| Gericht | VG Potsdam 8. Kammer | Entscheidungsdatum | 25.06.2014 | |
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| Aktenzeichen | VG 8 K 515/12 | ECLI | ||
| Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
| Normen | ||||
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Beteiligten streiten um einen Beitrag für die Herstellung der zentralen öffentlichen Schmutzwasseranlage der Stadt ..., die Mitglied des Zweckverbandes ist, dem der Beklagte vorsteht. Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks ... 24 in ... ... (Gemarkung ..., Flur …, Flurstück …) mit einer Fläche von 445 m². Das Grundstück ist mit einem Gartenhaus/Bungalow bebaut und wird im Wesentlichen als Wochenendgrundstück genutzt. Es liegt innerhalb einer Reihe von etwa 50 weiteren Garten- bzw. Wochenendgrundstücken an der nur teilweise befestigten ... . Westlich des klägerischen Grundstücks liegen 4 und östlich 11 dauerhaft bewohnte, feste Gebäude. Wie auch die übrigen Grundstücke grenzt das klägerische Grundstück rückwärtig an den Stadtsee und fällt zu diesem hin ab. Der öffentliche Schmutzwasserkanal wurde in dem hier in Rede stehenden Abschnitt erstmals im Mai 1997 von der Stadt ... als damaliger Aufgabenträgerin in Form eines Druckentwässerungsnetzes betriebsfertig hergestellt.
Nach vorheriger Anhörung zog der Beklagte den Kläger mit Bescheid vom 23. November 2011 zu einem Herstellungsbeitrag für die zentrale Schmutzwasserbeseitigung in Höhe von 636,35 € heran. Ausgehend von einer eingeschossigen Bebauung und einer Lage des Grundstücks im unbeplanten Innenbereich veranlagte der Beklagte die gesamte Grundstücksfläche mit dem Faktor 1,0 zu einem Beitragssatz von 1,43 € pro m².
Den dagegen erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Bescheid vom 1. März 2012 zurück. Am 19. März 2012 hat der Kläger Klage erhoben, die er wie folgt begründet: Er benutze und benötige die zentrale öffentliche Abwasserentsorgungsanlage nicht. Sein Grundstück sei nicht angeschlossen. Das Abwasser werde in einer Sammelgrube aufgefangen und entsorgt. Pro Jahr fielen nur etwa 3 m³ Abwasser an. Wegen der überwiegend nur im Sommer genutzten Grundstücke und des geringen Abwasseranfalls sei der Betrieb einer zentralen Abwasseranlage für das hier in Rede stehende Gebiet unwirtschaftlich. Der Anschluss solle nur dazu dienen, dem nicht ausgelasteten Klärwerk Abwässer zuzuführen. Sein etwa 5 m unterhalb der Schmutzwasseranlage liegendes Grundstück könne zudem nur mit einer Hebeanlage angeschlossen werden, welches einen unverhältnismäßig hohen finanziellen Aufwand bedeute.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Verbandsvorstehers des Zweckverbandes Wasserversorgung und Abwasserentsorgung der ... vom 23. November 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. März 2012 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Rechtsgrundlage der Beitragserhebung sei nunmehr die von der Verbandsversammlung am 8. November 2012 neu beschlossene Satzung über die Erhebung von Benutzungsgebühren, Beiträgen und Kostenerstattungen für die Entwässerung für das Verbandsmitglied ... (GBKS 2012). Die für die Beitragserhebung maßgeblichen §§ 9-16 GBKS 2012 seien gemäß § 27 Abs. 1 GBKS 2012 rückwirkend zum 1. Januar 2011 in Kraft getreten.
