Gericht | VG Frankfurt (Oder) 5. Kammer | Entscheidungsdatum | 30.06.2011 | |
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Aktenzeichen | 5 L 405/10 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
1. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 29. November 2010 gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 17. November 2010 wird hinsichtlich der unter Punkt 1 und Punkt 2 getroffenen Regelungen bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens wiederhergestellt und hinsichtlich der unter Punkt 4a und 4b getroffenen Regelungen angeordnet.
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.
2. Der Streitwert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.
Die Antragstellerin wendet sich im vorläufigen Rechtsschutz gegen eine Ordnungsverfügung, der zufolge ihr im Wesentlichen die gewerbliche Sammlung von (näher bestimmten) kommunalen Siedlungsabfällen untersagt worden ist.
Nach dem Vorbringen der Antragstellerin nimmt diese unter Verwendung der Geschäftsbezeichnung „Papierbank“ auf dem Grundstück XXX in XXX, Flur X Flurstück XX, Wertstoffe (Papier, Pappe, Kartonagen, Folien, Altmetall und CDs) von privaten und gewerblichen Nutzern an. Die Lagerung dieser Abfälle findet ausschließlich auf dem Flurstück XX der Flur X Gemarkung XXX statt. Die Sammlungstätigkeit der Antragstellerin beruht auf einem Vertrag zwischen ihr und der XXX. Die XXX ist - ausweislich der von der Antragstellerin vorgelegten Überwachungszertifikate - ein zertifizierter Entsorgungsfachbetrieb gem. § 52 KrW-/AbfG. Die DWG fungiert hinsichtlich der Markenbezeichnung „Papierbank“ als Franchisegeberin und führt die gesammelten Abfälle einer ordnungsgemäßen Verwertung zu. Überdies stellt die DWG der Antragstellerin die für das Einsammeln und ordnungsgemäße Lagern der Wertstoffe erforderlichen Geräte und Behälter sowie eine geeichte Waage zur Verfügung. Auf dem von der Antragstellerin genutzten Grundstück Flur X, Flurstück XX befinden sich derzeit zwei Sammelcontainer für Altpapier und zwei Absetzmulden für Altpappe. Die Folien werden in speziellen Säcken gelagert, das Altmetall in Gitterboxen. Die DWG ist sowohl Eigentümerin dieser Geräte und Behälter als auch der gesammelten Wertstoffe. Die Antragstellerin erfasst für die DWG die Menge der abgegebenen Wertstoffe, sortiert diese in die jeweiligen Behälter und übernimmt die Kundenbetreuung vor Ort. Dafür erhält sie von der DWG eine Vergütung. Die Kunden erhalten von der Antragstellerin eine Gutschrift auf einem Kundenkonto, wobei die Preise mit Blick auf den jeweils aktuellen Marktpreis des abgegebenen Wertstoffes variieren. Den gutgeschriebenen Betrag zahlt die DWG auf entsprechende Anforderung an die Kunden aus.
Der Landkreis Barnim bietet dagegen in seinem Kreisgebiet über die Barnimer Dienstleistungsgesellschaft mbH (BDG) für die Entsorgung von Pappe, Papier und Kartonagen (PPK-Fraktion) flächendeckend ein Altpapiersammelsystem in Form des Holsystems für Privathaushalte nach festen Leerungs- und Abfuhrzyklenan (sog. Barnimer Altpapiertonne – „Blaue Tonne“). Bis zum Jahresende 2011 werden zudem grundstücksnahe Bündelsammlungen durchgeführt. Daneben existieren im gesamten Kreisgebiet Sammelcontainer für Pappe, Papier und Kartonagen auf öffentlichen Stellplätzen (s. Internet www.barnim.de: Anliegen A-Z: Entsorgung von Pappe, Papier und Kartonagen). Für die Entsorgung von Folien, Metallen und haushaltstypischem Schrott hält der Landkreis Barnim eine kostenfreie Anlieferungsmöglichkeit auf den Recyclinghöfen in Eberswalde-Ostend und Bernau vor. Für die Entsorgung von CDs, DVDs und CD-ROMs hat der Landkreis in seinem Kreisgebiet an mehreren Standorten, so auch an zwei Standorten in Werneuchen, Sammelbehälter (sog. CD-Zylinder) aufgestellt (s. Internet www.barnim.de: Anliegen A-Z: Entsorgung von Metallen und haushaltstypischem Schrott und Alt-CDs; sowie ebendort insgesamt zu den Entsorgungsmöglichkeiten im Kreisgebiet:Abfallentsorgung im Landkreis Barnim, Abfallentsorgungssatzung – AES vom 04. Mai 2011)
Der Antrag der Antragstellerin,
die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs vom 29. November 2010 gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 17. November 2010 wiederherzustellen und hinsichtlich der Zwangsgeldandrohungen anzuordnen,
hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
Soweit mit dem Antrag auch einstweiliger Rechtsschutz gegen die Festsetzung einer Verwaltungsgebühr in Höhe von 502,08 Euro unter Punkt 6 der Ordnungsverfügung begehrt wird, wofür die unbeschränkte Formulierung des Antrages spricht, war der Antrag abzulehnen, weil er sich wegen Fehlens einer Zugangsvoraussetzung als unzulässig erweist. Gegen die Anforderung von öffentlichen Abgaben – wie der Verwaltungsgebühr – ist ein Antrag nach § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) nämlich nur zulässig, wenn die Behörde zuvor einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Einen solchen Antrag hat die Antragstellerin nach Lage der Akten nicht gestellt. Sie hat lediglich das Widerspruchsschreiben vom 29. November 2010 vorgelegt. Einen Aussetzungsantrag enthält dieses Schreiben nicht; auch eine Vollstreckung dieser Gebühr durch den Antragsgegner i. S. von § 80 Abs. 6 Nr. 2 VwGO droht derzeit nicht.
Im Übrigen erweist sich der Antrag als zulässig und begründet.
