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Entscheidung 14 Ns 25/16


Metadaten

Gericht LG Neuruppin 4. Strafkammer Entscheidungsdatum 07.11.2016
Aktenzeichen 14 Ns 25/16 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Auf die Berufung der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Amtsgerichtes Oranienburg vom 22.12.2015 - 18 Ds 368/15 - im Rechtsfolgenausspruch abgeändert und der Tenor zur Klarstellung insgesamt dahin neugefasst, dass der Angeklagte wegen Volksverhetzung zu einer

Freiheitsstrafe von acht Monaten

verurteilt wird.

Die Berufung des Angeklagten wird als unbegründet verworfen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Angeklagte zu tragen.

Angewendete Vorschrift: § 130 Abs. 3 StGB

Gründe

I.

Der Angeklagte ist mit Urteil des Amtsgerichts Oranienburg vom 22.12.2015 – 18 Ds 368/15 – wegen Volksverhetzung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt worden, wobei die Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt wurde. Gegen das Urteil hat der Angeklagte form- und fristgerecht Berufung eingelegt, mit der er einen Freispruch erstrebt. Auch die Staatsanwaltschaft hat gegen das genannte Urteil Berufung eingelegt und diese auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt. Die Staatsanwaltschaft erstrebt mit ihrer Berufung eine höhere Bestrafung und einen Wegfall der Strafaussetzung zur Bewährung. Die Berufung des Angeklagten ist unbegründet, die Berufung der Staatsanwaltschaft hat dagegen Erfolg.

II.

Der mittlerweile 28-jährige Angeklagte ist gelernter Vulkaniseur und Vater von zwei Kindern im Alter von ca. drei und acht Jahren.

Der Angeklagte ist bislang wie folgt strafrechtlich in Erscheinung getreten:

1.Am 02.12.2013, rechtskräftig seit dem 28.12.2013, verurteilte das Amtsgericht Bernau den Angeklagten wegen einer Körperverletzung vom 18.04.2013 zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 30,00 €.
2.Am 04.06.2014, rechtskräftig seit dem 05.08.2014, verurteilte das Amtsgericht Tiergarten den Angeklagten wegen einer Beleidigung vom 19.01.2014 zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 30,00 €.
3.Mit Urteil des Amtsgericht Eberswalde vom 30.09.2014, rechtskräftig seit dem 14.10.2014, wurde der Angeklagte wegen vorsätzlichen Fahrens ohne die erforderliche Fahrerlaubnis (Tat vom 18.05.2013) zu einer Geldstrafe von 25 Tagessätzen zu je 30,00 € verurteilt.
4.Mit Beschluss vom 19.02.2015, rechtskräftig seit dem 04.03.2015, bildete das Amtsgericht Tiergarten unter Einbeziehung der Entscheidungen vom 04.06.2014 und 30.09.2014 nachträglich eine Gesamtgeldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 30,00 €.
5.Am 29.06.2015, rechtskräftig seit dem 02.10.2015, wurde der Angeklagte durch das Amtsgericht Bernau wegen Amtsanmaßung zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 10,00 € verurteilt.

Dem Urteil lagen folgende Feststellungen zugrunde:

