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Girokonto; politische Partei; Beschwerde; Anordnungsgrund; kein Wahlkampf; bargeldloser Zahlungsverkehr; Pflicht zum Vorgehen gegen die Kündigung des bislang bestehenden Kontovertrags bei nicht staatlicher Bank (offen gelassen); Pflicht zur Bemühung um anderweitige Kontoverbindung; Umfang; Bemühungen auch über engeres Umfeld hinaus erforderlich; Anordnungsanspruch; Ungleichbehandlung; Rechtfertigung; Äußerungen auf Homepage; Überziehungen des Kontos; Klärung im Hauptsacheverfahren


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 3. Senat Entscheidungsdatum 13.02.2012
Aktenzeichen OVG 3 S 140.11 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen Art 21 GG, § 5 Abs 1 PartG, § 146 VwGO

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 21. Oktober 2011 geändert. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.

Der Wert des Streitgegenstandes wird unter Änderung der erstinstanzlichen Wertfestsetzung für beide Rechtszüge auf jeweils 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde ist begründet. Die Antragsgegnerin wendet sich mit ihrem Beschwerdevorbringen (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) erfolgreich gegen die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, die Antragstellerin habe für ihren (sinngemäßen) Antrag, der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, das der Antragstellerin auf Grund der im vorangegangenen Eilverfahren (Beschluss vom 21. April 2011 - VG 2 L 69.11 -) erlassenen und vom Senat bestätigten (Beschluss vom 29. Juni 2011 - OVG 3 S 45.11 -) einstweiligen Anordnung für die Dauer von sechs Monaten eingerichtete Girokonto bei der Berliner Sparkasse bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist nach einer Entscheidung der Kammer im zugehörigen Klageverfahren VG 2 K 118.11 weiter zu führen, einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.

Allerdings teilt der Senat die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass ein die Vorwegnahme der Hauptsache rechtfertigender Anordnungsgrund in der auch außerhalb von Wahlkampfzeiten zu bejahenden Erforderlichkeit der Teilnahme am bargeldlosen Zahlungsverkehr liegen kann. Hierbei handelt es sich nicht um eine bloße Annehmlichkeit, sondern um eine wesentliche Voraussetzung für die - nicht nur im Wahlkampf - werbende Tätigkeit einer Partei. So ist etwa die Begleichung von Mieten, Telefongebühren oder von Rechnungen im Zusammenhang mit Parteiveranstaltungen in weitem Umfang ohne Girokonto praktisch nicht durchführbar (vgl. BGH, Urteil vom 11. März 2003 - XI ZR 403/01 -, juris, Rn. 23; Urteil vom 2. Dezember 2003 - XI ZR 397/02 -, juris, Rn. 15). Ob die Antragstellerin darauf verwiesen werden kann, zunächst - ggf. im Wege des Eilverfahrens gegen die Kontokündigung bei der B… vorzugehen, bei der es sich - anders als in dem der von der Antragsgegnerin angeführten Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 2. Dezember 2003, a.a.O., Rn. 11 f., 14) zu Grunde liegenden Fall - nicht um ein ausschließlich staatlich beherrschtes Kreditinstitut handelt, kann dahinstehen. Der erforderliche Anordnungsgrund ist jedenfalls deshalb nicht gegeben, weil die Antragstellerin nicht hinreichend glaubhaft gemacht hat, dass sie nicht in der Lage ist, bei einem anderen Kreditinstitut ein Girokonto zu eröffnen.

