Gericht | LSG Berlin-Brandenburg 18. Senat | Entscheidungsdatum | 28.02.2011 | |
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Aktenzeichen | L 18 AL 310/09 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 14 Abs 2 S 1 SGB 9, § 60 SGB 3, § 77 SGB 3, § 97 SGB 3, § 100 SGB 3, § 102 SGB 3, § 9 SGB 6, § 16 SGB 6 |
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 1. Oktober 2009 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Die Klägerin begehrt von der Beklagten Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (LTA) für eine Aus- bzw. Weiterbildung zur Tanztherapeutin.
Die 1979 geborene Klägerin verfügt über einen qualifizierten Hauptschulabschluss. Von September 1996 bis September 1997 ließ sie sich mit Erfolg zur Krankenpflegehelferin ausbilden und war - unterbrochen von Zeiten der Arbeitslosigkeit – als Krankenpflegehelferin beschäftigt. Von Oktober 2000 bis März 2003 absolvierte sie erfolgreich eine Berufsausbildung als Krankenschwester und war nach Zeiten der Arbeitsunfähigkeit und Arbeitslosigkeit vom 2. Januar 2004 bis 28. Februar 2005 in diesem Beruf tätig. Vom 1. März 2005 bis 31. Juli 2005 war sie arbeitslos. In der Zeit vom 1. August 2005 bis 31. Mai 2006 besuchte sie eine allgemeinbildende Schule zwecks Erlangung der Hochschulreife. Nachdem sie nach eigenen Angaben aus gesundheitlichen Gründen den Versuch zur Nachholung des Abiturs aufgegeben hatte, war sie vom 10. Juli 2006 bis 15. November 2006 erneut als Krankenschwester beschäftigt. Seit 16. November 2006 ist sie arbeitslos und bezog von diesem Tag an für letztlich 166 Tage Arbeitslosengeld (Alg). Vom 1. Oktober 2006 bis 30. November 2006 war die Klägerin ehrenamtlich in der psychiatrisch-psychotherapeutischen Tagesklinik des Behandlungszentrums für Folteropfer B (bzfo) tätig. Die Arbeitsamtsärztin G kam in einem für die Beklagte erstellten Gutachten vom 23. März 2007 zu dem Ergebnis, aufgrund eines chronischen Rückenleidens könne die Klägerin nicht weiterhin als Krankenschwester arbeiten. Die Beklagte ließ daraufhin ein psychologisches Gutachten durch die Dipl.-Psychologin L erstellen, auf das Bezug genommen wird. Die Gutachterin L kam zu dem Ergebnis, dass aufgrund der im durchschnittlichen Bereich angesiedelten intellektuellen Leistungsmöglichkeiten der Klägerin nicht zweifelsfrei auf das Vorliegen der fähigkeitsbezogenen Mindesteignungsvoraussetzungen für die von der Klägerin favorisierte Ausbildung zur Tanztherapeutin geschlossen werden könne.
Die Klägerin, die seit 1. Juli 2007 im Bezug von Alg II steht, beantragte im Mai 2007 bei der Beklagten, ihr Leistungen zur LTA zu gewähren und gab dabei an, seit 1998 unter chronischen Schmerzen im Lendenwirbelbereich zu leiden. Ihre zum Teil schwere körperliche Arbeit als Krankenschwester führe zu Bandscheibenvorfällen. Mit am 19. Juni 2007 eingegangenen Schreiben wies sie darauf hin, dass die von ihr angestrebte Ausbildung zur Tanztherapeutin in Kombination mit Heilpraktikerin/Psychotherapeutin auf ihrer bisherigen Ausbildung und ihrer Tätigkeit als Krankenschwester aufbaue.