Am 17.04.2014 gegen 22.30 Uhr war der Geschädigte HXXX mit seinen Freunden, JXXX, VXXX und VXXX in Panketal, Ortsteil Schwanebeck, auf der Dorfstraße unterwegs. Sie wollten zum Osterfeuer. Auf dem Weg dorthin riss der Zeuge HXXX mehrere Wahlplakate der NPD ab, so auch auf der Dorfstraße in Panketal in Höhe des Restaurants Akropolis. Das sah auch der Angeklagte XXX, der mit mehreren Gleichgesinnten auf der anderen Straßenseite stand. Aus Verärgerung über das Tun des Zeugen HXXX gab er sich diesem gegenüber als Polizeibeamter aus und forderte ihn zunächst auf, das abgerissene Wahlplakat wieder anzubringen, was misslang. Dann sollte er (der Zeuge HXXX) ihm den Personalausweis zur Identitätsfeststellung übergeben. Um sich Ärger zu ersparen, kam der Zeuge HXXX dieser Aufforderung nach. Der Angeklagte XXX gab den Personalausweis an einen unbekannten Dritten weiter und erklärte dem Zeugen HXXX, er sollte diesem zum Fahrzeug folgen. Auf dem Weg wurde der Zeuge HXXX von der neben ihm laufenden Person mit einem Faustschlag unvermittelt ins Gesicht geschlagen. Der Zeuge HXXX entschloss sich dann kurzerhand zur Flucht. Er rannte zur Straße, konnte ein Fahrzeug anhalten, das ihn bis zur nächsten Tankstelle mitnahm. Dort holte er die Polizei.

6.Mit Beschluss des Amtsgerichts Bernau vom 16.02.2016, rechtskräftig seit dem 09.03.2016, wurde nachträglich unter Einbeziehung der Entscheidungen vom 29.06.2015, 04.06.2014 und 30.09.2014 unter Auflösung der bisherigen Gesamtstrafen eine Gesamtgeldstrafe in Höhe von 90 Tagessätzen zu je 25,00 € gebildet.

III.

Die Berufungshauptverhandlung hat zu folgenden Sachverhaltsfeststellungen geführt:

Am 21.11.2015 besuchte der Angeklagte das Erlebnisbad in der Turm Erlebniscity in der André-Pican-Straße in Oranienburg. Während seines zweistündigen Aufenthaltes im Bad war er nur mit Badeshorts bekleidet. Dabei waren die auf dem Oberkörper des Angeklagten vorhandenen Tätowierungen für jedermann sichtbar.

Eine der Tätowierungen auf dem Rücken des Angeklagten in Höhe seines Beckens zeigt den oberen Teil des Torgebäudes des ehemaligen Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau. Die Darstellung zeigt den Wachturm bis zu dem hiervon nach rechts und links verlaufenden Dachbeginn. Links neben der Darstellung des Turmgebäudes ist - etwas nach unten versetzt - ein Stacheldrahtzaun abgebildet. Auf der rechten Seite des Turmgebäudes wird - ebenfalls etwas nach unten versetzt - ein Zaun mit Betonpfeilern und in gleichmäßigen Abständen waagerecht verlaufenden Drähten und einer auf einem Zaunpfeiler befindlichen Laterne dargestellt. Diese Tätowierung erstreckt sich über die gesamte Breite des Rückens. Direkt unterhalb der beschriebenen Abbildung steht in der Frakturschrift „Old English Text MT“ eintätowiert: „Jedem das Seine“.

Der Angeklagte hatte sich die genannten Tätowierungen zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt machen lassen. Mit der Gebäudeabbildung und dem darunter befindlichen Spruch „Jedem das Seine“ wollte der Angeklagte seine Billigung des im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau im Dritten Reich durchgeführten Völkermords, insbesondere der Ermordung von einer Millionen Juden, zum Ausdruck zu bringen. Der Angeklagte war sich während seines Besuches im Schwimmbad darüber bewusst, dass jeder diese Tätowierungen sehen konnte. Er nahm zumindest billigend in Kauf, dass Besucher die Tätowierungen betrachten und die durch ihn mit den Tätowierungen zum Ausdruck gebrachte Billigung erkennen könnten.

Als sich der Angeklagte im Bereich des Hauptbeckens aufhielt, bemerkte der Zeuge MXXX die Tätowierungen des Angeklagten und die damit bezweckte Aussage. Er benachrichtigte einen Bademeister und schilderte diesem seine Feststellungen. Nachdem dieser zunächst nichts unternehmen wollte, sprach der Zeuge nach einiger Zeit zwei weitere Bademeister an und gab seinem Befremden darüber Ausdruck, dass eine Person mit solchen Tätowierungen sich unbehelligt im Bad aufhalten könne. Der Angeklagte wurde schließlich von einem Badmitarbeiter aufgefordert, die Tätowierungen mit einem T-Shirt zu bedecken oder das Bad zu verlassen, woraufhin der Angeklagte – weil seine zweistündige Aufenthaltszeit sowieso abgelaufen war – ging.