Die Antragstellerin hat im vorangegangenen Verfahren (VG 2 L 69.11) durch eidesstattliche Versicherungen ihres Schatzmeisters vom 31. März 2011 und vom 20. April 2011 sowie durch Vorlage verschiedener Ablehnungsschreiben glaubhaft gemacht, dass sie sich im Juli 2010 bei der C…, der P… und der D… sowie erneut im März 2011 bei der D… und bei der H… vergeblich um die Eröffnung eines Girokontos bemüht hat. Weitere Bemühungen hat sie auch im vorliegenden Verfahren nicht vorgetragen. In seinem Beschluss vom 29. Juni 2011 (OVG 3 S 45.11) hatte der Senat die Frage offen gelassen, ob die Antragstellerin über ihre bisherigen Anstrengungen hinaus versuchen müsse, bei anderen Instituten ein Konto zu eröffnen, weil ihr solche Bemühungen, deren Erfolg nicht kurzfristig absehbar sei, in der kurzen Zeit bis zu den am 18. September 2011 stattfindenden Wahlen zum Abgeordnetenhaus von Berlin nicht zuzumuten seien. Diese Erwägung kommt im vorliegenden, nach Abschluss des Wahlkampfs geführten Eilverfahren nicht mehr zum Tragen. Hier gilt vielmehr, dass die Antragstellerin in vollem Umfang glaubhaft zu machen hat, dass sie sich hinreichend um die Eröffnung eines Girokontos bemüht hat und diese Bemühungen erfolglos geblieben sind. Diesen Anforderungen hat sie nicht genügt. Nach ihrem eigenen Vortrag hat sie sich darauf beschränkt, sich an die in der Nähe ihrer Landesgeschäftsstelle liegenden (Groß-)Banken zu wenden. Auch wenn von ihr (wohl) nicht verlangt werden kann, die von der Antragsgegnerin im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegten Listen von Kreditinstituten „abzuarbeiten“, so wäre es ihr doch zumutbar gewesen, sich außerhalb ihres engeren „Umfelds“ und bei anderen Banken, etwa auch bei Online-Banken, um eine Giroverbindung zu bemühen (vgl. etwa OLG Saarbrücken, Urteil vom 3. Juli 2008 - 8 U 39/08 u.a. -, juris, Rn. 30; OLG Brandenburg, Beschluss vom 27. November 2000 - 13 W 69/00 -, juris, Rn. 30; OLG Köln, Beschluss vom 17. November 2000 - 13 W 89/00 -, juris, Rn. 13; die Verfassungsbeschwerde hiergegen hat das Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen, Beschluss der 4. Kammer des 2. Senats vom 22. Februar 2001 - 2 BvR 202/01 -, NJW 2001, 1413). Die Entfaltung derartiger Bemühungen - ggf. auch erneut vor Stellung des vorliegenden Antrags auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes im Oktober 2011 - war nicht etwa deshalb entbehrlich, weil sie ohnehin keine Aussicht auf Erfolg gehabt hätten. Gerade bei kleineren Banken, Online-Banken oder Banken des europäischen Auslands kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass sie ebenso wie die von der Antragstellerin bisher allein angesprochenen größeren Banken die Kontoeröffnung von vornherein ablehnen würden. Der Antragstellerin waren derartige Bemühungen um eine anderweitige Kontoeröffnung schließlich nicht deshalb unzumutbar, weil ihr Interesse an der Fortführung der aktuell bestehenden, ihren Mitgliedern, Anhängern und Geschäftspartnern bekannten Kontoverbindung bei der Antragsgegnerin in besonderem Maße schützenswert wäre. Insoweit ist nämlich zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin die Einrichtung dieses Kontos mittels gerichtlicher Eilentscheidungen erwirkt hat, die aufgrund einer wahlkampfspezifischen Abwägung ergangen sind. Ihr Interesse an der Fortführung dieses Kontos über die in den Ausgangsverfahren festgelegten Fristen hinaus ist daher nicht anders zu bewerten als wenn es ihr um die Neueröffnung eines Kontos ginge.

Ob an die Glaubhaftmachung der Unmöglichkeit, in angemessener Zeit ein Konto auf freiwilliger Grundlage zu eröffnen, geringere Anforderungen zu stellen sind, wenn der geltend gemachte Anordnungsanspruch evident besteht, bedarf vorliegend nicht der Entscheidung, denn ein solcher Fall ist nicht gegeben. Die Antragsgegnerin macht gegenüber dem von der Antragstellerin erhobenen, auf die Führung von Girokonten anderer Berliner Parteien durch die B… gestützten Anspruch auf Gleichbehandlung aus § 5 Abs. 1 Satz 1 PartG, Art. 3 GG vor geltend, die in der Verweigerung der Kontoeröffnung liegende Ungleichbehandlung sei gerechtfertigt, weil ihr die Kontoführung für die Antragstellerin wegen der (früher) auf deren Internetseite unter der Überschrift „Kein Konto für Terroropfer“ veröffentlichten und der Antragstellerin zurechenbaren Beiträgen sowie wegen wiederholter Überziehung des bestehenden Kontos nicht zumutbar sei. Ob diese Auffassung zutreffend ist, dürfte unter anderem davon abhängen, inwieweit eine Unzumutbarkeit der Kontoführung auf in der Vergangenheit liegende Äußerungen gestützt werden kann, auch wenn sie - was jedenfalls für die Äußerung des früheren Landesvorsitzenden der Antragstellerin gelten dürfte - nicht die Schwelle der strafbaren Beleidigung erreichen, bzw. wenn sie - wie die beanstandeten Kommentare Dritter - der Antragstellerin nur als Verantwortliche für die Website zuzurechnen sein dürften (vgl. § 10 Telemediengesetz; s.a. BGH, Urteil vom 25. Oktober 2011 - VI ZR 93/10 -, juris). Die Beantwortung dieser Fragen entzieht sich der Klärung im vorläufigen Rechtsschutzverfahren und muss daher der Entscheidung über die Klage vorbehalten bleiben. Gleiches gilt für die weitere Frage, ob Verstöße gegen den (bisherigen) Kontovertrag bereits die Ablehnung der Kontoeröffnung oder nur eine zivilrechtliche Kündigung überhaupt rechtfertigen können, und die sich daran ggf. anschließende Frage, ob die hier geltend gemachten, wiederholten, aber eher geringfügigen Überziehungen hierfür ausreichen würden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2, 63 Abs. 3 Satz 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).