Die Beklagte meldete die Klägerin für eine vom 22. Oktober 2007 bis 2. November 2007 dauernde Maßnahme „Berufsfindung und Arbeitserprobung“ bei dem Berufsförderungswerk B (BFW) an. Nach dem mit einer sozialmedizinischen Beurteilung vom 7. Oktober 2007 verbundenen Kurzbericht des BFW vom 30. November 2007 brach die Klägerin diese Maßnahme nach dem ersten Tag ab. Sozialmedizinisch seien „keine direkten Einwände“ gegen das Berufsziel „Tanztherapeutin“ zu formulieren. Allerdings gebe es neben dem Hinweis auf gelegentlichen Cannabiskonsum auch eine Einschränkung der psychischen Belastbarkeit. Vom 3. Dezember 2007 bis 14. Dezember 2007 nahm die Klägerin erneut an einer Maßnahme der Berufsfindung und Arbeitserprobung beim BFW teil. In seiner zusammenfassenden Stellungnahme vom 11. März 2008, auf die Bezug genommen wird, kommt das BFW zu dem Ergebnis, für die Ausbildung zur Tanztherapeutin könne mangels der dafür erforderlichen intellektuellen Voraussetzungen keine Empfehlung ausgesprochen werden. Als theoretischer Hintergrund sei die Heilpraktikerprüfung zu Grunde zu legen, speziell wäre der Abschluss als Psychologische Beraterin erforderlich. Für die Klägerin kämen kaufmännische Berufsausbildungen in Betracht, wenn einzig das psychische und physische Leistungsbild zugrunde gelegt würde. Unter Berücksichtigung der Motivationslage der Klägerin, die sich einen solchen Beruf unter keinen Umständen für sich vorstellen könne, könne zumindest bisher eine solche Empfehlung aber nicht ausgesprochen werden. Auf die Eingliederungsvereinbarung vom 18. April 2008 wird Bezug genommen.
Mit Bescheid vom 21. Mai 2008 lehnte die Beklagte den Antrag vom 4. Mai 2007 teilweise ab und führte aus: Bei der Klägerin lägen Behinderungsauswirkungen vor, die Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben grundsätzlich begründet erscheinen ließen. Der gewünschten Umschulung zur Tanztherapeutin könne jedoch nicht zugestimmt werden. Dabei handele es sich um eine Ausbildung auf gehobenem Niveau. Die Klägerin verfüge jedoch nur über die intellektuellen Voraussetzungen für eine Maßnahme auf mittlerem theoretischen Niveau. Es sei nicht zu erwarten, dass die Ausbildung zur Tanztherapeutin erfolgreich abgeschlossen werden könne. Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin geltend, sie verfüge über ein höheres als ein mittleres theoretisches Niveau. Abgesehen davon wäre ein mittleres theoretisches Niveau ausreichend, um eine tanztherapeutische Umschulung erfolgreich durchführen zu können. Sie legte u.a. ein Schreiben der c N gGmbH vom 25. Oktober 2007 vor, mit dem ihr bescheinigt wurde, dass sie für die Ausbildung zur Psychologischen Beraterin/Heilpraktikerin für Psychotherapie mit Fachqualifikation zur Tanztherapeutin sehr geeignet sei, ferner ein Schreiben des K e.V vom 7. November 2007 über die erfolgreiche Tätigkeit der Klägerin als Leiterin von Kursen für Kinder im Alter von 2 – 8 Jahren (Musik, Tanz und Bewegung) sowie ein undatiertes Schreiben der E Behindertenhilfe –Wohnpflegehaus- vor. In letzterem Schreiben wurde der Klägerin nach Abschluss ihrer Ausbildung eine Beschäftigung als Tanztherapeutin „nach Maßgabe der wirtschaftlichen Situation“ in Aussicht gestellt. Die Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 3. Juli 2008 zurück und führte aus: Aufgrund der sachkundigen Stellungnahme des BFW müsse davon ausgegangen werden, dass ein erfolgreicher Abschluss einer Ausbildung zur Tanztherapeutin nicht erwartet und mithin die Zielsetzung des § 97 Abs. 1 Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung - (SGB III) nicht erreicht werden könne. Mittel der Versichertengemeinschaft sowie Steuergelder seien nur dann einzusetzen, wenn – was derzeit nicht feststehe - mit wahrscheinlicher Sicherheit von einer erfolgreichen und notwendigen Rehabilitationsmaßnahme ausgegangen werden könne.