Der Antragsgegner hat unter Punkt 1 der angefochtenen Ordnungsverfügung der Antragstellerin die Annahme von überlassungspflichtigen Abfällen aus kommunalen Haushalten an ihrem Betriebsstandort in XXX XXX (Gemarkung XXX, Flur X, Flurstück X) mit Wirkung vom 01. Dezember 2010 – unter dem Vorbehalt des Widerrufs (Punkt 5) - untersagt und unter Punkt 2 gegenüber der Antragstellerin angeordnet, „auf dem unter Pkt. 1 genannten Betriebsstandort lagernde Abfallstoffe innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Bescheides einer ordnungsgemäßen Entsorgung zuzuführen“. Unter Punkt 3 der angefochtenen Ordnungsverfügung heißt es: „Die sofortige Vollziehung dieser Anordnung wird verfügt.“
Die Kammer geht mit der Antragstellerin davon aus, dass sich die Anordnung der sofortigen Vollziehung – trotz unpräziser Formulierung – auf die Verfügungen unter den Punkten 1 und 2 bezieht. Dies ergibt sich auch aus den Darlegungen des Antragsgegners zur Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung „dieser Ordnungsverfügung“ und der mit ihr „geforderten Maßnahmen“.
In formeller Hinsicht entspricht die Begründung der angeordneten sofortigen Vollziehung den gesetzlichen Anforderungen des § 80 Abs. 3 S. 1 VwGO. Nach dieser Vorschrift ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes schriftlich zu begründen, wenn nicht die - im vorliegenden Fall nicht einschlägigen - Ausnahmen des § 80 Abs. 3 Satz 2 VwGO eine Begründung entbehrlich machen. Dem formellen Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 VwGO ist schon Genüge getan, wenn die Begründung erkennen lässt, dass die Behörde sich mit Blick auf den konkreten Einzelfall mit der Frage der sofortigen Vollziehung auseinandergesetzt und bei ihrer Entscheidung Ermessen ausgeübt hat. Auf die materielle Richtigkeit der Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung kommt es dabei nicht an, da das Gericht insofern eine eigene Abwägung zu treffen hat. Die demnach zu stellenden Anforderungen sind hier gewahrt, denn die Begründung zur Anordnung der sofortigen Vollziehung erfolgt wegen des vom Antragsgegner erkannten Ausnahmecharakters unter einem gesonderten Punkt, und sie erschöpft sich nicht in einer bloßen Wiederholung des Gesetzeswortlautes, sondern legt die dahinter stehenden Erwägungen im Einzelnen offen.
Hat die Behörde – wie hier - unter Hinweis auf § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO im öffentlichen Interesse die sofortige Vollziehung angeordnet, so kann das Verwaltungsgericht gem. § 80 Abs. 5 Satz 1 2. Alternative VwGO auf Antrag die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs ganz oder teilweise wiederherstellen. Maßstab der gerichtlichen Ermessensentscheidung ist eine umfassende Interessenabwägung. Gegenstand der Abwägung sind das private Aufschubinteresse und das öffentliche Interesse an der Vollziehung des Verwaltungsaktes. Dabei hat das Gericht zu prüfen, ob die Behörde zu Recht das öffentliche Interesse an einer sofortigen Vollziehung höher gewichtet hat als das private Interesse, bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens oder des gerichtlichen Hauptsacheverfahrens von einer Vollziehung des Verwaltungsaktes verschont zu bleiben. Diese Interessenabwägung hat neben einer nach Offensichtlichkeitsmaßstäben vorzunehmenden Beurteilung der Erfolgsaussichten des in der Hauptsache erhobenen Rechtsbehelfs auch den Aspekt des besonderen Vollzugsinteresses einzubeziehen, weil gerade darin der Grund für die Ausnahme von der gesetzlichen Regel der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage liegt (vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Brandenburg, Beschluss vom 18. Januar 2005 - 2 B 292/04 -, S. 2 f. des Entscheidungsabdrucks). Demnach muss der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung in der Regel schon dann erfolglos bleiben, wenn sich die angegriffene Verfügung als offensichtlich rechtmäßig erweist. Umgekehrt ist ein Antrag ohne weiteres erfolgreich, wenn die angefochtene Verfügung offensichtlich rechtswidrig ist. Lassen sich die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs hingegen noch nicht mit der für ein solches Offensichtlichkeitsurteil hinreichenden Sicherheit abschätzen, weil der Sachverhalt zumindest teilweise noch offen ist oder sich schwierige, im Ergebnis zweifelhafte Rechtsfragen stellen, ist die Interessenabwägung anhand einer nicht an den Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren orientierten Betrachtungsweise vorzunehmen. So liegt der Fall hier.
Die Anordnung unter Punkt 1 der angefochtenen Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 29. November 2010, mit der der Antragstellerin untersagt wird, überlassungspflichtige Abfälle aus kommunalen Haushalten am Betriebsstandort der Antragstellerin XXX in XXX (Gemarkung XXX, Flur X, Flurstück XX) anzunehmen, erweist sich bei der in diesem Verfahren gebotenen summarischen Prüfung derzeit weder als offensichtlich rechtmäßig noch als offensichtlich rechtswidrig. Vielmehr sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache (hier des Widerspruchsverfahrens) als offen einzuschätzen. Dies beruht nicht unwesentlich auf – nach Lage der Akten - unzureichenden Ermittlungen des Antragsgegners zu den tatsächlichen Gegebenheiten auf dem Betriebsgelände der Antragstellerin und den Bauakten, die die auf den Grundstücken Flurstücke 82 und 90 der Flur 2 Gemarkung Werneuchen errichteten Bauten betreffen.
Bedenken hinsichtlich der formellen Rechtmäßigkeit bestehen insoweit nicht. Der Antragsgegner ist als untere Abfallwirtschaftsbehörde gemäß § 42 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit § 43 des Brandenburgischen Abfall- und Bodenschutzgesetzes (BbgAbfBodG) für den Vollzug der abfallrechtlichen Vorschriften, mithin für den Vollzug des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes (KrW-/AbfG), zuständig und wird dabei als Sonderordnungsbehörde tätig (§ 43 Abs. 1 Satz 1 BbgAbfBodG). Die gem. § 1 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz für das Land Brandenburg - VwVfGBbg i. V. m. § 28 Abs. 1 VwVfG grundsätzlich erforderliche Anhörung der Antragstellerin vor Erlass der Ordnungsverfügung ist mit Schreiben des Antragsgegners vom 17. November 2010 erfolgt.