Es komme nicht darauf an, ob das klägerische Grundstück tatsächlich an die Anlage angeschlossen sei, vielmehr genüge nach § 9 Abs. 2 GBKS 2012 bereits eine gesicherte Möglichkeit zur Inanspruchnahme. Diese werde durch die gegebenenfalls notwendige Hebeanlage nicht in Frage gestellt. Eine solche sei wegen der Hanglage der Grundstücke für eine Vielzahl der dortigen Grundstücke erforderlich, um Anschluss an die Druckentwässerungsleitung zu nehmen. Ein Anspruch auf eine Entwässerung mittels Freigefälleleitung bestehe nicht. Dem Aufgabenträger komme bei der technischen Ausgestaltung der öffentlichen Anlage ein weites Planungsermessen zu. Freigefälleleitung und Druckentwässerung vermittelten denselben wirtschaftlichen Vorteil. Eine Unzumutbarkeit der mit einer Hebeanlage verbundenen Mehrkosten sei weder ersichtlich noch konkret belegt. Die wirtschaftliche Belastung des Klägers durch den hier streitigen Anschlussbeitrag von 636,35 € halte sich in überschaubaren Grenzen. Die Erschließung diene im Übrigen der zentralen Erschließung der vorhandenen Wohnbebauung und sei sachgerecht. Sie werde durch die nur saisonale Benutzung anderer Grundstücke nicht infrage gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge (1 Heft) ergänzend Bezug genommen, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind.
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angefochtene Beitragsbescheid vom 23. November 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. März 2012 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
1. Die nach § 2 Abs. 1 Satz 1 KAG erforderliche satzungsrechtliche Ermächtigungsgrundlage findet sich in der Satzung des Zweckverbandes Wasserversorgung und Abwasserentsorgung der ... (ZVWU) über die Erhebung von Benutzungsgebühren, Beiträgen und Kostenerstattungen für die Entwässerung für das Verbandsmitglied ... vom 8. November 2012 (GBKS 2012). Diese trat in den hier maßgeblichen Bestimmungen der §§ 9-16 rückwirkend zum 1. Januar 2011 in Kraft. Sie bildet damit auch die satzungsrechtliche Grundlage für den angefochtenen Bescheid vom 23. November 2011.
An der Wirksamkeit der beitragsrechtlichen Regelungen dieser Satzung bestehen keine Bedenken. Sie enthält den nach § 2 Abs. 1 S. 2 KAG notwendigen Mindestinhalt und ist, den Bestimmungen des § 18 Abs. 1 und 2 der Verbandssatzung des Zweckverbandes „Wasserversorgung und Abwasserentsorgung der ... “ entsprechend, im Amtsblatt für den Landkreis Uckermark vom 27. November 2012 (Seite 8) veröffentlicht. Andere formelle oder materielle Mängel, die zur Unwirksamkeit der Satzung führen könnten, sind weder ersichtlich noch vom Kläger substantiiert gerügt worden.
2. Die auf der GBKS 2012 beruhende Beitragsveranlagung ist nicht zu beanstanden.
a) Gemäß § 8 Abs. 2 Satz 2, Abs. 6 KAG i.V.m. § 9 Abs. 2 GBKS 2012 wird der Beitrag als Gegenleistung für die wirtschaftlichen Vorteile erhoben, die dem Beitragspflichtigen durch die (bloße) Möglichkeit der Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung oder Anlage geboten werden. Die Inanspruchnahmemöglichkeit genügt dabei auch bei Grundstücken im bauplanungsrechtlichen Außenbereich, § 8 Abs. 6 Satz 5 KAG. Für diesen potentiellen Vorteil ist entscheidend, dass die Anlage objektiv geeignet ist, sich vorteilhaft auf die Grundstücksbenutzung auszuwirken. Der subjektive Wille des Grundstückseigentümers, ob er die Anlage in Anspruch nehmen will oder nicht, ist hingegen unbeachtlich. Ebensowenig kommt es auf die tatsächliche Nutzung an. Maßgebend ist allein, dass die (potentielle) Möglichkeit geboten wird, durch die Realisierung eines Anschlusses von der Anlage Gebrauch zu machen (Grünewald in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rn. 541, Stand März 2011).