Im Klageverfahren hat die Klägerin vorgetragen: Sie habe sich mit dem begehrten Umschulungsziel intensiv auseinandergesetzt und es sei allein aus ihrer Motivation heraus zu prognostizieren, dass sie die begehrte Umschulung erfolgreich zum Abschluss bringen werde. Sie könne überdies auf erhebliche Erfahrungswerte im Bereich der Tanztherapie aufbauen und ihr werde u.a. von der cN gGmbh, dem bfzo sowie der E Behindertenhilfe eine klare Eignung, Neigung und Befähigung für eine Ausbildung zur Tanztherapeutin bescheinigt. Zur Vorbereitung auf die begehrte tanztherapeutische Maßnahme habe sie seit einem Jahr zwei Tanzkurse je einmal wöchentlich besucht. Bei der angestrebten Weiterbildungsmaßnahme zur Tanztherapeutin in Form eines/r „Heilpraktiker/in für Psychotherapie mit Schwerpunktbildung in einer Methode“ handele es sich um eine nach § 85 SGB III zugelassene Maßnahme eines nach § 84 SGB III zugelassenen Bildungsträgers (c N gGmbH). Das der Beklagten eingeräumte Ermessen sei auf „Null“ reduziert. Auf Aufforderung des Sozialgerichts Berlin (SG) hat die c N GmbH mit Schreiben vom 2. Oktober 2008 Unterlagen zu den Ausbildungsinhalten der Ausbildung zum Heilpraktiker – Tanztherapeut – eingereicht, auf die Bezug genommen wird.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 1. Oktober 2009 abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Die Klage sei unbegründet. Für eine Verpflichtung der Beklagten fehle es an einer Ermessensreduzierung auf Null. Anspruchsgrundlage für die von der Klägerin beanspruchte Leistung der beruflichen Rehabilitation könne nur § 97 SGB III sein. Die Förderung einer beruflichen Ausbildung scheitere an einer bereits erfolgten Erstausbildung zur Krankenschwester. Nach § 97 Abs. 1 SGB III iVm § 15 Sozialgesetzbuch – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen – (SGB IX) könnten behinderten Menschen Leistungen zur Förderung der beruflichen Eingliederung erbracht werden, die wegen Art oder Schwere der Behinderung erforderlich sind, um ihre Erwerbsfähigkeit entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit zu erhalten, zu bessern, herzustellen oder wiederherzustellen und ihre Teilhabe am Arbeitsleben zu sichern. An der Notwendigkeit einer beruflichen Neuorientierung der Klägerin bestünden keine Zweifel. Die Auswahl der Leistung unterliege jedoch dem Ermessen des Leistungsträgers. Die Beklagte habe dabei nach § 7 Abs. 1 SGB III bei der Auswahl von Ermessensleistungen der aktiven Arbeitsförderung, zu der die Förderung der beruflichen Weiterbildung nach § 97 zähle, unter Beachtung des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit die für den Einzelfall am besten geeignete Leistung zu wählen. Es müsse ein Beruf angestrebt werden, in dem eine gesundheitliche Gefährdung möglichst vollständig und auf Dauer vermieden werde. An einer derartigen objektiven Eignung der Klägerin fehle es für den angestrengten Beruf als Tanztherapeutin. Es könne insoweit auf die Gründe des Widerspruchsbescheides Bezug genommen werden, der sich insbesondere auf das amtsärztliche Gutachten vom 23. März 2007 sowie den Ergebnisbericht des BFW stütze. Der Ablehnung der Beklagten sei weder ein Rechts- noch Ermessenfehler zu entnehmen, da die Klägerin schon aufgrund ihrer Erkrankungen nicht die gesundheitlichen Voraussetzungen für den Beruf einer Tanztherapeutin erfülle.
