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Kanalanschlußbeiträge (Entwässerungsbeiträge, Schmutzwasser)


Metadaten

Gericht VG Potsdam 8. Kammer Entscheidungsdatum 10.12.2014
Aktenzeichen VG 8 K 1729/12 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 2 KAG BB, § 8 Abs 19 Abs 1 KAG BB, § 8 Abs 2 KAG BB, § 8 Abs 4 KAG BB, § 8 Abs 6 KAG BB, § 8 Abs 7 KAG BB

Leitsatz

Für die Bemessung eines Schmutzwasserbeitrags anhand des kombinierten Vollgeschossmaßstabes ist ein Steigerungsfaktor in dem Korridor zwischen 25 % und 50% je weiterem Vollgeschoss regelmäßig rechtssicher und gebräuchlich. Eine Abweichung hiervon muss durch die tatsächlichen Gegebenheiten im Entsorgungsgebiet sachlich gerechtfertigt sein.

Tenor

Der Bescheid der Verbandsvorsteherin des Zweckverbandes ... Wasserversorgung und Abwasserbehandlung vom 18. Oktober 2011 und der Widerspruchsbescheid vom 3. Juli 2012 werden aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Mit Bescheid vom 18. Oktober 2011 veranlagte die Beklagte die Klägerin für das 41.255 m² große Grundstück in ..., ... er Straße (Flur .., Flurstücke …) zu einem Abwasserbeitrag für die Herstellung der zentralen öffentlichen Abwasseranlage in Höhe von 40.449,10 €.

Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Bescheid vom 3. Juli 2012 zurück.

Am 3. August 2012 hat die Klägerin Klage erhoben, zu deren Begründung sie im Wesentlichen vorträgt: Die Beitragserhebung sei rechtswidrig, weil die Beitragsforderung bereits verjährt sei. Ungeachtet dessen sei es rechtswidrig, das Grundstück in der Gesamtfläche zu veranlagen. Allein das eingeschossige Verwaltungsgebäude mit einer Grundfläche von nur ca. 400 m² sei an die Wasserver- und Schmutzwasserentsorgung angeschlossen. Dies Gebäude sei jedoch nicht mehr nutzbar und stehe zum Abriss.

Die Beitragskalkulation sei - trotz des vorhandenen Puffers - fehlerhaft. So sei nicht erkennbar sei, wie die Werte der gemeindeeigenen Grundstücke in die Aufwandsermittlung der Beitragskalkulation eingestellt worden seien (§ 8 Abs. 4 Satz 1 KAG) und wie die Beklagte den nach § 8 Abs. 4 Satz 7 KAG vom Aufwand abzuziehenden Gemeinanteil berücksichtigt habe.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Verbandsvorsteherin des Zweckverbandes ... Wasserversorgung und Abwasserbehandlung vom 18. Oktober 2011 und den Widerspruchsbescheid vom 3. Juli 2012 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor, Rechtsgrundlage sei nunmehr die am 22. August 2012 erlassene Beitrags- und Gebührensatzung zur Schmutzwasserbeseitigung (BGS 2012), die rückwirkend zum 1. Juni 2011 in Kraft getreten sei.

Der Beitragssatz von 3,80 € pro m² beruhe auf einer ordnungsgemäßen Kalkulation, nach der ein deutlich höherer Satz von 8,40 € pro m² zulässig wäre.

Der Wert eingebrachter gemeindeeigener Grundstücke i.S.v. § 8 Abs. 4 Satz 1 KAG sei in der Kalkulation berücksichtigt worden, müsse jedoch nicht gesondert rechnerisch ausgewiesen werden. Der wirtschaftliche Vorteil für die zweckverbandseigenen Grundstücke im Sinne von § 8 Abs. 4, Satz 7, 2. HS KAG sei zulässig im Wege der von der Rechtsprechung anerkannten sogen. modifizierten Aufwandsermittlung berücksichtigt worden.

Am 15. Oktober 2014 hat in dem Parallelverfahren VG 8 K 3720/13 ein Erörterungstermin stattgefunden, dessen Sitzungsniederschrift auch den Beteiligten des vorliegenden Verfahrens übersandt wurde. Auf deren Inhalt wird ergänzend verwiesen. Im Rahmen der mit dem Verfahren VG 8 K 3720/13 gemeinsam am 10. Dezember 2014 durchgeführten mündlichen Verhandlung, auf deren Sitzungsprotokoll ebenfalls Bezug genommen wird, hat die Beklagte auf Nachfrage des Gerichts ergänzend erklärt, dass in der vorgelegten Beitragskalkulation etwaige Abschreibungen oder Refinanzierungen der Herstellungskosten der zentralen öffentlichen Schmutzwasserbeseitigungsanlage, die sich aus den Gebühreneinnahmen ergeben, nicht berücksichtigt worden seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsvorgänge der Beklagten (1 Heft sowie 3 Ordner aus dem gemeinsam mündlich verhandelten Verfahren VG 8 K 3720/13) verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Anfechtungsklage ist begründet; der angefochtene Beitragsbescheid in der Gestalt des Widerspruchbescheides ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

1. Die Rechtswidrigkeit des Beitragsbescheides ergibt sich allerdings nicht schon daraus, dass die Beitragsforderung verjährt wäre. Die hier geltende vierjährige Festsetzungsfrist (§ 12 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b KAG i. V. m. § 169 AO) konnte vor dem 1. Juni 2011 nicht anlaufen und war daher im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Beitragsbescheides noch nicht abgelaufen.