Der Antragsgegner hat zur Rechtfertigung der Untersagungsanordnung § 21 Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz (KrW-/AbfG) in Verbindung mit § 13 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG herangezogen. § 21 KrW-/AbfG ermächtigt die zuständige Behörde dazu, im Einzelfall die erforderlichen Anordnungen zur Durchführung dieses Gesetzes und der aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen zu treffen. § 13 Abs. 1 KrW-/AbfG verpflichtet die Erzeuger und Besitzer von Abfällen aus privaten Haushaltungen, diese Abfälle den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern bzw. den von ihnen nach § 16 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG mit der Verwertung und Beseitigung beauftragten Dritten zu überlassen, soweit sie zu einer Verwertung nicht in der Lage sind oder diese nicht beabsichtigen. Dass die Antragstellerin nicht selbst Erzeugerin oder Besitzerin der wertstoffhaltigen Abfälle ist, deren Annahme sie anbietet, steht der Untersagungsverfügung nicht entgegen. Denn Adressat einer solchen Anordnung kann – zumindest als Zweckveranlasser – auch derjenige sein, der den Pflichtigen zur Missachtung der Überlassungspflicht veranlasst (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 21. Dezember 2009 – 11 S 50.08, juris Rdnr 27).
Zweifelhaft ist hier allerdings, ob für wertstoffhaltige Abfälle aus Privathaushalten, die die Antragstellerin auf ihrem Betriebsgelände annimmt, eine solche Überlassungspflicht besteht.
Der Antragsgegner ist allerdings im Ansatz zutreffend davon ausgegangen, dass gem. § 13 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG private Haushaltungen ihren Hausmüll einschließlich seiner verwertbaren Bestandteile (wie z.B. das Altpapier) grundsätzlich dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger überlassen müssen und nicht befugt sind, mit der Verwertung Dritte zu beauftragen (BVerwG, Urteil vom 18. Juni 2009 - 7 C 16/08, juris Rdnr 18; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 21. Dezember 2009 – 11 S 50.08, juris Rdnr 28).
Es ist aber im Rahmen der hier gebotenen summarischen Prüfung nicht auszuschließen, dass sich die Antragstellerin auf die Ausnahmevorschrift von der Überlassungspflicht in § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG berufen kann. Nach dieser Vorschrift besteht eine Überlassungspflicht nicht für Abfälle, die durch gewerbliche Sammlung einer ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung zugeführt werden, soweit diese den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern nachgewiesen wird und nicht überwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen.
Es spricht vieles dafür, dass die Tätigkeit der Antragstellerin, mithin die Annahme von Papier, Pappe, Kartonagen, Folien, Altmetall und CDs – nicht aber Glas und Alttextilien, wie der Antragsgegner unterstellt - die Sortierung und die nach dem Betreiberkonzept notwendige Zwischenlagerung dieser Wertstoffe auf dem Betriebsgelände der Antragstellerin bis zur Abholung durch einen Entsorgungsfachbetrieb - auch unter Berücksichtigung des Urteils des BVerwG vom 18. Juni 2009 - bei der hier gebotenen summarischen Prüfung als „gewerbliche Sammlung“ i. S. v. § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG anzusehen ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat zum Begriff der „gewerblichen Sammlung“ im Sinne dieser Norm ausgeführt:
„Gewerbliche Sammlungen sind von den Entsorgungstätigkeiten der öffentlichen Entsorgungsträger und der nach § 16 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG beauftragten gewerblichen Entsorgungsunternehmen abzugrenzen. Deren Tätigkeit ist dadurch gekennzeichnet, dass sie auf vertraglichen Grundlagen und in regelmäßig dauerhaften Strukturen wiederkehrende Entsorgungsleistungen erbringen. Gewerbliche Sammlungen sind dagegen typischerweise ein allgemeines, auf freiwilliger Basis beruhendes Angebot der unentgeltlichen Überlassung verwertbarer Abfälle. Die im Wege der Gesamtwürdigung vorzunehmende Abgrenzung gewerblicher Sammlungen hat sich an einem Vergleich mit dem Bild des Entsorgungsträgers unter Einbeziehung der genannten Kriterien zu orientieren. Dabei sprechen Entgeltvereinbarungen oder verbindliche Einzelaufträge sowie dauerhafte und in festen Strukturen erfolgende Sammeltätigkeiten, die sich von den Entsorgungstätigkeiten nach § 16 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG beauftragter Dritter nicht wesentlich unterscheiden, gegen die Qualifizierung als gewerbliche Sammlung. Dass sich eine dauerhaft durchgeführte gewerbliche Sammlung auf bestimmte Abfallfraktionen beschränkt, ändert hieran nichts. Der Sammlungsbegriff des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes schließt somit Tätigkeiten aus, die nach Art eines Entsorgungsträgers auf der Grundlage vertraglicher Verbindungen zwischen den sammelnden Unternehmen und den privaten Haushalten, in dauerhaften festen Strukturen abgewickelt werden. Die Ausnahmetatbestände in § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und 3 KrW-/AbfG knüpfen an die Vorgängerregelungen in § 1 Abs. 3 Nr. 6 und 7 AbfG 1986 an. Der Entstehungsgeschichte zu dieser Vorschrift kann entnommen werden, dass der Gesetzgeber das tradierte Bild der – gelegentlich und vom Tätigkeitsbild des Entsorgungsträgers sich deutlich abhebenden - Sammlung vor Augen hatte. Sein Anliegen war es, die gegenwärtige Praxis bei den gemeinnützigen und gewerblichen Sammlungen zu erhalten (BT-Drucks. 10/5656 S. 55/56). Es fehlt an jeglichen Anhaltspunkten dafür, dass der Gesetzgeber des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes den Sammelbegriff weiter verstanden hat und über eine Ausnahmevorschrift ein Einfallstor zur Etablierung paralleler privater Entsorgungs- und Verwertungsstrukturen beim Hausmüll schaffen wollte.“ (BVerwG, Urteil vom 18. Juni 2009, 7 C 16/08, juris RdNr 31, 32).