Mit der Berufung verfolgt die Kläger ihr Begehren weiter. Sie trägt ergänzend vor: Entgegen der Auffassung des SG habe sich ihr Gesundheitszustand verbessert. Insbesondere erfordere der Beruf des Tanztherapeuten keineswegs eine voll funktionsfähige und belastbare Wirbelsäule. Überdies sei die Lumboischialgie zwischenzeitlich nahezu abgeklungen und sie – die Klägerin - sei aus orthopädischer Sicht in der Lage, uneingeschränkt eine Ausbildung zum Tanztherapeuten zu absolvieren (Attest des Facharztes für Orthopädie Dr. Steckel vom 11. Juni 2010). Der Beruf des Tanztherapeuten könne nicht mit dem Beruf eines Tanzlehrers verglichen werden.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 1. Oktober 2009 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 21. Mai 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. Juli 2008 die Beklagte zu verpflichten, ihr Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben für die Fortbildung zur Tanztherapeutin zu gewähren,
hilfsweise, den Antrag auf Förderung der Teilnahme an der Fortbildung zur Tanztherapeutin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angegriffene Urteil für zutreffend. Die Bedenken des SG, dass die Klägerin aufgrund ihrer Erkrankungen die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Ausübung des Berufs einer Tanztherapeutin nicht erfülle, würden geteilt. Aber in erster Linie stütze sie – die Beklagte - ihre Entscheidung insbesondere darauf, dass die Klägerin nach den getroffenen Feststellungen im Rahmen der Berufsfindung und Arbeitserprobung die intellektuellen Eignungsvoraussetzungen nicht erfülle. Umstände für eine Ermessensreduzierung auf Null lägen nicht vor. Alternativen für die Berufswegplanung im kaufmännischen Bereich seien der Klägerin wiederholt dargelegt worden.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Die Rehabilitationsakte der Beklagten und die Gerichtsakte haben vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung gewesen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG).
Die Berufung der Klägerin ist nicht begründet.
Ein Anspruch der Klägerin auf die begehrte Leistung in Gestalt der Förderung einer Bildungsmaßnahme zur Tanztherapeutin besteht nicht. Für die hilfsweise begehrte Verpflichtung der Beklagten, den Antrag auf Förderung der Bildungsmaßnahme zur Tanztherapeutin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden, fehlt es bereits an den tatbestandlichen Voraussetzungen für eine entsprechende Ermessensentscheidung. Ein entsprechender Leistungs- bzw. Bescheidungsanspruch besteht für die Klägerin weder nach den allgemeinen Vorschriften der Förderung der Berufsausbildung und der beruflichen Weiterbildung (Viertes Kapitel, 5. und 6. Abschnitt des SGB III) noch - wozu sich die angefochtenen Entscheidungen der Beklagten verhalten - als Leistungen zur Förderung der beruflichen Eingliederung behinderter Menschen (§§ 97 ff. SGB III). Gleiches gilt für einen auf der Grundlage des § 14 SGB IX im Rahmen der Prüfung durch die Beklagte als erstangegangenem Leistungsträger ebenfalls in Betracht kommenden Anspruch nach den §§ 9, 16 Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) iVm §§ 33ff. SGB IX. Die Alleinzuständigkeit der Beklagten als erstangegangenem Träger für Teilhabeleistungen im Außenverhältnis zur Klägerin folgt daraus, dass die Beklagte den LTA-Antrag nicht weitergeleitet hat (vgl. § 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX; BSG, Urteil vom 26. Juni 2007 – B 1 KR 34/06 R = SozR 4-3250 § 14 Nr 4; BSG SozR 4-3250 § 14 Nr. 1; BSG, Urteil vom 25. Juni 2008 – B 11b AS 19/07 R = SozR 4-3500 § 14 Nr. 5).