IV.

1. Die Feststellungen zur Person beruhen auf der Verlesung des Urteils des Amtsgerichts Bernau vom 29.06.2015 zu den dort getroffenen Feststellungen zur Person des Angeklagten. Der Angeklagte selbst hat sich zu seiner Person nicht eingelassen. Zur Feststellung der strafrechtlichen Vorbelastungen wurden der Bundeszentralregisterauszug vom 04.05.2016 und die Feststellungen des Amtsgerichts Bernau zur Sache aus dem Urteil vom 29.06.2015 verlesen.

2. Die Feststellungen zum Tatgeschehen beruhen auf der Einlassung des Angeklagten sowie auf den in der Hauptverhandlung erhobenen Beweisen.

Der Angeklagte hat sich über seinen Verteidiger wie folgt eingelassen, wobei er die Angaben seines Verteidigers im Anschluss an dessen Ausführungen als zutreffende Wiedergabe seiner Einlassung bestätigt hat:

Er habe sich am 21.11.2015 ca. zwei Stunden im Schwimmbad in Oranienburg aufgehalten und sei dabei nur mit einer Badeshorts bekleidet gewesen. Er habe an diesem Tag auf seinem Rücken die auf den in der Hauptverhandlung in Augenschein genommenen Lichtbildern (Blatt 6 und 24 der Akte) ersichtlichen Tätowierungen getragen, diese seien aufgrund des unbekleideten Oberkörpers allgemein sichtbar gewesen.

Tatsächlich würde das tätowierte Gebäude nicht das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau darstellen. Der Spruch „Jedem das Seine“ beziehe sich auch nicht auf die Gebäudedarstellung, sondern auf den im oberen Teil seines Rückens im Schulterblattbereich tätowierten Spruch „Freundschaft verbindet“. Er habe mit seinen Tätowierungen niemanden, auch keine Toten, in ihrer Würde verletzen wollen. Die Schriftart des Spruches: „Jedem das Seine“ sei - entgegen der Anklageschrift - nicht altdeutsch, sondern „Old English“. Da er habe feststellen müssen, dass seine Tätowierungen auf erhebliche öffentliche Missbilligung gestoßen seien, habe er begonnen, diese über zu tätowieren. So sei der Turm des Gebäudes mittlerweile durch eine Darstellung überdeckt worden, die die Figuren „Max und Moritz“ aus den bekannten Illustrationen von Wilhelm Busch zeige. In zwei noch offenen Sitzungen sei geplant, auch die links und rechts befindlichen Zaunanlagen durch die Darstellung eines Spruchbandes zu überdecken. Der Spruch „Jedem das Seine“ solle nicht übertätowiert werden, weil sich dieser auf den im Schulterbereich befindlichen Spruch „Freundschaft verbindet“ beziehe. Der Verteidiger des Angeklagten hat auf seinem Smartphone eine Fotografie gezeigt, die den Rücken des Angeklagten im derzeitig veränderten Zustand zeigen soll. Die Inaugenscheinnahme dieses Bildes stützt die Einlassung des Angeklagten zur Veränderung der Tätowierung.