Die Frist beginnt mit dem Ablauf des Jahres, in dem die Abgabe entstanden ist (§ 170 Abs. 1 AO i.V.m. § 12 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b KAG). Die Beitragspflicht entsteht gemäß § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG für Anschlussbeiträge wie hier mit der Anschlussmöglichkeit, frühestens jedoch mit dem Inkrafttreten einer wirksamen Beitragssatzung. Mangels früheren wirksamen Satzungsrechts kommt insoweit nur die BGS 2012 in Betracht.

a) Die ebenfalls zum 1. Juni 2011 in Kraft getretene Beitrags- und Gebührensatzung vom 24. März 2011 und die dieser vorgehende Beitrags- und Gebührensatzung vom 22. Juni 2005 verstießen gegen den Grundsatz der konkreten Vollständigkeit. Sie enthielten beide keine Regelung dafür, wie die Zahl der Vollgeschosse bei einem kombinierten Vollgeschossmaßstab zu ermitteln ist, wenn ein Bebauungsplan nur die zulässige Höhe der baulichen Anlagen oder die Geschoßflächenzahl bzw. Grundflächenzahl festsetzt (sh. § 4 Abs. 4 der Satzungen; vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 30. September 2011 - 9 N 62.11 -; juris, Rn. 9, 13). Für den insoweit einzig geregelten Fall, dass nur eine Baumassenzahl festgesetzt ist (§ 4 Abs. 4 lit. ab) der Satzungen), war zudem eine unzulässige Aufrundung vorgesehen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 27. Juni 2012 - 9 B 20.11 -, juris, Rn. 26 ff).

Die zum 1. Januar 1997 in Kraft getretene Beitrags- und Gebührensatzung vom 2. Mai 2001 enthielt in § 4 Abs. 2 einen unzulässigen Steigerungsfaktor von 100 % (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18. April 2012 - 9 B 62.11 -, juris, Rn. 34) sowie in § 4 Abs. 3 lit. c) eine unwirksame Tiefenbegrenzung von 35 m (vgl. OVG Frankfurt [Oder], Urteil vom 8. Juni 2000 - 2 D 29/98.NE -, juris, Rn. 73).

Die erste Beitrags- und Gebührensatzung des beklagten Zweckverbandes vom 3. April 1993 schließlich war unwirksam, weil sie den nach der damaligen Rechtslage erforderlichen Artzuschlag für gewerbliche und industrielle Nutzung nicht enthielt (vgl. OVG Frankfurt [Oder], Urteil vom 3. Dezember 2003 - 2 A 417/01 -, juris, Rn. 35; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 6. September 2006 - 9 B 24.05 -, juris, Rn. 24 ff). Überdies sah § 4 Abs. 2 der Satzung ebenfalls einen unzulässigen Steigerungsfaktor von 100 % vor sowie in § 4 Abs. 3 Buchst. c) der Satzung eine unwirksame Tiefenbegrenzung von 50 m.

b) Anderes ergibt sich nicht aus der Auslegung des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG in seiner bis zum 31. Januar 2004 geltenden Fassung (KAG a. F.). Nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) im Urteil vom 8. Juni 2000 (2 D 29.98.NE) ist die Bestimmung des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG a. F. nicht dahin zu verstehen, dass der Anlauf der vierjährigen Verjährungsfrist bereits an das gewollte Inkrafttreten des ersten einschlägigen Satzungsbeschlusses (hier: der Beitragssatzung vom 3. April 1993) anknüpft. Vielmehr entschied das Oberverwaltungsgericht Frankfurt (Oder) lediglich, dass die sachliche Beitragspflicht für bereits angeschlossene oder anschließbare Grundstücke nur noch durch eine nachfolgende wirksame Beitragssatzung begründet werden konnte, die sich Rückwirkung auf das formale Inkrafttretensdatum der ersten, unwirksamen Beitragssatzung (oder den darin geregelten späteren Zeitpunkt für die Entstehung der sachlichen Beitragspflicht) beimaß (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 29. September 2014 - 9 N 18.14 -, juris, Rn. 6). Indem sie (lediglich) dieses nach § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG a. F. für bestimmte Fallgestaltungen bestehende Rückwirkungserfordernis hat entfallen lassen (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 29. September 2014 - 9 N 18.14 -, juris, Rn. 8), hat die Änderung des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG den Satzungsgeber nur aus der seinerzeit bestehenden „Zwickmühle“ befreit, dass er nach dem ersten unwirksamen „Satzungsversuch“ künftig erstmals eine wirksame Satzung nur noch um den Preis einer Rückwirkungsanordnung hätte erlassen können, die regelmäßig im selben Augenblick zum Eintritt der Verjährung und damit zum Erlöschen der Beitragsforderung für bereits seit längerem angeschlossene, also insbesondere auch „altangeschlossene“ Grundstücke geführt hätte.