Bei Anlegung dieser Maßstäbe handelt es sich bei der vom Antragsgegner untersagten Sammlungstätigkeit der Antragstellerin nicht um eine Tätigkeit nach Art eines (öffentlich-rechtlichen) Entsorgungsträgers sondern um eine gewerbliche Sammlung. Es sind auch einer solchen Sammlungstätigkeit entgegenstehende, überwiegende öffentliche Interessen nicht erkennbar. Bei der gebotenen Gesamtwürdigung unter Einbeziehung der vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Kriterien entspricht die von der Antragsstellerin praktizierte Sammlungsform weder in ihrer konkreten Ausgestaltung noch nach dem überkommenden Entsorgungssystem in der Bundesrepublik dem Bild des öffentlichen Entsorgungsträgers oder seiner Drittbeauftragten.
Vielmehr ist bei summarischer Prüfung das Angebot der Antragstellerin als Franchisenehmerin der DWG unter der Marke „Papierbank“, aus privaten Haushalten Wertstoffe der sogenannten PPK-Fraktion, Folien, Altmetall und CDs anzunehmen und dafür eine an Marktpreisen des jeweiligen Wertstoffes orientierte Vergütung in Geld zu zahlen, nicht mit dem Entsorgungssystem des Landkreises Barnim vergleichbar. Bei der zumindest hinsichtlich der Wertstoffe der PPK-Fraktion, im Gegensatz zum flächendeckenden Holsystem des Landkreises, als reines Bringsystem ausgestalteten, nicht grundstücksbezogenen und nicht flächendeckenden Sammeltätigkeit der Antragstellerin handelt es sich vielmehr um ein auf lediglich freiwilliger Basis beruhendes Angebot einer unentgeltlichen Abfallüberlassung, für das – nach den Maßstäben des BVerwG in seinem Urteil vom 18. Juni 2009 - 7 C 16/08 - vertragliche Bindungen zwischen der „Papierbank“ und den privaten Haushalten nicht eingegangen werden.
Die Kammer geht mit der Antragstellerin davon aus, dass das Ausschlusskriterium der „vertraglichen Bindung zwischen den sammelnden Unternehmen und den privaten Haushalten“ auf Dauerschuldverhältnisse zielt, die vergleichbar mit dem Anschluss- und Benutzungszwang im öffentlich-rechtlichen Bereich wirken (vgl. § 9 der Abfallentsorgungssatzung des Landkreises Barnim vom 04. Mai 2011 – AES) und dem privaten Entsorgungsunternehmen auf diese Weise Planungssicherheit in Form längerfristig kalkulierbarer Mindestabnahmemengen verschaffen. An einer solchen vertraglichen Bindung zwischen der „Papierbank“ und den privaten Haushalten fehlt es hier. An dieser Bewertung ändert auch der Umstand nichts, dass für die von der Antragstellerin angenommenen Wertstoffe von der „Papierbank“ an die Abfallerzeuger und Abfallbesitzer eine an Marktpreisen des jeweiligen Wertstoffes orientierte Vergütung in Geld gezahlt wird. Die Einrichtung eines Kundenkontos mag zwar einen Anreiz schaffen, das Entsorgungssystem der „Papierbank“ regelmäßig in Anspruch zu nehmen. Dies ändert aber nichts daran, dass es sich dabei um wiederholte Abschlüsse synallagmatischer Verträge handelt, die ein Dauerschuldverhältnis zwischen der Antragstellerin bzw. der „Papierbank“ und den Abfallerzeugern oder Abfallbesitzern nicht begründen. Letztlich beruht die Überlassung der Wertstoffe an die Antragstellerin auf Freiwilligkeit. Umgekehrt hat die Antragstellerin keine dauerhaften vertraglichen Ansprüche gegen die Abfallerzeuger bzw. -besitzer auf Überlassung der wertstoffhaltigen Abfälle, so dass von einer dauerhaft festen Struktur nicht die Rede sein kann. Zudem geht die Kammer davon aus, dass auch nach den vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Maßstäben die Sammeltätigkeit der Antragstellerin unentgeltlich erfolgt. Es spricht vieles dafür, dass das Kriterium der „entgeltlichen Überlassung“ Zahlungen des entsorgungspflichtigen Abfallerzeugers bzw. –besitzers an das Entsorgungsunternehmen meint (so auch VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 30. Juli 2010 – 14 L 372/10 -, juris, Rdnr. 36). Gerade die Gebührenpflicht gehört bei der vom Bundesverwaltungsgericht angestellten typisierenden Betrachtungsweise, die nicht eine Abfallfraktion, sondern den gesamten Abfall aus privaten Haushaltungen in den Blick nimmt, zu den wesentlichen Kennzeichen der Entsorgung von Abfällen aus privaten Haushaltungen durch öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 26. Mai 2010 – 7 ME 20/10 -, juris Rdnr. 6). Insofern läge eine Vergleichbarkeit der Sammlungstätigkeit der Antragstellerin mit dem Entsorgungssystem des Landkreises nur dann vor, wenn für die Überlassung der wertstoffhaltigen Abfälle Zahlungen an die Antragstellerin erfolgten. Vorliegend erfolgten die Zahlungen indes genau in umgekehrter Richtung, nämlich von der Antragstellerin (bzw. der DWG) an die Abfallerzeuger bzw. -besitzer. Hierin liegt – worauf die Antragstellerin zu Recht hinweist - ein signifikanter Unterschied zur Tätigkeit des Landkreises als öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger.