Gemäß § 60 SGB III ist eine berufliche Ausbildung förderungsfähig, wenn sie in einem nach dem Berufsbildungsgesetz, der Handwerksordnung oder dem Seemannsgesetz staatlich anerkannten Ausbildungsberuf betrieblich oder außerbetrieblich durchgeführt wird und der dafür vorgeschriebene Berufsausbildungsvertrag abgeschlossen worden ist. Ob dies bei der angestrebten Ausbildung zur Tanztherapeutin der Fall ist, kann dahinstehen. Denn im Rahmen von § 60 SGB III ist grundsätzlich nur die erstmalige Ausbildung förderungsfähig (§ 60 Abs. 2 Satz 1 SGB III). Eine zweite Ausbildung kann zwar nach § 60 Abs. 2 Satz 2 SGB III unter bestimmten Voraussetzungen förderungsfähig sein. Eine Förderung als Ausbildungsmaßnahme kommt aber nur in Betracht, wenn die Maßnahme ihrem objektiven Charakter nach auch nicht zumindest auf bereits erworbenen Kenntnissen aufbaut (vgl. zur Abgrenzung BSG SozR 3-4100 § 42 Nr. 4). Das ist bei der Klägerin, die eine abgeschlossene Berufsausbildung als Krankenschwester absolviert hatte, auf welche die Bildungsmaßnahme zur Tanztherapeutin aufbauen soll, nicht der Fall. Überdies kann – was noch darzulegen sein wird – durch die angestrebte Bildungsmaßnahme die berufliche Eingliederung der Klägerin nicht erreicht werden (vgl. § 60 Abs. 2 Satz 2 SGB III in der seit 30. August 2008 geltenden Fassung). Auch die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Satz 2 SGB III in der bis 29. August 2008 geltenden Fassung sind nicht erfüllt, weil die Klägerin kein (erstes) Ausbildungsverhältnis vorzeitig gelöst hatte.
Auf die Förderung der begehrten Bildungsmaßnahme als berufliche Weiterbildung hat die Klägerin ebenfalls keinen Anspruch. Zwar hat sie im tänzerischen Bereich und im psychiatrisch-psychotherapeutischen Bereich aufgrund ihrer Tätigkeit als Kursleiterin bei K e.V und in ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit beim bzfo einschlägige Erfahrungen gesammelt und kann auch auf einer Berufsausbildung als Krankenschwester aufbauen. Sie kann aber durch die begehrte Weiterbildungsmaßnahme nicht auf Dauer beruflich eingegliedert werden. Die entsprechende Prognoseentscheidung der Beklagten ist nicht zu beanstanden. Nach § 77 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB III können Arbeitnehmer bei beruflicher Weiterbildung durch Übernahme der Weiterbildungskosten gefördert werden, wenn die Weiterbildung notwendig ist, um sie bei Arbeitslosigkeit beruflich einzugliedern, eine ihnen drohende Arbeitslosigkeit abzuwenden oder weil bei ihnen wegen fehlenden Berufsabschlusses die Notwendigkeit der Weiterbildung anerkannt ist. Weitere Voraussetzungen dafür sind, dass vor Beginn der Teilnahme eine Beratung und Zustimmung durch die Agentur für Arbeit erfolgt ist, die Maßnahme für die Weiterbildungsförderung durch die Agentur für Arbeit anerkannt ist und die Vorbeschäftigungszeit erfüllt ist (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3 SGB III).
Im Rahmen des § 77 Abs. 1 Nr. 1 ist zur Feststellung der tatbestandlichen Voraussetzung (Notwendigkeit der beruflichen Weiterbildung, um den Arbeitnehmer bei Arbeitslosigkeit beruflich einzugliedern) wie auch bei § 60 Abs. 2 Satz 2 SGB III in der seit 30. August 2008 geltenden Fassung (dazu s.o.) eine Prognoseentscheidung erforderlich, ob die Bildungsmaßnahme die Eingliederungschancen erhöht. Der Beklagten steht insoweit ein Beurteilungsspielraum zu; der gerichtlichen Kontrolle unterliegt lediglich, ob die Verwaltungsentscheidung in einer dem Sachverhalt angemessenen und methodisch einwandfreien Weise erarbeitet worden ist (vgl BSG, Urteil vom 3. Juli 2003 – B 7 AL 66/02 R = SozR 4-4300 § 77 Nr. 1 mwN). Liegen die Voraussetzungen des § 77 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 bis 3 SGB III vor, so hat die Beklagte ihr pflichtgemäßes Ermessen auszuüben, ob die Teilnahme an einer Maßnahme und, wenn ja, zu welcher und in welchem Umfang gefördert wird (vgl. BSG aaO mwN). Abzustellen ist dabei als Beurteilungszeitpunkt grundsätzlich auf den Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides (vgl. BSG aaO; BSG SozR 3-4100 § 36 Nrn. 1, 5). Die Prognose der Beklagten, wonach die Klägerin für die hier einzig erstrebte Förderung einer Maßnahme zur Tanztherapeutin nicht geeignet ist und dadurch die Eingliederungschancen der Klägerin sich nicht erhöhen, ist indes auch für jeden weiteren Zeitpunkt bis zur Entscheidung des Gerichts nicht zu beanstanden.