Die seinerzeitige Rechtsänderung des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG unterliegt verfassungsrechtlichen Bedenken weder unter dem Gesichtspunkt des Rückwirkungsverbots noch des Vertrauensschutzes im Übrigen. Insbesondere teilt die Kammer die Auffassung, dass die Änderung materiell keine echte und damit unzulässige Rückwirkung entfaltet, und folgt damit der Rechtsprechung des Verfassungsgerichts für das Land Brandenburg (Beschluss vom 21. September 2012 - VfGBbg 46/11 -, juris, Rn. 66 ff.) und des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg, zuletzt dargelegt im Beschluss vom 29. September 2014 (- 9 N 18.14 -, juris, Rn. 10 - 12), dessen diesbezügliche Begründung sich die Kammer zu eigen macht.

2. Ebenfalls ist nicht (mehr) zu beanstanden, dass die Änderung des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG zunächst dazu geführt hat, dass - im Fall von Satzungsfehlern und daraus resultierender Satzungsunwirksamkeit - praktisch eine unbeschränkt lange Zeit zwischen der Erlangung der Anschlussmöglichkeit und der Beitragsveranlagung liegen konnte, weil § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG n. F. kein Rückwirkungserfordernis für eine nachgebesserte Satzung mehr regelt und die Festsetzungsfrist erst mit dem Entstehen der sachlichen Beitragspflicht, d. h. also erst mit dem Erlass der ersten rechtswirksamen Satzung zu laufen beginnt. Diese zeitlich unbegrenzte Beitragserhebungsmöglichkeit verstieß nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 5. März 2013 - 1 BvR 2457/08 -, juris, Rn. 34 ff.) gegen das Rechtsstaatsprinzip. Eine bestimmbare zeitliche Obergrenze für die Inanspruchnahme der Beitragsschuldner ist mittlerweile jedoch in das KAG aufgrund des Sechsten Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 5. Dezember 2013 (GVBl. I Nr. 40 S. 1) mit Wirkung vom 7. Dezember 2013 eingefügt worden (§ 19 Abs. 1, § 20 Abs. 2 KAG in der Fassung dieses Änderungsgesetzes). Diese Regelung ist verfassungsrechtlich unbedenklich (Urteile der Kammer vom 19. November 2014 - 8 K 1767/11 -, juris, Rn. 37; und - 8 K 1775/12 -, juris, Rn. 34; unter Bezugnahme auf OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 16. Juli 2014 - 9 N 69.14 -, juris, Rn. 24 f.; vgl. auch VG Cottbus, Urteil vom 18. November 2014 - 6 K 1220/12 -, juris, Rn. 82 ff.).

Die in § 19 Abs. 1 KAG nunmehr bestimmte „zeitliche Obergrenze für den Vor-teilsausgleich“ kann generell nicht vor dem 31. Dezember 2015 überschritten sein. Denn nach Satz 3 der Vorschrift war aufgrund der Sondersituation nach der Deutschen Einheit der Lauf der in Satz 1 bestimmten 15-jährigen Frist bis zum 3. Oktober 2000 gehemmt. Selbst wenn also vor diesem Zeitpunkt gemäß Satz 1 die beitragsrechtliche Vorteilslage eingetreten sein sollte, kann die Frist nicht vor dem Ende des Jahres 2000 angelaufen sein.

3. Der angegriffene Beitragsbescheid ist jedoch deswegen rechtswidrig, weil es nach wie vor an einer wirksamen Satzungsgrundlage fehlt. Denn auch die von der Beklagten nunmehr herangezogene Beitrags- und Gebührensatzung vom 22. August 2012 leidet an einem zur Nichtigkeit führenden Mangel.

a) Die BGS 2012 ist wegen eines fehlerhaften Beitragsmaßstabes unwirksam. Der in der Satzung vorgesehene Beitragsmaßstab zur prozentualen Gewichtung der Vollgeschosse ist nichtig und führt zur Gesamtnichtigkeit der Satzung (§ 139 BGB analog).

aa) Beiträge sind nach den Vorteilen zu bemessen (§ 8 Abs. 6 Satz 1 KAG), d.h. danach, in welchem Maße Grundstückseigentümern durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung oder Anlage wirtschaftliche Vorteile geboten werden (§ 8 Abs. 2 Satz 2 KAG). Der wirtschaftliche Vorteil liegt bei leitungsgebundenen Anlagen darin, das angeschlossene bzw. anschließbare Grundstück durch die öffentliche Anlage dauerhaft in gewissem Maße überhaupt oder jedenfalls besser baulich oder gewerblich nutzen zu können, als wenn es diese abwasserseitige Entsorgung nicht gäbe (OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18. April 2012 - 9 B 62.11 -, juris, Rn. 29 m.w.N.).

Der abzugeltende wirtschaftliche Vorteil lässt sich nicht unmittelbar beziffern, sondern kann nur mittelbar über die Umstände erfasst werden, von denen er abhängt. Hierfür hat der brandenburgische Gesetzgeber bezüglich der leitungsgebundenen Anlagen vorgegeben, dass ausschließlich das Maß der baulichen oder sonstigen Nutzung zu berücksichtigen ist, § 8 Abs. 6 Satz 3, 2. Alt. KAG.