Eine derartige objektive Inanspruchnahmemöglichkeit wird dem Kläger vorliegend geboten, denn er könnte eine leitungsmäßige Verbindung zwischen seinem (unmittelbar angrenzenden) Grundstück und der Anlage tatsächlich sowie rechtlich herstellen. Dass der Kläger - wie offenbar auch andere Anlieger - gegenwärtig weder an die zentrale Schmutzwasser- Beseitigungsanlage angeschlossen ist noch dies beabsichtigt, bleibt ohne Belang.
Der potentielle wirtschaftliche Vorteil wird nicht durch die Notwendigkeit, eine Hebeanlage installieren zu müssen, beseitigt oder gemindert. Zwar kann sich die Notwendigkeit des Einbaus einer Hebeanlage auf den Umfang des gebotenen Vorteils auswirken. Nicht vorteilsmindernd ist es jedoch, wenn Ursache hierfür der Niveauunterschied zwischen Straße und Grundstück ist. In diesem Fall beruht die Erschwernis auf der natürlichen Situationsgebundenheit des Grundstücks, für die der Grundstückseigentümer einzustehen hat (Grünewald in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rn. 540, Stand März 2011 unter Hinweis auf OVG Münster, Beschluss vom 28. September 1984, - 2 B 1422/84 -). Vorliegend ergibt sich die Erforderlichkeit zum Einbau einer Hebeanlage allein aus der besonderen topographischen Lage des zum See hin abfallenden Grundstücks. Dies fällt in die Sphäre des Klägers. Das Erfordernis einer Hebeanlage trifft überdies zahlreiche vergleichbar situierte Grundstücke an der ..., die sich ggf. nur mit einem Pumpwerk an die zentrale Druckentwässerungsleitung anschließen können. Die vorliegend erforderliche technische Anschlussform entspricht damit den ortsüblichen Gegebenheiten. Auch hat der Kläger nicht dargetan, dass die für sein Grundstück konkret anzuschaffende Hebeanlage im Einzelfall unverhältnismäßig kostenintensiv wäre.
Die gegebene potentielle Vorteilslage wird nicht durch die unsubstantiiert gebliebene Behauptung des Klägers entkräftet, die Beitragserhebung diene allein der Finanzierung einer überdimensionierten Kläranlage. Hiergegen spricht bereits der - im Vergleich zu anderen Zweckverbänden - sehr geringe Beitragssatz von 1,43 € pro m³. Im Übrigen ist weder die grundsätzliche Entscheidung der Stadt ..., das Gebiet der ... durch einen zentralen Schmutzwasserkanal zu erschließen, noch die Herstellung als Druckentwässerungssystem zu beanstanden. Dem Zweckverband steht bei der Planung und Herstellung einer Abwasseranlage grundsätzlich ein weites Ermessen zu. Ob er dabei in jeder Hinsicht die zweckmäßigste und kostengünstigste Lösung gewählt hat, steht nicht zur Entscheidung des Gerichts. Ein Zweckverband hat bei der Ausgestaltung seiner Abwasseranlage eine Vielzahl objektiver Gegebenheiten wie Bodenverhältnisse, Topografie, Straßen- und Leitungsverläufe, aber auch ein Geflecht teilweise widerstreitender öffentlicher und privater Interessen zu berücksichtigen. Diesen vielfältigen Interessen kann er nur gerecht werden, wenn es ihm überlassen bleibt, wo und wie er seine Abwasseranlage baut. Dieser als Planungsermessen bezeichnete weite Gestaltungsspielraum findet seine Grenzen nur dann, wenn der Zweckverband ihn ohne sachlichen Grund einseitig zu Lasten des Anschlusspflichtigen ausgenutzt (OVG-Berlin- Brandenburg, Beschluss vom 11. Januar 2010 - 9 N 173.08 -, juris Rn. 6; OVG Münster, Urteil vom 18. Juni 1997 - 22 A 1406/96 -, juris). Solches ist hier weder vorgetragen noch ersichtlich. Mit Blick auf die in der ... bereits vorhandenen dauernd bewohnten festen Gebäude erscheint die zentrale abwassertechnische Erschließung vielmehr sachgerecht.