Darüber hinaus unterscheidet sich die Tätigkeit der Antragstellerin von der Tätigkeit des Landkreises auch deswegen erheblich, weil sie die Sammlungstätigkeit nicht flächendeckend im gesamten Entsorgungsgebiet des Antragsgegners ausübt, sondern das Angebot der Antragstellerin sich ausschließlich an Abfallerzeuger bzw. -besitzer im näheren Umkreis ihres Betriebsstandortes in Werneuchen richtet. Hierfür sprechen auch die von der Antragstellerin mitgeteilten, von ihr gesammelten Abfallmengen, die bei dem Antragsgegner nicht auf Widerspruch gestoßen sind. Nach den Angaben der Antragstellerin, hat sie seit Beginn ihrer Tätigkeit unter der Marke „Papierbank“ im Juli 2010 bis November 2010 insgesamt 14.748 kg Altpapier eingesammelt; das entspricht einer durchschnittlichen Menge von 2.950 kg pro Monat. Die übrigen Abfallfraktionen fielen demgegenüber deutlich weniger ins Gewicht (Folie: 50 kg/Monat; Schrott: 90 kg/Monat; CDs: 5 kg/Monat). Von dem gesammelten Altpapier stamme nur ein - zahlenmäßig nicht exakt bezifferbarer – Teil aus privaten Haushalten. Nach den aktuellsten öffentlich zugänglichen Angaben hat hingegen der Landkreis Barnim im Jahre 2003 ca. 11.000 Tonnen Altpapier gesammelt. Bei einer Hochrechnung ihrer durchschnittlichen monatlichen Sammelmenge von 2.950 kg im Jahre 2010 auf ein Kalenderjahr liegt die von der Antragstellerin gesammelte Altpapiermenge bei 0,34 % der vom Landkreis Barnim erzielten Menge. Diese geringe Quote spricht eher gegen eine der öffentlich-rechtlichen Entsorgung ähnlichen Tätigkeit (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 26. Mai 2010 – 7 ME 20/10 -, juris Rdnr 6). Das Abstellen des Antragsgegners auf die Sammeltätigkeit der „Papierbank“ an anderen Standorten dürfte in diesem Zusammenhang unzulässig sein, weil nur die tatsächliche Sammeltätigkeit der Antragstellerin an ihrem Betriebsstandort in Werneuchen Gegenstand der Untersagungsverfügung ist.
Ob der Entsorgungstätigkeit der Antragstellerin in Form der Annahme wertstoffhaltiger Abfälle aus Privathaushalten, der Sortierung dieser Abfälle und ihrer Zwischen-lagerung bis zur Abholung durch die DWG überwiegende öffentliche Interessen i.S.v. § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG entgegenstehen, ist eine rechtlich schwierige Frage und muss einer Klärung im Hauptsacheverfahren überlassen bleiben. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 18. Juni 2009 - 7 C 16/08, a. a. O.) liegen überwiegende öffentliche Interessen nicht erst dann vor, wenn die Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungssystems beeinträchtigt wird. Maßstab sei vielmehr, ob eine „Sammlung nach ihrer konkreten Ausgestaltung mehr als nur geringfügige Auswirkungen auf die Organisation und Planungssicherheit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers nach sich zieht“, was „anhand der jeweiligen Einzelumstände festzustellen“ sei. Von Bedeutung könne dabei sein, ob der Entsorgungsträger zu einer wesentlichen Änderung und Anpassung seiner Entsorgungsstruktur – zum Beispiel durch Vorhaltung von Personal für den Fall der Einstellung der gewerblichen Sammeltätigkeit und Notwendigkeit unvermittelter eigener Entsorgungsübernahme – gezwungen würde oder die Ausschreibung von Entsorgungsleistungen erschwert bzw. Ausschreibungsverfahren unterlaufen würden. Zu berücksichtigen seien aber auch Beeinträchtigungen der Funktionsfähigkeit eines bestehenden, flächendeckenden Systems zur regelmäßigen, haushaltsnahen Erfassung von Verkaufsverpackungen nach § 6 Abs. 3 VerpackV (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 21. Dezember 2009 – 11 S 50.08, juris Rdnr 35).
Auf der Grundlage der von der Antragstellerin mitgeteilten, von ihr gesammelten Abfallmengen kann nach Auffassung der Kammer bislang nicht davon ausgegangen werden, dass die Sammlungstätigkeit der Antragstellerin nach ihrer konkreten Ausgestaltung mehr als nur geringfügige Auswirkungen auf die Organisation und Planungssicherheit des Landkreises Barnim als öffentlichen Entsorgungsträger nach sich zieht. Bei der errechneten Quote von 0,34% der von ihr gesammelten Altpapiermenge dürfte die Sammeltätigkeit der Antragstellerin eine ernsthafte Konkurrenz zur Entsorgungstätigkeit des Landkreises auch deswegen nicht darstellen, weil die inzwischen vom Landkreis bereitgestellten öffentlichen Altpapiertonnen direkt am Haus den Abfallerzeugern bzw. –besitzern eine sehr viel komfortablere Entsorgungsmöglichkeit für Wertstoffe der PPK-Fraktion bieten. Da der Antragsgegner bislang keine Zahlen über die Entwicklung der in seinem Entsorgungssystem anfallenden Mengen an Wertstoffen der PPK-Fraktion, an Folien, Altmetall und an CDs, DVDs und CD-ROMs vorgelegt hat, ist eine abschließende rechtliche Bewertung der Auswirkungen der von der Antragstellerin durchgeführten Wertstoffsammlungen auf das Entsorgungssystem des Landkreises Barnim im Eilverfahren nicht möglich. Diese Klärung muss der Hauptsache vorbehalten bleiben. Die Kammer hält es aber auch hier für unzulässig, als Größe des zu bewertenden konkurrierenden Entsorgungssystems alle von der „Papierbank“ „betriebenen“ Annahmestellen im Landkreis Barnim in den Vergleich mit dem Entsorgungssystem des Landkreises einzustellen.
Ihrer Pflicht zum Nachweis der ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung der von ihr gesammelten wertstoffhaltigen Abfälle dürfte die Antragstellerin durch die Vorlage der Überwachungszertifikate für den Entsorgungsfachbetrieb „DWG“ gemäß § 52 KrW-/AbfG, nachgekommen sein. Danach ist der DWG für die abfallwirtschaftlichen Tätigkeiten „Einsammeln und Befördern“ sowie „Handeln und Vermitteln“ zertifiziert worden. Bedenken gegen die Erbringung des Nachweises der ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung hat der Antragsgegner bislang nicht ernsthaft vorgetragen. Eine darüber hinaus möglicherweise erforderliche Vorlage des zwischen der Antragstellerin und der DWG abgeschlossenen Franchisevertrages und die Bewertung der sich daraus ergebenden Pflichten der DWG kann im Rahmen des Widerspruchsverfahrens nachgeholt werden.
