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Entscheidung 7 U 86/09


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 7. Zivilsenat Entscheidungsdatum 27.01.2010
Aktenzeichen 7 U 86/09 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels - das am 21. April 2009 verkündete Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt,

1. an die Klägerin 857,99 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten seit dem 24.06.2008 zu zahlen,

2. die Klägerin vor der Inanspruchnahme durch das Rechtsanwaltsbüro St… im Zusammenhang mit der außergerichtlichen Durchsetzung ihrer Zahlungsansprüche wegen eine Betrages in Höhe von 48,70 € zuzüglich Mehrwertsteuer freizustellen.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, sofern der Beklagte nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

I.

Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Auszahlung eines Sparguthabens in Anspruch. Der Beklagte ist Insolvenzverwalter in dem am 09.07.2007 über das Vermögen des H… R… (demnächst: Schuldner) eröffneten Insolvenzverfahren.

Der Schuldner trat mit Abtretungsvertrag vom 10.10.2000 (Bl. 32 d.A.) seine Forderung aus dem Sparguthaben (Konto-Nummer …) gegen die …bank eG. … in Höhe von 80.000,00 DM (40.903,35 €) zur Sicherung aller bestehenden und künftigen Ansprüche der … Allgemeine Versicherung AG ab.

Die Klägerin gewährte der … Hochbaugesellschaft mbH nach Maßgabe des Darlehensvertrages vom 26.01.2004 (Bl. 7 d.A.) ein Darlehen über 50.000,00 €; als Sicherheit setzte der Gesellschafter M… S… seine Rentenversicherung ein. Mit Vertrag vom 10.02.2004 (Bl. 8 d.A.) wurde ein Sicherheitenaustausch in der Weise vereinbart, dass an Stelle der Rentenversicherung die Sparkassenforderung des Geschäftsführers H… R… (Schuldners) treten sollte: dieser trat seine Forderung hinsichtlich des bei der …bank geführten Sparkontos Nr. … in Höhe von 41.761,34 € als Sicherheit für das Darlehen der Klägerin ab.

Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens kündigte der Beklagte den Sparvertrag. Das Sparguthaben in Höhe von 41.761,34 € wurde auf das Insolvenzverwaltersonderkonto überwiesen. Die … Allgemeine Versicherung AG teilte dem Beklagten zunächst mit Schreiben vom 31.03.2008 (Bl. 37, 38 d.A.) mit, sie benötige die Sicherheit in Höhe von 14.011,91 €, den darüber liegenden Betrag gebe sie frei. Mit Schreiben vom 22.04.2009 (Bl. 117 d.A.) erklärte die … Allgemeine Versicherung AG dem Beklagten, sie leite – nunmehr – aus der Sicherheit keine Ansprüche mehr her.

Die Klägerin hat beantragt,

1.den Beklagten zu verurteilen, an sie 41.761,34 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.06.2008 zu zahlen,
2.den Beklagten zu verpflichten, die Klägerin vor der Inanspruchnahme durch das Rechtsanwaltsbüro St… im Zusammenhang mit der außergerichtlichen Durchsetzung der Zahlungsansprüche in Höhe von 653,10 € zuzüglich Mehrwertsteuer in Folge des Abgleichs zwischen RVG Nr. 2300 und RVG Nr. 3100 freizustellen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.

Die Klägerin hat gegen das ihr am 23.04.2009 zugestellte Urteil am 20.05.2009 Berufung eingelegt und diese nach entsprechender Fristverlängerung am 16.07.2009 begründet.

Beide Parteien wiederholen und vertiefen ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach ihrem erstinstanzlichen Antrag zu erkennen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Akteninhalt ergänzend Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Das Rechtsmittel hat nur teilweise Erfolg, und zwar dahin, dass der Klageanspruch in Höhe von 857,99 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten seit dem 24.06.2008 wie auch der Freistellungsanspruch wegen eines Betrages von 48,70 € zuzüglich Mehrwertsteuer für gerechtfertig zu erklären ist.

Die Begründetheit des Klageanspruchs setzt voraus, dass die Klägerin aufgrund der Abtretung vom 10.02.2004 eine Rechtsposition erlangt hätte, die sie gegenüber dem Beklagten im Wege eines Bereicherungsanspruchs (§ 812 Abs. 1 Satz 1 BGB) bzw. eines Absonderungsrechts (§ 51 Nr. 1 InsO) durchsetzen könnte, was nur dann der Fall wäre, wenn die Klägerin wirksam Inhaberin der an sie abgetretenen Forderung geworden ist.