b) Das Grundstück unterliegt der Beitragspflicht nach § 10 Abs. 1 GBKS 2012, wobei im Ergebnis dahinstehen kann, ob es, wovon der Beklagte ausgeht, im unbeplanten Innenbereich i.S.d. § 34 Abs. 2 BauGB oder im Außenbereich i.S.d. § 35 BauGB belegen ist. Denn nach § 10 Abs. 1 lit. c GBKS 2012 unterliegen Grundstücke der Beitragspflicht, die mit baulichen Anlagen bebaut sind, bei deren Nutzung Schmutzwasser anfällt oder anfallen kann. Dies trifft jedenfalls auf das Grundstück des Klägers zu.
c) Der vom Beklagten angewandte Beitragsmaßstab, wonach er die gesamte Grundstücksfläche von 445 m² mit einem Nutzungsfaktor von 1,0 angesetzt hat, ist rechtmäßig. Gemäß § 11 Abs. 1 GBKS 2012 ist die nutzungsbezogene Grundstücksfläche Maßstab für den Beitrag. Letztere ergibt sich aus der Multiplikation der anrechenbaren Grundstücksfläche mit dem Nutzungsfaktor. Auch hier kann dahinstehen, ob die anrechenbare Grundstücksfläche nach § 11 Abs. 2 lit. b (unbeplanter Innenbereich) oder lit. f (Außenbereich) zu bestimmen war, jedenfalls ist hier in beiden Fällen die gesamte Grundstücksfläche anzurechnen. Im unbeplanten Innenbereich gilt gemäß § 11 Abs. 2 lit. b) GBKS 2012 ohnehin die gesamte Grundstücksfläche als anrechenbar. Bei Grundstücken im Außenbereich gilt gemäß § 11 Abs. 2 lit. f GBKS 2012 die Fläche als anrechenbar, die nach Maßgabe des wirtschaftlichen Grundstücksbegriffs baulich oder gewerblich nutzbar ist. Dass aus der insgesamt nutzbaren Grundstücksfläche des klägerischen Grundstücks Teile auszugrenzen wären, ist schon angesichts der überschaubaren Gesamtgröße von 445 m² nicht anzunehmen. Im Übrigen dient die gesamte Fläche einheitlich der Gartennutzung, zumal der Seezugang an der rückwärtigen Grundstücksgrenze liegt. Die Grundstücksfläche ist damit der Gartenlaube insgesamt zuzuordnen. Der angesetzte Nutzungsfaktor von 1,0 für eine eingeschossige Bebauung ist ebenfalls zutreffend gewählt, § 11 Abs. 3 lit. g, Abs. 5 GKBS 2012.
3. Die Beitragsforderung ist nicht verjährt. Die vierjährige Festsetzungsverjährungsfrist für Anschlussbeiträge beginnt gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 4 lit. b KAG i.V.m. § 169 Abs. 2, § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die sachliche Beitragspflicht entstanden ist. Die sachliche Anschlussbeitragspflicht entsteht gemäß § 8 Abs. 7 S. 2 KAG, sobald das Grundstück an die Anlage angeschlossen werden kann, frühestens jedoch mit dem Inkrafttreten der rechtswirksamen Satzung.
Zwar konnte das Grundstück des Klägers bereits im Jahr 1997 an die betriebsfertige zentrale Schmutzwasseranlage angeschlossen werden; der Zweckverband hatte zu diesem Zeitpunkt jedoch kein wirksames Beitragssatzungsrecht. Die erste wirksame Satzung war vielmehr die aktuell zu Grunde liegende Satzung vom 8. November 2012.