Die Untersagungsanordnung lässt sich – entgegen der Auffassung des Antragsgegners – auch nicht auf § 21 Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz (KrW-/AbfG) i. V. m. § 27 KrW-/AbfG stützen. Für die vom Antragsgegner behauptete formelle Illegalität einer von der Antragstellerin angeblich betriebenen Abfallbeseitigungsanlage (§ 27 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG) bestehen keine Anhaltspunkte. Gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG dürfen Abfälle zum Zwecke der Beseitigung nur von den dafür zugelassenen Anlagen oder Einrichtungen (Abfallbeseitigungsanlagen) behandelt, gelagert oder abgelagert werden. § 27 KrW-/AbfG regelt demnach die Ordnung der Beseitigung von Abfällen. Hier ist von dem Antragsgegner nichts Durchgreifendes dafür dargetan, dass es bei den von der Antragstellerin aus Haushaltungen gegen Entgeltzahlungen an die Überlassenden abgenommenen und im weiteren von der Antragstellerin (zwischen-)gelagerten und an den Entsorgungsbetrieb DWG weitergegebenen Wertstoffen lediglich um die Beseitigung (vgl. § 10 KrW-/AbfG) von Abfällen geht. Vielmehr ist bei der typischerweise hohen Wiederverwertbarkeit der dort angenommenen Materialien davon auszugehen, dass die Annahmestelle der Antragstellerin – entsprechend den Angaben auf der Internetseite der „Papierbank“, nach denen die gesammelten Wertstoffe zu 100% in den Rohstoffkreislauf zurückgeführt werden - die Verwertung (stofflich bzw. energetisch; vgl. §§ 4, 6 KrW-/AbfG) der dort angenommenen Sekundärrohstoffe zum Gegenstand hat.
Ob die Untersagungsanordnung allerdings nach § 21 KrW-/AbfG i. V. m. § 5 Abs. 3 Sätze 1 und 2 KrW-/AbfG gerechtfertigt sein könnte, weil die Antragstellerin nach Auffassung des Antragsgegners nicht über eine erforderliche Baugenehmigung für den auf dem von ihr genutzten Betriebsgrundstück durchgeführten Abfallhandel verfüge, begegnet bei summarischer Prüfung ebenfalls Bedenken, denen im Rahmen des Hauptsacheverfahrens nachzugehen sein wird.
Zwar hat sich der Antragsgegner beim Erlass der angegriffenen Anordnung nicht auf § 21 KrW-/AbfG i. V. m. § 5 Abs. 3 Sätze 1 und 2 KrW-/AbfG gestützt; indes führt dies nicht zur Rechtswidrigkeit der Entscheidung. Denn erweist sich der Verwaltungsakt nach einer anderen als der angegebenen Rechtsgrundlage als rechtmäßig, darf er nicht allein aufgrund dieser irrtümlichen oder fehlenden Angabe aufgehoben werden. Vielmehr ist es im Rahmen der nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO gebotenen gerichtlichen Prüfungspflicht Aufgabe der Gerichte, umfassend zu prüfen, ob das materielle Recht die durch einen Verwaltungsakt getroffene Regelung trägt oder nicht. Hierzu gehört insbesondere die Prüfung, ob ein angegriffener Verwaltungsakt kraft einer anderen als der angegebenen Rechtsgrundlage rechtmäßig ist (BVerwG, Urt. v. 30. Juni 1989 – 4 C 40.88 -, BVerwGE 82, 185; VGH Mannheim, Urt. v. 26. Mai 1994 – 5 S 2637/93 -, NVwZ 1995, 397; OVG für das Land Brandenburg, Beschluss v. 06. Oktober 2000 – 4 B 134/00.Z -, S. 3 des E.A.; BayVGH, Urt. v. 20. Mai 1977 – 99 III 76 -, BayVBl. 1978, 180; VG Frankfurt (Oder), Urteil vom 18. Dezember 2001 - 7 K 1643/98 -, S. 7 des E.A., bestätigt durch Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Brandenburg vom 11. Mai 2005 - 3 A 94/02.Z -). Einer Umdeutung des Verwaltungsaktes nach § 47 Verwaltungsverfahrensgesetz bedarf es für die Zugrundelegung einer anderen Rechtsgrundlage jedoch nicht, da eine solche nur dann erforderlich wäre, wenn die Angabe der Rechtsgrundlage zum Spruch des Bescheides gehören und deshalb die Aufrechterhaltung des Bescheides einen Eingriff in den Spruch erfordern würde. Dies ist indes nicht der Fall, da sich beim Auswechseln der Rechtsgrundlage der Spruch der Verwaltungsbehörde lediglich aus anderen als den von ihr angeführten Rechtsgründen als rechtmäßig erweist. Der Verwaltungsakt i s t dann eben nicht rechtswidrig, so dass sich die Frage der Umdeutung nicht stellen kann (BVerwG, Urt. v. 19. August 1988 – 8 C 29/87 -, NVwZ 1989, 471).
Wie bereits dargelegt ermächtigt § 21 KrW-/AbfG die zuständige Behörde dazu, im Einzelfall die erforderlichen Anordnungen zur Durchführung dieses Gesetzes und der aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen zu treffen. § 5 Abs. 3 Satz 1 KrW-/AbfG verlangt, dass die Verwertung von Abfällen ordnungsgemäß und schadlos zu erfolgen hat. Gemäß § 5 Abs. 3 Satz 2 KrW-/AbfG erfolgt die Abfallverwertung ordnungsgemäß, wenn sie im Einklang mit den Vorschriften dieses Gesetzes und anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften steht. Diese Bestimmung ermöglicht es im Grundsatz, die Einhaltung anderweitiger, nicht abfallrechtlicher Rechtsvorschriften im abfallrechtlichen Überwachungsverhältnis zu prüfen (Spoerr: Sarau/Petersen/Weidemann, KrW-/AbfG, B 100 § 5 Rdnr. 86). Andere öffentlich-rechtliche Vorschriften sind - ein vorrangiges Genehmigungsbedürfnis nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz ist nicht ersichtlich - auch solche des formellen Baurechts.
Da mit der Annahme der wertstoffhaltigen Abfälle auf dem von der Antragstellerin genutzten Grundstück in XXX, XXX (Flur X, Flurstück XX) nach ihrem Betreiberkonzept notwendig die Zwischenlagerung der angenommenen Wertstoffe auf einer Teilfläche des rückwärtig an dieses Grundstück angrenzenden Grundstücks Flur X Flurstück XX bis zur Abholung durch die DWG einhergeht, steht die baurechtliche Legalität der Nutzung des Grundstück Flur X Flurstück X als Annahmestelle für wertstoffhaltige Abfälle und die Nutzung des Grundstücks Flur X, Flurstück X als Lagerplatz in Frage.