1.

Die Klage ist teilweise, nämlich in Höhe eines Betrages von 857,99 € begründet.

Die Parteien und das Landgericht haben übersehen, dass der Schuldner mit seiner - ersten - Abtretung vom 10.10.2000 die Sparkassenforderung nur in Höhe von 80.000,00 DM (= 40.903,35 €) an die … Allgemeine Versicherung AG abgetreten hat. Mit seiner - zweiten - Abtretung hat der Schuldner der Klägerin am 10.02.2004 die gesamte Sparkassenforderung, die sich nunmehr auf 41.761,34 € belief, abgetreten. Deshalb kommt eine Beschränkung der Verfügungsbefugnis des Schuldners hinsichtlich der Differenz zwischen dem Stand der Sparkassenforderung am 10.10.2000 (40.903,35 €) und dem Stand am 10.02.2004 (41.761,34 €), also wegen eines Betrages von 857,99 € nicht in Betracht. Der Schuldner konnte somit über die Sparkassenforderung in Höhe eines Betrages von 857,99 € mit der - zweiten - Abtretung vom 10.02.2004 ohne Rücksicht auf die vorherige Abtretung verfügen, weil er insoweit in seiner Verfügungsbefugnis nicht eingeschränkt war.

2.

Abgesehen davon, dass die Klage in Höhe eines Betrages von 857,99 € begründet ist, hat das Landgericht im Ergebnis richtig entschieden.

a)

Als der Schuldner am 10.02.2004 - zum zweiten Mal - die Sparkassenforderung (in Höhe von 41.761,34 €) an die Klägerin abtrat, war der Schuldner nur noch in Höhe eines Betrages von 857,99 € verfügungsberechtigt; wegen eines Betrages in Höhe von 40.903,35 € fehlte ihm die Verfügungsmacht, insoweit war er Nichtberechtigter (Palandt/Ellenberger, BGB, 69. Aufl., § 185 BGB, Rdnr. 5), weil er zuvor, nämlich am 10.10.2000 die Forderung in dieser Höhe bereits an die … Allgemeine Versicherung AG abgetreten hatte.

Da dem Schuldner bei Vornahme der Abtretung am 10.02.2004 die Verfügungsmacht fehlte, war die Abtretung insoweit unwirksam, als es den Forderungsteil in Höhe von 40.903,35 € betrifft.

Mit Rücksicht auf die Freigabeerklärungen der … Allgemeine Versicherung AG vom 31.03.2008 (Bl. 37, 38 d.A.) und 22.04.2009 (Bl. 117 d.A.) hat der Schuldner die Forderung in Höhe von 40.903,35 € wieder erlangt, also „erworben“ im Sinne von § 185 Abs. 2 Satz 1 Fall 2 BGB. Die Freigabeerklärung ist nämlich rechtstechnisch nicht anders als eine Rückabtretung zu werten. Dies hat zur Folge, dass die Abtretung an die Klägerin, die zunächst unwirksam war, an sich nunmehr wirksam geworden ist, allerdings ohne Rückwirkung (Palandt/Ellenberger, § 185 BGB, Rdnr. 11; Schramm in: MünchKomm BGB, 5. Aufl., § 185 BGB, Rdnr. 63). Im Ergebnis konnte die Wirksamkeit der Abtretung durch nachträglichen Rechtserwerb aber deshalb nicht eintreten, weil die Freigabeerklärung (Rückabtretung) erst nach Insolvenzeröffnung (09.07.2007) abgeben worden ist und deshalb der Rechtserwerb der Klägerin an § 91 Abs. 1 InsO scheitert. Diese Vorschrift schließt den Erwerb von Rechten an den Gegenständen der Insolvenzmasse nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens aus, wie der BGH in seinem Beschluss vom 25.09.2003 (NJW-RR 2004, 259) für eine vergleichbare Fallkonstellation ausgesprochen hat.

b)

Im Streitfall stellt sich nicht die - vom Landgericht aufgeworfene - Frage, ob im Hinblick auf die infolge fehlender Verfügungsmacht unwirksame Abtretung bei späterer „Heilung“ (§ 185 Abs. 2 Satz 1 Fall 2 BGB) ein Direkterwerb in der Person des Abtretungsempfängers stattfindet oder ob ein Durchgangserwerb anzunehmen ist, bei dem die Forderung erst für eine sog. juristische Sekunde zum Vermögen des Abtretenden gehört, bevor sie auf den Abtretungsempfänger übergeht.