Die weitere Konkretisierung ist dem Satzungsgeber überlassen. Dieser darf mit Blick auf die Schwierigkeit der Vorteilsbemessung einen Wahrscheinlichkeitsmaßstab anwenden, der jedoch gewährleisten muss, dass die zu leistenden Beiträge den gezogenen Vorteilen annähernd entsprechen (OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18. April 2012 - 9 B 62.11 -, juris, Rn. 31). Insoweit obliegt es dem Ortsgesetzgeber, nach seinem Ermessen einen Wahrscheinlichkeitsmaßstab zu wählen, der an Kriterien anknüpft, die die Unterschiede, die sich aus der jeweiligen baulichen Ausnutzbarkeit bevorteilter Grundstücke nach ihrer Größe und Lage unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse ergeben, angemessen zum Ausdruck bringen (VG Cottbus, Urteil vom 3. März 2011 - 6 K 351/09 -, juris, Rn. 21 a.E.). Dem Satzungsgeber ist es überlassen, welchen Wahrscheinlichkeitsmaßstab er unter den zulässigen Maßstäben auswählt. Er muss sich nicht für den zweckmäßigsten, gerechtesten, vernünftigsten oder wahrscheinlichsten Maßstab entscheiden. Vielmehr ist es ihm nach dem abgabenrechtlichen Grundsatz der Typengerechtigkeit gestattet, zu verallgemeinern und zu pauschalieren.

Der Wahrscheinlichkeitsmaßstab ist gerichtlich nur darauf überprüfbar, ob er offenbar ungeeignet ist, den Vorteil zu bestimmen. Dies ist der Fall, wenn er in einem offensichtlichen Missverhältnis zu den mit der Möglichkeit der Inanspruchnahme gebotenen Vorteilen steht (VG Cottbus, Urteil vom 3. März 2011 - 6 K 351/09 -, juris, Rn. 21 a.E.). Fehlt für die getroffene Regelung jeder sachlich einleuchtende Grund (ist sie also willkürlich), ist der Gleichheitssatz verletzt (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 12. November 2008 - 9 A 3.08 -, juris, Rn. 31, mit Verweis auf BVerwG, Urteil vom 24. September 1987 - 8 C 28.86 -, juris, Rn. 16 m.w.N.; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18. April 2012 - 9 B 62.11 -, juris, Rn. 31; Urteil vom 27. Juni 2012 - 9 B 20.11.-, juris, Rn. 21).

bb) Der vom Zweckverband hier gewählte kombinierte Vollgeschoßmaßstab ist ein üblicher, praktikabler und grundsätzlich zulässiger Maßstab (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 12. November 2008 - 9 A 3.08 -, juris, Rn. 31).

Gemäß § 4 Abs. 1 BGS 2012 wird der Anschlussbeitrag nach der nutzungsbezogenen Fläche berechnet. Diese wird hier ermittelt, indem für das erste Vollgeschoss 25 % und für jedes weitere Vollgeschoss 15 % der anrechenbaren Grundstücksfläche angesetzt werden, § 4 Abs. 2 Satz 1 BGS 2012. Dies entspricht einem linearen Steigerungsfaktor von 60 % je Vollgeschoss.

Diese Steigerung überschreitet den zulässigen Steigerungsrahmen. Sie ist nicht mehr vorteilsgerecht, weil sich den konkreten örtlichen Gegebenheiten weder ein einleuchtender sachlicher Grund für diesen Steigerungsfaktor entnehmen lässt noch ein solcher von der Beklagten vorgetragen worden ist.

cc) Für die Bemessung des - schwierig zu erfassenden - Vorteils hat sich für den kombinierten Vollgeschossmaßstab in der gefestigten Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg ein als „gebräuchlich und rechtssicher“ angesehener Steigerungsfaktor von linear 25 % bis 50 % je weiterem Vollgeschoss herausgebildet (Beschluss vom 20. November 2007 - 9 S 34.07 -, Seite 4 des EA: 0,25 – 0,5 gebräuchlich u. rechtssicher ohne weitere Begründung; Urteil vom 12. November 2008 - 9 A 3.08 -, juris, Rn. 31: nur 25%; Beschluss vom 14. September 2009 - 9 S 5.09 -, juris, Rn. 6: 0,25 – 0,5 üblich; Beschluss vom 21. Februar 2011 - 9 S 92.10 -, Seite 7 des EA: 60 % zweifelhaft; zusammenfassend: OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18. April 2012 - 9 B 62.11 -, juris, Rn. 33; so auch: OVG Bautzen, Urteil vom 12. Juli 2007 - 5 B 565/05 - juris, Rn. 50: 25 % - 50 %).

Eine Abweichung von diesem rechtssicheren „Korridor“ ist nach Auffassung der Kammer zwar nicht von vornherein vorteils- und damit rechtswidrig. Angesichts des weiten Gestaltungsermessens des Satzungsgebers kann sie rechtmäßig sein, wenn sie durch die tatsächlichen Gegebenheiten des Satzungsgebietes und die daraus resultierende Vorteilslage begründet ist (so auch VG Cottbus, Urteil vom 3. März 2011 - 6 K 351/09 -, juris, Rn. 21 unter Hinweis auf OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 14. September 2009 - 9 S 5.09 -, juris, Rn. 6; siehe hierzu auch OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 21. Februar 2011 - 9 S 92.10 -, worin das OVG im vorläufigen Rechtsschutzverfahren hinsichtlich der geäußerten Zweifel an einem Steigerungsfaktor von 60 % eine rechtliche Prüfung und Aufklärung der tatsächlichen Gegebenheiten im Hauptsacheverfahren jedenfalls für erforderlich gehalten hat. Dass das OVG in der Entscheidung vom 12. Dezember 2007 - 9 B 44.06 -, juris, Rn. 48 a.E. einen Steigerungsfaktor von 60 % unbeanstandet gelassen hat, ist insoweit unergiebig. Dies geschah ersichtlich ohne nähere Prüfung und Anlass zu einer solchen, zumal sich zu diesem Zeitpunkt der Korridor von 25 % - 50 % noch nicht als rechtssicher herauskristallisiert hatte).