Die Beklagte hat ihre (negative) Prognose zutreffend darauf stützen dürfen, dass die Klägerin für den angestrebten Beruf der Tanztherapeutin aus intellektueller Sicht nicht geeignet ist und damit eine dauerhafte Wiedereingliederung iSv § 77 SGB III – bzw. iSv § 60 Abs. 2 Satz 2 SGB III nF - insoweit von vornherein nicht zu erwarten ist. Die gemäß § 97 Abs. 2 Satz 2 SGB III im BFW erfolgte Maßnahme der Berufsfindung und Arbeitserprobung hat (auch) zur Überzeugung des Senats ergeben, dass die Klägerin die für die Ausübung des angestrebten Berufs erforderliche psychische Belastbarkeit nicht in ausreichendem Maße besitzt und sie auch den unabdingbaren gehobenen theoretischen Anforderungen nicht gerecht wird. Die Klägerin verfügt nach dem sachkundigen Bericht des BFW vom 11. März 2008, den die Beklagte ihrer Entscheidung zugrunde gelegt hat und den auch der Senat für nachvollziehbar, widerspruchsfrei und damit überzeugend hält, nur über knapp durchschnittliche bis durchschnittliche intellektuelle Fähigkeiten, die durch eine subjektiv vorliegende Motivationslage nicht ausgleichbar sind. Für die Klägerin in Betracht kommen daher Qualifizierungen auf (maximal) mittlerem theoretischem Niveau. Für die Qualifizierung zur Tanztherapeutin wird hingegen ein gehobenes theoretisches Niveau vorausgesetzt. Eine andere Beurteilung folgt auch nicht aus den von der Klägerin im Klage- und Berufungsverfahren vorgelegten Unterlagen. Das Attest von Dr. S vom 11. Juni 2010 bezieht sich lediglich auf orthopädische Leiden. Die Bescheinigung des in Aussicht genommenen Maßnahmeträgers vom 17. Februar 2010 erschöpft sich in der – nicht begründeten – Aussage, die Klägerin sei für die Ausbildung zur Tanztherapeutin geeignet. Die Beschäftigungszusage der E Behindertenhilfe enthält keine Einschätzung, ob die Klägerin über die intellektuellen Anforderungen der angestrebten Tätigkeit verfügt. Dass diese indes auf überdurchschnittlichem intellektuellem Niveau angesiedelt sind, erhellt aus dem vom Maßnahmeträger übersandten „Themenplan Tanztherapie“, der nicht nur praktische Inhalte, sondern etwa auch die Bereiche „Therapievertrag“, „Therapieplanung“, „Protokollerstellung“, „Supervision“, „Krisenintervention“ und zudem erhebliche theoretische Lerninhalte umfasst. Es ist nicht ersichtlich, wie die Klägerin diesen Anforderungen mit den bei ihr im Rahmen umfänglicher Tests festgestellten allenfalls durchschnittlichen bzw. knapp durchschnittlichen intellektuellen Fähigkeiten gerecht werden könnte, was das BFW ausdrücklich verneint hat.