Das Gericht hat im Übrigen gemäß §§ 323 Abs. 2 S.1, 325 StPO die in der Verhandlung vor dem Amtsgericht am 22.12.2015 protokollierte Aussage des Zeugen Alexander MXXX verlesen. Der Zeuge MXXX konnte vor dem Amtsgericht bekunden, dass er sich im Erlebnisbad in Oranienburg befunden und dort eine Person am Hauptbecken angetroffen habe, die die verfahrensgegenständliche Tätowierung auf dem Rücken getragen habe. Der Zeuge habe dies fotografiert (Foto Bl. 6 d.A.) und auf Facebook gepostet. Im Bad habe voller Betrieb geherrscht. Der Zeuge habe mehrfach Schwimmmeister angesprochen, die dann Rücksprache mit ihrem Vorgesetzten genommen hätten. Neben der verfahrensgegenständlichen Tätowierung habe der Angeklagte noch eine Tätowierung mit Reichsadler auf dem Bauch gehabt, andere Tätowierungen habe sich der Zeuge nicht gemerkt. Die Darstellung des Zeugen MXXX entspricht der Einlassung des Angeklagten zu dem objektiven Tathergang. An der Richtigkeit der Angaben des Zeugen gibt es keinen Anlass zu zweifeln.

Die Kammer hat die am 21.11.2015 zur Schau getragenen Tätowierungen in Augenschein genommen, zum einen das durch den Zeugen MXXX an diesem Tag gefertigte Lichtbild (Bl. 6 d.A.) vom Rücken des Angeklagten und zum anderen die im Rahmen einer erkennungsdienstlichen Behandlung am 27.11.2015 gefertigten Lichtbilder (Bl. 24 d.A.) vom Oberkörper des Angeklagten.

Entgegen der Annahme der Verteidigung zeigt die auf dem Rücken des Angeklagten befindliche Gebäudedarstellung einen Teil des Torgebäudes des ehemaligen Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau. Lichtbilder, die dieses Torgebäude zeigen, mit den durch das Tor verlaufenden Schienen, auf denen deportierte Juden mit Zügen ins Lager gebracht und dort vergast wurden, sind allgemein bekannt. Das Gericht hat im Übrigen in der Hauptverhandlung ein durch den Verteidiger zu Vergleichszwecken vorgelegtes Lichtbild in Augenschein genommen, welches das Torgebäude des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau zeigt.

Im Vergleich dieser Abbildung mit den Tätowierungen des Angeklagten sind derartig viele Übereinstimmungen festzustellen, dass es keine Zweifel daran gibt, dass die Tätowierung das Torgebäude des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau zeigt.

Das Lichtbild des Torgebäudes des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau und die Tätowierung auf dem Rücken des Angeklagten in Höhe seines Beckens zeigen einen Wachturm mit drei großen Fensterfronten, die sich direkt unterhalb des leicht überstehenden Zeltdaches befinden und die wiederum in einzelne Fenstersegmente geteilt sind. Auf beiden Darstellungen weist der Turm unterhalb der Fensterreihe zwei weitere, jeweils unter den linken und rechten Fensterfronten befindliche kleinere Fensteröffnungen auf. Die Tätowierung zeigt etwa in Höhe dieser kleineren Fenster links und rechts neben dem Turm einen angedeuteten Dachverlauf, wobei rechts neben dem Turm auf dem Dach ein Schornstein etwa in Höhe des Dachfirstes und links neben dem Turm ein unterhalb des Dachfirstes befindlicher Schornstein dargestellt ist. Auf der Dachspitze des Turms findet sich leicht nach links versetzt die Darstellung einer Sirene in pilzähnlicher Form. Der Dachverlauf, die Schornsteine und die Sirene finden sich in der genannten Fotografie an gleicher Position wieder. In der Summe der Detaildarstellungen ist der Turm des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau unzweifelhaft zu erkennen, auch wenn die Tätowierung das unterhalb des Turmes befindliche Tor und die vor dem Tor verlaufenden Schienen nicht abbildet. Entgegen der Auffassung der Verteidigung lässt sich auch nicht feststellen, dass die Tätowierung des Angeklagten – im Gegensatz zu dem Turmgebäude des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau – einen runden Turm zeigen würde. Vielmehr entsteht dieser Eindruck nur aufgrund des Umstandes, dass der Turm in der Mitte des Rückens und in der dort verlaufenden Wölbung im Bereich des Rückgrats platziert ist. Selbst wenn die optische Darstellung für einen Rundturm sprechen würde, lässt die Übereinstimmung der übrigen Details keinen Zweifel daran, dass die Tätowierung das Torgebäude des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau zeigt. Diese Annahme wird letztlich gestützt durch die unterhalb der Gebäudedarstellung links und rechts verlaufenden Zaunanlagen. Links neben der Darstellung des Turmgebäudes ist - etwas nach unten versetzt - ein Stacheldrahtzaun abgebildet. Auf der rechten Seite des Turmgebäudes wird - ebenfalls etwas nach unten versetzt - ein Zaun mit Betonpfeilern und in gleichmäßigen Abständen waagerecht verlaufenden Drähten und eine auf einem Zaunpfeiler befestigte Laterne dargestellt. Insbesondere diese Darstellung entspricht der bekannten Darstellung von elektrisch geladenen KZ-Lagerzäunen. Spätestens aus der Gesamtdarstellung des Gebäudes und der Stacheldraht- und Elektrozaunanlagen erkennt der verständige, unbefangene Betrachter die Darstellung des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau.