dd) Das satzungsgeberische Gestaltungsermessen findet seine Grenze, wo sich sachliche Gründe für die Abstufung nicht mehr finden lassen oder der gewählte Maßstab ersichtlich unangemessen ist und deshalb dem Vorteilsprinzip und dem Gleichheitssatz nicht mehr entspricht (OVG Bautzen, Urteil vom 12. Juli 2007 - 5 B 565/05 - juris, Rn. 50).

Hier lässt sich den konkreten örtlichen Gegebenheiten weder ein einleuchtender sachlicher Grund für die vorgenommene Gewichtung entnehmen noch ist ein solcher von der Beklagten vorgetragen worden.

Die Zulässigkeit des Steigerungsrahmens von 25 % bis 50 % beruht auf dem Erfahrungssatz, dass mit zunehmender Zahl der Vollgeschosse eine Steigerung der zulässigen Intensität der baulichen Nutzung und eine Erhöhung des durch den Beitrag abzugeltenden Vorteils einhergehen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18. April 2012 - 9 B 62.11 - Rn. 33). Zugleich wird damit berücksichtigt, dass mit dem zweiten und jedem weiteren Vollgeschoss nicht mehr ein jeweils gleicher Vorteil verbunden ist, wie mit dem ersten Vollgeschoss (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18. April 2012 - 9 B 62.11 -, juris, Rn. 33). Die Anschlussmöglichkeit des ersten Vollgeschosses bewirkt nämlich die Erschließung des Grundstücks überhaupt und erfasst damit die erstmalige Bebaubarkeit als solche. Zugleich wird damit die Möglichkeit abgegolten, eine Kellerebene und ein untermaßiges - noch nicht das Maß eines Vollgeschosses erreichendes - Dachgeschoss sowie untergeordnete Nebengebäude zu errichten. Dabei stellt sich das eingeschossige Gebäude mit Keller und untermaßigem Dachgeschoss vorteilsmäßig wie ein Gebäude mit drei etwa gleich großen Nutzungsebenen (ggf. sogar mit zusätzlichen Nebengebäuden) dar, das zwei- (voll-) geschossige Gebäude vorteilsmäßig wie ein Gebäude mit vier Nutzungsebenen. Die Steigerung des wirtschaftlichen Vorteils vom ersten zum zweiten Vollgeschoss mit nur einer von vier Ebenen mehr ist daher gering und nur mit etwa einem Drittel anzusetzen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18. April 2012 - 9 B 62.11 -, juris, Rn. 35). Dies verringert sich noch, wenn man die zumeist eingeschossigen und mit dem ersten Vollgeschoss ebenfalls abgegoltenen Nebengebäude einbezieht. Ein Steigerungsfaktor von 25 % ist daher sachlich noch vertretbar, hingegen ein Faktor von 15 % auf jeden Fall unvertretbar (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18. April 2012 - 9 B 62.11 -, juris, Rn. 35).

ee) An diesen Maßstäben gemessen entspricht der Steigerungssatz den hier tatsächlich gebotenen Vorteilen nicht mehr und widerspricht dem Gleichheitssatz.

Ein den Korridor von 25 % bis 50 % überschreitender Steigerungsfaktor wäre sachlich gerechtfertigt, wenn bei den im Entsorgungsgebiet konkret vorhandenen bzw. möglichen Baulichkeiten das zweite und jedes weitere Vollgeschoss typischerweise eine annähernd mehr als hälftige Vergrößerung des Gebrauchsvorteils im Vergleich zum ersten Vollgeschoss vermitteln würde.

Nach den Angaben der Beklagten im Erörterungstermin herrscht im Entsorgungsgebiet eine typisch ländliche Bebauung vor, die durch große Grundstücke und ehemalige landwirtschaftliche Nutzung geprägt ist. Eine gesteigerte bauliche Nutzung ergibt sich durch vielfach vorhandene landwirtschaftliche Nebengelasse. Rund 92 % des gesamten Entsorgungsgebietes sind ein- bis dreigeschossig bebaubar; der Anteil der ein- und zweigeschossigen Bebauung beträgt rund 87 %; der Anteil der eingeschossig bebaubaren Flächen beträgt - ausweislich der mit den Verwaltungsvorgängen eingereichten tabellarischen Auflistung der Entsorgungsflächen (Leitzordner „Globalkalkulation“) - rund 54 %, wobei die typische eingeschossige Bebauung, zusätzlich zu den häufig vorhandenen Nebengebäuden, eine Unterkellerung und ein untermaßiges Dachgeschoss aufweist.