Die Vorgängersatzung des „Zweckverbandes Wasserversorgung und Abwasserentsorgung der ... “ (ZVWU) über die Erhebung von Benutzungsgebühren, Beiträgen und Kostenerstattungen für die Entwässerung für das Verbandsmitglied ... vom 21. Juni 2007 (GBKS 2007) sowie deren Vorgängersatzung vom 25. November 2004 (GBKS 2004 ) waren unwirksam, weil sie in § 11 Abs. 1 bei einem Grundfaktor von 1,0 für das erste Vollgeschoss jeweils nur einen linearen Steigerungsfaktor von 0,15 % je weiterem Vollgeschoss vorsahen. Dies führt nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg (Urteil vom 18. April 2012 - 9 B 62.11 -, juris, Rn. 27) zur Gesamtnichtigkeit der Satzung, weil diese Steigerung nicht mehr vorteilsgerecht im Sinne von § 8 Abs. 6 Satz 1 KAG ist.
Die der GBKS 2004 vorausgehende Satzung, die Beitrags- und Gebührensatzung des „Zweckverbandes Wasserversorgung und Abwasser Entsorgung der ... “ (ZVWU) für das Verbandsmitglied ... zur Entwässerungssatzung vom 25. März 2004 (BGS 2004), war ebenfalls nichtig. Zum einen enthielt § 4 Abs. 5 einen nach der vorgenannten Rechtsprechung (Urteil vom 18. April 2012 - 9 B 62.11 -, juris, Rn. 27) bedenklichen degressiven Steigerungsmaßstab. Dieser sah bei einem Grundfaktor von 1,0 bei eingeschossiger Bebauung zwar eine Staffelung von 25 % für das zweite Vollgeschoss vor, für das dritte bis vierte Vollgeschoss jedoch nur noch eine Erhöhung von jeweils 10 % und bei fünf- und mehrgeschossiger Bebaubarkeit nur noch jeweils 8 %. Zum anderen war die Beitragsmaßstabsregelung unvollständig. Die Satzung enthielt keinen Nutzungsfaktor für Grundstücke, auf denen zwar kein Vollgeschoss verwirklicht werden darf, die aber gleichwohl baulich oder gewerblich nutzbar sind. Ein solcher wäre bei der Bemessung des wirtschaftlichen Vorteils anhand eines sogen. kombinierten Vollgeschossmaßstabes - wie in der BGS 2004 vorgesehen - jedoch nach der Rechtsprechung des OVG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 18. April 2012 - OVG 9 B 62.11 -, juris, Rn. 25) notwendig gewesen.
Die der BGS 2004 vorhergehende Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung der Stadt ... vom 14. Juli 2003 (BGS 2003) sowie die Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung der Stadt ... vom 24. Juni 1991 (BGS 1991) waren ebenfalls nichtig. Insoweit fehlte es, wie der Beklagte in seinem Schriftsatz vom 24. Juni 2014 und in der mündlichen Verhandlung selbst eingeräumt hat, gänzlich an einer Beitragskalkulation der Stadt ... als früherer Aufgabenträgerin, so dass die in § 5 BGS 2003 und § 3 Abs. 7 BGS 1991 festgelegten Beitragssätze rechtsunwirksam waren. Die Bestimmung des Beitragssatzes erfordert nämlich eine differenzierte Kalkulation, denn Beiträge sind Aufwandsersatz (vgl. OVG Berlin- Brandenburg, Urteil vom 14. November 2013 - 9 B 34.12 -, juris, Rn. 30). Ihre Höhe bestimmt sich einerseits nach der Höhe des beitragsfähigen Aufwandes, andererseits nach der Anzahl der Maßstabseinheiten, auf die sich der Aufwand verteilt. Sowohl die Ermittlung des beitragsfähigen Aufwands, der nur nach einer der in § 8 Abs. 4 KAG gesetzlich vorgeschriebenen Methoden erfolgen darf, als auch die Ermittlung der Maßstabseinheiten (§ 8 Satz 6 KAG) sind dabei komplexe Vorgänge, die bestimmten vom Satzungsgeber zu beachtenden gesetzlichen Anforderungen unterliegen und in einer Kalkulation ihren Niederschlag finden müssen (vgl. OVG Frankfurt/Oder, Urteil vom 3. Dezember 2003 - 2 A 417/01 -, Rn. 35; Möller in Driehaus, Kommunalabgaben, § 8, Rn. 1815, Stand September 2007). Überdies war die zum Zeitpunkt der Herstellung der technischen Anschlussmöglichkeit im Jahr 1997 geltende BGS 1991 auch deshalb nichtig, weil sie als Beitragspflichtigen lediglich den Grundstückseigentümer oder den Erbbauberechtigten vorsah (vgl. § 5 BGS 1991), die durch das Gesetz vom 27. Juni 1995 vorgenommene Änderung des § 8 Abs. 2 Satz 3 KAG, mit dem der Kreis der Beitragsschuldner um den qualifizierten Nutzer im Sinne des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes erweitert wurde, aber nicht nachvollzogen hatte.
Die vierjährige Festsetzungsverjährung begann demnach erst mit der (rückwirkenden) Inkraftsetzung der BGKS 2012 zum 1. Januar 2011 (vgl. § 27 BGKS 2012) zu laufen. Am 23. November 2011, dem Zeitpunkt des Erlasses des Beitragsbescheides, war die Beitragsforderung nicht verjährt.
4. Bedenken gegen die Beitragsforderung bestehen auch mit Blick auf die verfassungsrechtlichen Anforderungen zur Belastungsklarheit und -vorherseh- barkeit nicht (zu diesem Grundsatz vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes vom 5. März 2013 - 1 BvR 2457/08 -).
a) Für Beitragsbescheide, die - wie hier - erstmals bis zum 31. Dezember 2011 ergangen sind, bestand eine verfassungskonforme Gesetzesregelung bereits in Gestalt der besonderen Fristenbestimmung des § 12 Abs. 3a KAG (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14. November 2013 - 9 B 34.12 -, Rn. 58 ff.). Gemäß § 12 Abs. 3a Satz 1 KAG endet die Festsetzungsverjährung bei der Erhebung eines Beitrags für den Anschluss an eine Anlage der Abwasserbeseitigung nach § 8 Abs. 7 KAG oder für die Möglichkeit eines solchen Anschlusses frühestens mit Ablauf des 31. Dezember 2011. Das gilt jedoch nur, soweit die Festsetzungsverjährung zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Dritten Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes für das Land Brandenburg vom 2. Oktober 2008 noch nicht eingetreten ist, § 12 Abs. 3a Satz 2 KAG.