Diese Tätowierung erstreckt sich über die gesamte Breite des Rückens. Direkt unterhalb der beschriebenen Abbildung ist in der Frakturschrift „Old English Text MT“ (wie nachfolgend unter Verwendung dieser Schriftart dargestellt) eintätowiert: „Jedem das Seine“, wobei die Buchstaben des letzten Wortes nicht farblich gefüllt sind.

Im oberen Teil des Rückens im Schulterbereich des Angeklagten befindet sich - wie das Gericht durch in Augenscheinnahme der im Rahmen der erkennungsdienstlichen Behandlung am 27.11.2015 gefertigten Lichtbilder (Bl. 24 d.A.) feststellen konnte, als Tätowierung der im Rundbogen verlaufene Schriftzug „Freundschaft verbindet“ in Frakturschrift, mit einer geringeren Schriftgröße als der untere Schriftzug. Entgegen der Annahme der Verteidigung lässt sich ein Zusammenhang des Spruches „Jedem das Seine“ zu der Tätowierung „Freundschaft verbindet“ weder räumlich noch inhaltlich noch in der Darstellung feststellen. Die Aussage „Jedem das Seine“ befindet sich unmittelbar unter dem Turmgebäude, das Wort „Seine“ berührt den Elektrozaun. Der Spruch „Freundschaft verbindet“ ziert dagegen den Schulterbereich. „Freundschaft verbindet“ ist mit kleineren Buchstaben und im Rundbogen geschrieben, „Jedem das Seine“ dagegen in gerader Schriftlinie. Zu den weiteren Einzelheiten sämtlicher Tätowierungen wird auf Blatt 6 und 24 der Akte Bezug genommen (§ 267 Abs. 1 Satz 3 StPO). Sowohl aus der räumlichen Darstellung als auch aus dem sprachlichen Zusammenhang kommt kein verständiger Beobachter zum dem Schluss, dass sich „Jedem das Seine“ nicht auf das Gebäude, sondern auf den im Schulterbereich befindlichen Spruch „Freundschaft verbindet“ beziehen könnte. Gemeinsam ist beiden Schriftzügen lediglich die Verwendung von Frakturschrift, wobei die Kammer die Schriftart des oberen Schriftzuges nicht sicher feststellen konnte. Allein daraus ergibt sich unter Berücksichtigung der bereits aufgeführten Gründe kein Zusammenhang zwischen den beiden Schriftzügen. Soweit der Spruch „Jedem das Seine“ sich danach räumlich auf die Darstellung des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau bezieht, besteht auch inhaltlich ein Zusammenhang. Dieser Spruch ist vom Haupttor des Konzentrationslagers Buchenwald bekannt (das Stammlager Auschwitz hatte die Torinschrift „Arbeit macht frei“). Der Spruch und die auf die Nazizeit weisende Verwendung von Frakturschrift lassen in der Gesamtschau für jeden verständigen Beobachter erkennen, was der Angeklagte damit zum Ausdruck bringen wollte. Mit dem Zusatz „Jedem das Seine“ gab der Angeklagte kund, dass in Auschwitz-Birkenau jedem Insassen das ihm Zustehende zu Teil wurde, hier insbesondere den eine Millionen Juden, die systematisch umgebracht wurden. Für diesen Völkermord steht das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau synonym. Ein anderes Verständnis der Tätowierungen mit einem Erklärungsinhalt, der keine Billigung dieses Völkermordes beinhalten würde, ist dagegen nicht möglich. Insbesondere steht die Verwendung der Schriftart „Old English Text MT“ - das Gericht folgt insoweit der Einlassung des Angeklagten - nicht der Bewertung dieser Aussage als Billigung der Naziverbrechen im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau entgegen. Die Darstellung des Schriftzuges wird von der Verwendung der Frakturschrift dominiert, womit ein zeitlicher Bezug beabsichtigt ist, weil dem Betrachter hierdurch signalisiert wird, dass es sich um eine Darstellung des Spruches aus der Zeit vor 1945 handeln soll. Dagegen ist die Schriftart „Old English Text MT“ ihrem Namen nach nicht derart allgemein geläufig, dass sie bei dem verständigen Betrachter den Eindruck hervorrufen könnte, es handele sich möglicherweise um eine (übersetzte) Aussage mit geschichtlichem Bezug aus dem englischsprachigen Raum. Danach kann das Gericht letztlich ausschließen, dass die vorliegende Interpretation der Darstellung der vom Angeklagten bezweckten Aussage nicht entspricht oder von diesem - aus welchem Grund auch immer - so nicht gewollt war. Der Bezug zu der Gebäudedarstellung ist vielmehr eindeutig und vom Angeklagten auch so auch beabsichtigt gewesen. Das Gericht hat auch keinen Zweifel, dass der Angeklagte hinsichtlich der Tatbestandsverwirklichung vorsätzlich gehandelt hat. Wer solche Tätowierungen machen lässt, rechnet damit, dass Dritte diese sehen und will das regelmäßig auch. Wer sich dann in der Öffentlichkeit nur mit einer Badehose bekleidet zeigt, muss damit rechnen, dass Dritte diese Tätowierungen betrachten und die mit ihnen verfolgte Aussage erkennen. Er nimmt dies dann - wie hier der Angeklagte - zumindest billigend in Kauf.