Eine - durch Erhöhung der Vollgeschossanzahl bedingte - besonders hohe bauliche Ausnutzbarkeit lässt sich diesen örtlichen Gegebenheiten nicht entnehmen. Vielmehr wird die gesteigerte bauliche Ausnutzbarkeit vornehmlich durch Keller- und untermaßige Dachgeschosse sowie ebenerdige Nebengelasse erreicht. Diese sind jedoch mit dem Grundfaktor abgegolten.

Angesichts dieser im Verbandsgebiet typischen Struktur der baulichen Ausnutzung wäre es bereits naheliegend gewesen, den Steigerungsfaktor im unteren Bereich des Korridors anzusiedeln. Insoweit mag ein am äußeren Rand des rechtssicheren Korridors liegender Steigerungsfaktor von 50 % noch vertretbar sein. Für die darüber hinausgehende 60 %-ige Steigerung gilt das hingegen nicht mehr. Sie ist sachwidrig, weil hier durch das zweite Vollgeschoss, im Vergleich zu den bereits mit dem ersten Geschoss erfassten drei Nutzungsebenen (zzgl. evtl. vorhandener Nebengelasse) nur eine weitere Nutzungsebene (1/3) hinzu kommt. Entsprechendes gilt für das dritte Geschoss, welches nur als fünfte Nutzungsebene hinzukommt, wobei faktisch oftmals nur vier Nutzungsebenen gegeben sein dürften, weil bei ländlicher Bebauung mit drei Vollgeschossen üblicherweise kein weiteres Dachgeschoss mehr vorzufinden sein wird.

Ungeeignet zur gerechten Vorteilserfassung erscheint der Steigerungsfaktor von 60 % auch bei Betrachtung der Relation zwischen dem ersten Vollgeschoss und dem zweiten sowie dritten Vollgeschoss. So müsste der Zugewinn an Nutzflächen durch das zweite und dritte Vollgeschoss etwa bei 120 % der durch das erste Vollgeschoss abgegoltenen Nutzfläche liegen. Dies erscheint bei den typischerweise vorhandenen Nebengelassen, Kellern und Dachgeschossen jedoch weit überhöht, zumal sich ein Gebäude mit drei Vollgeschossen faktisch - wie erläutert - oftmals auch nur als ein Gebäude mit vier Nutzungsebenen darstellen dürfte, da es an der kleinstädtischen Verdichtung fehlt.

ff) Soweit das VG Cottbus in seinem bereits zitierten, noch vor dem Urteil des OVG vom 18. April 2012 - 9 B 62.11 - ergangenen Urteil vom 3. März 2011 (Rn. 26 f.) mit Blick auf die Bestimmungen der §§ 17 und 20 BauNVO es bei einer überwiegenden Wohnbebauung mit ein-, zwei- oder dreigeschossigen Gebäuden für zulässig hält, einen linearen Steigerungsfaktor von 60 % anzusetzen, kann dem nicht gefolgt werden. Die Prüfung der sachlichen Begründetheit dieses Beitragsmaßstabes richtet das VG Cottbus insoweit nicht an den konkreten Gegebenheiten des Entsorgungsgebietes aus, sondern stützt sich auf die abstrakten Bestimmungen der Baunutzungsverordnung und meint, damit eine Verdoppelung bzw. Verdreifachung der (nutzbaren) Geschossfläche mit jedem weiteren Vollgeschoss (bis zu drei Geschossen) belegen zu können. Dies Vorgehen gleicht allerdings eher einer Plausibilitätsprüfung dahin, ob es überhaupt einen sachlichen Anknüpfungspunkt für einen Steigerungsfaktor von 0,6 geben kann oder ob dieser beliebig gegriffen ist. Unbeachtet bleibt hingegen, ob in dem in Rede stehenden Entsorgungsgebiet auch tatsächlich typischerweise eine derartige Vergrößerung der Nutzflächen vorzufinden ist, zumal überwiegende Teile des Entsorgungsgebietes nicht unter Geltung der Baunutzungsverordnung bebaut worden sein dürften. Unberücksichtigt bleibt insbesondere auch das proportionale Verhältnis vom ersten zum zweiten Obergeschoss im konkreten Verbandsgebiet. Im Ergebnis würde dies dazu führen, dass auch ein Steigerungsfaktor von 60 % regelmäßig zulässig wäre, wenn überwiegend eine nur bis dreigeschossige Bebauung vorhanden wäre.

Im Gegenteil weist auch das VG Cottbus in der Entscheidung ebenfalls darauf hin, dass große, auf kleiner Grundfläche mit mehreren Geschossen überbaute Grundstücke einen hohen baulichen Ausnutzungsgrad typischerweise nicht erreichen. In Gebieten, die überwiegend durch große und gering bebaute Grundstücke geprägt sind, kann daher ein für jedes weitere Vollgeschoss eher niedrigerer Steigerungsfaktor angezeigt erscheinen (vgl. VG Cottbus, Urteil vom 3. März 2011 - 6 K 351/09 -, juris, Rn. 24).

gg) Eine hinreichende sachliche Rechtfertigung ergibt sich nicht aus den ergänzenden Ausführungen der Beklagten in der mündlichen Verhandlung, wonach das Entsorgungsgebiet zwar überwiegend, aber nicht ausschließlich von der besagten ländlichen Bebauung geprägt sei; nur mit dem erhöhten Steigerungsfaktor habe die Bebauung der im Verbandsgebiet vorhandenen beiden Städte (... und ... ) ausreichend berücksichtigt werden können, denn dort seien viele Gebäude mit fünf bis sieben und vereinzelt mit bis zu zwölf Vollgeschossen vorhanden.