Lagerplätze zählen gemäß § 2 Abs. 1 Satz 3 Brandenburgische Bauordnung (BbgBO) zu den baulichen Anlagen, deren Errichtung und Nutzung gemäß § 54 BbgBO genehmigungsbedürftig ist. Gem. § 55 Abs. 10 Nr. 4 BbgBO besteht allerdings Baugenehmigungsfreiheit für Lagerplätze mit nicht mehr als 200 qm Grundfläche, ausgenommen im Außenbereich. Ob die Teilfläche des Grundstücks Flur 2, Flurstück 90, die zur (Zwischen-)Lagerung der sortierten Wertstoffe genutzt wird, sich im Außenbereich befindet, und ob die Grundfläche des Lagerplatzes mehr als 200 qm misst - wofür allerdings die auf der vom Antragsgegner eingereichten Luftbildaufnahme erkennbare Nutzfläche spricht - ist vom Antragsgegner nicht ermittelt worden. Dies bedarf weiterer (tatsächlicher) Aufklärung, die im Hauptsacheverfahren zu erfolgen hat. Ferner ist im Hauptsacheverfahren zu klären, ob die von der Antragstellerin vorgelegte „Zustimmung Nr. 19/90 des Rates der Stadt Werneuchen zur Errichtung oder Veränderung eines Bauwerkes“ vom 11. Juni 1990 „für die Errichtung des Bauwerks offene Überdachung“ auf dem Grundstück XXX Flur X Flurstück XX sowie der dazugehörige Prüfbescheid der Staatlichen Bauaufsicht der DDR (der nicht vorliegt) die tatsächliche Nutzung einer Grundstücksteilfläche als Lagerplatz für die gesammelten wertstoffhaltigen Abfälle umfasst. Klärungsbedürftig erscheint auch, ob der vorgelegte Prüfbescheid Nr. 13/87 der staatlichen Bauaufsicht der DDR aus dem Jahre 1987, der die Errichtung eines Pultdaches auf dem Grundstück XXX Flur X Flurstück XX zum Gegenstand hat, sowie die dazugehörige Zustimmung des Rates der Stadt Werneuchen (die nicht vorliegt) die Nutzung dieses Grundstücks für die Annahme von wertstoffhaltigen Abfällen beinhaltet, und ob beide Genehmigungen für die seit dem Jahre 2010 erfolgte Nutzung der in Rede stehenden Grundstücke Bestandsschutz vermitteln. Hierfür spricht einiges, weil die Flurstücke XX und XX der Flur XX in Werneuchen nach dem unwidersprochenen Vortrag der Antragstellerin bereits in der DDR legal für die Annahme (und der damit einhergehenden Zwischenlagerung) von Sekundärrohstoffen (SERO) genutzt wurden.
Die zur Errichtung eines Gebäudes erteilte Baugenehmigung enthält regelmäßig die Baufreigabe und stellt gleichzeitig fest, dass die von der Genehmigung mitumfasste und bezweckte Nutzung der baulichen Anlage nach den öffentlichrechtlichen Vorschriften im Zeitpunkt der Entscheidung zulässig ist. Gegenstand der Baugenehmigung ist die bauliche Anlage in ihrer durch die Nutzung bestimmten Funktion als Einheit (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. Januar 1997 – BVerwG 4 B 172.96 -, BRS 59 Nr. 81). Mit der endgültigen Aufgabe ihrer Nutzung geht der Bestandsschutz einer baulichen Anlage verloren; denn für den Bestandsschutz ist kennzeichnend, dass er die bauliche Anlage nur in ihrer jeweiligen Funktion deckt (st. Rspr., vgl. BVerwG, Urteil vom 15. November 1974 – 4 C 32.71-, BVerwGE 47,185, m. w. N.). Dies gilt auch für durch Organe der ehemaligen DDR erteilte Baugenehmigungen. Diese bleiben in der Regel wirksam (Art. 19 Satz 1 Einigungsvertrag). Die Wirksamkeit betrifft nicht nur die äußere Wirksamkeit, sondern auch die inhaltliche, d. h. die intendierten Rechtswirkungen. In dieser Wirkung dauern sie über den 03. Oktober 1990 mit der Folge fort, dass das baurechtlich genehmigte Bauwerk nicht nur formell, sondern auch in der genehmigten Funktion materiell legal ist. In der materiellen Variante begründet die Genehmigung Bestandsschutz (zum Vorstehenden OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 12. Februar 2004 – 2 L 927/03, Leitsätze 1 und 2, juris).
Letztlich sind die aufgeworfenen offenen Fragen durch Einsichtnahme und Auswertung der entsprechenden Bauakten (wiederum im Rahmen des Widerspruchsverfahrens) zu klären. Die Bauakten dürften in der Regel noch in den jeweiligen Kreisarchiven vorhanden sein, so dass es dem Antragsgegner unschwer möglich sein wird, die Bauakten im Widerspruchsverfahren beizuziehen.
Auch die Anordnung unter Nr. 2 in der Ordnungsverfügung, die auf dem unter Punkt 1 genannten Betriebsstandort, also XXX (Gemarkung XXX, Flur X, Flurstück XX) lagernden Abfallstoffe innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Bescheides einer ordnungsgemäßen Entsorgung zuzuführen, erweist sich wegen der Abhängigkeit zu den offenen Fragen im Zusammenhang mit der Pflicht nach § 13 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG zur Überlassung wertstoffhaltiger Abfälle aus Privathaushalten an den Entsorgungsträger und den offenen Fragen im Zusammenhang mit der vom Antragsgegner behaupteten formellen Illegalität der Nutzung des Betriebsgeländes der Antragstellerin derzeit weder als offensichtlich rechtmäßig noch als offensichtlich rechtswidrig. Auch insoweit sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache (hier des Widerspruchsverfahrens) als offen einzuschätzen.
Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ordnungsverfügung könnten sich weiterhin auf der Rechtsfolgenseite ergeben. § 21 KrW-/AbfG, den der Antragsgegner als Ermächtigungsgrundlage herangezogen hat, räumt der Behörde bei der Frage, ob und in welcher Weise eingeschritten werden soll, ein Ermessen ein. Die Begründung der angefochtenen Ordnungsverfügung lässt allerdings Erwägungen zur Auswahl des richtigen Ordnungspflichtigen vermissen. Denn angesichts des Umstandes, dass nach dem Franchisevertrag zwischen der Antragstellerin und der DWG, die DWG Eigentümerin der auf dem Betriebsgrundstück der Antragstellerin zwischengelagerten Abfälle samt Sammelbehältnissen ist, kommt diese - grundsätzlich - neben der Antragstellerin als ordnungspflichtige Zustandsstörerin gem. § 17 Ordnungsbehördengesetz - OBG - in Betracht.
Die nach allem von der Kammer vorzunehmende Interessenabwägung anhand anderer, nicht auf die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens bezogener Gesichtspunkte ergibt, dass im vorliegenden Fall das Suspensivinteresse der Antragstellerin das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Untersagungsverfügung und der Anordnung zur ordnungsgemäßen Entsorgung der gelagerten Abfallstoffe überwiegt. Mithin ist dem Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die angefochtene Ordnungsverfügung insoweit stattzugeben. Denn bei den offenen Erfolgsaussichten in der Hauptsache gewinnt an Gewicht, ob die sofortige Vollziehung des Verwaltungsaktes dringlich ist. Das ist hier nicht der Fall. Grundsätzlich steht dem privaten Interesse der Antragstellerin an der Fortsetzung der Sammeltätigkeit und an der damit einhergehenden Vergütung für diese Sammeltätigkeit durch die DWG das öffentliche Interesse an einem voll funktionsfähigen öffentlich-rechtlichen Entsorgungssystem im Landkreis Barnim gegenüber, dass – so der Antragsgegner - bei einer Fortführung der streitgegenständlichen Sammlung durch die Antragstellerin gefährdet sei, weil diese dem Antragsgegner bestimmte Abfallmengen bis zur Entscheidung in der Hauptsache entziehe. Zudem sei seine Organisations- und Planungssicherheit jedenfalls „in der Summe“ der Tätigkeiten privater Entsorgungsunternehmen beeinträchtigt. Indes sind die Folgen der Sammeltätigkeit der Antragstellerin vom Antragsgegner bislang nicht substantiiert dargetan. Anhand des von der Antragstellerin vorgetragenen Datenmaterials ist eine ernsthafte Gefährdung des Entsorgungssystems des Landkreises Barnim eher nicht erkennbar.
Schwerer wiegt daher das Suspensivinteresse der Antragstellerin insbesondere deswegen, weil der Antragsgegner in der Zeit bis zu einer Hauptsachenentscheidung sein im Mai 2011 eingeführtes kombiniertes Hol- und Bringsystem für die Sammlung von Wertstoffen der PPK-Fraktion, insbesondere die „Barnimer Altpapiertonne“, auch in Werneuchen etablieren könnte, was zu einer Marktverdrängung der „Papierbank“ in Werneuchen und zur Einstellung der Sammlungstätigkeit auch im Falle des Obsiegens in der Hauptsache führen könnte. Soweit die sofortige Vollziehung der Anordnung unter Punkt 3 der Ordnungsverfügung angeordnet ist, überwiegt im Rahmen der erforderlichen Interessenabwägung das Suspensivinteresse der Antragstellerin, weil von den auf dem Flurstück XX der Flur X zwischengelagerten Wertstoffen, wie dargelegt, keine Gefährdung des Entsorgungssystems des Landkreises ausgeht und nichts dafür spricht, dass von diesen dort gelagerten Wertstoffen eine Gefahr für Mensch und Umwelt ausgeht.
Der die Zwangsgeldandrohungen betreffende, gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1, 1. Alternative, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, § 39 Verwaltungsvollstreckungsgesetz für das Land Brandenburg (VwVG BB) zulässige Antrag ist hinsichtlich der Androhungen unter Punkt 4a und 4b begründet. Diese Zwangsgeldandrohungen teilen das Schicksal der betreffenden Grundverfügungen unter Punkt 1 und Punkt 2 der angefochtenen Ordnungsverfügung. Gemäß § 15 Abs. 1 VwVG BB kann ein Verwaltungsakt mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden, wenn er unanfechtbar ist oder wenn ein Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung hat. Keine dieser Voraussetzungen trifft für die Grundverfügungen unter Punkt 1 und Punkt 2 zu, namentlich nachdem infolge der obenstehenden Ausführungen durch diesen Beschluss insoweit die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs - jedenfalls bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens - wiederhergestellt worden ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Sätze 1 und 3 VwGO. Danach waren die Kosten in vollem Umfang dem Antragsgegner aufzuerlegen, weil die Antragstellerin nur zu einem geringen Teil, nämlich hinsichtlich der Gebührenfestsetzung in Höhe von 502,08 Euro unterlegen ist.
Die Streitwertfestsetzung stützt sich auf §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes (GKG) und entspricht der Hälfte des für ein etwaiges Hauptsacheverfahren maßgeblichen Wertes; der Hauptsachewert wäre entsprechend der Bedeutung der Sache für die Antragstellerin nach den erwarteten Vergütungen aus dem Franchisevertrag mit der DWG für die untersagte gewerblichen Wertstoffsammlung und der anfallenden Kosten für die ordnungsgemäße Entsorgung der auf dem Betriebsgelände der Antragstellerin lagernden Abfallstoffe (Punkt 2 der Ordnungsverfügung) zu bestimmen gewesen. Mangels konkreter Angaben zur Höhe dieser Vergütung einerseits und der Entsorgungskosten andererseits bringt die Kammer aber für die Untersagungsverfügung und die Beräumungsanordnung unter Punkt 2. der Ordnungsverfügung jeweils den Auffangstreitwert von 5.000,00 Euro in Ansatz. Neben diesem Betrag in Höhe von insgesamt 10.000,00 Euro bleibt das in der Ordnungsverfügung ebenfalls angedrohte Zwangsgeld grundsätzlich außer Betracht (vgl. Nummer 1.6.2. Satz 1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom 07./08. Juli 2004). Mit Blick auf die Vorläufigkeit der Entscheidung war der sich ergebende Streitwert nur mit der Hälfte seines Betrages anzusetzen.