Dafür, dass der dargestellte Erklärungsinhalt letztlich auch von der ideologischen Einstellung des Angeklagten getragen wird, spricht die Vorverurteilung des Angeklagten vom 17.04.2014, mit der er bestraft wurde, weil er sich aus Verärgerung über die Entfernung von Wahlplakaten der NPD, einer allgemein als rechtsextrem bekannten Partei, die eine völkisch-nationalistisch und revanchistische Ideologie vertritt, als Polizist ausgegeben hatte. Dafür spricht ebenfalls der auf dem Bauch des Angeklagten tätowierte Reichsadler in der aus der Nazizeit bekannten Darstellung mit waagerecht ausgebreiteten Schwingen über einem runden Eichenlaubkranz - hier aber ohne Hakenkreuz -, wie auf dem in Augenschein genommenen Lichtbild vom 27.11.2015 (Bl. 24 d.A.) ersichtlich. Dass auch diese Tätowierung bereits am Tattag vorhanden war, ergibt sich aus der Aussage des Zeugen MXXX.

V.

Die durch den Angeklagten öffentlich zur Schau gestellten Tätowierungen im Bereich seines unteren Rückens erfüllen den Tatbestand der Volksverhetzung gemäß § 130 Abs. 3 StGB in der Handlungsvariante des Billigens.