Aus diesen inhomogenen Gegebenheiten im Entsorgungsgebiet mag sich zwar ein den tatsächlichen Verhältnissen entnommener sachlicher Anknüpfungspunkt für die Erhöhung des Steigerungsfaktors über die obere Grenze des rechtssicheren Korridors hinaus ergeben, durch den belegt wäre, dass der gewählte 60 %-Faktor nicht rein „willkürlich gegriffen“ ist. Denn bei den städtisch verdichtet bebauten Grundstücken ist regelmäßig eine hohe bauliche Ausnutzbarkeit vorzufinden, da sie relativ klein, oftmals nahezu vollständig überbaut und mit mehreren Geschossen bebaut sind, oder weil es sich um Grundstücke mit geschlossener Bebauung handelt. Solches kann den Ansatz eines höheren Steigerungsfaktors sachlich begründen (so auch VG Cottbus, Urteil vom 3. März 2011 - 6 K 351/09 -, juris, Rn. 24). So dürfte bei den in ... und ... vorhandenen fünf und mehr Geschosse aufweisenden Gebäuden durch jedes weitere Vollgeschoss eine annähernd ebenso große Nutzungsfläche erzielt werden wie mit dem ersten Geschoss. Von einem für diese besondere städtische Verdichtung im ersten Ansatz denkbaren Steigerungsfaktor von zunächst 100 % je Vollgeschoss wäre mithin „nur“ ein eher geringfügiger Abschlag für die mit dem ersten Vollgeschoss zusätzlich erlangte grundsätzliche Bebaubarkeit vorzunehmen.

Nach den Angaben der Beklagten beträgt der Anteil der vier- und mehrgeschossig bebauten erschließbaren Flächen im Verbandsgebiet indes nur rund 7,5 %. Zwar werden hier aus einem Grundstück erhebliche Nutzflächenmengen gewonnen. Die Vorteilsbemessung anhand dieser nicht repräsentativen, eben untypischen Bebauung zu bestimmen, widerspräche jedoch dem Grundsatz der Typengerechtigkeit.

hh) Hierbei würde auch nicht die Überlegung tragen, dass die Beklagte infolge der Inhomogenität bei den städtischen Teilen des Verbandsgebietes eine kalkulatorische Steigerung von z.B. 90 % annehmen könnte und bei den ländlichen Teilen eine Steigerung von kalkulatorisch z.B. nur 30 %, so dass im mittleren Durchschnitt eine satzungsmäßige Steigerung von 60 % als zulässig angesehen werden müsste.

Ungeachtet dessen, dass die Beklagte entsprechendes nicht vorgetragen hat und seiner Maßstabsbestimmung daher auch nicht zugrunde gelegt haben dürfte, wäre ein solches Vorgehen vom Grundsatz der Typengerechtigkeit nicht mehr gedeckt, weil es sich nicht um eine Typisierung handeln würde, sondern um eine (unzulässige) „Mittelwertbildung“.

Der Grundsatz der Typengerechtigkeit dient der Erhaltung der dem Normgeber im Abgabenrecht in Bezug auf das Gleichbehandlungsgebot eingeräumten Gestaltungsfreiheit. Danach ist es dem Normgeber gestattet, bei der Gestaltung abgabenrechtlicher Regelungen in der Weise zu verallgemeinern und zu pauschalieren, dass an Regelfälle eines Sachbereichs angeknüpft wird und die Besonderheiten von Einzelfällen außer Betracht bleiben. Dabei stellt das Auftreten solcher abweichenden Einzelfälle die Entscheidung des Normgebers nicht in Frage, solange nicht mehr als 10 % der von der Regelung betroffenen Fälle dem "Typ" widersprechen. Der Grundsatz der Typengerechtigkeit bewahrt damit die im Interesse der Verwaltungsvereinfachung und Verwaltungspraktikabilität getroffene Entscheidung des Normgebers für einen bestimmten "Regelungstypus" davor, durch das Auftreten von Einzelfällen, die der Regelung unterfallen, dem Typus aber widersprechen, in Frage gestellt zu werden (BVerwG, Beschluss vom 30. April 2009 - 9 B 60/08 -, juris Rn. 4, m.w.N.; dem folgend OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18. April 2012 - 9 B 62.11 -, juris, Rn. 46).

Die dargelegte (hypothetische) Mittelwertbemessung würde diesem rechtlichen Maßstab zuwider laufen. Im Ergebnis wäre nämlich der weitgehende Teil des Verbandsgebietes in beide Richtungen vorteilsmäßig unzutreffend abgebildet, indem die weiten ländlichen Gebiete mit 60 % Steigerung zu hoch, während die städtischen Gebiete mit 60 % Steigerung noch zu niedrig bemessen wären. Im Ergebnis würde also eine bloße Nivellierung vorliegen.