Auch ein Anspruch nach § 97 Abs. 1 SGB III scheidet aus. Danach können behinderten Menschen Leistungen zur Förderung der beruflichen Eingliederung erbracht werden, die wegen Art oder Schwere der Behinderung erforderlich sind, um ihre Erwerbsfähigkeit entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit zu erhalten, zu bessern, herzustellen oder wiederherzustellen und ihre berufliche Eingliederung zu sichern. Letzteres durfte die Beklagte aus den dargelegten Gründen für die von der Klägerin erstrebte Maßnahme verneinen, und zwar sowohl für die allgemeinen Leistungen iSv § 100 SGB III als auch die besonderen Leistungen iSv §§ 102 ff SGB III. So verlangt auch § 97 Abs. 1 SGB III neben der Zweckbestimmung einer Förderung der beruflichen Eingliederung die Erforderlichkeit der Maßnahme wegen Art oder Schwere der Behinderung. Sodann sind bei der Auswahl der Leistungen Eignung, Neigung, bisherige Tätigkeit sowie Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes angemessen zu berücksichtigen. Die Beklagte hat dabei auch nach § 7 Abs. 1 SGB III bei der Auswahl von Ermessensleistungen der aktiven Arbeitsförderung, zu der die Förderung der beruflichen Weiterbildung nach § 100 Nr. 6 SGB III zählt, unter Beachtung des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit die für den Einzelfall am besten geeignete Leistung oder Kombination von Leistungen zu wählen. Dabei sind vorrangig die Fähigkeiten der zu fördernden Personen und die Erfolgsaussichten einer Eingliederung zugrunde zu legen. Eine Maßnahme ist demnach nur förderfähig, wenn der behinderte Mensch für diese objektiv geeignet ist, also über die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit verfügt, so dass die Maßnahme voraussichtlich mit Erfolg abgeschlossen werden kann und zur beruflichen Eingliederung des behinderten Menschen führt. Dieser objektiven Eignung kommt Vorrang zu, auch wenn dies – wie hier - nicht immer den Wünschen des Betroffenen entspricht. Von einer Eignung der Klägerin für die angestrebte Maßnahme und damit einer Sicherung der Teilhabe am Arbeitsleben i.S. einer positiven Eingliederungsprognose war und ist jedoch nicht auszugehen.
Schließlich scheidet auch ein Anspruch auf der Grundlage der §§ 9, 16 SGB VI iVm §§ 33 bis 38 SGB IX aus. Denn auch die nach diesen Vorschriften vorgesehenen Teilhabeleistungen haben ungeachtet des Vorliegens der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen das Ziel, die Teilhabe am Arbeitsleben möglichst auf Dauer zu sichern (vgl § 33 Abs. 1 SGB IX). Hiervon ist bei der angestrebten Fördermaßnahme zur Tanztherapeutin aus den dargelegten Gründen nicht auszugehen.
Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Neubescheidung ihres LTA-Antrags. Mangels Vorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen in Gestalt einer positiven Eingliederungsprognose für die begehrte Bildungsmaßnahme zur Tanztherapeutin hatte die Beklagte hierauf bezogen keine Ermessenserwägungen anzustellen. Im Übrigen, d.h. hinsichtlich der Gewährung von – geeigneten - Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben hat die Beklagte auf der Grundlage einer insoweit positiven Eingliederungsprognose ihre grundsätzliche Förderungsbereitschaft in geeigneten Berufsfeldern – etwa dem der Arzthelferin oder anderen kaufmännisch orientierten Berufen (vgl. Bericht des BFW vom 11. März 2008) - bekundet und auch eine entsprechende Eingliederungsvereinbarung mit der Klägerin abgeschlossen. Da diese jedoch – wie sich dem BFW-Bericht plastisch entnehmen lässt - über eine entsprechende Motivation nicht verfügt und sich nur die Ausbildung zur Tanztherapeutin vorstellen kann, bedurfte es insoweit keiner weiteren Ermessenserwägungen im Hinblick auf eine konkret anzubietende Fördermaßnahme. Auch das Vorbringen der Klägerin im Klage- und Berufungsverfahren stellt letztlich klar, dass diese ausschließlich eine berufliche Neuorientierung als Tanztherapeutin anstrebt. Dass die Beklagte die über § 14 SGB IX von ihr neben § 97 SGB III zu prüfenden, in Betracht kommenden Rechtsgrundlagen in den angefochtenen Bescheiden nicht im Einzelnen berücksichtigt hat, führt zu keiner anderen Beurteilung. Da die tatbestandlichen Voraussetzungen der weiteren in Betracht zu ziehenden Rechtsgrundlagen – wie dargelegt – für eine auf die begehrte Fördermaßnahme zur Tanztherapeutin bezogene Bewilligungs- bzw. Ermessensentscheidung nicht erfüllt sind, kann die Klägerin auch im Hinblick auf die in § 14 Abs. 2 SGB IX normierte umfassende Zuständigkeit der Beklagten keine auch nur darauf gerichtete ermessensfehlerfreie Entscheidung beanspruchen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.