nur verschlechtert.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 24. April 2012 sowie den Bescheid der Beklagten vom 17. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Juni 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Die vom Kläger vorgebrachten Beeinträchtigungen seien in den erstinstanzlich veranlassten Gutachten der Frau Dr. T und des Prof. Dr. Dr. S hinreichend gewürdigt worden.

Mit gerichtlichem Schreiben vom 19. September 2012 sind die Beteiligten zu der beabsichtigten Entscheidung des Senats durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) angehört worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.

II.

Der Senat konnte nach Anhörung der Beteiligten die Berufung gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss zurückweisen, denn er hält sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich.

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig aber unbegründet. Ihm steht, wie das Sozialgericht zutreffend entschieden hat, eine Rente wegen Erwerbsminderung nicht zu.

Der ab 2009 geltend gemachte Rentenanspruch richtet sich nach § 43 Abs. 1, 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) in der ab dem 01. Januar 2001 geltenden Fassung.

Danach haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung, wenn sie teilweise oder voll erwerbsgemindert sind.

Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 S. 2 SGB VI).

Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 S. 2 SGB VI).

Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Nach § 240 Abs. 1 SGB VI haben Versicherte, die vor dem 02. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind, bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung. Berufsunfähig sind nach § 240 Abs. 2 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Dies zugrunde gelegt und nach Auswertung des im Verwaltungsverfahren erstellten Gutachten des Orthopädin Dipl.-Med. S vom 09. März 2010 sowie der im Gerichtsverfahren eingeholten Gutachten der Orthopädin und (Unfall-) Chirurgin Dr. T vom 31. Mai 2011 und des Internisten Prof. Dr. Dr. S vom 16. September 2011 steht zur Überzeugung des Senats nach § 128 Abs. 1 SGG nicht fest, dass der Kläger voll oder teilweise erwerbsgemindert bzw. berufsunfähig ist. Dies hat bereits das SG in dem angefochtenen ausführlichen Urteil vom 24. April 2012 überzeugend dargelegt, weshalb von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe gemäß § 153 Abs. 2 SGG abgesehen wird, weil die Berufung aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Urteils als unbegründet zurückzuweisen ist.

Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass, soweit der Kläger im Berufungsverfahren nochmals seine Schmerzsituation darlegt, diese bereits ausführlich von der Sachverständigen Dr. T im Rahmen ihres Gutachtens vom 31. Mai 2011 gewürdigt worden, in ihre Beurteilung mit eingeflossen ist und durchaus qualitative Leistungseinschränkungen mit bedingt. Eine seither eingetretene Verschlechterung des Gesundheitszustandes oder der Schmerzsituation ist vom Kläger nicht geltend gemacht worden. Insgesamt ist auch seitens des Gerichts zu betonen, dass es sich bei Schmerzen um ein subjektives Phänomen handelt, das nur dann geeignet ist, eine Minderung des zeitlichen Leistungsvermögens zu begründen, wenn sich daraus gesonderte objektivierbare Beeinträchtigungen etwa aufgrund von Muskelminderungen infolge schmerzbedingter Schonung von Gliedmaßen oder einer eigenständigen psychiatrisch relevanten Schmerzerkrankung ergeben. Hierfür bestehen jedoch keine Anhaltspunkte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.