Der Satzungsgeber darf für eine gesetzliche Typisierung keinen atypischen Fall als Leitbild wählen, sondern muss realitätsgerecht den typischen Fall als Maßstab zugrunde legen. Die gesetzlichen Verallgemeinerungen müssen dabei von einer möglichst breiten, alle betroffenen Gruppen und Regelungsgegenstände einschließenden Beobachtung ausgehen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. Juli 2010 - 2 BvL 13/09 -, juris, Rn. 38 m.w.N.).

Als maßgebend ist damit auf die nach den konkreten örtlichen Verhältnissen vorherrschende typische ländliche Bebauung abzustellen, die 92 % (ein- bis drei Geschosse) bzw. 87 % (ein- und zwei Geschosse) bzw. 54 % (ein Geschoss) ausmacht. Diese ist allerdings, aus dargelegten Gründen, mit dem 60 %-igen Steigerungsfaktor vorteilswidrig bemessen.

b) Ein anderes Ergebnis ergibt sich schließlich nicht aus dem Hinweis der Beklagten, der Steigerungsfaktor von 60 % sei schon in der vom Zweckverband ursprünglich durchgeführten Periodenkalkulation enthalten gewesen. Dies allein ergibt keinen sachlichen Rechtfertigungsgrund, denn die Berufung auf eine “Tradition“ des Satzungsgebers ersetzt nicht eine fehlende innere Rechtfertigung der satzungsmäßigen Faktorenbestimmung (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18. April 2012 - 9 B 62.11 -, juris, Rn. 45).

3. Erweist sich mithin auch die Beitragssatzung vom 22. August 2012 als unwirksam, bedarf es keiner Entscheidung, ob dem Beitragssatz eine ordnungsgemäße Kalkulation zugrunde liegt.

Zweifel hieran ergeben sich zwar nicht aus den Kalkulationsrügen der Klägerin. Insbesondere bedurfte es bei der Aufwandsermittlung keines weiteren Abzugs eines Gemeinanteils. § 8 Abs. 4 Satz 7 KAG regelt lediglich, dass von dem beitragsfähigen Aufwand der Teil abzuziehen ist, der den Vorteilen der Allgemeinheit und den aufgabenträgereigenen Grundstücken entspricht. Im Abwasserbereich kommt ersteres z.B. in Betracht, wenn - anders als hier - bei einer gemeinsamen Mischentwässerung von Niederschlags- und Schmutzwasser erhebliche Fremdwassereinträge (z.B. Löschwasser, Straßenoberflächenentwässerung) vorhanden sind. Ebenso zu berücksichtigen wäre z.B., wenn die Kläranlage auch zur Beseitigung dezentraler Abwässer diente, so dass nicht sämtliche Herstellungskosten der Kläranlage in den umlagefähigen Beitragsaufwand einfließen dürften (Becker in derselbe u.a., Kommunalabgabengesetz für das Land Brandenburg, § 8, Rn. 274, Stand Dezember 2013). Die Beklagte hat hier bei ihrer Aufwandsermittlung jedoch den Anteil für den dezentral betriebenen Kläranlagenteil abgesetzt. Bei geringfügigem unbeabsichtigten Fremdwassereintrag (10 % fehlgeleitetes Fremdwasser) bestehen im Übrigen keine Rechtmäßigkeitsbedenken, weil es sich um einen den Benutzern der Anlage zugutekommenden Vorsorgezuschlag handelt (OVG Berlin Brandenburg, Urteil vom 26. Januar 2011 - 9 B 14.09 -, juris, Rn. 39).

Nicht gänzlich fernliegende Zweifel an der Mangelfreiheit der Beitragskalkulation ergeben sich allerdings daraus, dass die Abschreibungen bzw. Refinanzierungen des Herstellungsaufwandes aus den bis zum Jahr 2006 eingenommenen Gebühren nicht weiter im Rahmen der Kalkulation berücksichtigt worden sind (vgl. hierzu auch OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14. November 2013 - 9 B 35.12 -, juris, Rn. 50 ff; VG Cottbus, Urteil vom 23. September 2014 - 6 K 815/14 -; juris, Rn. 54 ff). Diese Frage kann indes angesichts des vorteilswidrigen und zur Gesamtnichtigkeit der Satzung führenden Beitragsmaßstabes dahinstehen.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 709 Satz 1 ZPO.

III.

Die Berufung war nach § 124 a Abs. 1, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen, weil der Frage, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen im Rahmen des kombinierten Vollgeschoßmaßstabes ein höherer Steigerungsfaktor als 50 % je weiterem Vollgeschoß zulässig ist, grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 40.449.- € Euro festgesetzt.

Gründe:

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 und Abs. 3 GKG, wonach für die Höhe des Streitwertes der im angefochtenen Bescheid genannte Heranziehungsbetrag maßgebend ist.

Beschluss:

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

Gründe:

Dem Antrag auf Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO zu entsprechen, weil es der Klägerin aus der Sicht einer verständigen, nicht rechtskundigen Partei nicht zuzumuten war, den Rechtsstreit ohne anwaltliche Hilfe zu führen. Dies gilt insbesondere für das Kommunalabgabenrecht, da hier der Abgabepflichtige in aller Regel nicht in der Lage ist, seine Rechte gegenüber der Verwaltung ohne rechtskundigen Rat ausreichend zu wahren (vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Brandenburg, Beschlüsse vom 6. Dezember 1999 - 2 E 34/99, 2 E 36/99 und 2 E 38/99 -).