Gericht | LSG Berlin-Brandenburg 34. Senat | Entscheidungsdatum | 17.11.2011 | |
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Aktenzeichen | L 34 AS 1424/11 B PKH | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 73a SGG, § 131 SGG, § 114 ZPO |
Die Beschwerde der Klägerinnen gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 21. Juni 2011 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die nach §§ 172 und 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Beschwerde der Klägerinnen gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 21. Juni 2011, mit dem dieses die Gewährung von Prozesskostenhilfe für das unter dem Aktenzeichen S 77 AS 34310/10 beim Sozialgericht anhängige Hauptsacheverfahren abgelehnt hat, ist unbegründet. Das Sozialgericht hat den Antrag zu Recht abgelehnt.
Nach § 73a Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Eine hinreichende Aussicht auf Erfolg in diesem Sinne hat die beabsichtigte Rechtsverfolgung der Klägerinnen nicht. Mit der am 9. November 2010 erhobenen Klage begehren die Klägerinnen festzustellen, „dass die Ablehnung der Zusicherung für den Umzug durch Bescheid vom 3. Juni 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Oktober 2010 rechtswidrig war“. Hilfsweise haben sie beantragt, „festzustellen, dass für (sie) derzeit ein Umzug notwendig im Sinne von § 22 Abs. 3 Satz 2 (Zweites Buch Sozialgesetzbuch - SGB II -) und erforderlich im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 2; Abs. 2 Satz 2 SGB II ist, weil die Bedarfsgemeinschaft in unzumutbar beengten Wohnverhältnissen lebt.“
Die mit dem Hauptantrag erhobene Fortsetzungs- oder Rechtswidrigkeitsfeststellungsklage ist unzulässig.
Nach § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, wenn sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder auf andere Weise erledigt und der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
Der Senat kann offen lassen, ob die Klage bereits aus den Gründen des angefochtenen Beschlusses, also mangels Rechtsschutzinteresses, oder mangels Fortsetzungsfeststellungsinteresses (vgl. Beschluss des Landessozialgerichts – LSG - Berlin-Brandenburg vom 4. Oktober 2010 – L 18 AS 1841/10 B -, dokumentiert in juris) unzulässig ist.
Jedenfalls ist der Grundsicherungsträger nach § 22 Abs. 4 Satz 2 SGB II nur zur Zusicherung verpflichtet, wenn der Umzug erforderlich ist und die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind. § 22 Abs. 4 Satz 2 SGB II normiert damit zwei tatbestandliche Voraussetzungen für die Abgabe einer Zusicherung. Beide Voraussetzungen, die Erforderlichkeit des Umzugs und die Angemessenheit der Aufwendungen für die neue Wohnung, müssen vorliegen, um zu einer für den Betroffenen positiven Entscheidung zu kommen. Da die von den Klägerinnen gewünschte neue Wohnung zwischenzeitlich anderweitig vermietet worden ist und die Klägerinnen auch im April 2011 in eine neue, nach dem Vortrag des Prozessbevollmächtigten der Klägerinnen vom Beklagten akzeptierte Wohnung umgezogen sind, ist es ausgeschlossen oder zumindest äußerst unwahrscheinlich, dass der Beklagte auf der Grundlage der gleichen Tatsachen, die zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides vom 3. Juni 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Oktober 2010 gegeben waren, nochmals eine Entscheidung treffen muss. Eine Wiederholungsgefahr, welche im vorliegenden Fall allein ein berechtigtes Interesse im vorgenannten Sinn begründen kann, setzt aber voraus, dass eine konkrete, in naher Zukunft oder absehbarer Zeit tatsächlich bestehende Gefahr eines gleichartigen Verwaltungsaktes bei im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen gegeben ist (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage 2008, § 131 RdNr. 10b). Eine derartige konkrete Wiederholungsgefahr ist im vorliegenden Fall nicht gegeben, da die Klägerinnen inzwischen in eine andere Wohnung umgezogen sind.
Von entscheidender Bedeutung ist hier jedoch, dass § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG in seinem unmittelbaren Anwendungsbereich nur unzulässig gewordene Anfechtungsklagen betrifft. Die genannte Vorschrift lautet: „Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat“. Im vorliegenden Fall haben die Klägerinnen aber nicht zunächst den Bescheid vom 3. Juni 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Oktober 2010 angefochten, sondern unmittelbar eine Fortsetzungsfeststellungsklage und hilfsweise eine Feststellungsklage erhoben. Diese Verfahrensweise ist grundsätzlich zulässig, wenn sich der Verwaltungsakt vor Klageerhebung erledigt (Keller, a.a.O., § 131 RdNr. 7d). In ihrer Klageschrift vom 9. November 2010 unterstellen die Klägerinnen insoweit, dass ein derartiger Sachverhalt in ihrem Fall gegeben sei. Sie tragen vor, dass „die Wohnung nach (ihrer) Kenntnis ebenfalls vergeben“ sei. Dies ist, bezogen auf den 9. November 2010, dem Tag des Eingangs ihres Klageschriftsatzes beim Sozialgericht, unzutreffend. Denn nach fernmündlicher Auskunft der zuständigen Hausverwaltung vom 7. November 2011 war die vorgenannte Wohnung in der Zeit vom 31. Oktober 2008 bis zum 15. Januar 2011 nicht vermietet. Erst ab dem 16. Januar 2011 konnte ein Mieter gefunden werden.
Damit hatte sich der Bescheid vom 3. Juni 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Oktober 2010 am Tag der Klageerhebung noch nicht erledigt. Die Klägerinnen hätten zunächst versuchen müssen, die Erteilung einer Zusicherung mittels einer kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage durchzusetzen. Da sie so nicht verfahren sind, sondern unmittelbar Feststellungsklage erhoben haben, ist der Bescheid vom 3. Juni 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Oktober 2010, der nach dem Postabvermerk am 22. Oktober 2010 abgesandt worden ist, spätestens am 25. November 2010 (§§ 37 Abs. 2 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch, 87, 64 Abs. 2 SGG) bestandskräftig (§ 77 SGG) geworden. Die einmal eingetretene Bestandskraft des Verwaltungsaktes kann nicht durch eine spätere Erledigung, die dann erfolgte Vermietung der Wohnung, entfallen. Ist der Verwaltungsakt aber bestandskräftig geworden, ist eine Klage, mit der, wie im vorliegenden Fall, seine Rechtswidrigkeit festgestellt werden soll, nicht zulässig. Dies ist Folge des Grundsatzes der Subsidiarität der Feststellungsklage, der besagt, dass eine Feststellung nicht mehr begehrt werden kann, soweit der Kläger seine Rechte durch eine Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können (vgl. Keller a.a.O., § 55 Rdnr. 19 und Urteil des Bundesverwaltungsgerichts - BVerwG - vom 14. Juni 1999 – 6 C 7/98 -, dokumentiert in juris sowie Fechner, NVwZ 2000, S. 121 [123] m. w. Nachw.).
Die Klage hat auch hinsichtlich ihres Hilfsantrages keine Aussicht auf Erfolg. Im Hinblick auf den zwischenzeitlich erfolgten Umzug der Klägerinnen dürfte hierfür kein Rechtsschutzbedürfnis bestehen. Jedoch auch für den Zeitpunkt der Bewilligungsreife lag dieses nicht vor. Der Senat sieht insoweit von einer weiteren Begründung ab und verweist auf die zutreffende Begründung der angefochtenen Entscheidung (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 73a SGG in Verbindung mit § 127 Abs. 4 ZPO.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).