Wegen Volksverhetzung wird gemäß § 130 Abs. 3 StGB bestraft, wer eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in § 6 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich oder in einer Versammlung billigt, leugnet oder verharmlost. Sowohl bei dem Billigen, als auch bei dem Verharmlosen und dem Leugnen handelt es sich um Äußerungsdelikte. Billigen bedeutet das ausdrückliche oder konkludente Gutheißen der betreffenden Handlung (BGH, Urteil vom 22.12.2004 - 2 StR 365/04, NStZ 2005, 378 m.w.N.). Das ist der Fall, wenn der Täter die Gewalttaten als richtig, akzeptabel oder notwendig hinstellt, sich hinter die Willkürmaßnahmen stellt oder seine zustimmende Befriedigung äußert. Dabei muss die zustimmende Kundgebung aus sich heraus verständlich und als solche unmittelbar, „ohne Deuteln“, erkennbar sein. Für die rechtliche Würdigung des Äußerungsdeliktes kommt es - auch mit Blick auf Art. 5 Abs. 1 GG - auf den inhaltlichen Gesamtaussagewert der Äußerung an; dieser ist aus Sicht eines verständigen Zuhörers durch genaue Textanalyse unter Berücksichtigung der Begleitumstände zu ermitteln. Bei mehrdeutigen Äußerungen darf nicht allein die zur Verurteilung führende Bedeutung zugrunde gelegt werden, ohne die anderen möglichen Deutungen mit nachvollziehbaren Gründen ausgeschlossen zu haben (vgl. BGH, Urteil vom 20.09.2011 - 4 StR 129/11).

Es ist vorliegend ohne mögliche andere Deutungen davon auszugehen, dass die fraglichen Tätowierungen sich auf unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlungen der in § 6 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art, nämlich Völkermord, beziehen. Der Angeklagte hat das NS-Gewalt- und Massenvernichtungsunrecht im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau, das eine geschichtliche Tatsache ist (vgl. BGH, Urteil vom 20.12.2004, a.a.O.), gebilligt.

Die Tat des Angeklagten war auch geeignet, den öffentlichen Frieden zu stören, da bei dieser Form der in die Öffentlichkeit getragenen Hetze ohne weiteres die Gefahr besteht, dass von der Botschaft des Angeklagten überzeugte Zuhörer diese weitertragen.

VI.

Im Rahmen der Strafzumessung stand dem Gericht ein Strafrahmen zur Verfügung, der von Geldstrafe bis zu Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren reicht.

Zu Gunsten des Angeklagten war zu berücksichtigen, dass er die Tat teilweise – was seinen Besuch im Bad und das Vorhandensein der verfahrensgegenständlichen Tätowierungen betrifft – eingeräumt hat, allerdings nur gering, weil der Angeklagte den eigentlichen Vorwurf abstreitet. Mildernd war auch zu beachten, dass der Angeklagte einen Teil seiner Tätowierungen, nämlich das Turmgebäude, bereits hat übertätowieren lassen und auch eine Übertätowierung der Zaunanlagen in naher Zukunft beabsichtigt. Ebenso hat das Gericht zu seinen Gunsten gewertet, dass er - wie er über seinen Verteidiger hat erklären lassen - aufgrund der Tat öffentlichen Anfeindungen ausgesetzt war. Strafmildernd fiel auch ins Gewicht, dass der Angeklagte als Erstverbüßer möglicherweise besonderes haftempfindlich ist und ihn die Trennung von seinen Kindern belasten wird.