Eine solche Fallgestaltung liegt hier nicht vor.

Die Frage nach einem Direkterwerb bzw. einem Durchgangserwerb stellt sich nur dann, wenn jemand über ein erst künftig entstehendes Recht verfügt. Dies kann bei einer Vorausabtretung künftiger Forderungen oder bei der Übertragung sonstiger künftiger Rechte der Fall sein (Schramm in: MünchKomm BGB, § 185 BGB, Rdnr. 69; BFH NJW 1996, 1079).

Wird dagegen das Vollrecht übertragen, so erhält der Erwerber das Vollrecht nur unter den in § 185 BGB angegebenen Voraussetzungen (BGH NJW 1956, 665, 667 rechte Spalte). Das bedeutet allerdings, dass der Erwerb ohne Rückwirkung stattfindet. Im Streitfall liegt zwar eine Sicherungsabtretung vor; dies ist jedoch einer Vollrechtsübertragung gleichzustellen, weil die Forderung als bereits bestehend, also nicht als ein erst künftig entstehendes Recht übertragen wurde, wenn auch mit der Einschränkung des Sicherungszwecks.

c)

Das Berufungsvorbringen führt zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung.

aa)

Soweit die Berufung darauf verweist, dass schuldrechtliche Verfügungen auf eine unmittelbare Veränderung, Übertragung oder Aufhebung eines Rechts gerichtet sind (Seite 8 Berufungsbegründung – Bl. 99 d.A.), kann daraus für den Streitfall nichts hergeleitet werden. Dieser Grundsatz kommt nur dann zur Anwendung, wenn die Verfügung als solche wirksam ist. Für die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine „Heilung“ einer – zunächst – unwirksamen Verfügung eintritt (§ 185 Abs. 2 BGB), kann hieraus nichts hergeleitet werden.

bb)

Im Streitfall handelt es sich nicht um einen Fall einer Vorausabtretung, und zwar weder um eine solche im Rahmen einer Globalzession noch um eine solche im Wege eines verlängerten Eigentumsvorbehalts (Seite 9 Berufungsbegründung – Bl. 100 d.A.).

cc)

Schließlich ist – entgegen den Ausführungen der Berufung (Bl. 101 d.A.) – nicht zu erkennen, dass der Insolvenzverwalter im Falle einer Mehrfachabtretung besser steht, als er stehen würde, wenn der Schuldner die Forderung nur an die Klägerin abgetreten hätte.

Die Klägerin verkennt bei dieser Betrachtung, dass sie die Forderung von dem Schuldner als Nichtberechtigtem erworben hat; die Schwäche eines solchen Forderungserwerbs kann nur unter den Voraussetzungen des § 185 BGB geheilt werden; erlangt der Abtretende die Forderung erst – nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens – wieder, so führt der Insolvenzbeschlag zu einem Ausschluss des Rechtserwerbs (§ 91 Abs. 1 InsO).

3.

Im Ergebnis erweist sich die Klage nur in Höhe eines Betrages von 857,99 € als begründet.

Der geltend gemachte Zinsanspruch, nämlich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.06.2008 ist als Verzugsschaden gerechtfertigt, nachdem die Klägerin mit Schreiben vom 09.06.2008 (Bl. 11, 12 d.A.) den Beklagten vergeblich zur Zahlung unter Fristsetzung aufgefordert hatte.

Damit ist auch der Freistellungsanspruch hinsichtlich der vorgerichtlichen Anwaltskosten (Nr. 2300 VV RVG) unter dem Gesichtspunkt des Verzuges (§§ 280 Abs. 2, 286 BGB) teilweise begründet, nämlich wegen eines Betrages von 50,70 € zuzüglich Mehrwertsteuer (6,5/10 Geschäftsgebühr aus 857,00 € Nr. 2300 RVG = 42,25 € + 20 % Post- und Telekommunikationspauschale Nr. 7002 RVG = 8,45 €).

III.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die dafür in § 543 Abs. 2 ZPO aufgestellten Voraussetzungen nicht vorliegen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr.1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Streitwert im Berufungsrechtszug: 41.761,34 €.