Diese Regelung ist verfassungskonform. Das Oberverwaltungsgericht Berlin- Brandenburg hat hierzu folgendes ausgeführt (Urteil vom 14. November 2013 - 9 B 34.12 -, Rn. 58 ff.):
„§ 12 Abs. 3a KAG hat die Festsetzungsverjährung für bestimmte Fälle noch über das hinaus nach hinten verschoben, was nach § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG in Verbindung mit den allgemeinen Verjährungsregelungen gelten würde. Mit der Einfügung des § 12 Abs. 3a KAG wollte der Gesetzgeber sich selbst und den Gemeinden und Wasser- und Abwasserverbänden Zeit für die Lösung des "Altanschließerproblems" verschaffen. Das ist ausweislich der Gesetzesmaterialien in dem Bewusstsein geschehen, dass bei der Bemessung der Verjährungsfrist der Grundsatz der Rechtssicherheit sowie der Sinn von Verjährungsregelungen, zu einem bestimmten Zeitpunkt Rechtsfrieden herzustellen, zu beachten ist und dass der Beitragspflichtige innerhalb einer überschaubaren Frist Gewissheit über das Bestehen von Beitragsforderungen erlangen soll (vgl. die Begründung zum Gesetzentwurf der Landesregierung vom 26. Juni 2008, LT-DrS 4/6422, S. 8). Dem hat der Gesetzgeber zwar insofern keine Taten folgen lassen, als er auch mit § 12 Abs. 3a KAG keinen absoluten zeitlichen Endpunkt für die Beitragserhebung gesetzt hat, sondern lediglich bestimmt hat, dass (noch laufende) Festsetzungsfristen frühestens mit Ablauf des 31. Dezember 2011 ablaufen sollten. Gleichwohl hat der Gesetzgeber durch die Einfügung des § 12 Abs. 3a KAG klar erkennen lassen, dass seiner Ansicht nach die Eigentümer der im Land Brandenburg schon mit einer Anschlussmöglichkeit oder mit einem Anschluss versehenen Grundstücke (vorbehaltlich des § 12 Abs. 3a Satz 2 KAG) jedenfalls bis 31. Dezember 2011 mit einer Beitragserhebung rechnen mussten. Die Regelung mag unmittelbar nur Satzungsgebiete betroffen haben, für die im Zeitpunkt der Neuregelung durch das Gesetz vom 2. Oktober 2008 bereits eine wirksame Beitragssatzung bestand und deshalb der Ablauf der Festsetzungsfrist überhaupt vor dem 31. Dezember 2011 anstand; ihr lässt sich indessen erst recht für Satzungsgebiete, in denen noch keine wirksame Beitragssatzung bestand oder deren Wirksamkeit offen war, der Wille des Gesetzgebers entnehmen, eine Beitragserhebung jedenfalls bis zum 31. Dezember 2011 zuzulassen.
Dieser Stichtag stellt sich zeitlich auch als verfassungskonform dar. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 5. März 2013 den Spielraum betont, den der Gesetzgeber bei der Festlegung einer zeitlichen Höchstgrenze für die Beitragserhebung hat. Diesen Spielraum hat der Gesetzgeber nicht überschritten, als er eine Beitragserhebung jedenfalls bis zum 31. Dezember 2011 zugelassen hat. Vielmehr hatte er für die entsprechende Festlegung gute Gründe, nämlich die Schwierigkeiten beim Aufbau einer funktionierenden kommunalen Selbstverwaltung, die Schwierigkeiten bei der Gründung von Zweckverbänden, die Schwierigkeiten bei der erstmaligen Schaffung von wirksamem Satzungsrecht und die Schwierigkeit der Lösung des Altanschließerproblems.“
Dem schließt sich die Kammer an.
b) Im Übrigen dürfte das Kommunalabgabengesetz auch hinsichtlich solcher Beitragsbescheide, die - anders als hier - erstmals nach dem 31. Dezember 2011 für eine bestimmten Veranlagungsform erlassen worden sind, nicht (mehr) gegen das Grundgesetz verstoßen, nachdem durch das Sechste Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes mit Wirkung vom 7. Dezember 2013 auch für noch nicht bestandskräftige Abgabenbescheide eine zeitliche Obergrenze eingefügt worden ist, §§ 19 Abs. 1, 20 Abs. 2 KAG n.F. (vgl. im einstweiligen Rechtsschutzverfahren dazu: OVG Berlin Brandenburg, Beschluss vom 10. Januar 2014 - 9 S 64.13 -, juris, Rn. 15 ff.). Indes ist eine vertiefte Prüfung dieser Frage hier nicht geboten, da der angegriffene Beitragsbescheid vor dem 31. Dezember 2011 erlassen wurde.
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Nebenentscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
6. Ein Grund für die Zulassung der Berufung (vgl. § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO) ist nicht gegeben.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 636,35 Euro festgesetzt.
Gründe:
Die Festsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 und Abs. 3 GKG.