Dagegen war strafschärfend zu berücksichtigen, dass der Angeklagte die Tätowierung für eine Dauer von ca. zwei Stunden in einem gut besuchten vollen Erlebnisbad gezeigt und damit einer größeren Öffentlichkeit zur möglichen Kenntnis gegeben hat. Strafschärfend war auch zu beachten, dass es sich vorliegend nicht um eine spontane Tat handelte. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung, die die Kammer auch hier zugrunde legt, geht die Herstellung einer Tätowierung, die über eine nur ganz kleine unbedeutende Abbildung hinaus geht, ein längerer Überlegens- und Abwägeprozess voraus, innerhalb dessen der Träger sich entscheiden muss, ob er dauerhaft das durch ihn gewünschte Bildnis auf seinem Körper tragen und seiner Umwelt zeigen möchte. Dass der Angeklagte sich aufgrund einer solchen Abwägung dazu entschieden hat, seine inkriminierten Tätowierungen in dem Wissen herstellen zu lassen, dass diese nur mit erheblichem Aufwand entfernt oder verändert werden könnten und daher grundsätzlich dauerhaft beim öffentlichen Baden o.ä. für die Allgemeinheit zu sehen sein würden, ist aus Sicht der Kammer strafschärfend zu beachten, auch wenn hier nicht zu verkennen ist, dass nicht die Herstellung der Tätowierung, sondern ihr Zeigen in der Öffentlichkeit strafbar ist.

Unter Beachtung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände hält das Gericht vorliegend eine

Freiheitsstrafe von acht Monaten

für tat- und schuldangemessen.

VII.

Die Strafe konnte nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt werden.

Das Gericht hat zunächst die Frage einer positiven Sozialprognose als Voraussetzung einer Strafaussetzung gemäß § 56 Abs. 1 StGB geprüft. Der Angeklagte ist zwar bereits mehrfach vorbestraft, allerdings bislang noch nicht einschlägig. Da der Angeklagte die inkriminierten Tätowierungen übertätowieren lässt, besteht die Gefahr einer Wiederholungstat nicht mehr. Zwar spricht der Umstand, dass der Angeklagte seit dem Jahr 2013 in schneller Folge strafrechtlich wegen Körperverletzung, Beleidigung, vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis und Amtsanmaßung in Erscheinung getreten ist, eher gegen eine positive Sozialprognose. Andererseits kann die Kammer nicht ausschließen, dass der Angeklagte aufgrund der Presseberichterstattung über den Fall bereits erheblichen Anfeindungen ausgesetzt war und dies nicht ohne Wirkung auf ihn geblieben sein dürfte. Unter Berücksichtigung dieses Umstandes und weil der Angeklagte die Darstellung des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau übertätowieren lässt, hält das Gericht die Annahme einer noch positiven Sozialprognose für gerechtfertigt.

Gleichwohl konnte die Strafe vorliegend nicht zur Bewährung ausgesetzt werden, denn die Vollstreckung der Freiheitsstrafe ist zur Verteidigung der Rechtsordnung geboten, § 56 Abs. 3 StGB.

Angesichts der in letzter Zeit zu verzeichnenden Häufung fremdenfeindlicher Aktionen und des entstehenden Eindrucks eines bedrohlich zunehmenden Rechtsradikalismus besteht andernfalls die Gefahr, dass das Vertrauen der Bevölkerung in die Wirksamkeit der Strafrechtspflege schwindet. Bei der Entscheidung nach § 56 Abs. 3 StGB sind auch Gesichtspunkte der speziellen Generalprävention zu berücksichtigen. (BGHSt 24, 40, 44), wenn auch nicht allein. Der "Nachahmungseffekt" für potentielle Täter darf bei der gebotenen Gesamtwürdigung aller die Tat und den Täter kennzeichnenden Umstände nicht außer Betracht bleiben (BGH GA 1976, 113). Die Kammer hat bei der Abwägung nach § 56 Abs. 3 StGB neben dem Gesichtspunkt der Generalprävention die festgestellten Umstände der Tat und sämtliche für und gegen den Angeklagten sprechenden Gesichtspunkte, auf die Bezug genommen wird, berücksichtigt. Im Ergebnis ist das Gericht der Überzeugung, dass vorliegend der bloße Strafausspruch ohne Vollstreckung für das allgemeine Rechtsempfinden schlechthin unverständlich und von der Bevölkerung als ungerechtfertigte Nachgiebigkeit und unsicheres Zurückweichen vor dem Rechtsradikalismus verstanden werden könnte. Die Verteidigung der Rechtsordnung gebietet daher die Vollstreckung der Freiheitsstrafe.

VII.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 StPO.